Loading AI tools
politisches System der Schweizerischen Eidgenossenschaft Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das politische System der Schweiz basiert auf dem demokratischen, republikanischen, rechtsstaatlichen und föderalistischen Prinzip.
Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist weder eine rein parlamentarische noch eine präsidiale Demokratie, sondern hat ein Regierungssystem in der Tradition des Direktorialsystems. Das politische System zeichnet sich durch folgende Merkmale aus, die sie insbesondere von anderen Demokratiemodellen der Gegenwart unterscheiden:
Die Gründe für dieses «genossenschaftliche» Staatsverständnis liegen vor allem in der Entstehung, Zusammensetzung und Entwicklung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der schweizerischen «Nation», die oft als Willensnation bezeichnet wird: Das Land ist weder ethnisch noch sprachlich, noch kulturell oder konfessionell eine Einheit, sondern versteht sich als ein aus dem freien Willen ihrer Bürger zusammengeschlossenes Gemeinwesen. Berücksichtigt wird die Tradition der alten Schweiz vor 1848 als heterogenes Bündnis unabhängiger Kleinrepubliken, der Vorläufer der heutigen Kantone, die deshalb auch als «Stände» (vgl. «Ständerat», «Standesweibel») und «Staaten» (vgl. «Staat Bern», «Staatsschreiber», «Staatskanzlei», «Staatsrat», «Staatssteuer») bezeichnet werden.
Die Schweizer Politik hat ihre eigene Terminologie: Häufig gebrauchte Ausdrücke mit einem spezifischen Schweizer Bedeutungsgehalt sind neben den bereits genannten die Interpellation, die Motion, das Postulat, die Subsidiarität und der Urnengang.
Grundlage bildet, neben den kantonalen Verfassungen, die Schweizerische Bundesverfassung, die 1848 die moderne Schweiz begründete und seither ständig überarbeitet sowie 1874 und 1999 vollständig erneuert wurde.
Die Schweiz kennt drei Staatsebenen: Gemeinde – Kanton – Bund. Die in einigen Kantonen vorhandenen Bezirke hingegen gelten nicht als Staatsebene, da sie Teil der kantonalen Verwaltung sind und damit keine politische Autonomie besitzen.
Der Bund umfasst alle Kantone der Schweiz und ist die oberste politische Ebene der Schweiz. Bei ihm liegt die Kompetenz-Kompetenz.
Das Parlament (Bundesversammlung) besteht aus zwei Kammern:
Nationalrat und Ständerat tagen in der Regel getrennt. Alle Gesetzgebungsvorhaben (Verfassungsänderungen, Bundesgesetze, Bundesbeschlüsse, Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen) werden in beiden Kammern behandelt und müssen von beiden Kammern angenommen werden. Im sogenannten Differenzbereinigungsverfahren werden allenfalls unterschiedliche Beschlüsse der Kammern zu einem Konsens geführt.
Eine Ausnahme der getrennten Beratung der beiden Kammern bildet die Vereinigte Bundesversammlung. Für die Wahl der sieben Mitglieder des Bundesrates (d. h. der Exekutive), des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers, der Bundesrichter und im Kriegsfall des Generals vereinigen sich National- und Ständerat zu einem Wahlorgan. Eine weitere Funktion der Vereinigten Bundesversammlung ist die Begnadigung (Erlass einer einem Individuum durch Bundesbehörden auferlegten Strafe gemäss Bundesrecht).
Die National- und Ständeräte sind bei der Ausübung ihres Mandats nicht an Weisungen von Kantonen, Parteien oder anderen Instanzen gebunden (sogenanntes Instruktionsverbot). In der politischen Realität allerdings sind zahlreiche Parlamentarier von Interessen und Interessenverbänden usw. abhängig.
Das Schweizer Parlament ist ein sogenanntes Milizparlament, das heisst, die National- und Ständeräte üben ihr Mandat nicht hauptberuflich aus.[4] Sie erhalten vom Staat keinen Lohn, sondern unter anderem Sitzungsgelder und Spesenentschädigungen.[5]
Das schweizerische Parlament arbeitet vor allem in Kommissionen.
Die Parlamente in den Kantonen heissen zumeist Kantonsrat oder Grosser Rat, in den Kantonen Basel-Landschaft, Glarus, Nidwalden und Uri Landrat und im Kanton Jura Parlament. Die Anzahl der Mitglieder schwankt zwischen 49 und 180.
Diese werden direkt vom Volk in der Regel auf vier, in den Kantonen Freiburg, Waadt und Genf auf fünf Jahre gewählt. Mit Ausnahme der beiden Appenzell (hier wiederum mit umgekehrter Ausnahme des Wahlkreises Herisau), wo das Mehrheitswahlrecht gilt, gelangt heute überall das Verhältniswahlrecht zur Anwendung. Die früher in grossen Teilen der Schweiz übliche Amtsdauer von drei Jahren wurde zuletzt im Kanton Appenzell Ausserrhoden 1995 und im Kanton Graubünden 2003/2006 auf vier Jahre verlängert; letzterer Kanton kannte bis ins ausgehende 20. Jahrhundert sogar eine parlamentarische Amtsdauer von nur zwei Jahren.
In den Kantonen Bern, Uri, Solothurn, Schaffhausen und Tessin kann das Kantonsparlament mittels Volksinitiative, die dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden muss, vorzeitig abberufen werden. Angesichts der mit vier Jahren nicht überlangen Amtsdauer ist dieses Recht allerdings von untergeordneter Bedeutung.
In den Kantonen Glarus und Appenzell Innerrhoden ist das oberste Gesetzgebungsorgan die Landsgemeinde, die einmal jährlich zusammentritt.
Der Bundesrat ist die Schweizer Bundesregierung (in der Schweiz als Landesregierung bezeichnet). Er besteht aus sieben gleichberechtigten Mitgliedern (siehe auch Kollegialitätsprinzip), die den einzelnen Departementen (Ministerien) der Bundesverwaltung vorstehen.
Die Schweiz ist damit eines der wenigen Länder der Welt, welches eine Kollegialregierung kennt, in der alle Regierungsmitglieder gleichberechtigt sind und es keinen Regierungschef gibt. Die Stellung eines Mitglieds des Bundesrates ist deutlich stärker, als diejenige eines Ministers in den meisten anderen Ländern. Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass die Mitglieder des Bundesrates zusammen für die gesamte Regierungsarbeit verantwortlich sind und nicht nur für ihr jeweiliges Ressort (Departement). Zum anderen sind die Bundesräte nicht von der Unterstützung eines Regierungschefs abhängig und können zudem während der Legislaturperiode nicht abgesetzt bzw. abgewählt werden.[6] Möglich, wenn auch sehr unüblich ist aber, dass ein Bundesrat bei der alle vier Jahre stattfindenden Gesamterneuerungswahl nicht wiedergewählt wird. Eine Nichtwiederwahl, welche umgangssprachlich zuweilen auch als «Abwahl» bezeichnet wird, kam seit Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 erst viermal vor (zuletzt 2007).
Der Bundespräsident wird im jährlichen Turnus aus den Mitgliedern des Bundesrates gewählt. Er präsidiert während eines Jahres als primus inter pares die Landesregierung neben seinen Pflichten als Departementsvorsteher, übt aber nicht die Funktion eines Staatsoberhauptes aus. Verbleibt ein Mitglied des Bundesrates längere Zeit im Amt, wird es oft mehrmals (häufig zweimal) zum Bundespräsidenten gewählt. Es gilt die ungeschriebene Regel, dass derjenige Bundesrat zum Vizepräsidenten und ein Jahr darauf zum Bundespräsidenten gewählt wird, der dieses Amt schon am längsten nicht mehr (oder noch nicht) bekleidet hat.[7]
Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft definiert kein Staatsoberhaupt. Aufgrund seiner Stellung wird üblicherweise der Gesamtbundesrat als Staatsoberhaupt angesehen. Damit ist die Schweiz eines der wenigen Länder der Welt, welches ein kollektives Staatsoberhaupt (bestehend aus mehreren Personen) aufweist.
Die einzelnen Mitglieder des Bundesrates werden als «Bundesrat» bzw. «Bundesrätin» bezeichnet (Anrede als «Herr Bundesrat» bzw. «Frau Bundesrätin»). Ist die Rede vom Bundesrat als Kollegium, wird zwecks Präzisierung zuweilen die Bezeichnung Gesamtbundesrat verwendet. Die Bezeichnung «Minister» ist in der Schweiz unüblich, wird aber hie und da umgangssprachlich oder in den Medien verwendet (z. B. «Innenminister» oder «Finanzminister»). Geht es um die Funktion eines Bundesrates als Leiter eines Departements, werden üblicherweise die Bezeichnungen «Departementsvorsteher» oder «Departementschef» verwendet. In Kombination mit dem Namen des betreffenden Departements oder dessen Abkürzung werden auch die Bezeichnungen «Vorsteher» oder «Chef» verwendet (z. B. «Chef des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten», «Vorsteher des EDA» oder «Chef EDA»).
Der Bundesrat wird vom Parlament gewählt. Die Reihenfolge der einzelnen Bundesräte ergibt sich wie folgt: Der Bundespräsident steht protokollarisch an der Spitze, gefolgt vom Vizepräsidenten.[8] Danach folgen die Bundesräte in der Reihenfolge des Amtsalters zur Wiederwahl gemäss Anciennitätsprinzip.[9] Die Zuteilung der Departemente erfolgt ebenfalls nach der Anciennität. Der am längsten amtierende Bundesrat kann zuerst äussern, welchem Departement er vorstehen möchte, dann jener, der am zweitlängsten im Amt ist usw. Die Entscheidung darüber, wer welches Departement tatsächlich erhält, fällt das Gremium kollektiv, und muss sich dabei nicht an die Präferenzen einzelner Mitglieder halten.[10]
Bundesrat | Kanton | Partei |
---|---|---|
Viola Amherd (Bundespräsidentin 2024) | Wallis | Die Mitte |
Karin Keller-Sutter (Vizepräsidentin 2024) | St. Gallen | FDP |
Guy Parmelin | Waadt | SVP |
Ignazio Cassis | Tessin | FDP |
Albert Rösti | Bern | SVP |
Elisabeth Baume-Schneider | Jura | SP |
Beat Jans | Basel-Stadt | SP |
Stabsstelle des Bundesrates ist die Bundeskanzlei, welche durch den Bundeskanzler geleitet wird. Die Bundeskanzlei hat die zentrale Scharnierfunktion zwischen Regierung, Verwaltung, Bundesversammlung und Öffentlichkeit inne.[11] Sie ist verantwortlich für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Bundesratssitzungen.[11] Der Bundeskanzler nimmt an sämtlichen Sitzungen des Bundesrates teil, wo er über ein Antrags- aber kein Stimmrecht verfügt. Dem Bundeskanzler stehen zwei Vizekanzler zur Seite.[12]
Als höchste Staatsfunktionäre werden die Mitglieder des Bundesrates sowie der Bundeskanzler als «Magistraten» bzw. «Magistratspersonen» (von lateinisch magistratus «Obrigkeit») bezeichnet.[13] Ebenfalls in diese Kategorie fallen die ordentlichen Bundesrichter.[13]
Die gliedstaatliche Exekutive heisst in den meisten deutschschweizerischen Kantonen Regierungsrat, in den ganz oder mehrheitlich französischen Kantonen sowie im italienischen Kanton Tessin Staatsrat (französisch: Conseil d’État, italienisch: Consiglio di Stato), im Kanton Appenzell Innerrhoden Standeskommission und in den Kantonen St. Gallen, Graubünden und Jura Regierung (französisch: Gouvernement, italienisch: Governo, rätoromanisch: Regenza). Die Anzahl der Mitglieder beträgt je nach Kanton fünf oder sieben Mitglieder. In den letzten Jahren ist aus Spar- und Effizienzgründen ein Trend zur Verkleinerung der Kantonsregierungen von sieben auf fünf Mitglieder zu beobachten.
Gleich wie auf Bundesebene gilt das Kollegialitätsprinzip. Es gibt somit keinen kantonalen Regierungschef, sondern in der Regel lediglich ein sog. Primus inter Pares, der für ein Jahr die Sitzungen der Regierung leitet. Dieser trägt je nach Kanton eine andere Bezeichnung, am häufigsten (Regierungs-)Präsident, dann auch Landammann, Regierender Landammann (Appenzell Innerrhoden) oder Schultheiss (Kanton Luzern; bis 2007). Dazu ist ein Regierungsmitglied jeweils für ein Jahr Vize und damit designierter Regierungspräsident bzw. Landammann für das nächste Jahr. Einen andern Weg beschreiten die neuen Kantonsverfassungen der Waadt (2003) und von Basel-Stadt (2005), welche die Amtsdauer des Regierungspräsidenten mit derjenigen des Regierungsrates gleichsetzen, also die früher einjährige Amtsdauer auf fünf bzw. vier Jahre ausdehnen.
Die Mitglieder werden überall direkt vom Volk gewählt, heute in der Regel für eine Amtsdauer von vier, in den Kantonen Freiburg und Waadt von fünf Jahren, im Kanton Appenzell Innerrhoden aber von nur einem Jahr. Mit Ausnahme des Kantons Tessin (und bis 2013 auch von Zug), wo das Verhältniswahlrecht gilt, gelangt überall das Mehrheitswahlrecht zur Anwendung.
In den Kantonen Bern, Uri, Solothurn, Schaffhausen, Thurgau und Tessin kann die Kantonsregierung mittels Volksinitiative, die obligatorisch dem Volk zu unterbreiten ist, vorzeitig abberufen werden. Angesichts der mit vier Jahren nicht überlangen Amtsdauer der Behörde kommt diesem Recht freilich wenig Bedeutung zu.
Nach Art. 30 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV) hat jede Person, dessen Anliegen in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht.
Die Judikative auf Bundesebene besteht aus dem Bundesgericht mit Sitz in Lausanne und Luzern (zwei sozialrechtliche Abteilungen), dem Bundesstrafgericht in Bellinzona (seit April 2004) sowie dem Bundesverwaltungsgericht (seit Januar 2007) und dem Bundespatentgericht (seit Januar 2012) in St. Gallen. Die Wahl der Richter und Richterinnen erfolgt durch die Vereinigte Bundesversammlung.
Auf Bundesrecht basiert auch die Tätigkeit der Militärgerichte bzw. der Militärjustiz.
Die Schweiz kennt auf Bundesebene keine Verfassungsgerichtsbarkeit, wie sie zum Beispiel das deutsche Bundesverfassungsgericht ausübt. Für das Bundesgericht sind die Bundesgesetze verbindlich (Art. 190); ihm ist es nicht möglich, sich auf Unvereinbarkeit mit Verfassungsbestimmungen zu berufen und dadurch zum Beispiel Bundesgesetze für ungültig erklären zu lassen. Hingegen darf es kantonale Gesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit beurteilen und nötigenfalls für ungültig erklären.
Die Judikative auf kantonaler Ebene umfasst alle den Bundesgerichten vorgeschalteten Instanzen.
Der Schweizer Bundesstaat besteht aus 26 Kantonen, davon sechs (Obwalden, Nidwalden, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt und Basel-Landschaft), die aus historischen Gründen als Halbkantone bezeichnet werden und daher auch nur je einen von 46 Ständeratssitzen zugeteilt erhalten. Die Kantone haben eine gewisse politische Autonomie und können einiges in eigener Kompetenz regeln. Im Allgemeinen gilt, dass der Bund nur die in der Bundesverfassung einzeln aufgezählten Kompetenzen hat; alle anderen verbleiben bei den Kantonen. Sie regeln auch ihre Angelegenheiten untereinander (interkantonal), u. a. auch in interkantonalen Konferenzen.[15] Seit Jahren ist eine Kompetenzverschiebung von den Kantonen zum Bund festzustellen.[16]
Der Föderalismus in der Schweiz hat, auf der kantonalen und Bundesebene, im Wesentlichen zwei Elemente:
Die Bundesverfassung formuliert die Grundsätze des schweizerischen Föderalismus wie folgt:
Art. 43a Abs. 1
Art. 44 Abs. 1
Die Schweiz ist eine repräsentative Demokratie mit direktdemokratischen Elementen. Diese Kombination der beiden Systeme wird auch als halbdirekte Demokratie bezeichnet.[18] Die Demokratie in der Schweiz zeichnet sich dadurch aus, dass die Bürger nicht nur von einem Parlament repräsentiert werden, sondern auch direkt auf die Rechtsetzung einwirken können. Obschon die repräsentativen Elemente älter als die direktdemokratischen sind (Totalrevision der Bundesverfassung 1874), sind letztere zentral für die Funktionsweise des Schweizer Staates.[19]
All das ändert aber nichts daran, dass die schweizerische Demokratie von ihrem Grundwesen her repräsentativ ist. Die Mehrheit der politischen Entscheidungen erfolgen ohne Mitwirkung des Volkes; nur etwa gegen 7 % der referendumspflichtigen Erlasse wird es auch wirklich ergriffen. Der Inhalt der Gesetze wird ausschliesslich vom Parlament bestimmt, der Inhalt der Bundesverfassung fast ausschliesslich, wobei ein Trend zu vermehrt erfolgreichen Volksinitiativen beobachtet werden kann. Dass die Stimmbürger nachträglich Verfassungs- und Gesetzesänderungen die Anwendung versagen können, hat jedoch erhebliche Vorwirkungen auf den Inhalt der Normen (Referendumssicherheit). Die Bedeutung der direktdemokratischen Elemente liegt somit auch in ihrem Einfluss auf den politischen Prozess. Vor allem ermöglichen sie eine bessere Kommunikation zwischen dem Volk und seinen Repräsentaten. Zudem verleihen die Volksrechte dem staatlichen Handeln mehr Legitimität als in anderen Staaten, denn die Beschlüsse des Parlaments werden explizit (durch Abstimmung) oder implizit (es wurde kein Referendum ergriffen) vom Volk mitgetragen.[19]
Das Mitspracherecht des Volkes ist in der Schweiz weit entwickelt. Man muss zwei Formen der direkten Demokratie unterscheiden: die Versammlungsdemokratie und die Abstimmungsdemokratie. Die Versammlungsdemokratie ist auf dem Land verbreitet, vor allem in den Gemeinden mit meist unter 5000 Einwohnern (Gemeindeversammlung), und sie existiert in Form der Landsgemeinde in einzelnen kleinen Kantonen. Die Abstimmungsdemokratie gibt es auf Bundes- sowie auf Kantons- und Gemeindeebene.
Jede Änderung der Verfassung verlangt zwingend eine Volksabstimmung; auf Bundesebene sind dabei das Volks- und das Ständemehr erforderlich. Gesetze unterstehen auf Bundesebene und in den meisten Kantonen dem fakultativen, in einzelnen Kantonen dem obligatorischen Referendum. Neue Verfassungsartikel können im Bund und in den Kantonen von einer bestimmten Anzahl Stimmberechtigter mit einer Volksinitiative vorgeschlagen und – wenn der Artikel in der anschliessenden Volksabstimmung angenommen wird – in die Verfassung aufgenommen werden.[20]
Die Schweiz kennt folgende Mitbestimmungsrechte auf Bundesebene:
Die Wahl der Regierung ist kein Volksrecht. Schweizerinnen und Schweizer haben dieses Recht nur auf kantonaler und kommunaler Ebene. Die Landesregierung wird gleich wie das Bundesgericht von den Parlamentariern der Vereinigten Bundesversammlung gewählt.
Die Ausgestaltung der Volksrechte in den Kantonen entspricht grundsätzlich derjenigen im Bund, wobei historisch gesehen der Bund die Regelung der Kantone übernommen hat.
Noch heute gehen die kantonalen Volksrechte allerdings über diejenigen auf Bundesebene hinaus:
Im Gegensatz zum Bund kennen einige Kantone noch das obligatorische Referendum, wonach ausnahmslos jedes kantonale Gesetz der Volksabstimmung zu unterbreiten ist. Heute allerdings sind die meisten Kantone auf das fakultative Referendum umgeschwenkt, womit für Gesetze nur noch eine Volksabstimmung anberaumt wird, wenn dies von einer bestimmten Anzahl Parlamentariern oder aber einer bestimmten Anzahl Stimm- und Wahlberechtigten verlangt wird. Einzelne Kantone wie Basel-Landschaft oder Schaffhausen kennen einen Mittelweg, indem Gesetze, denen im Kantonsparlament mit einer Mehrheit von mindestens vier Fünfteln der Ratsmitglieder zugestimmt worden ist, dem fakultativen, die übrigen aber dem obligatorischen Referendum unterstehen. Änderungen der Kantonsverfassungen unterstehen hingegen in allen Kantonen dem obligatorischen Referendum. Zürich hat ebenfalls eine unikale Lösung, indem hier zwar die meisten Gesetze dem fakultativen, Steuergesetze aber dem obligatorischen Referendum unterliegen.
An Abstimmungen und Wahlen nehmen in der Schweiz im langjährigen Durchschnitt rund 45 Prozent der Stimmberechtigten pro Abstimmung teil, was im internationalen Vergleich an sich gering wäre. Allerdings müsste man Gleiches mit Gleichem vergleichen – einmal in vier, fünf Jahren Wahlen und viermal jährlich, notabene verbindliche, Abstimmungen zu, im gleichen Termin, mehreren Themen. Und genau hier «hinken» oberflächliche Vergleiche, in denen die politische Beteiligung in der Schweiz massiv unterschätzt wird. So nehmen 75 Prozent der Stimmberechtigten an mindestens einem von sieben Urnengängen teil. Politologische Untersuchungen zeigen weiter, dass rund 25 Prozent der Stimmberechtigten an allen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen, 20 Prozent an keinen, und 55 Prozent unregelmässig.[21]
Die Versammlungsdemokratie in der Schweiz hat ihre Wurzeln in den Korporationen des Mittelalters, die Abstimmungsdemokratie im 19. Jahrhundert. Letztere wurde in den meisten Kantonen in den 1860er- bis 1880er-Jahren etabliert, und auch beim Bund setzte sie sich ab 1874 durch. Die nachhaltigste Ausnahme bildete der Kanton Freiburg, wo sich eine repräsentativ-demokratische Staatsform fast fünfzig Jahre länger hielt als in den anderen Kantonen und erst 1918 durch direkt-demokratische Institutionen abgelöst wurde. Einen Rückschlag erlitt diese Form dort erneut in den 1930er Jahren, als das Kantonsparlament eine Verfassungsreform im korporativistischen Geiste beschloss, deren Einführung schliesslich durch das Bundesgericht abgewendet wurde.[22]
Das politische Leben der Schweiz wird wesentlich durch die politischen Parteien mitbestimmt. Sie sind dezentral organisiert als Vereine auf Gemeinde- oder Kantonsebene, die sich zu den nationalen Parteien zusammenschliessen.
politisches System der Schweiz (Q688192)
Forschungsstellen der Hochschulen zur weiteren Erforschung und Entwicklung des Föderalismus und der direkten Demokratie:
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.