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Modell planmäßiger Entwicklung von Großstädten Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Gartenstadt ist ursprünglich ein von dem Briten Ebenezer Howard im Jahr 1898 in England entworfenes Modell der planmäßigen Stadtentwicklung als Reaktion auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse sowie die steigenden Grundstückspreise in den stark gewachsenen Großstädten.
Umgangssprachlich wird der Begriff heute für besonders begrünte Städte verwendet. Dadurch entstehen bei der Verwendung des Fachbegriffes oftmals falsche Assoziationen.
Ebenezer Howard war Genossenschaftssozialist und nach einem gescheiterten Siedlungsexperiment in Amerika wieder nach London zurückgekehrt, wo er als Parlamentsstenograph arbeitete. Sein Ziel war, das rasante Wachstum, das britische Großstädte (vor allem London) im Zuge der Industrialisierung erfahren hatten, in geordnete Bahnen zu lenken. Statt eines unkontrollierten Wachstums neuer Stadtviertel am Rande der bestehenden Großstadt bzw. weiterer Verdichtung im Stadtinneren, die zur Bildung von Slums führt, schlug Howard die völlige Neugründung von Städten im Umland vor.
Der Spekulationsgewinn bei der Umwandlung von billigem Agrarland in wertvolles Bauland sollte der (genossenschaftlich organisierten) Allgemeinheit der neuen Stadt zugutekommen und einen großen Teil der Baukosten tragen. Der Boden bleibt genossenschaftlicher Gemeinbesitz und wird nur in Erbpacht verliehen. 1898 hieß Howards Buch noch To-morrow – A Peaceful Path to Real Reform, gemeint ist die genossenschaftssozialistische Lösung der Bodenfrage. Erst die zweite Auflage hieß Garden Cities of To-morrow.
Das Buch bewirkte die Entstehung der Gartenstadtbewegung, die zunächst auf die Gründung derartiger Gartenstädte zielte und damit auch sozialreformerische Ideen verband. Wichtig war die Mitbestimmung der Bewohner und lebenslanges Mietrecht.
Die Gartenstädte sollten im Umland großer Städte auf bisherigem Agrarland neu gegründet werden. Sie sollten aus sieben eigenständigen Teilen bestehen, mittelgroßen Städten, die durch breite Agrargürtel voneinander getrennt und durch Eisenbahnen miteinander verbunden wären. Damit sollte die bisherige strikte Trennung von Stadt und Land aufgehoben werden, um die Nachteile der Großstadt zu vermeiden und ihre Vorteile beizubehalten (etwa leicht erreichbare gute Kultureinrichtungen).
Ein häufig vergessener Aspekt der Gartenstadt-Konzeption ist die Nutzungstrennung: Die einzelnen Funktionen sollten konzentrisch angeordnet und durch breite Grünstreifen voneinander getrennt werden. Um einen gartenähnlich gestalteten zentralen Platz sollten die öffentlichen Gebäude angeordnet werden. Um diese sollte ein erster Parkring (und zwar 58 Hektar groß) angeordnet werden, der von einem etwa 600 Meter tiefen Ring mit Wohngebäuden umgeben wird. In der Mitte des Wohnringes sollte die Grand Avenue angelegt werden, die einen Grüngürtel besitzt, in dem Schulen, Kirchen und Spielplätze angeordnet werden sollten. Außerhalb des Wohnringes sollten die industriellen und gewerblichen Arbeitsplätze liegen.
Die englische „Gartenstadtbewegung“ (Garden City movement) organisierte sich in der Garden City Association (Gartenstadtgesellschaft), die schließlich großflächig Land in der englischen Grafschaft Hertfordshire ankaufte und ab 1903 im Sinne der Bewegung bebaute, es entstand Letchworth Garden City. 1920 gelang die Gründung einer weiteren englischen Gartenstadt Welwyn Garden City. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Dutzende staatlich gegründeter englischer New Towns rund um London.
Howards Skizzen zum Bau einer Gartenstadt waren sehr regelmäßig geometrisch: kreisrund in konzentrischen Kreisen, aber keineswegs als Baupläne gedacht. Die nach Plänen der Architekten Raymond Unwin und Barry Parker gebaute erste Gartenstadt Letchworth ist dagegen betont unregelmäßig mit bewusst „krummen“ Straßen entlang der Geländekonturen angelegt, die Häuser sind im traditionellen englischen Stil gebaut.
Diese besondere Bauweise der ersten Gartenstadt Letchworth, d. h. das architektonische und ästhetische Konzept, wurde zum Vorbild vieler Siedlungen im In- und Ausland, die sich ebenfalls „Gartenstadt“ nannten, obwohl sie mit dem ursprünglich zugrundeliegenden genossenschaftssozialistischen Modell überhaupt nichts zu tun haben.
Die daraus resultierende „Gartenstadtbewegung“ war eine städtebauliche Strömung. Sie propagierte ein Leben im Grünen, also Siedlungen mit Gärten zur Selbstversorgung, Parks und kleiner Industrie, das Einfamilienhaus mit Garten wurde zum Ideal der Wohnform.
Die Gartenstadt-Idee fand auch in Deutschland starken Anklang, wo schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts ähnliche Vorstellungen bei der Gründung großer Villenkolonien für das Bürgertum entwickelt worden waren (Marienthal in Hamburg, Lichterfelde-West, Alsen und später Grunewald in Berlin, die Dresdner Villen). Der Dresdner Schriftsteller und Obstzüchter Arthur Rothe (1867–1959) forderte 1910 die Umwandlung Deutschlands in eine Art „Gartenstadt“.[1] In Deutschland entstanden mit fortschreitender Industrialisierung als Antwort auf die Probleme und Nöte der Arbeiter ab 1900 gemeinnützige Baugesellschaften.
1902 wurde in Berlin die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft (DGG) gegründet. Zu den Gründern gehörten die aus dem Umfeld des Friedrichshagener Dichterkreises und der Neuen Gemeinschaft stammenden Brüderpaare Bernhard Kampffmeyer und Paul Kampffmeyer, Heinrich Hart und Julius Hart sowie Wilhelm Bölsche und Gustav Landauer. Erster Vorsitzender der DGG wurde Heinrich Hart. Zu den ersten Vorstandsmitgliedern gehörten Wilhelm Bölsche, Julius Hart, Fidus, Magnus Hirschfeld, Bernhard Kampffmeyer, Adolf Otto und Franz Oppenheimer. Nach dem Tod von Heinrich Hart übernahm Bernhard Kampffmeyer 1906 den Vorsitz in der DGG. Zu den Vorstandsmitgliedern gehörte auch Paul Schirrmeister.
Die DGG war nicht als Baugesellschaft angelegt, sondern wollte zunächst als lebens- und sozialreformerische Organisation für die Idee der Gartenstädte eintreten. § 1 der Satzung besagte: „Die deutsche Gartenstadt-Gesellschaft ist eine Propagandagesellschaft. Sie erblickt ihr Hauptziel in der Gewinnung des Volkes für die Begründung von Gartenstädten.“
Vortrags- und Lichtbildveranstaltungen sorgten für die Verbreitung der Gartenstadt-Idee. Auch eine Zeitschrift Gartenstadt wurde herausgegeben.
Ihre sozialreformerischen Ziele formulierten die Gründer in den Statuten wie folgt: „Eine Gartenstadt ist eine planmäßig gestaltete Siedlung auf wohlfeilem Gelände, das dauernd in Obereigentum der Gemeinschaft gehalten wird, derart dass jede Spekulation mit dem Grund und Boden unmöglich ist.“
Mit dieser ursprünglichen Zielsetzung ging man weit über das hinaus, was Villenkolonien oder der Werkswohnungsbau leisten wollten. Die Ziele der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft beziehen sich auf die folgenden zwei Kernpunkte:
Im gleichen Jahr, in dem sich die DGG gründete, kaufte Bruno Wilhelmi – der Gründer der Kolonie „Eden“ bei Oranienburg – in Woltersdorf bei Berlin einen Großteil der dortigen Ackerflächen, um ab 1903 die von der Gartenstadtbewegung inspirierte Siedlung „Schönblick“ anzulegen. Die vollständige Umsetzung der Gartenstadt-Konzeptes – mit einem zentralen Platz – scheiterte jedoch, da ein Bauer seine Ackerflächen in der Mitte der Siedlung nicht verkaufte.[2]
Hellerau (seit 1950 Stadtteil Dresdens) war – geplant ab 1906, gebaut ab 1909 – die erste, zugleich vollständigste und radikalste Verwirklichung einer Gartenstadt in Deutschland. Der Dresdner Möbelfabrikant Karl Schmidt gründete zur Umsetzung seiner sozialreformerischen Pläne gemeinsam mit dem Architekten Richard Riemerschmid die Gartenstadt Hellerau GmbH. Mit dem 1911/12 errichteten Festspielhaus erhielt der Ort auch früh eine Bedeutung als Kulturzentrum. Infolge der schon 1955 erfolgten Denkmalschutz-Einstufung ist die Hellerauer Gartenstadt noch heute annähernd im Originalzustand erhalten.
In Nürnberg entstand nach den Gestaltungsgrundsätzen der Gartenstadtidee ab 1907 die Wohnkolonie am Rangierbahnhof als Eisenbahnersiedlung unter anderem durch German Bestelmeyer. Ab 1910 entstand südlich Nürnbergs der Stadtteil Gartenstadt nach Plänen von Richard Riemerschmid u. a. sowie die MAN-Werksiedlung Werderau. Alle drei Siedlungen stehen unter Denkmals- und Ensembleschutz.
Auch das Augsburger Thelottviertel wird als erste Gartenstadt Deutschlands bezeichnet. Baubeginn war 1907, die Fertigstellung erfolgte 1929.
Die seit 1909 entstandene Krupp-Siedlung Margarethenhöhe in Essen wird oft ebenfalls als erste deutsche Gartenstadt bezeichnet (geplant von Georg Metzendorf/Kruppsches Baubüro), sie ist aber „Gartenstadt“ nur in Hinblick auf die Bauweise. Ein genossenschaftliches Konzept fehlt hier völlig. Eine weitere frühe Gartenstadt entstand in Neumünster ab 1910.
Die 1905 in Karlsruhe-Rüppurr von Hans Kampffmeyer, dem jüngeren Cousin von Bernhard Kampffmeyer, mitgegründete Gartenstadt-Genossenschaft folgt dagegen dem ganzheitlichen, sozial geprägten Anspruch der englischen Gartenstadtbewegung und schloss in einer Art Bündnis Volkswirte, Sozialreformer, Architekten, Hygieniker, Kommunalpolitiker, Genossenschaftler und Verleger zusammen.
Eine weitgehend unverändert erhaltene Gartenstadtsiedlung, die zwischen 1912 und 1955 erbaute Knerling-Siedlung, befindet sich in Altena. Sie wurde von der Altenaer Baugesellschaft errichtet und am 29. April 2010 durch Denkmalbereichssatzung der Stadt Altena unter Schutz gestellt.[3]
Bereits ab 1904 nahm die Gartenstadt-Gesellschaft Abschied von der Utopie einer Gesellschaftserneuerung und wollte sich fortan nur noch für eine konsequente Bodenreform einsetzen. Auch die Idee der autarken und autonomen Gartenstadt wurde zunehmend zugunsten von Wohnsiedlungen, Gartenvorstädten und Erweiterung von Städten im Sinne der Gartenstadt aufgegeben. Man orientierte sich also am Gängigen und Machbaren. Mit dieser bürgerlich-reformerischen Linie, für die wesentlich Hans Kampffmeyer stand, öffnete sich die Gartenstadt-Bewegung weiteren Bevölkerungskreisen.
Der Vorstand der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft hatte im Jahr 1909 mit Bernhard Kampffmeyer, Paul Kampffmeyer, Adolf Otto und Franz Oppenheimer nur noch wenige der ursprünglichen Gründungsmitglieder. Hinzu kamen Carl Johannes Fuchs, Paul Schultze-Naumburg, Werner Sombart, Joseph August Lux, Ferdinand Avenarius, Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Hermann Muthesius und Karl Schmidt. Schmidt, Muthesius und Riemerschmid waren bereits 1906 maßgeblich an der Gründung Helleraus beteiligt und brachten reale Erfahrungen mit in den Vorstand.
Im Jahre 1909 führte Bernhard Kampffmeyer zusammen mit Adolf Otto eine Exkursion der DGG zu englischen Gartenstädten durch, die maßgeblich die weitere Entwicklung beeinflusste. 1909 wurde der Begriff Gartenstadt bereits inflationär für unterschiedlichste Formen von Siedlungen benutzt und war teilweise zum Spielball von Baugesellschaften geworden. Kampffmeyer klagte: „Das Wort Gartenstadt ist zu einem großen Sammelbegriff geworden, in den man heute ziemlich unterschiedslos die verschiedensten Siedlungsgebilde hinein wirft – ohne Rücksicht auf soziale Grundlagen und Ziele.“ Bernhard Kampffmeyer entwickelte aus den Erfahrungen der Studienreise einige theoretische Überlegungen zu den Begriffen ‚Gartenstadt‘, ‚Gartendorf‘ und ‚Gartenvorstadt‘, die er zusammengefasst 1919 publizierte.
Der Beginn des Ersten Weltkrieges stoppte oder verhinderte zunächst die Ausführung vieler Pläne, und die Bautätigkeiten mussten zeitweilig eingestellt werden.
Am Ende und nach dem Ersten Weltkrieg kam es im Deutschen Reich durch Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft, Reparationsforderungen, die freigesetzten und arbeitslosen Soldaten und die Flüchtlingsströme zu ernsten Versorgungs-, Ernährungs- und Unterbringungsengpässen. Der Begriff Steckrübenwinter ist teilweise heute noch in Erinnerung. Direkt nach dem Ersten Weltkrieg wurden nun an vielen Orten auf ehemaligem Ackerland mit geringstem baulichen Aufwand im Rahmen von Genossenschaftsmodellen Wohnsiedlungen erbaut, die den Menschen schnell günstigen Wohnraum und die Möglichkeit zur Selbstversorgung schaffen sollten. Deshalb besaßen die Häuser ausreichend große Gartengrundstücke (z. B. rd. 1200–1300 m² für zwei Familien), um in gewissem Umfang Gemüse und Obst anbauen und Kleintierhaltung betreiben zu können.
Ein Beispiel hierfür ist die Siedlung Daheim des gleichnamigen Genossenschaftsvereins in Berlin-Mariendorf östlich der Trabrennbahn. Hier wurden auf erworbenem Ackerland zweistöckige Doppelhäuser für je vier Familien nach Typenplänen von 1919 bis 1923 in einer Sparbauweise errichtet und in den folgenden Jahren entsprechend den finanziellen Möglichkeiten der Genossenschaft schrittweise vervollständigt. Die Außenwände wurden z. B. als Hohlwände mit auf der Schmalseite stehenden Ziegeln gebaut (Tauberwand), um den Materialbedarf zu verringern. Die Balkenlagen der Zwischendecken und der Dachkonstruktionen haben relativ große Abstände von etwa einem Meter; oft wurde auch Altholz aus Abbruchhäusern verwendet. Die Genossenschaftsmitglieder waren am Aufbau der Siedlung mit beteiligt.
Zu einem der bedeutendsten Vertreter dieser Bauweise wurde nach dem Ersten Weltkrieg der Architekt Paul Schmitthenner, der seit 1913 an der Ausführung verschiedener Gartenstädte beteiligt war, und der vielfach über Gartenstädte und „Volkswohnhäuser“ nach deren Prinzipien publizierte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges blieb von der Idee der Gartenstadt nurmehr das Einfamilienhaus als Wohnideal übrig.
Die unmittelbar in Gartenstädten geschaffenen Wohneinheiten blieben eine sehr geringe Zahl gegenüber den von anderen Wohnungsbaugesellschaften und dem Werkswohnungsbau geschaffenen Wohneinheiten. Die Wirkung der Gartenstadt-Idee beeinflusste aber die Stadtplanung nachhaltig.
In schroffem Gegensatz zum emanzipatorischen Gehalt von Howards ursprünglichem Gartenstadtgedanken steht dessen Rezeption durch rechte Strömungen. Schon 1896, also zwei Jahre vor dem Erscheinen der englischen Erstausgabe von Howards Buch, war ein ähnliches Konzept in Deutschland erschienen, dort verbunden mit antisemitischer Polemik.[4] Von da an führt die begriffliche Verbindung von „ländlicher“ Stadt und „Gemeinschaft“ bis in die Zeit des Nationalsozialismus. Hans Bernhard Reichow veröffentlichte 1941 den Aufsatz Grundsätzliches zum Städtebau im Altreich und im neuen deutschen Osten[5], in dem er für die von ihm erwarteten neuzugründenden Städte vor allem in den „Kolonisationsgebieten des neuen deutschen Ostens“ Richtlinien aufstellte, die sich im Wesentlichen an der Vorstellung der „Stadtlandschaften“, das heißt der Gartenstädte, orientierten. Trotz der Formulierung „Hier wird […] auf die geistigen und idealen Bindungen des neuen Städtebaues im Hinblick auf die Gesamtform der Stadt und ihre Erscheinung als Ausdruck einer wiedergewonnenen und neuen Gemeinschaft einzugehen sein“ fehlt in Reichows Aufsatz die Reflexion über die Art dieser Gemeinschaft sowie ihr Verhältnis zur baulichen Gestalt der neuen Städte. Die Spuren der Gartenstadtvorstellung lassen sich bis in offizielle Verlautbarungen des nationalsozialistischen Regimes verfolgen. In einer Allgemeinen Anordnung vom 30. Januar 1942 (Richtlinien für die Planung und Gestaltung der Städte in den eingegliederten deutschen Ostgebieten)[6] des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, in seinem Amt als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums heißt es:
„Die Grüngebiete sind als ein zusammenhängendes System auszubilden, das vom Stadtinneren in die freie Landschaft überleitet. […] Durch ein an die Wohngebiete anschließendes Netz öffentlicher Fuß- und Radwege sind die innerstädtischen Grünflächen mit Wäldern, Wasserflächen und sonstigen landschaftlich schönen Teilen der Umgebung in Verbindung zu bringen.“
Im zitierten Aufsatz schrieb Reichow: „Im Rahmen dieser Gesamtorganisation entwickelt sich die Siedlungsform aus einem zellenmäßigen Aufbau, der dem neuen politischen Aufbau entspricht und zugleich Wehr- und Luftschutzgesichtspunkten Rechnung trägt.“[7] Woran er dabei vermutlich dachte, war schon 1938 in den Richtlinien für den baulichen Luftschutz im Städtebau ausgeführt worden, die der Reichsarbeitsminister herausgegeben hatte. Die Bebauung sollte weiträumig sein, mit großen Freiräumen zwischen den Gebäuden,[8] weil aufgelockerte Bebauung nicht so anfällig gegen Zerstörungen durch Bombenabwürfe ist wie die enge Bauweise der traditionellen Städte, und weil sich in weiträumigen Flächen zwischen den Häusern für die Bevölkerung eher Ausweich- und Fluchtmöglichkeiten bieten.
Anfang 1944 berichteten Konstanty Gutschow und Rudolf Hillebrecht, beide Mitglieder im Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte, im Auftrag Albert Speers über Kriegszerstörungen in deutschen Städten und entwickelten Konzepte zum Wiederaufbau. Auch hier heißt es:
„Die städtebaulichen Mängel einer modernen Großstadt in engem Gewand einer historischen Altstadt werden durch den Luftkrieg unterstrichen (Gegenbeispiel Paris). […] Niedrige Besiedlungsdichten städtebaulich und luftverteidigungsmäßig Vorzüge. Bandstadt Ausdruck für aufgelockerte, gegliederte Bebauung mit vielen Vorzügen. […] Auch sonst vom Städtebauer gestellte Aufgaben an neuen, aufgelockerten und gegliederten Stadtbau mit geringen Besiedlungsdichten und Flachbauweise werden durch Luftkriegserfahrungen als richtig unterstrichen.“
Der Gedanke an den Luftkrieg schien auch in der Bundesrepublik nicht absurd zu sein. Rudolf Hillebrecht, nach dem Krieg als langjähriger Stadtbaurat von Hannover von großem Einfluss auf den Wiederaufbau in der Bundesrepublik, sagte 1981:
„[…] wenn man miterlebt hat, wie Tausende von Menschen auf den Straßen verbrannt und zusammengekrümmt wie kleine Pakete gelegen haben, dann konnte dieses Erlebnis mitbestimmend sein für die Dimensionierung von Schneisen – von Schneisen, die man sich schon aus ökonomischen Gründen nur als Straßen- und nicht als Grünschneisen erlauben konnte. […] Bei diesem Luftschutzmotiv aber muß ich bekennen, daß das unter uns ‚top secret‘ war; keiner hat darüber geredet. […] wir haben uns gesagt, das ist ein Thema, das wir nicht in die Öffentlichkeit bringen und auch nicht im Rat sagen können.“
Bedenken wegen des relativ großen Flächenverbrauchs verhinderten in Europa (und hier besonders in der Bundesrepublik Deutschland) zunächst eine weiterreichende Verbreitung, während in den Vereinigten Staaten großflächige Wohngebiete entstanden und das eigene Haus mit Garten für nahezu alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten realisiert werden konnte. Der schon früh erreichte hohe Motorisierungsgrad der US-Amerikaner beschleunigte in Verbindung mit einer deutlich preiswerteren Holzbauweise diese Entwicklung.
Noch vor den städtebaulichen Modellen der Bandstadt und der Ville Radieuse von Le Corbusier wurde das Gartenstadt-Modell zum folgenreichsten Modell städtebaulicher Planung im 20. Jahrhundert.
Songjiang New City ist eine 604 km² umfassende Neubausiedlung im gleichnamigen Bezirk von Shanghai. Die Gartenstadt ist das englische Thema eine von neun Siedlungen des Projektes One City, Nine Towns. Sie wurde ab 2001 für 500.000 Einwohner gebaut. Sie enthält die Thames Town.[9]
Echte Gartenstädte sind im deutschsprachigen Raum nicht gegründet worden. Dabei nimmt Hellerau eine Ausnahmestellung ein: Hier waren in der Zeit der Gründung außer der formalen Selbstständigkeit alle Kriterien einer echten Gartenstadt erfüllt. Das Gelände gehörte flächenmäßig damals zu Klotzsche und wurde von der extra gegründeten Gartenstadt Hellerau GmbH erschlossen. Die Eingemeindung nach Dresden erfolgte 1950.
Hamburg plant im Stadtteil Billstedt die „Neue Gartenstadt Öjendorf“ zu bauen[10].
Im Jahr 2008 wurde das Netzwerk Europäische Gartenstadt gegründet. Ziel ist eine Gartenstädte-Partnerschaft von Vereinen und Initiativen von Gartenstädten aus Europa, die sich über eigene Belange austauschen und in der Öffentlichkeit das Interesse an der Gartenstadt wachhalten wollen. Mit dabei ist die bei London gelegene Hampstead Garden Suburb, eine der ersten Gartenstädte überhaupt, mit der Gartenstadt Karlsruhe eine der ältesten deutschen Gartenstädte, ferner Hellerau (Dresden), Falkenberg (Berlin), Podkowa Lesna (Warschau), Marga (Senftenberg), Wandsbek (Hamburg) und die Mannheimer Gartenstadt. Gartenstädte aus Österreich und Tschechien haben bereits Interesse an einer Aufnahme in das Netzwerk bekundet.
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