Andres war das neunte Kind des Müllers Stefan Andres und wuchs die ersten vier Jahre seines Lebens in der Breitwiesmühle bei Dhrönchen an der Mosel auf. 1910 zog die Familie nach Schweich, weil sie wegen des Baus der Dhrontalsperre ihre Mühle aufgeben musste. Andres besuchte das zum Orden der Redemptoristen gehörende Gymnasium Collegium Josephinum, das vor dem Ersten Weltkrieg seinen Sitz in Vaals hatte.
Im Herbst 1920 verließ der Klosterschüler auf Anraten seiner Oberen als Untertertianer das Kolleg und begann 1921 bei den Barmherzigen Brüdern von Maria Hilf in Trier in der Krankenpflege. Schon kurze Zeit später wandte er sich jedoch den Armen-Brüder des hl. Franziskus nahe Aachen zu (23. April 1921 bis 1924). Während dieser Zeit entstanden Andres’ erste dramatische Versuche.
Auch die Armen Brüder boten ihm keine endgültige Heimat und so bereitete sich Andres 1925/26 in Neuss auf das Lehrerexamen vor, das er am 17. März 1926 ablegte. Er wohnte währenddessen in Dormagen und arbeitete außerhalb der Examensvorbereitungen an einer geschlossenen Anstalt für Fürsorgezöglinge. Noch ein weiteres Mal versuchte er es mit dem klösterlichen Leben und trat in das Noviziat des Kapuzinerordens am Inrath ein (seit September 1926).
Anfang Januar 1928 übernahm er die Schriftleitung der katholischen Monatszeitschrift Der Marienborn, in der er seine ersten Erzählungen veröffentlichte. Das Bischöfliche Konvikt zu Bensheim bot ihm die Möglichkeit, als Lateinlehrer zu unterrichten; zugleich konnte er sich auf das Abitur vorbereiten, das er schließlich im Februar 1929 ablegte. Er kehrte in sein Elternhaus zurück und es fiel der Entschluss, sich nicht mehr auf das Ziel Theologie zu fixieren.
Ab 1933 widmete sich Andres ganz der Schriftstellerei. Im nationalsozialistischen Deutschland gelang es dem jungen Autor jedoch nur schwer, Fuß zu fassen. Eine Arbeit beim Kölner Rundfunk unterbrach er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und zog sich im Frühjahr 1933 mit seiner jüdischen Frau nach Positano in Italien zurück. Für kurze Zeit kehrten beide zurück, bevor Andres 1935 beim Rundfunk gekündigt wurde. Über München siedelte er 1937 mit seiner Familie endgültig nach Positano über. Trotz der Bildung der politischen Achse Deutschland-Italien 1938 blieb Andres in innerer Emigration in Italien. Bis 1949 wohnte und arbeitete er in Positano. Die Stadt Positano benannte die nur zu Fuß erreichbare Straße, in der er damals (angeblich im Haus Nummer 8) wohnte, 1990 Via Stefan Andres.
1950 kehrte die Familie zurück und ließ sich in Unkel nieder. Die Realschule und der Stefan-Andres-Platz in Unkel wurden nach ihm benannt. Im Jahr seiner Rückkehr nach Deutschland erhielt Andres den Rheinischen Literaturpreis, dem im Laufe der Jahre weitere renommierte Auszeichnungen folgten. Verlegt wurden seine Werke ab 1949 im Piper Verlag (mit dem Verleger Klaus Piper verband ihn eine enge Freundschaft). In den Nachkriegsjahren nahm Andres öffentlich Stellung zu einer Reihe zeitgeschichtlicher und politischer Fragen. So beteiligte er sich an Ostermärschen gegen die Stationierung von US-Raketen in Deutschland und sprach sich wiederholt in Aufsätzen und Reden gegen das Wettrüsten aus. Er setzte sich für eine Verständigung zwischen Ost und West und für die deutsche Wiedervereinigung ein. In dieser Position war Andres Mitherausgeber der Zeitschrift atomzeitalter.[2]
Im Herbst des Jahres 1961 kehrte Andres nach Italien zurück, Ausdruck seiner Enttäuschung über die deutschen Verhältnisse, die nicht seiner Vorstellung eines erneuerten Deutschlands entsprachen. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils war Andres’ Haus in Rom ein Treffpunkt für literarische und theologische Persönlichkeiten. Andres’ letzte große Reise führte ihn 1968 nach Asien und in den Orient. Er starb am 29. Juni 1970 in Rom an den Folgen einer Operation. Er wurde, ebenso wie seine 2002 verstorbene Frau, auf dem Campo Santo Teutonico, dem deutschen Friedhof im Vatikan beigesetzt.
Andres’ Werke standen in Deutschland regelmäßig auf den Bestseller-Listen; die Gesamtauflage seiner Bücher erreichte mehrere Millionen. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt, Wir sind Utopia alleine viermal. Stefan Andres’ Dramen gehörten zum Standardrepertoire der deutschen Bühnen.
Andres drückt in seinen Werken eine Form christlichen Existentialismus aus, sein durchgehendes Thema ist die Lebensbewältigung des Menschen zwischen Freiheit und Schuld, meist unter den Bedingungen von Diktatur und Fanatismus, oft dargestellt in Stoffen aus Antike und Mythologie. Seine Christlichkeit ist geprägt von einer humanistischen, zuletzt neuplatonisch geformten und undogmatischen Auslegung des Glaubens.[3]
Seine bekanntesten Werke sind die Novellen El Greco malt den Großinquisitor und Wir sind Utopia. Erstere thematisiert das Verhältnis von Geist und Macht anhand der Konfrontation zweier Gegner der Inquisition mit deren oberstem Vollstrecker. Auch Wir sind Utopia variiert Andres’ Thema der Entscheidung zwischen Schuld und Freiheit: In den Wirren des Spanischen Bürgerkrieges ist ein altes Kloster zum Lager für Kriegsgefangene geworden. Zusammen mit anderen Gefangenen wird der Matrose Paco eingeliefert, der vor zwei Jahrzehnten dieses Kloster verlassen hat und nun wieder in seine alte Zelle zurückkehrt. Die schöne Phantasiewelt Utopia, ein Traumbild seiner Jahre als Mönch, taucht wieder vor ihm auf. Als der Lagerkommandant Pedro von Paco die Absolution für seine Kriegsverbrechen erbittet, bietet sich Paco die Gelegenheit, den Kommandanten zu ermorden und so die gefangenen Kameraden zu befreien. Paco entscheidet sich dafür, seinem einmal gegebenen Gelübde treu zu bleiben und sich nicht auf eine Stufe mit dem Gewalttäter zu begeben.
Typisch für Andres’ Stil sind Handlungswendungen, überlegt angewandte Bildlichkeit und eine knappe, schnörkellose Sprache.[4]
Vom heiligen Pfäfflein Domenico. Erzählung. List, Leipzig 1936.
Utz, der Nachfahr. Novelle. Hausen, Saarlautern 1936.
Moselländische Novellen. (Enthält Die unglaubwürdige Reise des Knaben Titus., Die Vermummten., Der Menschendieb., Gäste im Paradies., Der Abbruch ins Dunkle.) List, Leipzig 1937. (Neuauflage 1949 als Gäste im Paradies. Moselländische Novellen.)
Das Grab des Neides. Novellen. (Enthält Das Grab des Neides., Hagia Moné., Der Olympische Frieden.) Riemerschmidt, Berlin 1940.
Der gefrorene Dionysos. Erzählung. Riemerschmidt, Berlin 1943. (Neuauflage 1951 als Die Liebesschaukel. Roman. Piper, München)
Wir sind Utopia. Novelle. Riemerschmidt, Berlin 1942.
Wirtshaus zur weiten Welt. Erzählungen. (Enthält Der Weg durch den Zwinger., Sommerliche Elegie., Wirtshaus zur weiten Welt.) Diederichs, Jena 1943.
Das goldene Gitter. Erzählung. Lüttke, Berlin 1943.
Die Häuser auf der Wolke. Kindermärchen. Middelhauve, Opladen 1950.
Das Antlitz. Erzählung. Piper, München 1951.
Die Rache der Schmetterlinge. Eine Legende. Klemm, Freiburg i. Br. 1953.
Positano. Geschichten aus einer Stadt am Meer. (Enthält Die beiden Pharaonen., Das Fest der Fischer., Mozzo, mein Faktotum., Die Wohnung der Sabenissimo., Mein Nachbar Michelino., Der Urlaub., Die Himmelsschuhe., Die heilsame Sünde des Don Gianino., Die großen Ferien., Flora., Terrassen im Licht.) Piper, München 1957. (ital. Ausgabe Positano. Storie da una città sul mare, Amalfi, Edizione Mediterraneo 1991).
Die Verteidigung der Xanthippe. Zwölf Geschichten. (Enthält Das Trockendock., Die Verteidigung der Xanthippe., Der hinkende Gott., Die schwarze Dame., Der Umweg über den Galgen., ,Bitte nach Ihnen!’, Die Brücke von St. Esprit., Die Unterlassungssünde., Der kleine Schlüssel., Fahr mit Gott, Lutka!, Der Tisch., Die doppelte Explosion.) Piper, München 1960.
Das goldene Gitter. Novellen und Erzählungen II. (Enthält Der Mörderbock., Das goldene Gitter., Der Menschendieb., Gäste im Paradies., Der olympische Frieden., Der Weg durch den Zwinger., Die Rache der Schmetterlinge., Die beiden Pharaonen., Amelia.) Piper, München 1964.
Die Biblische Geschichte. Erzählt von Stefan Andres. Droemer, München/Zürich 1965.
Noah und seine Kinder. 15 Legenden. Piper, München 1968
Die große Lüge. Erzählungen. (Enthält Die große Lüge., Bootspartie zu dritt., Die Maschine.) Piper, München 1973.
Gäste im Paradies. Moselländische Novellen. Stefan Andres Werke in Einzelausgaben. Hrsg. von Hans Wagener. Wallstein Verlag, Göttingen 2008.
Terrassen im Licht. Italienische Erzählungen. Stefan Andres Werke in Einzelausgaben. (Enthält außer den oben genannten und z.T. bereits gesammelt erschienenen auch noch seinerzeit verstreut veröffentlichte, darüber hinaus einige hier erstmals veröffentlichte Texte mit Italien-Thematik), herausgegeben von Dieter Richter. Wallstein, Göttingen 2009.
Wir sind Utopia. Prosa aus den Jahren 1933 - 1945. Stefan Andres Werke in Einzelausgaben. Hrsg. von Erwin Rotermund und Heidrun Ehrke-Rotermund unter Mitarbeit von Thomas Hilsheimer. Wallstein Verlag, Göttingen 2010.
Dramatische Werke
Der ewige Strom. Oratorium. Musik von Wilhelm Maler. Schott, Mainz und Leipzig 1936.
Schwarze Strahlen. Kammerspiel. Bloch, Berlin 1938.
Ein Herz, wie man's braucht. Schauspiel. Fischer, Stockholm und New York 1946.
Die Söhne Platons. Komödie. Bloch, Berlin 1946 (Neuausgabe 1956 als Die Touristen. Eine burleske Komödie.)
Tanz durchs Labyrinth. Dramatische Dichtung in fünf Bildern. Piper, München 1948.
Gottes Utopia. Tragödie. Bloch, Berlin 1949.
Der Reporter Gottes. Eine Hörfolge in 10 Kapiteln. Knecht, Frankfurt a. M. 1952.
Wann kommen die Götter? Drama. Bloch, Berlin 1956.
Sperrzonen. Eine deutsche Tragödie. Bloch, Berlin 1957.
An einen Staatssklavenbildner. Der Fall Johannes R. Becher. in: Der Monat 29/1951, S. 487 ff.
Von der Würde des Schriftstellers. In: Deutsche Rundschau, 7/1954, S. 698 ff.
Daran glaube ich. in: Kristall (Hamburg) 16/1955.
Bild und Maßstab. in: Was halten Sie vom Christentum? Hg. von Karlheinz Deschner. List 1957, S. 116 ff.
Toleranz. Die Brücke zwischen Wahrheit und Freiheit. Oldenburg 1958.
Nie wieder Hiroshima. Herausgegeben zusammen mit Helmut Gollwitzer u.a. Kaufmann, Lahr 1960.
Der 20. Juli. Tat und Testament. Klostermann, Frankfurt a.M. 1966.
Der Dichter in dieser Zeit. Reden und Aufsätze. Piper, München 1974.
Reise- und Weinbücher
Italiener. Luken & Luken, Berlin 1943 (Neuauflage 1949 als Umgang mit Italienern. Luken & Luken, Nürnberg)
Main Nahe(zu) Rhein Ahrisches Saar Pfalz Mosel Lahnisches Weinpilgerbuch. Strüder, Neuwied 1951.
Die großen Weine Deutschlands. Ullstein, Frankfurt a.M., Berlin/Wien 1960.
Ägyptisches Tagebuch. Piper, München 1967.
Die Mosel. Mit Fotos von Hermann Weisweiler. Greven, Köln 1968.
Clément André: Dichtung im Dritten Reich. Stefan Andres „Die Arche“. Bouvier, Bonn 1960 (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft 10).
Edgar Baum: Sprach- und Stilstudien zum dichterischen Prosawerk von Stefan Andres. Dissertation. Universität Bonn 1959.
Sieghild von Blumenthal: Christentum und Antike im Werk von Stefan Andres. Kovac, Hamburg 1999, ISBN 3-86064-894-2 (= Schriftenreihe Poetica 37).
Karl Bongardt: Stefan Andres. Union, Berlin 1990, ISBN 3-372-00354-3 (= Reihe Christ in der Welt 72).
Michael Braun: Stefan Andres. Leben und Werk. Bouvier, Bonn 1997, ISBN 3-416-02692-6.
Michael Braun (Hrsg.): Stefan Andres. Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1999, ISBN 3-631-34626-3 (= Trierer Studien zur Literatur 32).
Eric Sigurd Gabe: Macht und Religion. Analogie zum Dritten Reich in Stefan Andres’ Trilogie „Die Sintflut“. Lang, Bern u.a. 2000, ISBN 3-906765-47-4
Hans Henneke: Stefan Andres. Eine Einführung in sein Werk. Piper, München 1962
John Klapper: Stefan Andres. Der christliche Humanist als Kritiker seiner Zeit. Lang, Bern 1998, ISBN 3-906759-73-3.
Uwe Klein: Stefan Andres. Innere Emigration in Deutschland und im „Exil“. Dissertation. Universität Mainz 1990.
Christoph F. Lorenz: Andres, Stefan. In: Lexikon der Science Fiction-Literatur seit 1900. Mit einem Blick auf Osteuropa, herausgegeben von Christoph F. Lorenz, Peter Lang, Frankfurt/Main 2016, ISBN 978-3-63167-236-5, S. 199–204
Marcel Reich-Ranicki: Edle Menschen – Informationen über Stefan Andres’ neuen Roman „Der Taubenturm“. Rezension. In: Die Zeit, 2. Dezember 1966 (Nr. 49), S. 55.[5] Siehe auch Glosse von M.R.-R.: Fragen Sie Reich-Ranicki – Stefan Andres zu Unrecht vergessen?. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10. Juli 2005 (Nr. 27), S. 26.[6]
Karl Günter Werber: Das Verhältnis von Persönlichkeitsentfaltung und Zeiterlebnis im Werk von Stefan Andres. Dissertation. Universität Bonn 1959.
Gerettet und zugleich von Scham verschlungen – Neue Annäherungen an die Literatur der „Inneren Emigration“. Herausgegeben für die Stefan-Andres-Gesellschaft, Werner Bergengruen-Gesellschaft, Elisabeth Langgässer-Gesellschaft, Gertrud von le Fort-Gesellschaft von Michael Braun und Georg Guntermann unter Mitarbeit von Christiane Gandner. Internationales Symposium anlässlich des 100. Geburtstages von Stefan Andres im Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar, 30. Juni – 1. Juli 2006. Frankfurt am Main 2007, ISBN 3-631-56740-5 (Trierer Studien zur Literatur 48).