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nicht-kooperative Haltung Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Innere Emigration bezeichnet die Haltung von Menschen, die unter einem Polizeistaat leben, aber als politische Dissidenten heimlich gegen die damit einhergehende Zensur von Literatur, Musik und Kunst verstoßen. Ursprünglich wird er für Künstler, Schriftsteller und Gelehrte verwendet, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Opposition zum NS-Regime standen, jedoch nicht auswanderten. Der Begriff wird manchmal auch für Künstler in der Zeit nach 1945 verwendet; dieser erweiterte Gebrauch ist jedoch umstritten.
Am 18. Mai 1945 veröffentlichte die Bayerische Landeszeitung unter dem Titel Thomas Mann über die deutsche Schuld die am 8. Mai 1945 ausgestrahlte Rundfunkrede des Nobelpreisträgers. Walter von Molo (wie Mann vor 1933 Mitglied der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie) forderte ihn daraufhin in einem Offenen Brief – der am 8. August 1945 in der Berliner Allgemeinen Zeitung gedruckt wurde – zur Rückkehr auf. In seiner am 18. August 1945 in der Münchener Zeitung gedruckten Antwort Die innere Emigration warf Frank Thiess dem Exilschriftsteller vor, aus dem fernen Ausland in Sicherheit und Luxus der „deutschen Tragödie“ zugesehen zu haben. Am 12. Oktober 1945 erschien im Augsburger Anzeiger schließlich Manns Artikel Warum ich nicht nach Deutschland zurückkehre!, worin er die gesamte deutsche Literatur der letzten zwölf Jahre als wertlos bezeichnete.
Der Begriff wurde von Frank Thiess geprägt,[1] der mit der Inneren Emigration die Entscheidung von Persönlichkeiten (insbesondere von Künstlern und Intellektuellen oder Wissenschaftlern) beschrieb,
Einige von ihnen arbeiteten (zuweilen oder kontinuierlich) in Widerstandszirkeln mit und wirkten durch Verbreitung ihrer Werke im Untergrund der NS-Propaganda entgegen. Beispielsweise malte der Bauhaus-Künstler Emil Bartoschek für die Öffentlichkeit naturalistische Bilder, während er für einen kleinen Kreis weiterhin die abstrakte Kunst pflegte.
In gewisser Weise war auch „beredtes Schweigen“ eine Form von Kritik an den Nazis, speziell dann, wenn viele andere Persönlichkeiten sich den Nationalsozialisten aktiv anschlossen oder deren Standpunkte aktiv lobten und vertraten (siehe Passiver Widerstand, ziviler Ungehorsam, Widerstand (Politik)).
Nach dem Ende des Nationalsozialismus kam es zu Plädoyers der „inneren“ Emigranten gegenüber den „äußeren“ (Frank Thiess in der Münchener Zeitung vom 18. August 1945). Thomas Mann wurde übelgenommen, aus dem US-amerikanischen Exil nicht ins Nachkriegsdeutschland zurückgekehrt zu sein. Im Tagebuch notierte er am 20. September 1945:
„Beunruhigung und Ermüdung durch die deutschen Angriffe dauern an. Nenne die ‚treu‘ in Deutschland Sitzengebliebenen ‚Ofenhocker des Unglücks‘.“
Zu den Autoren und Bildenden Künstlern der Inneren Emigration gehörten u. a.:
Andere Autoren wie Gottfried Benn[3], Ernst Jünger[3], Walter von Molo oder Frank Thiess[2] verstanden sich nach dem Zweiten Weltkrieg gerne als Repräsentanten der Inneren Emigration; ihre seinerzeitige Tätigkeit wie auch ihre Schriften lassen sich jedoch nicht eindeutig als oppositionell bzw. regimekritisch einschätzen. So lässt sich beispielsweise Thiess’ Reich der Dämonen (1934) laut Ralf Schnell „ebenso gut als Apologie geschichtlich-gesellschaftlicher ‚Katastrophen‘ lesen“.[2]
Die Frage nach der Zugehörigkeit einer Person zur Inneren Emigration ist oft schwierig zu beantworten und häufig auch umstritten. Vor allem im Zuge der Entnazifizierung erhoben zahlreiche Schriftsteller oder Künstler den Anspruch, zur Inneren Emigration gehört zu haben; häufig beschafften sie sich Persilscheine, die dies zu bestätigen schienen. Meist ist eine genaue Beschäftigung mit der betreffenden Person und ihrem Werk notwendig, um dies beurteilen zu können.
Der Begriff wurde teils in Selbstbeschreibungen von Schriftstellern und Künstlern auf ihre Lage in der Literaturszene und Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik angewendet. Galionsfiguren der Inneren Emigration wurden entweder wie Wolf Biermann ausgewiesen oder ihrer Publikationsmöglichkeiten beraubt. Der Begriff wurde vielfach kritisiert, insofern die Analogie zuerst von westdeutschen Akteuren wie dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gegen eine breite Ablehnung durchgesetzt wurde. Im August 1961 hatten westdeutsche Autoren wie Wolfdietrich Schnurre und Günter Grass in ihrem offenen Brief an die Mitglieder des Schriftstellerverbandes[8] jede Möglichkeit einer inneren Emigration verneint.
Die Gruppe der Inneren Emigration reicht von christlichen Autoren und Vertretern einer bürgerlichen Literatur, die den Sozialistischen Realismus ablehnten, bis zu jenen Erfolgsautoren, die sich von den staatlichen Vorgaben an die Literatur abwandten und gerade in der BRD dem Verdacht der Anpassung ausgesetzt waren. Zur ersteren Gruppe zählten neben dem Theologen Johannes Hamel auch die Dichter Peter Huchel und Johannes Bobrowski. Letzterer sah sich stets als Christ und Sozialist zugleich. In dem Roman Der Turm thematisiert der Schriftsteller Uwe Tellkamp das Überleben von Bildungsbürgern in der DDR durch „innere Emigration“.
2008 veröffentlichte der Soziologe Carsten Heinze eine forschende Vergleichsstudie, in der er sich mit dem Zusammenhang von autobiografischen Identitäts- und Geschichtskonstruktionen im zeitgeschichtlichen Kontext nach dem Fall der Mauer vor dem Hintergrund deutsch-deutscher bzw. deutsch-jüdischer Vergangenheitsbearbeitungen beschäftigte.
Er untersuchte,
Hierzu analysiert er exemplarisch die autobiografischen Lebenskonstruktionen von Marcel Reich-Ranicki, Wolf Jobst Siedler, Helmut Eschwege und Fritz Klein.
Andere Beispiele für „innere Emigration“ zur DDR-Zeit:
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