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oberdeutsche Dialektgruppe im Südwesten des deutschsprachigen Raums Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als alemannische Dialekte im weiteren Sinne, alemannisch-schwäbische Dialekte, alemannisch-schwäbische Mundarten, Alemannisch-Schwäbisch, westoberdeutsche Dialekte oder Westoberdeutsch werden in der germanistischen Linguistik aufgrund gemeinsamer Sprachmerkmale diverse im Südwesten des deutschen Sprachraums gesprochene Dialekte bezeichnet. Zusammen mit anderen Dialektgruppen zählen sie zum Oberdeutschen und somit auch zum Hochdeutschen.
Westoberdeutsch / Alemannisch-Schwäbisch / Alemannisch (im weiteren Sinne) | ||
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Gesprochen in |
Deutschland
Schweiz (Deutschschweiz)
Italien (Piemont, Aostatal) | |
Sprecher | etwa 10 Millionen (unterschiedliche Dialektkenntnisse) | |
Linguistische Klassifikation |
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Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
– | |
ISO 639-2 |
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ISO 639-3 |
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Die Bezeichnung „alemannisch“ greift den Volksnamen der Alemannen auf, jedoch können die alemannischen Dialekte keinesfalls mit deren Sprach- oder Dialektformen gleichgesetzt werden[3] (siehe Kapitel Dialekt- und Sprachgeschichte). Die Bezeichnung der Dialektgruppe als „westoberdeutsch“ ist aus diesem Grund sinnvoller, aber wie bei den Mundartbezeichnungen im übrigen deutschen Sprachraum haben sich auch hier die an die historischen Volksstämme angelehnten Termini durchgesetzt (siehe Kapitel Gliederung). Volkstümlich geworden ist der Begriff „alemannisch“ allerdings nur in Südbaden; in der Schweiz etwa tritt er ganz hinter den Begriff „Schweizerdeutsch“, im Elsass hinter „Elsässisch“ zurück.
Im 19. Jahrhundert konkurrierten die Schreibungen „alemannisch“ und „allemannisch“ – erstere wohl mit Bezugnahme auf die lateinische Überlieferung („Alamanni“, „Alemanni“), letzteres etymologisierend („alle Männer/Menschen“). Seit Karl Weinholds Alemannischer Grammatik von 1863[4] hat sich in der Wissenschaft und schließlich allgemeinsprachlich die Variante mit einem L durchgesetzt.[5]
Das autochthone beziehungsweise traditionelle Verbreitungsgebiet grenzt im Norden an das der ost-, süd- sowie rheinfränkischen Dialekte und im Osten an das der bairischen Dialekte, im Süden und Westen schließen sich Gebiete romanischer Sprachen (Bündnerromanisch, Italienisch und Französisch) bzw. romanischer Mundarten an. Die einzelnen Teile des Verbreitungsgebietes nach Staaten bzw. Staatsteilen, im Uhrzeigersinn, beginnend im Norden:
Eine detaillierte Abgrenzung gibt der Artikel Grenzorte des alemannischen Dialektraums.
Alle allochthonen Verbreitungsgebiete liegen in Gegenden, in denen nicht Deutsch Amts- und Verkehrssprache ist, und führen bzw. führten daher lediglich ein Nischendasein.
Die alemannischen Mundarten wurden von der Mehrheit der Dialektforschung des 19. und 20. Jahrhunderts in drei bis fünf Hauptgruppen gegliedert. Von Nord bzw. Nordost nach Süd bzw. Südwest kann man nach bestimmten wichtigen Laut- und anderen Sprachmerkmalen unterscheiden Schwäbisch, Niederalemannisch (Oberrheinalemannisch und Bodenseealemannisch), Hochalemannisch und Höchstalemannisch:
Andere Sprachwissenschaftler gliederten das Alemannische wie folgt:
Neben diesen linguistischen Einteilungen sind teilweise Bezeichnungen geläufiger, die die Mundarten bestimmter Staatsgebiete zusammenfassen. Für den alemannischen Dialektraum sind zu nennen Elsässisch, Schweizerdeutsch, Badisch und Vorarlbergisch. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht wie die linguistischen Hauptgruppen verwandte Ortsdialekte zusammenfassen, sondern in sich nicht kohärente Dialektgebiete vereinen. Dennoch haben vor allem „Schweizerdeutsch“ und „Elsässisch“ durchaus ihre Berechtigung, da im Elsass und in der Schweiz ganz besondere Rahmenbedingungen des Dialekts herrschen, die vor allem in der Schweiz zu einem eigenständigen Umgang mit dem Dialekt geführt haben. In rein linguistischer Hinsicht bildet das Schweizerdeutsche also keine spezielle Gruppe des Alemannischen, wohl aber in sprachpolitischer. Im Prinzip gelten ebenso in den anderen Staaten für die Verwendung des Dialekts besondere, von soziokulturellen Entwicklungen des jeweiligen Staates geprägte Sprachbedingungen, vor allem in Frankreich und Österreich (vgl. Liste von Austriazismen).
Hoch- und Höchstalemannisch wurden teilweise auch unter südalemannisch, Niederalemannisch und Schwäbisch selten unter nordalemannisch zusammengefasst.
Zwischen den Verbreitungsgebieten der oben aufgeführten linguistischen Hauptgruppen sowie zu den fränkischen und bairischen Mundarten bestehen häufig Übergangsdialekte, die kleinere oder größere Gebiete einnehmen. Darüber hinaus lassen sich die Dialekte überall in Regional- und Ortsdialekte weiterdifferenzieren (Berndeutsch, Baseldeutsch, Straßburgisch, Augsburgisch, Ostschwäbisch usw.). Neben dieser rein räumlichen lassen sich bei der Gliederung unter anderen durchaus auch zeitlich-historische sowie soziologische Komponenten heranziehen (z. B. Honoratiorenschwäbisch).
Der Gesamtausdruck „alemannisch“ wird nicht selten nur in einem engeren Sinn verwendet und meint dann nur nieder-, hoch- und höchstalemannisch. Nicht selten wird er weiter verengt auf bestimmte Regionen angewandt (vor allem Südbaden). In der Schweiz, im Elsass und im Schwäbischen ist er oft wenig bis gar nicht geläufig.
Im Verhältnis der Hauptdialektgruppen untereinander besteht eine große Dynamik, die dafür sorgt, dass bestimmte Dialektmerkmale räumlich wachsen oder aber verdrängt werden und sogar ganz verschwinden. Zu den in dieser Hinsicht expandierenden und somit wirkmächtigsten Dialektgruppen gehören das Hochalemannische, das Schwäbische und das Oberrheinalemannische, eine gegenteilige Rolle wird vor allem vom Bodenseealemannischen eingenommen. So breiten sich in der Schweiz die Dialekte der Agglomerationen in das Umland aus, wodurch es beispielsweise im südlichen Bernbiet zu einem Rückzug höchstalemannischer Merkmale kommt. Schwäbische Merkmale dominieren den gesamtalemannischen Raum Baden-Württembergs und sickern in niederalemannisches, vor allem bodenseealemannisches, aber auch oberrheinalemannisches und fränkisches Gebiet ein. In Baden und Frankreich hat aber das Oberrheinalemannische seinerseits eine verdrängende Kraft gegenüber den dortigen Hochalemannismen im Sundgau und im Breisgau entwickelt.
Im aktuellen bzw. historischen autochthonen Verbreitungsgebiet der alemannischen Mundarten im Südwesten des deutschen Sprachraums wohnen etwa 10 Millionen Menschen. Sofern diese überhaupt Dialekt oder vom Dialekt beeinflusst sprechen, ist die Ausprägung sehr unterschiedlich: Die Bandbreite reicht von mit leicht gefärbter Umgangssprache Sprechenden bis zu nicht des Standarddeutschen Mächtigen. In der Schweiz existiert heutzutage eine informelle und recht starke Trennung, zu welchen Anlässen Dialekt (Schweizerdeutsch) oder Hochsprache (Schweizer Hochdeutsch) verwendet wird.[14]
Als erste fassbare Sprachgrenzen im heutigen westoberdeutschen Raum könnten die verschiedenen römischen Reichsgrenzen aufgefasst werden, die romanisierte Kelten von nicht romanisierten Kelten bzw. später Germanen trennten. Die Germanen hatten sich als eigene Kultur während des 2. Jahrtausends vor Christus im Ostseeraum aus einer Überlagerung der indoeuropäischen Schnurkeramikkultur mit der nicht-indoeuropäischen Trichterbecherkultur gebildet. Diese Germanen formten ab 600 vor Christus in Norddeutschland die Jastorfkultur und rückten später nach Süden vor, wo sie die Kelten verdrängten und die römische Grenze erreichten. Im 3. Jahrhundert überschritten Teile dieser germanischen Gruppen, namentlich die Alemannen, zwischen Rhein und Donau erstmals dauerhaft und ohne im römischen Reich assimiliert zu werden die Reichsgrenze. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert besiedelten die noch nicht sesshaft lebenden Germanen auch die meisten übrigen Gebiete des heutigen westoberdeutschen Dialektraumes, den sie dann auch herrschaftlich dominierten. Vom 5./6. Jahrhundert an kann also von einer überwiegenden sprachlichen Kontinuität im späteren alemannischen Mundartgebiet ausgegangen werden. Verbliebene gallo-romanische Gruppen wurden nach und nach assimiliert.[15]
Bereits im 4. Jahrhundert hatte im germanischen Sprachraum die bis ins 7. Jahrhundert andauernde Zweite Lautverschiebung (2. LV) eingesetzt, die für die Trennung in althochdeutsche und altniederdeutsche (altniederfränkisch und altsächsisch) Idiome sorgte. Die Sprachmerkmale der 2. LV hatten ihren Ursprung im Südosten des damaligen germanischen Sprachraums, breiteten sich in der Folge über den Süden und die Mitte aus und veränderten dort die Sprache hin zu althochdeutschen Formen. Die althochdeutschen Formen sind die jüngeren Sprachformen. Im Norden setzten sich diese neuen Sprachformen nicht oder nur zum kleinen Teil durch, es blieb bei den altniederdeutschen Idiomen. Das Wort „deutsch“ bestand damals jedoch noch nicht. Die Wortbestandteile -nieder- und -hoch- entstammen geographischer Perspektive (nieder=nördlich, hoch=südlich). Die 2. LV sorgte also für zwei Großdialekte, zwei Sprechergruppen. In den althochdeutschen Idiomen sagte man nun wazzar ‚Wasser‘, mahhōn ‚machen‘, zīt ‚Zeit‘ und slāfan ‚schlafen‘, während die altniederdeutschen Lautungen bei watar, makōn, tīd und slāpan verblieben (vgl. altenglisch wæter, macian, tīd, slǣpan, neuenglisch water, make, tide, sleep). Aus den hochdeutschen Dialekten entwickelte sich das heutige Standarddeutsch, aus bestimmten niederdeutschen Dialekten (altniederfränkisch) das heutige Niederländische.[16]
Aus den literarischen und archäologischen Zeugnissen können in weiten Teilen Mitteleuropas für die Zeit des 7. und 8. Jahrhunderts drei Sprachgruppen abgeleitet werden: althochdeutsche Idiome (Alemannien und Baiern im Süden, Ost- und Rheinfranken in der Mitte), altniederfränkische Idiome im Nordwesten und altsächsische Idiome im Norden. Für die einzelnen germanischen Großdialekte wurden die Namen der germanischen Gruppen der Franken, Alemannen, Sachsen und Baiern maßgeblich, ein Umstand, der zukünftig zur irrigen Gleichsetzung von Sprach- und Siedlungsraum führte. Die Alemannen und Franken waren bereits in antiken Quellen präsent, die Baiern tauchen als Bezeichnung erst um 500 auf (politische Gemeinschaft aus Alemannen, anderen Germanen, Slawen und Romanen). Die Alemannen und Baiern werden aus archäologischen Erkenntnissen heraus einer elbgermanischen Einheit zugeordnet, die Franken hingegen einem rhein-weser-germanischen Kreis. Die ältesten alemannischen und altbairischen Sprachzeugnisse unterscheiden sich kaum voneinander – man kann für Alemannien und Baiern also von einer gewissen sprachlichen Einheit ausgehen.[17]
Die Dialektlandschaft des 8. Jahrhunderts war eher von Süd nach Nord als von West nach Ost gegliedert. Die Großdialekte erscheinen in sich relativ homogen, die Kleinräumigkeit und die Unterscheidbarkeit eines „alemannischen“ Dialekts z. B. vom „bairischen“ Dialekt entstand erst in den darauffolgenden Jahrhunderten. Allgemein gesehen kann es viele verschiedene Gründe geben, die solche Sprachbewegungen erleichtert und behindert haben. Zu nennen sind an möglichen Faktoren:
Die im heutigen bairischen Raum entstehenden und von ihm ausgehenden neuen Formen blieben entweder kleinräumig oder breiteten sich aus, daher entstand gerade im alemannischen Raum eine vielgestaltige Dialektlandschaft, je nachdem, wie sehr sich neue Formen durchgesetzt haben. Ein Ergebnis dieser in Mittelalter und Frühneuzeit ablaufenden Prozesse sind die später so genannten, auch in sich reich gegliederten alemannischen/westoberdeutschen Dialekte und ihr Gebiet. Beispielsweise zeichnet sich das Schwäbische durch besonders viele der neuen Formen aus, das Höchstalemannische hingegen ist ein Bereich, in den die neuen Formen kaum oder nicht eindrangen. Einheitlichere Mundarträume als der alemannische finden sich z. B. östlich der Elbe, wo die Territorien und Naturräume großräumiger waren und Menschen unterschiedlicher Herkunft siedelten.[18]
Die deutliche Mundartgrenze beispielsweise zwischen dem Schwäbischen und Bairischen am unteren Lech ist kein Nachhall etwaiger germanischer Kulturräume („Stämme“), sondern Resultat dieser mittelalterlichen Sprachbewegungen. Diese Sprachbewegungen, durch die die neuen (bairischen) Formen in Gebiete vergleichsweise älterer (alemannischer) Formen vordrangen, kamen am unteren Lech zum Stillstand. Zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert gab es zwischen den Siedlungen links und rechts des unteren Lech noch kaum sprachliche oder archäologische Unterschiede. Später wurde der untere Lech eine starke, über 1000 Jahre wirksame, stabile politische Grenze zwischen dem Herzogtum Bayern und den Territorien des Schwäbischen Reichskreises, und auch die natürlichen Bedingungen (Überschwemmungsgebiete des Lech) förderten den Umstand, dass der sprachliche Austausch zwischen den Dörfern zum Erliegen kam. Die neuen, aus Osten heranwandernden Sprachformen stoppten am unteren Lech. Die Unterschiede zwischen dem Schwäbischen und dem Bairischen entstanden also relativ spät, und zwar aufgrund der Zugehörigkeit zu verschiedenen Kommunikations- und Verkehrsräumen, nicht etwa aufgrund der Zugehörigkeit zu kulturell oder ethnisch verschiedenen Bevölkerungsgruppen.[18]
Zwischen den 15. und 18. Jahrhundert entstanden die neuhochdeutschen Sprachformen; eine bedeutende Rolle, wenn auch eine geringere als allgemein angenommen, spielte dabei die Bibelübersetzung Martin Luthers. Im alemannischen Raum wurden im 16. und frühen 17. Jahrhundert die alemannischen Schreibformen – wie sie etwa in den Schweizer Bilderchroniken oder den frühesten Ausgaben der Zürcher Bibel vorliegen – zugunsten der neuhochdeutschen Schreibformen aufgegeben. So entstand ein Nebeneinander von alemannischer Grundmundart und Standardsprache. Während noch im 19. Jahrhundert das Verhältnis zwischen diesen Sprachformen im gesamten alemannischen Raum ähnlich war, haben sich im 20. Jahrhundert verschiedene Situationen entwickelt. In Deutschland hat die im 19. Jahrhundert entstandene Standardaussprache der Schriftform einen zunehmenden Einfluss gewonnen, wobei Massenmedien und Binnenmigration eine wichtige Rolle gespielt haben. Dadurch hat die Bedeutung der Grundmundarten abgenommen und es hat sich zwischen Grundmundart und Standardsprache ein fließender Übergang von mehr oder weniger mundartlicher oder standardsprachlicher Umgangssprache entwickelt. In der Schweiz hingegen sind die Mundarten praktisch zur ausschließlichen Umgangssprache geworden, die in einem deutlichen Gegensatz zur hauptsächlich schriftlich verwendeten Standardsprache steht (mediale Diglossie). Auch in denjenigen alemannischen Gebieten, in denen nicht Standarddeutsch die Amts- und Verkehrssprache ist, gibt es diesen signifikanten Bruch zwischen Dialekt und Umgangs- bzw. Standardsprache (in Frankreich/Elsass, in Italien, bedingt in der Schweiz). In den alemannischen/westoberdeutschen Sprachgebieten mit Standarddeutsch als Standardsprache werden sich bestimmte Umgangssprachen zu Dialekten der Zukunft entwickeln, im Elsass und in der Schweiz gibt es aufgrund der stärkeren Abkopplung vom Standarddeutschen eine stärkere Rolle der Grundmundarten. Ob dann noch von einer westoberdeutschen/alemannischen Dialektgruppe gesprochen werden kann, muss sich zeigen.[19]
Bezeichnungen wie „alemannisch“, „fränkisch“ oder „bairisch“ suggerieren also eine Kontinuität, eine Verbindung zwischen heutigen Dialektformen und -gebieten und den Sprachen und Siedlungsgebieten historischer Bevölkerungsgruppen. Dies ist jedoch falsch; die Bezeichnungen der Dialektgruppen sind in dieser Hinsicht irreführend (siehe Kapitel „Dialekt- und Sprachgeschichte“). Ebenso verhält es sich mit der Festlegung von Grenzen zwischen diesen Dialektgruppen. Großräumige Mundartgrenzen werden auf Basis wissenschaftlicher Abstraktion dort festgemacht, wo sich verschiedene Einzelgrenzen (Isoglossen) bündeln. Diese Trennlinien sind willkürliche Festlegungen, die das Vorhandensein von Übergangsgebieten/Übergangsdialekten ignorieren. In den Augen vieler wird hier zudem „bestimmt“, wer Alemanne, Schwabe, Franke oder (Sprach-)Baier sei. In Sprachatlanten wird eine eventuell vorhandene diesbezügliche Eigenwahrnehmung der Sprecher nicht abgefragt. Viele Menschen interessieren sich für diese Fragen, weil sie wissen möchten, „zu welcher Herkunftsgruppe vom Menschen […] sie gehören, wo ihre Wurzeln sind“.[20] Diese Fragen werden nur deswegen an die Dialektologie gerichtet, weil sich ihre Sprachbezeichnungen an Identifikation erlaubenden, germanischen Bevölkerungsgruppen orientieren.[21] Allerdings ist auch zu betonen, dass historisch gewachsene Grenzen, etwa konfessioneller oder politischer Art, sehr wohl zu Dialektgrenzen geführt haben, deren Übergangszonen z. T. recht schmal sind (so z. B. im Lechgebiet). Gewisse Schibboleths grenzen die Dialekte wesentlich voneinander ab. So ist z. B. das bairische enk oder es im schwäbischen Dialekt völlig ungebräuchlich, wodurch sich für den Dialektsprecher sofort eine sprachliche und regionale Zuordnung ergibt. Die Frage der sprachlichen Identität ergibt sich letztlich nicht nur durch Selbstdefinition, sondern durch historisch entstandene linguistische Eigenheiten. So sind die genannten alternativen bairischen Pluralformen sonst nur aus dem Gotischen bekannt, während sie den alemannischen Dialekten gänzlich fremd sind.
Vor diesem Hintergrund ist die Heranziehung von Dialektmerkmalen zur äußeren Abgrenzung und inneren Gliederung des Alemannischen/Westoberdeutschen zu sehen. Diese Abgrenzungsmerkmale erzeugen im Einzelfall eine Grenzlinie der Verbreitung (Isoglosse). In der Zusammenschau aller Isoglossen ergeben sich jedoch in der Regel keine festen und eindeutigen Liniengrenzen. Vielmehr ergibt die Summe der verschiedenen sprachlichen Kennzeichen meist mehr oder weniger breite Übergangsgebiete, die mehr oder weniger homogene Sprachareale miteinander verbinden. Ob sich bestimmte Teile eines Übergangsgebietes eher dem einen oder anderen Areal zuordnen lassen (vgl. Grenzorte des alemannischen Dialektraums), könnte nicht nur sprachwissenschaftlich beantwortet werden, sondern auch anhand von Zugehörigkeitsgefühlen oder ähnlichen Wahrnehmungen der einzelnen Sprecher.
Reflexe der mittelhochdeutschen Diphthonge [iə] [uə] [yə] bzw. der mittelhochdeutsche Monophthonge [iː] [uː] [yː]:
mittelhdt. | standarddt. | schwäb. | oberrheinalem. | südfränk. |
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guot | gut | guat | guet | gut |
hūs | Haus | Hous | Huus | Haus |
Wortinitiale Lenisierung:
standarddt.[22] | schwäb. | ostfränk. |
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Tag | Daag | Doog |
täte | däät | daad |
standarddt.[22] | schwäb. | bair. |
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euch | uich | enk |
dir | dior | dir |
standarddt.[22] | schwäbisch | niederalem. |
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Haus | Hous | Huus/Hüüs |
Zeit | Zeit | Ziit |
standarddt. | schwäb. | niederalem. | hochalem. |
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Kind | Kend | Kind | Chind |
standarddt. | hochalem. | höchstalem. | Bemerkung |
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schneien | schneie | schnii-e, schnye | Im Höchstalem. keine Diphthongierung im Hiatus. |
Horn | Horn | Ho(o)re | |
trinken | trinkche | triiche, tringge |
standarddt. | schwäb. | bodenseealem. | oberrheinalem. |
---|---|---|---|
oben | oba | obe | owe |
standarddt. | nieder-/hoch-/höchstalem. | schwäb. |
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Stein | Stai | Stoa/Stoe |
Zwischen nieder- und hochalemannisch ist der signifikanteste Unterschied die Aussprache des Lautes -ch- nach den Vokalen -e-, -i-, -ä-, -ö-, -ü- und Konsonanten: Im Niederalemannischen (und im benachbarten Schwäbisch) wird dieser Laut wie im Standarddeutschen ausgesprochen („Becher“; [ç]), im Hochalemannischen wie -ch- in Bach ([x]).
Das Diminutiv (Verkleinerungsform) wird in allen alemannischen Großdialekten oft verwendet. In den nördlichen und östlichen Dialekten wird es durch das Suffix -le (sg.) und -la (pl.), in den südlichen Dialekten durch das Suffix -li ausgedrückt (z. B. Heisle/Heisla – Hüüsli für „Häuschen“, Kendle/Kendla – Chindli für „Kindlein“).
Die in Vorarlberg gesprochenen hochalemannischen (nicht aber die dort ebenfalls gesprochenen höchstalemannischen) Dialekte unterscheiden sich von den in der Schweiz gesprochenen unter anderem dadurch, dass keine Verschiebung von /k/ zu /ch/ stattgefunden hat, und anstatt der Verkleinerungsendung -li wird dort die Endung -le verwendet.
In der Höflichkeitsform wird im Hoch- und Höchstalemannischen, etwa im Berndeutschen, im Walliserdeutschen, in der Innerschweiz und im Appenzellerland, aber ebenso im alten Schwäbisch, oft die 2. Person Plural „Ihr“ verwendet: Für „Möchten Sie noch ein Stück?“ heißt es also Weit-er no nes Stück? / Welltid-er no as Stick? / Wend-er no es Stuck? Im alten Baseldeutsch wird oft die 3. Person Singular als Höflichkeitsform verwendet; statt „Steigen Sie auch aus?“ heißt es Stygt dr Herr au us? („Steigt der Herr auch aus?“).
Eine Verständlichkeit des Alemannischen für andere Dialektsprecher oder der hochdeutschen Standardsprache ist je nach Ausprägung mehr oder weniger schwierig. Nach dem Kriterium der gegenseitigen Verständlichkeit verhält sich das Alemannische zu den weiter entfernt liegenden Dialektgebieten wie eine andere Sprache.
Das Alemannische als Teil eines Dialektkontinuums wechselt übergangslos in andere Varietäten. Seine Verständlichkeit ist ein subjektiver Faktor, der je nach Alter, Wohnort, Bildungsstand und persönlicher Prägung der befragten Personen stark variieren kann, außerdem davon abhängt, wie gegenseitige Verständlichkeit überhaupt definiert wird. Weiterhin könnte man so gleich mehrere eigenständige alemannische Sprachen unterscheiden, da die gegenseitige Verständlichkeit auch unter den alemannischen Dialektsprechern nicht immer gewährleistet ist. In dieser Hinsicht werden oft das Schwäbische und das Höchstalemannische – wird auch in der alemannischen Schweiz nicht von jedem verstanden –, getrennt aufgeführt.
Da im hoch- und niederdeutschen Sprachraum unter sprachlich verwandten Varietäten meistens nur diejenigen als eigenständige Sprachen gelten, die das Kriterium als Ausbausprache (Standardsprache) erfüllen, wird das Alemannische überwiegend als regionale Varietät des oberdeutschen Sprachraumes angesehen. Da die Sprecher alemannischer Dialekte, zumindest in Südwestdeutschland und der Deutschschweiz, die hochdeutsche Standardsprache als Dachsprache (Schriftsprache) nutzen, gibt es nur geringe Tendenzen hin zur gemeinsamen Ausbausprache. Zumindest innerhalb der Schweiz vollzieht sich eine Entwicklung, die – wenn auch nur langsam – den alemannischen Dialekten den Rang von Kulturdialekten zuweist.
In Frankreich hat dagegen das Elsässische den Status einer Regionalsprache, und mit Orthal gibt es seit 2003 den Versuch, die elsässischen Dialekte zu standardisieren und damit die Tendenz zu einer Ausbausprache.
Die folgende Zusammenstellung enthält Literatur, die größere Dialekträume beschlägt. Für einzelne Mundarten siehe die entsprechenden Artikel. Sortiert nach Erscheinungsjahr der Erstauflage.
Von West nach Ost:
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