Volker Braun wuchs neben vier weiteren Brüdern als Sohn des Buchprüfers, Vertreters[2] und Kunstliebhabers Erich Braun und dessen Frau Irmgard in Dresden-Rochwitz auf.[3] 1957 legte er das Abitur ab und arbeitete zunächst ein Jahr lang in der Dresdner Druckerei der Sächsischen Zeitung. Nachdem er sich vorerst vergeblich zum Studium beworben hatte, ging er in das Gaskombinat Schwarze Pumpe, wo er u.a. als Tiefbauarbeiter und Betonrohrleger tätig war. Die Erfahrungen dieser Zeit spiegelten sich in seinen frühen literarischen Werken, so auch in seinem Erstlingsdrama Kipper Paul Bauch (später unter dem Titel Die Kipper veröffentlicht). 1960 begann er an der Universität Leipzig ein Studium der Philosophie. In dieser Zeit entstanden erste literarische Arbeiten. Bekannt wurde Braun zunächst vor allem als Lyriker.
Seit 1960 war er Mitglied der SED. Gleichwohl galt er in der DDR als staatskritisch, und oft gelang es ihm nur unter Einsatz taktischen Geschicks, seine Prosa oder Gedichte zu veröffentlichen. Er verstand sich von Beginn an als dezidiert politischer Autor in der kritischen Nachfolge von Bertolt Brecht. Dreh- und Angelpunkt seines Werkes waren die Widersprüche zwischen der sozialistischen Utopie auf der einen und der Realität des Staatssozialismus auf der anderen Seite. Wie Brecht und Heiner Müller begriff er sie als Teil eines Epochenwiderspruchs, dessen Auswirkungen er nicht ideologisch vereinfachte, sondern als die „offenen Enden der Geschichte“[4] beschrieb. Der Titel Es genügt nicht die einfache Wahrheit, den ein 1975 erschienener Band mit Notaten trägt, ist programmatisch für diese Haltung Brauns. Die Hinwendung zu geschichtlichen Stoffen als Grundlage seiner dramatischen Produktion, die er in den 70er Jahren vollzog, zeugt von der Intention, die Widersprüche der DDR immer wieder in einen größeren historischen Kontext zu stellen.
Anfangs beschrieb er den Aufbau des Sozialismus kritisch-enthusiastisch. Von 1965 bis 1967 arbeitete er auf Einladung von Helene Weigel als Dramaturg am Berliner Ensemble. Nach den Ereignissen des Prager Frühlings beschäftigte er sich zunehmend kritisch mit dem Leben im Sozialismus und den Möglichkeiten der Reform. Danach wurde er verstärkt von der Stasi überwacht. Seit 1972 arbeitete Braun am Deutschen Theater Berlin, 1976 gehörte er zu den Mitunterzeichnern der Protestresolution gegen die Ausbürgerung Biermanns.[5] Ab 1979 war er wieder am Berliner Ensemble tätig, 1981 erhielt er den Lessing-Preis der DDR.
Brauns Werke zeichneten in den 80er Jahren zunehmend das Bild eines deprimierenden Lebens in der DDR. Die Akteure seiner Stücke bewegen sich resigniert in einem unbeweglichen Umfeld. Sein an Diderots Jacques der Fatalist und sein Herr angelehnter Hinze-Kunze-Roman erhielt zwar 1985 eine Druckgenehmigung, doch nach seinem Erscheinen wurde er von der einflussreichen Kritikerin Anneliese Löffler als „absurd“ und „anarchistisch“ scharf angegriffen,[6] und Klaus Höpcke, damals stellvertretender Minister für Kultur, erhielt ein Disziplinarverfahren, weil er die Druckerlaubnis erteilt hatte.[7] Andererseits erhielt Braun 1988 den Nationalpreis der DDR.
Während der friedlichen Revolution 1989 gehörte er zu den Befürwortern eines eigenständigen „dritten Weges“ für die DDR und war einer der geladenen Erstunterzeichner des Aufrufs „Für unser Land“.[8]
Nach der Wiedervereinigung beschäftigte er sich kritisch mit den Gründen für das Scheitern der DDR. In diesem Zusammenhang steht auch seine Zusammenarbeit mit der von Wolfgang Fritz Haug herausgegebenen westlich-marxistischen Zeitschrift „Das Argument“.
Volker Braun erhielt sowohl im Osten als auch im Westen viele Preise. Schon vor der Wiedervereinigung hatte er den Status eines gesamtdeutschen Autors inne. 2000 erhielt er den renommierten Georg-Büchner-Preis.[9]
Ein berühmt gewordenes Gedicht von 1990 beschreibt sie:
Das Eigentum
Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen.
KRIEG DEN HÜTTEN FRIEDE DEN PALÄSTEN.
Ich selber habe ihm den Tritt versetzt.
Es wirft sich weg und seine magre Zierde.
Dem Winter folgt der Sommer der Begierde.
Und ich kann bleiben wo der Pfeffer wächst.
Und unverständlich wird mein ganzer Text.
Was ich niemals besaß wird mir entrissen.
Was ich nicht lebte, werd ich ewig missen.
Die Hoffnung lag im Weg wie eine Falle.
Mein Eigentum, jetzt habt ihrs auf der Kralle.
Wann sag ich wieder mein und meine alle.
Diese Verse „bringen es auf den Punkt: den Widerspruch zwischen Entwurf und Leben, Möglichkeit und Wirklichkeit, Theorie und Praxis, Programmatik und Erfahrung im zuletzt nur mühsam lebbaren DDR-Sozialismus … Jeder Vers in dem Gedicht ist ein kurzer abgeschlossener Satz mit Punkt am Ende. Jeder Satz eine lakonische Feststellung von trauriger Endgültigkeit. […] Die Hoffnung, die eine Falle war auf dem Weg zur Illusionslosigkeit, muß dieser nun weichen. Eine große Elegie.“[12]
Die Kipper. Schauspiel. Henschelverlag [heute: henschel Schauspiel Theaterverlag], Berlin 1962/65. Uraufführung: 5. März 1972, Städtische Theater Leipzig, Regie: Gotthard Müller. BRD-Erstaufführung: 16. September 1973, Wuppertaler Bühnen, Regie: Günter Ballhausen und Jürgen Bosse.
Schmitten. Schauspiel. 1969/1978. Uraufführung: 18. Januar 1982, Städtisches Theater Leipzig, Regie: Karl Georg Kayser.
Lenins Tod. Drama. henschel Schauspiel [Henschelverlag], 1970. Uraufführung: 28. September 1988, Berliner Ensemble, Regie: Christoph Schroth.
Wir und nicht sie. Gedichte. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1970.
Das ungezwungne Leben Kasts. Aufbau-Verlag, Berlin, 1971 (Reihe Edition Neue Texte)
Gedichte. 1972.
Hinze und Kunze. Schauspiel. henschel Schauspiel [Henschelverlag], 1967. Uraufführung: 4. Mai 1973, Städtische Theater Karl-Marx-Stadt, Regie: Piet Drescher.
Tinka. Schauspiel. henschel Schauspiel [Henschelverlag], 1972/1973. Uraufführung: 29. Mai 1976, Städtische Theater Karl-Marx-Stadt, Regie: Hartwig Albiro. BRD-Erstaufführung: 23. April 1977, Nationaltheater Mannheim, Regie: Jürgen Bosse, BRD-Erstaufführung: 23. April 1977, Staatstheater Kassel, Regie: Hagen Mueller-Stahl.
Gegen die symmetrische Welt. Gedichte. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1974.
Es genügt nicht die einfache Wahrheit. Notate. Reclam-Verlag Leipzig, 1975.
Guevara oder Der Sonnenstaat. Schauspiel. henschel Schauspiel [Henschelverlag], 1975. Uraufführung: 10. Dezember 1977, Nationaltheater Mannheim, Regie: Jürgen Bosse. DDR-Erstaufführung: 21. Januar 1984, Städtische Theater Leipzig, Regie: Karl Georg Kayser.
Training des aufrechten Gangs. Gedichte. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1976.
Simplex Deutsch. Szenen über die Unmündigkeit. henschel Schauspiel [Henschelverlag], Berlin 1978. Uraufführung: 26. April 1980, Berliner Ensemble, Regie: Piet Drescher. BRD-Erstaufführung: 20. November 1982, Badisches Staatstheater Karlsruhe.
Unvollendete Geschichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-02266-0.
Poesiealbum 115: Volker Braun. Gedichte. Verlag Neues Leben, Berlin 1977.
Dmitri. Schauspiel. henschel Schauspiel [Henschelverlag], Berlin 1980. Uraufführung: 7. Dezember 1982, Badisches Staatstheater Karlsruhe, Regie: Günter Ballhausen. DDR-Erstaufführung: 27. April 1984, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Regie: Christoph Schroth.
Stücke. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1983. (Darin: Die Kipper, Hinze und Kunze, Schmitten, Tinka, Guevara oder Der Sonnenstaat, Großer Frieden, Simplex Deutsch, Dmitri sowie ein Essay von Klaus Schuhmann).
Demos, Die Griechen / Putzfrauen. henschel Schauspiel Theaterverlag Berlin 2015, Uraufführung Die Griechen / Putzfrauen am 16. September 2016, Berliner Ensemble, Regie: Manfred Karge.[15]
Handbibliothek der Unbehausten. Neue Gedichte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-518-42543-5.
Verlagerung des geheimen Punkts. Schriften und Reden. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. ISBN 978-3-518-42875-7
1991: Der Verdacht, nach der Erzählung Unvollendete Geschichte.
Braun hatte mitunter die Angewohnheit beim Signieren seiner Bücher seinen im Buch gedruckten Namen durchzustreichen und dann darüber seinen Namenszug zu setzen. In letzter Zeit signiert er seine Bücher nur noch mit Bleistift, wobei er das Signierdatum senkrecht von oben nach unten schreibt.
Katrin Bothe: Die imaginierte Natur des Sozialismus. Eine Biographie des Schreibens und der Texte Volker Brauns 1959-1974. Würzburg 1997, ISBN 3-8260-1426-X, Dissertation der Universität Hamburg
Christine Cosentino, Wolfgang Ertl: Zur Lyrik Volker Brauns. Forum Academicum, Königstein 1984, ISBN 3-445-02311-5.
Wilfried Grauert: Ästhetische Modernisierung bei Volker Braun. Studien zu Texten aus den achtziger Jahren. Würzburg 1995
Jost Hermand: Von Grund auf anders. Volker Brauns 'Großer Frieden'. In: Hans-Dietrich Irmscher, Werner Keller (Hrsg.): Drama und Theater im 20. Jahrhundert. Walter Hinck, Göttingen 1983
Dennis Püllmann: Von Brecht zu Braun. Versuch über die Schwierigkeiten poetischer Schülerschaft. Thiele, Mainz 2011, ISBN 978-3-940884-42-8, Dissertation der Universität Potsdam.
Jay Rosellini: Volker Braun. (Autorenbücher 31). C.H. Beck, München 1983, ISBN 3-406-08692-6.
Joachim Walther: Autoren-Werkstatt: Volker Braun. In: Die Weltbühne, Berlin, 8/1973, S. 232–234
Volker Wehdeking: Bildmomente der Erinnerung an 1989. Das Narrativ der Friedlichen Revolution in Post-DDR-Prosa, -Lyrik und -Film. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2020. ISBN 978-3-503-19430-8.
Hörbuch
in Gerhard Pötzsch (Hrsg.): Dichtung des 20. Jahrhunderts: Meine 24 sächsischen Dichter. 2 CDs, Militzke Verlag, Leipzig 2009, ISBN 978-3-86189-935-8.
Der Schriftsteller Volker Braun. Training des aufrechten Gangs. Dokumentarfilm, Deutschland, 2014, 29:50 Min., Buch und Regie: Jens-Uwe Korsowsky, Produktion: MDR, Reihe: Lebensläufe, Erstsendung: 8. Mai 2014 bei MDR, Inhaltsangabe von ARD.
Zur Person: Günter Gaus im Gespräch mit Volker Braun. Gespräch, DDR, 1991, 48 Min., Regie: Harald Becker, Produktion: DFF, Reihe: Zur Person, Erstsendung: 11. April 1991 bei DFF, Filmdaten von Deutsche Kinemathek. Abgedruckt in: Neue Porträts in Frage und Antwort. Günter Gaus im Gespräch, Volk und Welt, Berlin, 1992, ISBN 3-353-00891-8, S. 57–74.
Wolfgang Düsing: Volker Braun. In: Deutsche Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Alo Allkemper und Norbert Otto Eke. Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. Berlin 2000, ISBN 3-503-04975-4, S.610.
Braun auf dem VII. Schriftstellerkongress der DDR, zitiert nach: Chung Wan Kim: Auf der Suche nach dem offenen Ausgang. Untersuchungen zur Dramatik und Dramaturgie Volker Brauns. Tectum Verlag Marburg 2003
Anneliese Löffler: Wenn Inhalt und Form zur Farce gerinnen. Zu Volker Brauns „Hinze-Kunze-Roman“. In: Neues Deutschland, 9.Oktober 1985, S.4, Artikelanfang.
Vgl. York-Gothart Mix (Hrsg.): Ein ‚Oberkunze darf nicht vorkommen’. Materialien zur Publikationsgeschichte und Zensur des Hinze-Kunze-Romans von Volker Braun. Mit einem Interview mit Volker Braun und Dieter Schlenstedt. Harrassowitz, Wiesbaden 1993, ISBN 3-447-03422-X; Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. Erweiterte Neuausgabe. Aufbau, Berlin 2000, ISBN 978-3-7466-8052-1, S.52.
Walter Hinck:Volker Braun zum Siebzigsten: Die Bleibe, die ich suche, ist kein Staat. In: FAZ.NET. ISSN0174-4909 (faz.net[abgerufen am 11.Februar 2020]).