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Verwaltungs- und Gerichtsbezirk, der Vorderen Grafschaft Sponheim Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Oberamt Kreuznach bzw. Amt Kreuznach war ein Verwaltungs- und Gerichtsbezirk, der zur Vorderen Grafschaft Sponheim gehörte und vom Spätmittelalter bis 1797 bestand. Es liegt in den heutigen Landkreisen Landkreis Bad Kreuznach, Rhein-Hunsrück-Kreis, Landkreis Cochem-Zell, Landkreis Birkenfeld, Landkreis Alzey-Worms und Landkreis Mainz-Bingen in Rheinland-Pfalz.
Zum vordersponheimischen Oberamt Kreuznach gehörte ursprünglich das Gebiet um die Burgen und Schlösser Kreuznach, Ebernburg, Gutenberg, Argenschwang, Naumburg, Koppenstein, Gemünden und Kirchberg.[1] Es grenzte an die kurpfälzischen Oberämter Stromberg und Alzey, an Kurmainz, die Rheingrafschaft, die Grafschaft Falkenstein, die Herrschaft Bolanden, das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die Hintere Grafschaft Sponheim, die Herrschaft Dalberg und den Reichsforst Soonwald.[2] Der Sitz des Amtmanns bzw. Oberamtmanns war in Kreuznach.
Das Oberamt enthielt als Enklaven Gebiete kleinerer oder größerer Herrschaften wie der koppensteiner Herrschaft Mandel (dalbergisches Lehen), Herrschaft Montfort der Boos von Waldeck (Hüffelsheim teilweise), des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken (Hallgarten (Pfalz)) oder bis 1556 das Kloster Sponheim (gräflich sponheimer Schirmvogtei), bis 1574 das Kloster Sankt Katharinen und ab 1707 den reichsgräflich wartenbergischen Oranienhof.
Im gemeinsamen Besitz mit der Hinteren Grafschaft Sponheim standen die Stammsitze Burg Sponheim und Burg Dill, die im bzw. am Oberamt Kreuznach lagen. Mit der Herrschaft Dill (Burg und Stadt Dill, Dorf Sohrschied und Leibeigene in umliegenden Dörfern) war bis 1566 die Vogtei über das Augustiner-Chorherrenstift Pfaffen-Schwabenheim verbunden.
Das Amt Kreuznach stand wie die gesamte Vordere Grafschaft Sponheim seit 1417 unter der gemeinsamen Regierung der Kurpfalz (1⁄5) und der Grafschaft Sponheim-Starkenburg (4⁄5), die 1422 eines ihrer vier Fünftel für 20.000 Gulden[3] an die Kurpfalz verpfändete. 1437 wurde die sponheim-starkenburger Herrschaft zwischen den Grafen von Veldenz, den Markgrafen von Baden und der Pfalzgrafschaft Pfalz-Simmern in ungetrennter Gemeinschaft geteilt (Kondominium), jede erhielt 1⁄5 der Gesamtherrschaft und einen entsprechenden Anspruch auf das an die Kurpfalz verpfändete Fünftel. 1444 wurde Veldenz von Pfalz-Simmern beerbt (jetzt 2⁄5). Nach der Schlacht bei Seckenheim 1462 war der badische Anteil bis 1508 für 42.000 Gulden an die Kurpfalz verpfändet, die in dieser Zeit damit insgesamt 3⁄5 des Amtes in ihrem Besitz hatte. Die Herrschaft Ebernburg wurde 1482 als Erblehen an die von Sickingen vergeben. Pfalz-Simmern-Zweibrücken erwarb 1504 das 1422 von Sponheim verpfändete Fünftel von der Kurpfalz zurück und gab die Hälfte davon an Baden weiter, vermutlich im Tausch gegen badische Anteile an Burgen und Schlössern.
Nachdem Markgraf Philipp I. von Baden (1479–1533) Elisabeth von der Pfalz (1483–1522) geheiratet (1503) und die verpfändeten badischen Anteile als Mitgift zurück erhalten hatte (1508), besaßen Pfalz-Simmern 2½⁄5 (= 1⁄2 = 5⁄10), Baden 1½⁄5 (= 3⁄10) und die Kurpfalz 1⁄5 (= 2⁄10).
In der Zeit des Kondominiums amtierten zeitweise ein kurpfälzischer, ein sponheimischer und ein badischer (Ober-)Amtmann nebeneinander in Kreuznach. Die Kurpfalz und Simmern besetzten das Oberamt darüber hinaus jeweils mit einem Truchsess, Baden mit einem Landschreiber. Beschlüsse, die eine Rechtslage änderten, mussten die Amtleute einstimmig fassen, sonst blieb es zunächst beim Status quo.
Als Grundlage des Rechtswesens diente das wahrscheinlich von Rudolf von Sachsenhausen in der Mitte des 14. Jahrhunderts in Frankfurt am Main zusammengestellte sog. „Kleine Kaiserrecht“, von dem eine Kreuznacher Handschrift erhalten ist.[4] 1530 wurde von der Kurpfalz, Baden und Simmern eine gemeinsame Ordnung für das – schon vorher bestehende – Kreuznacher Hofgericht und die Untergerichte in der Vorderen Grafschaft Sponheim erlassen, die von Silvester Sybolt, Hofgerichtssekretär in Kreuznach und Stadtschreiber in Oberwesel, und dem simmerschen Sekretär Hieronymus Rhodler († 1539) entworfen worden war.[5] Das Kreuznacher Hofgericht als Berufungsinstanz der Untergerichte (ab einem Streitwert von 20 Gulden) trat zweimal jährlich – am Sonntag Laetare (März/April) und am Sonntag nach St. Petri Kettenfeier (1. August) – zusammen. Es wurde durch die „Freidörfer“ Waldböckelheim, Wöllstein, Volxheim, Braunweiler, Mandel und Roxheim, die dafür von dem Zoll zu Kreuznach befreit waren, mit sieben Schöffen beschickt (Wöllstein sandte zwei). Noch 1721 – nach der Abtretung Wöllsteins durch die Kurpfalz – versuchte der dortige kurmainzische Oberschultheiß dem nassauischen Oberschultheiß der zweiherrischen Gemeinde die Funktion des „Aktuars“ (Gerichtsschreibers) beim Kreuznacher Blutgericht streitig zu machen.[6]
Als Appellationsinstanz (ab einem Streitwert von 50 Gulden) bildete sich das 1462 reformierte kurpfälzische Hofgericht in Heidelberg heraus. Berufungen vom Kreuznacher Hofgericht zum kaiserlichen Ingelheimer Oberhof, bei dem zuvor auch das Kreuznacher Schöffengericht „zu Haupt“ gegangen war,[7] waren im 16. Jahrhundert nicht mehr möglich.[8] Durch kaiserliches Privileg war in der Kurpfalz von 1578 bis 1652 eine Appellation an das Reichskammergericht erst bei Streitsachen mit einem Wert über 1000 Gulden zugelassen, danach konnte dieser Rechtsweg wegen eines „Privilegium de non appellando illimitatum“ gar nicht mehr beschritten werden.
1534 kam es zu einem Streit der Markgrafen Bernhard (1474–1536) und Ernst von Baden (1482–1553) mit Herzog Wilhelm IV. von Bayern (1493–1550) über den verpfändeten Anteil an Kreuznach aus dem Erbe von dessen Frau Maria Jakobäa von Baden (1507–1580). Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz (1478–1544) als Schiedsrichter sprach Herzogin Maria Jakobäa eine Abfindung zu.[9]
Ab 1559 gehörte das Amt Kreuznach nach einem Erbausgleich als Teil der Vorderen Grafschaft Sponheim ungeteilt der Kurpfalz (3⁄5) und Baden (2⁄5). 1610/11 kam der Pfälzer Anteil an die sogenannte jüngere Linie Pfalz-Simmern-Kaiserslautern unter Ludwig Philipp (1602–1655). 1653 im Vergleich von Regensburg (bestätigt im Reichstagsabschied 1654) ließ sich Kurfürst Karl I. Ludwig von der Pfalz (1617–1680), der seit 1648 Ansprüche erhoben hatte, einen der Pfälzer Erbanteile (1⁄5) übertragen und trat 1654 die Mitregierung an.[10] Nach dem Tod von Ludwig Heinrich von Pfalz-Simmern (1640–1674) wurden die Kurpfälzer Anteile 1674 wieder vereinigt.
Die Markgrafschaft Baden, die 1644 durch den französischen Marschall Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne (1611–1675) aus Kreuznach vertrieben worden war, wurde 1652 nach dem Westfälischen Frieden durch eine kaiserliche Restitutionskommission wieder in ihren Mitanteil eingesetzt.[11]
Ab 1708 gehörte das Amt Kreuznach nach einer Realteilung vollständig zur Kurpfalz, allerdings wurden die Unterämter Kirchberg, Koppenstein und Naumburg sowie die Dörfer Burgsponheim[12], Sprendlingen und St. Johann ausgegliedert und an Baden abgetreten.[13]
Zum Oberamt Kreuznach gehörten zu dieser Zeit neben der Stadt Kreuznach die Dörfer Bosenheim, Schwabenheim, Ober-Hilbersheim, Zotzenheim, Langenlonsheim, Gensingen, Hackenheim, Laubersheim, Siefersheim (Schiffersheim), Wöllstein, Gumbsheim, Pleitersheim, Rüdesheim, Traisen, Hargesheim, Roxheim, Weinsheim, Gutenberg, Sponheim, Bockenau, Auen.[14]
1714 gelangte das Unteramt Böckelheim mit den Städten Sobernheim und Monzingen und den Dörfern Thalböckelheim, Waldböckelheim, Nußbaum und Langenthal sowie Anteilen an Boos und Oberstreit durch den „Vertrag von Frankfurt“ zwischen der Kurpfalz und Kurmainz endgültig an das Oberamt Kreuznach, dafür wurde der kurpfälzische Anteil an Siefersheim, Wöllstein, Gumbsheim, Pleitersheim und Volxheim an Kurmainz abgegeben. Auch die kurpfälzischen Ansprüche auf Neu-Bamberg, Sulzheim und Dalberg wurden jetzt aufgegeben.
Durch den „Seltz- und Hagenbacher Austausch“ von 1768 zwischen der Kurpfalz und Pfalz-Zweibrücken wurde die Stadt Odernheim am Glan mit dem ehemaligen Kloster Disibodenberg und den Dörfern Niederhausen, Hochstätten, Hallgarten sowie Leibeigenen in Staudernheim hinzugewonnen. 1750 (Abtretung durch die Sickinger) bzw. 1771 kam durch einen Vertrag zwischen Baden und der Kurpfalz die ehemals sickingische Herrschaft Ebernburg mit Norheim, Feil und Bingert im Austausch gegen Helmsheim und Sprantal hinzu. Duchroth und Oberhausen an der Nahe gelangten 1779 im „Kübelberger Austausch“ gegen das Amt Kübelberg von Pfalz-Zweibrücken an die Kurpfalz.
Gesondert verwaltet von „Schaffnern“ wurden die ehemaligen geistlichen Güter. Dies waren im Oberamt Kreuznach die Kellerei zu Disibodenberg, die Schaffnerei Pfaffen-Schwabenheim, die Abtei St. Martin in Sponheim, die Kollektur zu Kreuznach, die Schaffnerei zu St. Katharina und die Schaffnerei zu St. Peter in Kreuznach sowie die Präsenzmeisterei zu Kreuznach.
Nach der Einnahme des Linken Rheinufers durch französische Revolutionstruppen wurden ab 1798 die Gebiete nördlich der Nahe dem Arrondissement de Simmern (Kanton Kreuznach, Kanton Sobernheim) im Département de Rhin-et-Moselle (Rhein und Mosel), einige südliche Gebiete den Arrondissements Mainz (Kanton Wöllstein; Kanton Alzey) im Département du Mont-Tonnerre (Donnersberg) und Birkenfeld (Kanton Meisenheim) im Département de la Sarre (Saardepartement) zugeordnet.
Aufgrund der auf dem Wiener Kongress (1815) getroffenen Vereinbarungen kam das Gebiet des vorherigen Oberamtes Kreuznach 1815 größtenteils zum Königreich Preußen, zu kleineren Teilen an das Königreich Bayern (Rheinpfalz) und an das Großherzogtum Hessen.
Einige heutige Bad Kreuznacher Stadtteile und Stadtgebiete gehörten nicht zum alten sponheimischen Amt und Oberamt Kreuznach: Das Gebiet um den heutigen Oranienpark gehörte zum Augustiner-Chorfrauenstift St. Peter (bis 1566/68, ab 1707 Reichsgrafschaft Wartenberg) und der Neuhof auf dem Mönchberg in Winzenheim zum Kloster Eberbach, der heutige Stadtteil Bad Münster am Stein, die Osterburg am Römerkastell und der Galgenberg gehörten zur Rheingrafschaft, das Haus Sulz im heutigen Salinental war freiadelig (Herren von Leyen),[15] Planig gehörte dem Benediktinerkloster St. Jakob zu Mainz (die Vogtei war als Lehen an die von Löwenstein genannt Randeck vergeben), eine Hälfte von Ippesheim und Winzenheim waren im Besitz der kurkölnischen Herrschaft Bretzenheim, die andere Hälfte von Ippesheim gehörte zur Grafschaft Falkenstein (später lothringisch bzw. vorderösterreichisch), Bosenheim war mehrherrisch (Sponheim, Wild- und Rheingrafen, Kessler von Sarmsheim, Herren von Schönberg, Herren von Leyen u. a., seit 1707 Kurpfalz).
1708 von der Kurpfalz an Baden abgetretene Gebiete
Nach 1708 von der Kurpfalz hinzugewonnene Gebiete
Als dauernde Erblehen vergeben waren
Eingerückt sind Personen aufgeführt, die in älterer Literatur als Oberamtmann aufgelistet werden, aber urkundlich nur als Truchsess, Oberschultheiß o. ä. belegt sind.
Kurpfälzisches Kondominat (1414–1797)
1610 Übergang an die Linie Pfalz-Simmern-Lautern
1620–1641 Unterbrechung durch Besatzungen
1653/54-1674 Pfalz-simmern-lauterisches (2/5) und kurpfälzisches (1/5) Kondominat
ab 1674 Vereinigung der Kurpfälzer Anteile (3/5)
1708 Übergang des Oberamtes im Ganzen an die Kurpfalz (1707–1797)
Französische Besetzung
Bayerischer Anspruch auf die Rheinpfalz (1799–1802); nominell bayerisches Oberamt Kreuznach
1559 Erbausgleich zwischen der Kurpfalz und Baden; Erlöschen des pfalz-simmerischen Anteils
1462/63 bis 1508 an die Kurpfalz verpfändet
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde das Amt nur sporadisch eigenständig besetzt; gegen Ende des Kondominats begegnen als badische Geschäftsträger noch
Vom Sponheimer Oberamt Kreuznach zu unterscheiden ist das Rheingräfliche Amt Kreuznach, das nach seinem Zentrum, dem Rheingrafenstein, auch „Steiner Amt“ genannt wurde.[83][84] Es bestand aus Münsterappel mit Oberhausen an der Appel, Niederhausen an der Appel und Winterborn, Stein-Bockenheim, Dreckweiler (auch Weiler oder Weilerhof; Wüstung bei Frei-Laubersheim), Volxheim (anteilig), Münster am Stein (anteilig), dem Kreuznacher Galgenberg, der Kreuznacher Osterburg, Sarmsheim und Windesheim sowie Rechten und Gefällen in Hochstätten, Heddesheim, Norheim und Hüffelsheim. Sitz der Verwaltung war der Rheingräfliche Hof in Kreuznach.
1698 gab die wild- und rheingräfliche bzw. salm-kyrburgische Familie die Rechte an der Kreuznacher Osterburg mit allem Zubehör im Gegenzug für den Verzicht auf das Wildfangrecht an ihren Untertanen an die Kurpfalz ab.[85]
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