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deutscher Schriftsteller Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Herbert Rosendorfer (* 19. Februar 1934 in Bozen; † 20. September 2012 ebenda[1]) war ein deutscher Jurist, Schriftsteller und Karikaturist. Er verwendete auch das Pseudonym Vibber Tøgesen.
Herbert Rosendorfer wurde 1934 im Bozener Stadtviertel Gries geboren. Sein Vater (1910–1943), ein Sparkasseninspektor, fiel im Zweiten Weltkrieg, die Mutter (1913–1963) zog ihn und zwei weitere Geschwister in München und Kitzbühel allein auf.[2] Von 1939 bis 1943 lebte er in München. 1943 zog seine Mutter mit den Kindern wegen des Krieges nach Kitzbühel zu den Großeltern,[3] 1948 kamen sie nach München zurück. Dort studierte er nach dem Abitur ein Jahr Bühnenbild an der Akademie der Bildenden Künste, ab 1954 aber Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Da die finanziellen Mittel der Familie sehr beschränkt waren, finanzierte Rosendorfer sein Studium überwiegend als Werkstudent über das Studentenwerk. Wolfgang Kunkel und Murad Ferid haben ihn gefördert.[4] 1963 legte er das Zweite Staatsexamen ab und arbeitete ab 1965 als Gerichtsassessor und Staatsanwalt in Bayreuth.
1967 wurde er Amtsrichter in München. Ab 1993 war er Richter am Oberlandesgericht Naumburg. Er war langjährig verheiratet, aus dieser Ehe stammen drei Kinder, aus seiner zweiten Ehe (1997) mit der Journalistin Julia Andreae stammt eine weitere Tochter.[5] Seit seiner Pensionierung 1997 lebte er in Eppan in Südtirol.
Rosendorfer war 24 Jahre lang Richter am Amtsgericht München. Seine schon in der Referendarzeit begonnene schriftstellerische Tätigkeit war nicht ohne Einfluss auf Stil und Inhalt seiner Entscheidungen. Er hatte einen ironischen Blick auf seine Fälle. Zwei seiner Urteile haben Aufsehen erregt. In dem ersten erklärte er, die Insassen eines Unfallfahrzeugs könnten unter gar keinen Umständen die Wahrheit sagen: „Das Gericht hat noch nie erlebt, daß jemals ein Fahrer, der als Zeuge oder Partei vernommen wurde, eigenes Fehlverhalten eingeräumt oder zugestanden hätte. Wenn dies einmal tatsächlich passieren sollte, dann müßte man schlicht und einfach von einem Wunder sprechen. Wunder kommen aber in der Regel nur in Lourdes vor, wenn beispielsweise ein Blinder wieder sehen kann oder ein Lahmer wieder gehen kann, oder aber in Fatima, wenn sich während der Papstmesse eine weiße Taube auf den Kopf des Papstes setzt.....“[6]
Das zweite Urteil erging zu der Frage, ob jemand, der sein Fahrzeug nicht reparieren lässt, gleichwohl die »fiktive Mehrwertsteuer« verlangen kann, die gar nicht angefallen ist. Der Leitsatz: »Zwei Fiktionen sind eine Fiktion zu viel« durchzieht die Diskussionen über diese Probleme bis heute, der Bundesgerichtshof hat mehrfach zwischen den Meinungen hin und her geschwankt.[7]
Zum grundsätzlichen Problem der Gerechtigkeit merkte Rosendorfer an:
„Im Schönfelder gibts das Wort Gerechtigkeit nicht, das müsste irgendwo zwischen »Geräusche« und »Gericht« stehen – da finden Sie aber nichts. Gerechtigkeit hat mehr mit der juristischen Fantasie zu tun als mit der juristischen Dogmatik.“
Angesichts seines umfassenden künstlerischen Werks wurde Rosendorfer oft gefragt, warum er seinen Beruf als Richter nie aufgegeben habe. Dazu hat er gesagt: „Eine zynische Ader hat dazu geführt, dass ich Jura studiert habe … Ich würde vieles anders machen, aber Jura studieren würde ich wieder und Richter werden. … obwohl: Manchmal wollte ich die Akten am liebsten beim Fenster rauswerfen, aber so im Großen und Ganzen hab ich‘s schon gerne gemacht.“[9]
Rosendorfers künstlerisches Werk ist nicht nur im Bereich der Literatur, dort aber in besonderem Maße von einem ironischen, satirischen und manchmal zynischen Blick auf die Menschen gekennzeichnet:
„Ich liebe den einzelnen Menschen, jeder, der mir näher kommt, den ich näher kennenlernen möchte, im Großen und Ganzen, mit Ausnahmen. Aber insgesamt betrachte ich die Menschheit doch ein bisschen als Ungeziefer, weil sie unsere Erde zerstört.“
Rosendorfer schrieb schon als Gymnasialschüler, eine erste größere (erst 1965 veröffentlichte) Erzählung Die Glasglocke entstand um 1953, dem Jahr seines Abiturs. Weitere Texte wurden in Literaturzeitschriften veröffentlicht. Um 1965 ebnete ihm der südtiroler Zeichner Paul Flora den Weg zum Diogenes Verlag in Zürich, wo seine ersten Werke erschienen.[11] In den nächsten Jahrzehnten hat er ein umfangreiches Opus geschaffen, das neben Romanen und Erzählungen auch Theaterstücke, Fernsehspiele, historische Werke, Abhandlungen zur Musik, Reiseführer, Libretti sowie Kompositionen und Gemälde (vorwiegend Zeichnungen und Aquarelle[12]) umfasst. Seine Texte sind zum großen Teil der phantastischen Literatur zuzurechnen. Er beherrschte auch die realistische und historische Erzählung, die bei ihm häufig satirische bis groteske Züge trägt. So erfand er zum Beispiel – gemeinsam mit dem Pianisten Karl Betz von der Universität Würzburg – den Komponisten Otto Jägermeier, der Eingang in verschiedene Musiklexika fand.[13] Sein Roman Briefe in die chinesische Vergangenheit (1983) hat über eine Million Exemplare verkauft und wurde häufig übersetzt. Darin wird Bayern aus der Perspektive eines chinesischen Kannitverstan aus der Song-Dynastie betrachtet, den eine Zeitreise nach München verschlagen hat. Rosendorfer verdankte diese Idee der Lektüre von Montesquieus Persischen Briefen (1725). In seinem Roman Ein Liebhaber ungerader Zahlen spielt er mit der Figur des Schriftstellers Florious Fenix (der unübersehbare Parallelen zu J. D. Salinger aufweist) und dessen seit 1965 betriebener Verweigerung des Literaturbetriebs. Seine juristische Ausbildung und seine Erfahrungen in juristischen Berufen zeigen sich in Werken wie Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht und Die Donnerstage des Oberstaatsanwalts, die den juristischen Alltag mit satirischen Seitenhieben beschreiben.
Mit seinem Bühnenverleger Per H. Lauke vom Ahn & Simrock Bühnen- und Musikverlag verband ihn eine jahrelange Freundschaft, in deren Verlauf er Werke schrieb wie Die Kellnerin Anni, Die Hexe von Schongau, Oh Tirol oder Der Letzte auf der Säule, Vorstadtminiaturen, das Auftragswerk des Theaters Augsburg Zeit zu reden, Zeit zu schweigen – Szenen aus den letzten Jahren des Pater Rupert Mayer und Dem Manne kann geholfen werden (Trauerspiel nach Schillers Die Räuber). In den letzten Jahren schrieb Rosendorfer weitere Stücke wie Der Kaufmann von Theresienstadt, Die Hexe von Kurtatsch und Affenparade. Rosendorfer übertrug dem Verlag die Musical-Rechte an seinem Bestseller Briefe in die chinesische Vergangenheit. Er war Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Rosendorfer hat sich in seinem Werk immer wieder mit Musik beschäftigt. Eine seiner ersten Bücher Bayreuth für Anfänger befasst sich unter anderem mit Richard Wagner, er hat sich auch „hier und da als Tonsetzer versucht.“[14]
Rosendorfers zeichnerische Begabung zeigt sich an seinem Entschluss, an der Kunstakademie München Bühnenmalerei zu studieren. Dieses Studium brach er zwar ab, er hat danach aber nicht nur in seinen Büchern manche Zeichnungen und Aquarelle vorgelegt.[15] Sie haben überwiegend satirisch/kritischen Charakter.[16]
1990 wurde er von der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Honorarprofessor für Bayerische Literaturgeschichte ernannt.
Rosendorfer hat über seine letzten Jahre in einem ausführlichen Interview mit Paul Sahner berichtet. Sie waren von intensiver künstlerischer Tätigkeit, aber auch von Krankheiten gekennzeichnet: 2002 wurde ein Nierentumor operativ entfernt, 2006 ein Darmtumor; 2011 hatte sich ein Lungenkrebs entwickelt, an dem er ein Jahr später mit 78 Jahren starb.[17] Auch über den Tod dachte der kritische Katholik ironisch nach:
„Es gibt vermutlich einen Himmel für kritische Katholiken, der so ein bisschen in das Heidnische hinüberspielt. Da sind auch die heidnischen Götter. Da sind Zeus und Venus. Auf die Venus freue ich mich natürlich besonders, Amoretten dort oben sind erwünscht. Aber auch der heilige Franziskus wird sich gelegentlich zeigen. Ich nehme an, dass es da etwas gibt, wo nicht unbedingt der Papst und das Kardinalskollegium versammelt sind.“
Rosendorfer war Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Er war von 1979 bis 2010 Mitglied der Münchner Turmschreiber und von 1983 bis 2006 in fast allen Jahrbüchern dieser Vereinigung mit Beiträgen vertreten.[20]
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