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methodisch gesicherte Erforschung vergangenen menschlichen Handelns auf Basis kritisch geprüfter Überlieferung unter einer spezifischen Fragestellung Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Geschichtswissenschaft oder Historik ist die methodisch gesicherte Erforschung und Rekonstruktion von Aspekten der Menschheitsgeschichte oder Geschichte auf der Basis einer kritisch analysierten und interpretierten Überlieferung (Quellen) unter einer spezifischen Fragestellung. Historische Forschung wird in vielerlei Teildisziplinen geleistet und von den Historischen Hilfswissenschaften unterstützt. Ansätze zur Gliederung der Geschichte in spezifische Zeitabschnitte oder Epochen sind Gegenstand der Periodisierung.
Die Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- bzw. Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt, während die Naturgeschichte zu den einzelnen Naturwissenschaften gehört. Heute gilt die Geschichtswissenschaft, insbesondere mit entsprechenden Fragestellungen (Historische Anthropologie), daher auch als ein Sonderbereich der Anthropologie.
Die Geschichtswissenschaft zeichnet sich durch eine kritische Methode aus, das heißt, ihre Voraussetzungen, Methoden, Gedankengänge und Ergebnisse müssen rational diskutierbar bzw. intersubjektiv nachprüfbar (und zumindest prinzipiell falsifizierbar) sein, und man geht stets prüfend und mit dem Streben nach weitgehender Objektivität vor (siehe historisch-kritische Methode). Die Grundlage bilden historische Quellen, die im Rahmen einer Recherche gesammelt und dann nach den Regeln des Faches ausgewertet werden. Hierbei stehen die schriftlichen Zeugnisse im Mittelpunkt. Eng verwandt ist die Geschichtswissenschaft auch mit der Archäologie, die aber hauptsächlich nicht-schriftliche Quellen auswertet, und der Politikwissenschaft. Aufgrund der besonderen Bedeutung von Texten und Hermeneutik für die historische Forschung gibt es daneben auch Berührungspunkte mit der Literaturwissenschaft.
Historikern geht es weniger darum, das vorhandene Wissen über die Vergangenheit des Menschen nur zu bewahren und zu verbreiten, sondern vor allem darum, es zu mehren. Die Geschichtswissenschaft unterscheidet sich von anderen Wissenschaften allerdings insofern, als ihr Gegenstand, die Vergangenheit, nicht mehr existiert. Daher sind abschließende Beweise für historische Rekonstruktionen unmöglich zu erbringen, stattdessen steht die Abwägung von Argumenten im Zentrum. Der historische Stoff und das historische Material sind prinzipiell unendlich, da immer neue Quellen und Sichtweisen auf die Vergangenheit entstehen. Vor allem Letzteres sorgt dafür, dass durch veränderte Fragestellungen und Paradigmenwechsel auch in Hinblick auf weit zurückliegende Epochen immer wieder neue Erkenntnisse erzielt und ältere Positionen revidiert werden. Dabei steht insbesondere der Versuch im Mittelpunkt, plausible Kausalitäten zu rekonstruieren. Die Quellen – schriftliche wie materielle – bedürfen in diesem Zusammenhang stets zwingend der Interpretation, sie sprechen nicht für sich selbst. Dabei sind methodische Regeln zu beachten, die die moderne Geschichtswissenschaft im Verlauf von zwei Jahrhunderten formuliert hat, um plausible und logisch zulässige von unzulässigen Interpretationen trennen zu können. Der spätere Nobelpreisträger Theodor Mommsen formulierte prägnant, das Ziel der Geschichtswissenschaft sei das „Erkennen des Gewesenen aus dem Gewordenen mittelst der Einsicht in die Gesetze des Werdens“.[1]
Erforschen, Interpretieren, Verknüpfen und Vertiefen stehen im Vordergrund der Arbeit von Historikern. Stets geht der Forscher
Wie in jeder Wissenschaft besteht Erkenntniszuwachs dabei auch in dem Versuch, Irrtümer und Einseitigkeiten früherer Forscher aufzudecken und zu korrigieren (Forschungsgeschichte). Die Fragen, die an die Vergangenheit gestellt werden, ändern sich im Laufe der Zeit. Oft hängen sie mit neuen kultur- und sozialwissenschaftlichen Theorien zusammen, in deren Licht sich die Quellen und Zusammenhänge anders deuten lassen. Im Zusammenhang mit der Globalisierung gehört es für Jörn Rüsen zu den „fundamentalen Einsichten in die Kontextabhängigkeit des historischen Denkens und in die Logik seiner Vernunftansprüche“, sich der Herausforderung interkultureller Kommunikation zu stellen. Der in der westlichen Wissenschaftstradition mächtige Impuls der Rationalisierung des historischen Denkens sei nicht unbesehen für transkulturell wirksam anzusehen. Gleichwohl gebe es im gemeinsamen Menschsein begründete kulturübergreifende Wahrheitskriterien, mit denen sich methodische Rationalität transkulturell begründen lasse. „Kulturelle Differenz sollte als Inspiration und nicht als Grenze der historischen Erkenntnis zur Geltung gebracht werden.“[2]
Geschichtswissenschaftler werden Historiker genannt (von altgr. Historie/Historia = „Erkundung, Erforschung“). Ein Teilgebiet der Geschichtswissenschaft, das sich mit den Grundlagen des Fachs Geschichte befasst, ist die Historik. Das Fach wird weltweit vornehmlich an Universitäten sowie an spezialisierten Instituten betrieben, zudem an größeren und lokalen Museen. Es gibt auch viele Menschen, die sich außerhalb ihres Berufes auf wissenschaftlichem Niveau historisch betätigen, z. B. in der Regional- und Lokalgeschichte. Hinzu kommen zahlreiche historisch interessierte Laien, die zwar mitunter wichtige Beiträge leisten, denen aber aufgrund methodischer Mängel nicht selten auch gravierende Irrtümer unterlaufen.
In einer Grauzone zur Geschichtswissenschaft stehen populärwissenschaftliche Darstellungen, die sich ohne genaue Belege an ein breiteres Publikum richten. Dabei kann es vorkommen, dass sie die Geschichte zu sehr vereinfachen oder (absichtlich oder unabsichtlich) gar verfälschen. Mitunter ist bei populärwissenschaftlichen Arbeiten die Grenze zur Pseudowissenschaft fließend, die auf methodisch unzulässige Weise arbeitet und so wissenschaftlich unhaltbare Ergebnisse produziert. Gute populärwissenschaftliche Werke hingegen verbreiten historisches Wissen außerhalb der Fachwelt. Im Idealfall können sie einer breiteren Öffentlichkeit auch verdeutlichen, dass das aktuelle Bild von der Vergangenheit stets eine mehr oder weniger plausible (Re-)Konstruktion und Interpretation ist. Manche Historiker wie Golo Mann sind sogar der Auffassung, gute Geschichtsschreibung sei eher eine literarische Kunst als eine Wissenschaft, allerdings eine Kunst, die auf den Erkenntnissen der Wissenschaft aufbaut.[3]
Die Geschichtswissenschaft hat ihre eigene Geschichte. In der Geschichte der Geschichtsschreibung geht es um frühere Historiker, um deren Werke, teilweise um die Umstände, unter denen früher Geschichtsschreibung betrieben wurde, und auch darum, wie sich die Interessen und Fragestellungen gewandelt haben. Herodot gilt als der Vater der Geschichtsschreibung. Die seine folgte allerdings noch nicht den Regeln moderner Forschung, sondern verstand sich primär als literarisch-philosophisches Kunstwerk. Schon in der Antike hat die Geschichtsschreibung zwar mit Autoren wie Thukydides und Polybios manche Maßstäbe gesetzt, auf die Giambattista Vico in der Frühen Neuzeit zurückgegriffen hat. Aber erst im 19. Jahrhundert (Historismus) begannen Geschichtsforscher in Europa, sich verstärkt unter Beachtung wissenschaftlicher Kriterien (Heuristik, Quellenkritik, Textkritik, Objektivität) mit der menschlichen Vergangenheit zu befassen. Im Zuge dieser Professionalisierung kam es zu einer Spezialisierung, zunächst nach chronologischen (Alte, Mittlere und Neue Geschichte), dann auch nach geographischen und inhaltlichen Gesichtspunkten.
Im 20. Jahrhundert öffnete sich das Fach dann insbesondere kulturwissenschaftlichen und soziologischen Fragestellungen und Methoden. In den 1920er Jahren begann sich zudem in Frankreich unter der Ägide von Marc Bloch und Lucien Febvre die einflussreiche Annales-Schule zu etablieren, die heute stark mit der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) in Paris zusammenhängt. Diese gibt noch immer die von den beiden Historikern gegründete Zeitschrift heraus und tritt für eine Geschichtswissenschaft ein, bei der die Rekonstruktion der Ereignisgeschichte zugunsten der Betrachtung langfristiger Entwicklungen in den Hintergrund treten soll. Der sozialwissenschaftlichen „Wende“ der Geschichtswissenschaft in den 1960er und 1970er Jahren folgten weitere Anstöße zur Ausweitung des Forschungsspektrums seitens der Kulturanthropologie, die in Richtung einer kulturgeschichtlichen bzw. kulturwissenschaftlichen „Wende“ gehen.[4]
Die Theorie der Geschichte (Historik) befasst sich auf theoretischer Ebene mit den Grundlagen des Fachs, vor allem mit der Frage, wie historisches Wissen möglich ist, wie es zustande kommt und wozu es dient. Durch das Erkennen seiner eigenen, oft unbewussten Vorannahmen, kann ein Historiker Fehler vermeiden.
Die Geschichtsdidaktik gehört zur Geschichtswissenschaft, nicht zur Pädagogik, weil die Belehrung der Zeitgenossen über die Geschichte das ursprüngliche Anliegen der Historiker gewesen ist. Sie befasst sich vor allem mit der Weise, wie das Geschichtsbewusstsein in schulischen und außerschulischen Bildungsprozessen sowie in der Geschichtskultur mit Vergangenheit und Überlieferung umgeht.
Die historisch-kritische Methode wurde in Auseinandersetzung mit den schriftlichen Quellen im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt und verfeinert. Nach wie vor stehen Texte klar im Zentrum der Geschichtswissenschaft. Für viele historische Sachverhalte fehlen aber Schriftquellen.
Über sie hinaus gehen sozialwissenschaftliche Methoden (wozu insbesondere auch die Statistik zählt), die auch Massenphänomene quantitativ erfassen können. Des Weiteren ergänzen naturwissenschaftliche Methoden – z. B. die C14-Methode, die Dendrochronologie und die DNA-Analyse (insbesondere für Grabfunde) – zunehmend die geschichtswissenschaftliche Methodik. Neue und/oder verbesserte Datenanalysen wurden zudem mit der Erfindung und stetigen Weiterentwicklung des modernen Computers möglich. Komplexe statistische Verfahren der Zeitreihenanalyse gewinnen in Geschichtswissenschaften zunehmend an Bedeutung.[5]
Das Gebiet der verschiedenen angewendeten Methoden der Geschichtswissenschaft ist dabei nicht zu verwechseln mit der Geschichtsmethodik, die eine Teildisziplin der Geschichtsdidaktik darstellt.
Räumlich-geografisch kann man die Geschichte gliedern in die Weltgeschichte und Geschichte einzelner Erdteile (Europas, Amerikas, Asiens, Afrikas, Australiens). Darunter stehen zahllose Nationalgeschichten, Regionalgeschichten und Lokalgeschichten sowie Migrationsgeschichten wie die Völkerwanderung oder die Ostsiedlung.
Zeitlich gliedert man Geschichte in Epochen.
Die drei großen Epochen der europazentrierten Geschichtswissenschaft sind
Entsprechend spezialisiert sich die Geschichtswissenschaft.
Weltgeschichte bedeutet den Versuch, die Menschheitsgeschichte in Gänze jenseits nationaler oder sektoraler Beschränkungen darzustellen. Allerdings ist die konkrete Darstellung immer nach Zeit und Raum gegliedert (siehe unten). Ein aktueller Versuch für das 19. Jahrhundert liegt vor bei Jürgen Osterhammel.[6]
Von allgemeiner Geschichte wird gesprochen, wenn die Geschichte ohne thematische Aufteilung gemeint ist.
Wichtige Teilgebiete sind:
Die Themen sind oft zugleich Gegenstand einer Fachwissenschaft, so gehört die Wirtschaftsgeschichte auch zur Wirtschaftswissenschaft. Oft hängt es von der Tradition ab, ob ein Gebiet eher bei der Geschichtswissenschaft vertreten ist (z. B. Sozialgeschichte) oder bei der Fachwissenschaft (Sozialwissenschaft). Besonders die Zeitgeschichte kann kaum von der Politikwissenschaft getrennt werden.
Die Archäologie, Volkskunde und die Kunstgeschichte erfordern für ihre Gegenstände – nicht-schriftliche Zeugnisse – andere Methoden, ihre Ergebnisse können aber von der Geschichtswissenschaft aufgegriffen werden.
Sachbereiche:
Unterschiedliche Herangehensweisen sind |
Regionen und Kulturen: |
Historische Hilfswissenschaften:
| |
Grundlagen des Faches: |
Verwandte Bereiche: |
Grundlage für die Arbeit eines Historikers sind Quellen; aus dieser Beschäftigung kommt neues Wissen. Seine Forschungsergebnisse veröffentlicht man in Monografien und Artikeln in Fachzeitschriften, das heißt als Sekundärliteratur („Darstellungen“). Drittens verwendet man Hilfsmittel. Zu den Nachschlagewerken gehören:
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