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Kultur- und Sozialwissenschaft Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Kulturanthropologie ist ein Teilbereich der Ethnologie (früher Völkerkunde, heute auch Sozial- und Kulturanthropologie), die den Menschen in seinem Verhältnis zu seiner Kultur untersucht. Der Begriff ist eine direkte Übersetzung aus dem Englischen (cultural anthropology). In Amerika bezeichnet cultural anthropology eine von vier Forschungsfeldern innerhalb der Wissenschaft vom Menschen (anthropology): physical anthropology beschäftigt sich mit dem Menschen als biologisches Lebewesen, also seiner Evolution, seinen physischen Adaptationen und seinem Verhalten; die linguistic anthropology erforscht die Fähigkeit des Menschen zur sprachlichen Kommunikation in all ihren Formen; die archaeology untersucht die Ur- und Frühgeschichte des Menschen anhand materieller Befunde aus der Vergangenheit und die cultural anthropology befasst sich ganzheitlich (holistisch) und weltweit vergleichend mit kulturellen Ordnungen, Symbolsystemen und Praktiken.[1]
Die Bezeichnung cultural anthropology wird heutzutage vor allem mit dem Wirken von Franz Boas im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts und seiner als Kritik am Evolutionismus entwickelten Theorie des historischen Partikularismus in Verbindung gebracht. Allerdings verweisen neuere Studien auf eine komplexere Geschichte der Entwicklung der Kulturanthropologie bereits im 19. Jahrhundert.[2] In der Ethnologie (früher Völkerkunde) steht Kulturanthropologie bis heute für theoretische Ansätze aus der amerikanischen Wissenstradition, in denen die symbolische Dimension menschlicher Kommunikation im Mittelpunkt steht,[3] während Sozialanthropologie vor allem die in England entwickelten funktionalistischen Ansätze des 20. Jahrhunderts bezeichnet.[4]
Auf der Suche nach einer neuen Bezeichnung für das eigene Fach begannen die Vertreter des volkskundlichen Instituts an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, nicht nur „Ethnologie“, sondern auch „Kulturanthropologie“ als Selbstbezeichnung zu verwenden.[5] Die Bezeichnung Kulturanthropologie wird daher heute im deutschsprachigen Raum unterschiedlich benutzt: Die Volkskunde übernahm die Bezeichnungen „Kulturanthropologie“ sowie „Europäische Ethnologie“, während die Ethnologie (Völkerkunde) weiterhin „Kulturanthropologie“ im Sinne der nordamerikanischen Ausprägung der cultural anthropology verwendet.
Kulturanthropologen forschen sowohl empirisch und historisch als auch gegenwartsbezogen sowie vergleichend mit dem Ziel der Entwicklung übergreifender theoretischer Fragestellungen, Begriffe und Theorien.
Die Kulturanthropologie entwickelte sich aus der Volkskunde: 1970 formierten sich auf der Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde (DGV) in Falkenstein zwei Positionen bezüglich des wissenschaftlichen Umgangs mit dem Begriff „Kultur“. Die Fachvertreter des ehemaligen Instituts für Volkskunde in Tübingen, das zu diesem Zeitpunkt bereits in das Institut für empirische Kulturwissenschaft umbenannt worden war, plädierten für die Soziologie als neue Leitdisziplin. Die Vertreter des Institutes in Frankfurt am Main hingegen betonten die inhaltliche Nähe der Volkskunde zu ethnologischen Disziplinen wie der Ethnologie (Völkerkunde) und der angelsächsischen Cultural Anthropology. Mehrheitlich schloss man sich der ersten Gruppe an, innerhalb derer Kultur nun primär als Regulationsmodell des Alltags verstanden wird.
In Frankfurt am Main strebte man eine interkulturell vergleichende Forschung in komplexen Gesellschaften an. Die Entgegensetzung von Kultur und Alltag wurde als nicht mehr zeitgemäß angesehen: Kultur wird als Alltag verstanden und Alltag als Kultur. Die Neuorientierung des Faches schlug sich 1974 in der Namensänderung nieder: Aus Volkskunde wurde Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie.
Der kulturanthropologische Kulturbegriff umfasst sowohl soziale Geflechte und deren Sitten und Bräuche wie auch die Herstellung von technischen Hilfsmitteln, die der Mensch benötigt, um in seiner Umwelt durch Arbeit[6] leben zu können. Kultur wird also nicht in Gegensatz zu Zivilisation gesetzt, sondern bezeichnet die Gesamtheit der menschlichen Umgebung. Der Mensch wird dabei gleichzeitig als kultureller Schöpfer wie als Geschöpf der Kultur gesehen. Der Austausch zwischen Kulturen wird unter dem Aspekt dieser Wechselwirkung betrachtet. Dabei werden transnationale Kulturen ebenso beleuchtet wie Subkulturen.
In zweckrationalen Definitionen wird Kultur weitgehend als Hochkultur betrachtet, welche bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt. In wertrationalen Definitionen wird Kultur als etwas Umfassendes gesehen, Bedeutungen, Handlungen und Deutungen der Menschen werden berücksichtigt.
Die fächerübergreifende englische Bezeichnung cultural studies („Kulturstudien“) verbreitete sich ab 1964 mit dem vom britischen Kultursoziologen Richard Hoggart gegründeten Forschungszentrum Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) an der University of Birmingham. Als bekannteste Vertreter des Institutes gelten der damalige Leiter Stuart Hall sowie Edward P. Thompson, Raymond Williams und Paul Willis.
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