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deutscher Schriftsteller und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Friedrich Percyval Reck-Malleczewen [11. August 1884 auf dem Gut Malleczewen, Kreis Lyck, Ostpreußen; † 16./17. Februar 1945 im KZ Dachau) war ein deutscher Arzt und Schriftsteller. Er war Christ und stand gegen den Nationalsozialismus.
], eigentlich Friedrich (Fritz) Reck (*Als Sohn des ostpreußischen Rittergutsbesitzers und konservativen Abgeordneten Hermann Reck und dessen Frau Emma geb. Pietschmann (1854–1923), besuchte Friedrich Reck das Königliche Gymnasium Lyck.[1] Obwohl er eigentlich Musiker werden wollte, trat er nach dem Abitur 1904 auf Drängen seines Vaters dem Infanterie-Regiment Großherzog von Sachsen (5. Thüringisches) Nr. 94 in Jena bei. Er brach die Offizierslaufbahn ab und studierte Medizin an der Albertus-Universität Königsberg und der Universität Innsbruck. Nach dem Staatsexamen (1910) wurde er 1911 zum Dr. med. promoviert.[2] Reck war als Assistenzarzt an der Universitätsklinik Königsberg tätig, gab aber diese Stelle bald auf, um für Zeitungen zu schreiben.
Noch während des Studiums heiratete Reck 1908 die Deutsch-Baltin Anna Louise Büttner (1880–1980[3]), Musikstudentin und Tochter des in Riga ansässigen kaiserlich russischen Staatsrates Alfred Büttner (1836–1910).[4] Der Ehe entstammten die Kinder Barbara Amata (geb. 1908), Ursula Susanne (geb. 1912), Juliane (genannt Ane, geb. 1917) und Thomas Wytold (geb. 1925, im Zweiten Weltkrieg vermisst),[5][6] die Scheidung erfolgte 1930, nach Jahren der Trennung[7][4][8]. Während seine Frau und die beiden Töchter von Königsberg nach Pasing bei München zogen, reiste Reck in der zweiten Hälfte des Jahres 1912, zum Teil als Schiffsarzt, per Dampfschiff durch Süd- und dann auch Nordamerika, worüber er in der Ostpreußischen Zeitung regelmäßig berichtete.[9] Im folgenden Jahr trat er im September eine Stelle als Feuilletonredakteur und Theaterkritiker bei der neu gegründeten Süddeutschen Zeitung[10] in Stuttgart an, was er bis März 1914 blieb, um bald darauf als Intendanzvolontär am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München tätig zu werden.[11] Seitdem lebte er, zunächst noch zusammen mit seiner ersten Frau und den gemeinsamen Kindern, bis 1933 in Pasing, in der Mussinanstraße 10 (heute Nimmerfallstraße 11). Da Reck unter Diabetes mellitus litt, wurde er im Ersten Weltkrieg nicht einberufen.
Bereits 1913 hatte Reck in München die aus dem niederösterreichischen Böheimkirchen stammende jüdische Buchhändlerin Irma Glaser (1886–1933) kennengelernt.[12] Ab 1917 arbeitete diese nebenberuflich als Sekretärin für Reck und wurde ihm „bald unentbehrlich durch ihre Kenntnisse, ihre Schreibarbeiten, dann aber auch durch ihr organisatorisches Geschick in Finanzangelegenheiten und schließlich durch ihre intime Vertrautheit mit seinem ‚wahren‘ Leben, seinem Rollenspiel und seinen Absichten“[13]. Darüber hinaus diente sie ihm als Vorlage für die Novelle Die Fremde (Berlin 1917). Glaser lebte zunächst abwechselnd in Pasing, Bern und Wien, seit 1920 dann im Haus ihres Lebensgefährten Reck in Pasing,[14] immer „emsig bestrebt, die Schwierigkeiten seines Charakters im Umgang mit anderen Menschen auszugleichen“[15]. Der antisemitische Schriftsteller Bruno Brehm porträtierte das Paar Reck und Glaser sowie auch Recks erste Frau Jahre später in Der Lügner (Wien 1949), „seinem zwielichtigen Schlüsselroman über Reck“[16]. Zu Anfang des Jahres 1930 wurde im Hause Recks, der „ein bekanntes Original der Münchner Bohème“[4] war, der legendäre und bis heute fortbestehende Tukan-Kreis gegründet.[17][18] Nach fast zwanzig gemeinsamen Jahren kam Irma Glaser 1933, im Jahr der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers und der NSDAP, unter ungeklärten Umständen durch Gasvergiftung in Recks Haus ums Leben, dieser selbst ging von Suizid aus.[19][8]
Im selben Jahr[20] konvertierte Reck vom Protestantismus zum Katholizismus und bezog das von ihm bereits 1925 erworbene Gut Poing bei Truchtlaching im Chiemgau. 1935 heiratete Reck Irmgard von Borcke, die Adoptivtochter eines befreundeten Adeligen;[21] aus dieser Ehe gingen drei Töchter hervor. Vom September 1944 bis zum Kriegsende versteckte das Ehepaar Reck auf seinem Gut Poing die Jüdin Albertine Gimpel (1896–1973) vor dem Zugriff der Gestapo.[22] Gimpel war eine Freundin und nach dem Krieg die Ehefrau des mit Reck gut befreundeten Malers Franz Herda (1887–1965), der auch anderen Juden half, sich der Deportation zu entziehen.[23]
Recks gesamtes Leben stand unter der Problematik, seinen realen wirtschaftlichen Abstieg zu verarbeiten, der mit dem – durch seine Herkunft bedingten – Bewusstsein, einer gesellschaftlichen und geistigen Elite anzugehören, nicht zu vereinbaren war. In diesem Licht ist auch seine Literaturproduktion, die vor allem auf Verkäuflichkeit zugeschnitten war, zu sehen. 1931 äußerte Reck: „Ich kann nicht mehr […] wie bislang die besten Dinge, die ich zu sagen habe, für mich behalten und Romane für Dienstmädchen und Droschkenkutscher schreiben. Ich kann nicht an meinem Leben, wie Telegraphenstangen an einer Chaussee, Zeitungsromane aufreihen und Werke, die nur ich schreiben kann, als Torsi liegen lassen.“[24]
Wie andere Vertreter der konservativen Revolution hoffte Reck anfänglich, der Nationalsozialismus könne die gesellschaftliche Nivellierung des Individuums aufhalten. In seinem 1936 begonnenen Tagebuch eines Verzweifelten zeigt sich, dass seine Hoffnung in Hass auf die Nazis umgeschlagen ist. Er bezeichnet diese als „Herde böser Affen“. Den Widerständlern vom 20. Juli 1944 um Claus Schenk Graf von Stauffenberg wirft er vor, Hitler an die Macht gebracht zu haben. Den studentischen Widerständlern der Weißen Rose um die Geschwister Scholl gilt dagegen seine Sympathie.
Aufgrund einer Denunziation wurde Reck-Malleczewen 1944 von der Gestapo verhaftet. a) Kurze Zeit später entließ man ihn jedoch aus der Haft und bescheinigte ihm, dass weder politisch noch strafrechtlich etwas gegen ihn vorliege. Sein Denunziant, der Verlagsdirektor Alfred Salat, setzte jedoch durch, dass er am Silvesterabend 1944 wegen „Verunglimpfung der deutschen Währung“ verhaftet wurde. Angeblich hatte er sich in einem Brief an seinen Berliner Verleger die Bezahlung in Reichsmark verbeten, weil darauf „kein Nickel mehr zu setzen sei“.[25] Am 9. Januar 1945 wurde Friedrich Reck-Malleczewen ins KZ Dachau gebracht, wo er wenig später starb.
Die genauen Umstände seines Todes sind nicht überliefert. Curt Thesing, der im Auftrag der Witwe Irmgard Reck-Malleczewen die Verwaltung des literarischen Nachlasses übernahm, schrieb jedoch am 3. November 1946 in seinem Vorwort zum Tagebuch eines Verzweifelten, dass Friedrich Reck-Malleczewen „am 24. Februar 1945 starb – soweit seine Freunde dies in Erfahrung bringen konnten – durch Genickschuss“. Andere Quellen nennen den 16. oder 17. Februar als Todestag. Nico Rost beschreibt in seinem Tagebuch Goethe in Dachau seltsamerweise eine Begegnung mit Reck im KZ am 15. April 1945. In ihrem biografischen Nachwort der Tagebuch-Ausgabe von 1994 nennt Christine Zeile als Todesursache eine Fleckfiebererkrankung.
In seinen Romanen verarbeitete Friedrich Reck-Malleczewen wiederholt seine Reiseerfahrungen. Daneben schrieb er zahlreiche Jugenderzählungen. Sein Vorbild war Robert Louis Stevenson, seine Arbeiten aber stehen in der Nähe zur Trivialliteratur.
Sein 1930 erschienener Roman Bomben auf Monte Carlo (der im Kern den Fantômas-Roman La Main Coupée plagiiert) wurde zweimal verfilmt.
Als Schriftsteller im nationalsozialistischen Deutschland ist Friedrich Reck-Malleczewen der Inneren Emigration zuzuordnen. In seinem 1937 erschienenen (Wieder-)Täuferroman Bockelson. Geschichte eines Massenwahns[26] schildert er den Niedergang der ehemals ständisch-konservativen Stadt Münster im 16. Jahrhundert, die sich unter dem Einfluss des kleinbürgerlichen Demagogen Bockelson zur populistischen Diktatur entwickelt. Ein Vergleich des Täuferreichs von Münster unter ihrem „Führer“ Jan Bockelson mit den gesellschaftlichen Zuständen des Dritten Reichs ist beabsichtigt.[27] „Die Nationalsozialisten erkannten die politische Brisanz des Buches zu keiner Zeit [...]“[28], es wurde auch „nie verboten“[29], sondern, gerade auch in der nationalsozialistischen Presse, überwiegend sehr wohlwollend rezensiert[30]. Der Roman wurde in der Literaturwissenschaft mehrfach als Beispiel für den historischen Roman bzw. den Umgang mit historischen Themen bei Autoren der Inneren Emigration untersucht.[31][32][33][34][35]
Reck-Malleczewens im Mai 1936 begonnenes Tagebuch, das bis zur Verhaftung im Oktober 1944 reicht, erschien als Buch unter dem Titel Tagebuch eines Verzweifelten[36] erstmals 1947 in kleiner Auflage. Erst 1966 wurde es, nicht zuletzt dank der Fürspräche Peter Härtlings,[37] vom Goverts-Verlag erneut herausgebracht[38] und seitdem von anderen Verlagen – u. a. vom Eichborn Verlag in Hans Magnus Enzensbergers Anderer Bibliothek – insgesamt noch viermal wiederaufgelegt (1971, 1981, 1994 und zuletzt 2015[39]). Das Tagebuch gilt mit seiner hellsichtigen und brillant geschriebenen Diagnose der Nazibarbarei als wichtiges Zeitdokument und wurde auch international, zum Teil begeistert, rezipiert: Es erschienen Übersetzungen ins Niederländische (1968) und Spanische (2009)[40][41], die Übersetzung ins Französische erlebte zwei Ausgaben (1968[42] und 2015[43]), die ins Englische sogar vier (1970, 1995, 2000[44] und 2013[45][46]), und ins Italienische wurde Recks Tagebuch zweimal übersetzt (1970 und 2015).
Im März 2015 beschloss der Münchner Stadtrat, dass die Monacensia, das Literaturarchiv der Stadt München, den literarischen Nachlass Reck-Malleczewens erwerben solle.[47][48]
Am 14. Januar 2014 wurden Friedrich Reck-Malleczewen und seine zweite Frau Irmgard Reck-Malleczewen von der Gedenkstätte Yad Vashem gemeinsam mit Franz Herda, dessen Tochter Vera Manthey (1918–1955) sowie Eduard Winkler für ihre Mitwirkung an der Rettung von Albertine Gimpel, Max Bachmann (1883–1966) und Richard Marx (geb. 1925, nach dem Krieg Ehemann Vera Mantheys) als Gerechte unter den Völkern geehrt.[49]
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