In Richtung Westen bildet das Inntal zum Bayerischen Oberland die Grenze, wobei die Orte des Inntals, des Rosenheimer Landes und des Wasserburger Landes in der Regel nicht mehr zum Chiemgau gerechnet werden. Ausnahmen davon sind Amerang, das sowohl dem Chiemgau als auch dem Wasserburger Land zugeordnet wird, ebenso wie Prutting, Riedering, Söchtenau und Stephanskirchen sowohl zum Chiemgau als auch zum „Rosenheimer Land“ zählen. Ähnliches gilt für Samerberg, das an der Grenze des Chiemgaus zum Inntal liegt.
In Richtung Norden erstreckt sich der Chiemgau bis zur Gemeinde Engelsberg und somit bis zur nördlichen Grenze des Landkreises Traunstein. Hier grenzt die Region Inn-Salzach an.
Im südlichen Chiemgau alle Orte südlich, südwestlich und südöstlich des Chiemsees bis zur österreichischen Grenze bzw. bis zum Inntal und bis zum Rupertiwinkel:
Die Namen Chiemgau und Chiemsee hängen mit dem Ortsnamen Chieming zusammen, der meist von dem althochdeutschen Personennamen „Chiemo“ (7./8. Jahrhundert) abgeleitet wird.[6]
Am Ende des 8. Jahrhunderts taucht der Name „Chiemgau“ auch erstmals in Urkunden als „Chimingaoe“ auf und bezeichnet damals noch ein kleineres Gebiet um das Dorf Chieming herum. Durch die Jahrhunderte hindurch dehnte sich das Gebiet des Chiemgaus immer weiter aus.[7]
Erst im 11. Jahrhundert wird namenskundlich aus dem Chieminggau durchgängig der Chiemgau.[8]
Die Eiszeit vor etwa 15.000 Jahren hat den Chiemgau als Voralpen- und Moränenlandschaft geprägt. So ist der Chiemgau eine hügelige Landschaft mit zahlreichen Wiesen-, Wald- und Moorflächen sowie zahlreichen Seen – vom 82km² großen Chiemsee bis hin zu kleineren Waldseen. Die höchsten Erhebungen im Chiemgau erreichen fast 2000 Meter ü.d.M.
Nach einer umstrittenen Theorie explodierte im 5. Jahrhundert vor Christus über dem Chiemgau ein Komet, dessen Bruchstücke den Chiemgau verwüstet hätten. Dieses angebliche Ereignis wird Chiemgau-Einschlag genannt.
Menschliche Spuren lassen sich im Chiemgau schon vor der jüngeren Steinzeit über Bronze- und Hallstattzeit bis zur Eisenzeit finden. Auch danach bleibt er immer Siedlungsland, ob für die Kelten oder die Römer. Letztere lassen sich vor allem an der Alz, die vom Chiemsee abfließt, nieder und errichteten dort bei Seebruck (Bedaium) einen Übergang für die Römerstraße von Salzburg nach Augsburg, wie das Römermuseum Seebruck dokumentiert. Der Chiemgau lag damit am Rande der römischen Provinz Noricum, die bis zum Inn reichte und an die sich die Provinz Raetia anschloss.
Geschichtlich spricht man vor allem zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert von sog. „Chiemgaugrafen“ bzw. Grafen im Chiemgau. Der Chiemgau war dann lange Zeit sowohl den bayerischen Herzögen als auch den Fürsterzbischöfen von Salzburg verbunden. Erstere waren die Landesherren, letztere waren kirchliche Macht und oft auch örtliche Grundherren.
Der Chiemgau ist aufgrund seiner zahlreichen Anhöhen und seiner fruchtbaren Böden reich an stattlichen Herrensitzen.
Künstlerisch gesehen sind im Chiemgau besonders die barocken Bauwerke reich vertreten, z.B. die Klosterkirche St. Margaretha von Kloster Baumburg oder die Pfarrkirche St. Georg in Ruhpolding.
Der Chiemgau ist stark von der Wirtschaft mit Holz, Eisen und Salz geprägt. Ein Pionier des Bergbaus und des Hüttenwesens war im 16. Jahrhundert Pankraz von Freyberg zu Hohenaschau. Die Saline in Traunstein bestand von 1619 bis 1912 und hat auf den gesamten Chiemgau wirtschaftlich, aber auch kulturell großen Einfluss ausgeübt. Ähnliches gilt für die Maximilianshütte in Bergen, die von 1561 bis 1932 betrieben wurde. Im Zusammenhang mit der Holzgewinnung ist der Chiemgau auch ein altes Pferdezuchtland für Arbeitspferde.
Im nördlichen Chiemgau sind die ca. 300 noch erhaltenen, meist im 19. Jahrhundert entstandenen Bundwerkstadel der Vierseithöfe prägend für die bäuerliche Kulturlandschaft.
Im Chiemgau wird Brauchtum und Trachtenpflege besonders anschaulich ausgeübt. Dies spiegelt sich unter anderem im Namen des Chiemgau-Alpenverbands wider, in dem ein Teil der Chiemgauer Trachtenvereine zusammengeschlossen ist. Die meisten Trachtenvereine des Chiemgaus gehören allerdings zum Gauverband I.
Das Chiemgauer Volkstheater ist durch seine Fernsehauftritte weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt. Überhaupt gibt es im Chiemgau eine Vielzahl von Bauerntheatern mit langer Tradition.
Unterscheidungsmerkmal für Orte und geographische Gegebenheiten
Zahlreiche Orte tragen zur besseren Unterscheidung oder Erkennung die Ergänzung „im Chiemgau“, z.B. Aschau im Chiemgau im Unterschied zu Aschau am Inn, Nußdorf (Chiemgau) im Unterschied zu Nußdorf am Inn. Man spricht von den Chiemgauer Alpen, den Chiemgauer Bergen bzw. den Chiemgauer Voralpen sowie dem Chiemgauer Alpenvorland, weiterhin von der Chiemgauer Seenplatte, dem Chiemgauer Achental.
Chiemgauer
Auch durch das Hauptwort Chiemgauer wird der Bezug zum Chiemgau betont, und dies nicht nur im Zusammenhang mit der regionalen Komplementärwährung Chiemgauer. Mit dieser regionalen Währung kann man parallel zum Euro in mehr als 600 Geschäften der Region bezahlen. Zudem gibt es für den Chiemgauer eine eigene EC-Karte. Die Kontoführung übernehmen Genossenschaftsbanken und Sparkassen in der Region (s. a. Regiogeld).
Darüber hinaus trägt eine touristisch-gewerblich-private Internet-Zeitschrift den Titel „Der Chiemgauer“. Für zahlreiche Markenzeichen reicht es, allein „Der Chiemgauer“ zu sagen (z.B. „Chiemgauer Dreher“ als Volkstanz, der „Chiemgauer Hut“ als Trachtenhut usw.).
Kulturlandschaft und Tourismus
Der Chiemgau ist eine Kulturlandschaft ländlich-bäuerlicher Prägung, die mit Sehenswürdigkeiten wie Kloster Herrenchiemsee oder Neues Schloss Herrenchiemsee auf der Herreninsel im Chiemsee zu den bevorzugten Tourismusregionen Bayerns zählt und u. a. für sich als eines der größten und am besten ausgebauten Radwander- und Wandergebiete Deutschlands mit Angeboten für sportlich geführte und regional Kulturelles erklärende Rad-Touren wirbt.
Die Kulturlandschaft Chiemgau ist laut Bayerisches Landesamt für Statistik in die zwei Tourismusregionen „Chiemsee-Alpenland“ und „Chiemsee-Chiemgau“ zweier Landkreise unterteilt,[9] die wiederum von den zwei Tourismusverbänden „Chiemsee-Alpenland Tourismus GmbH & Co. KG“ (tour. Marketingorganisation des Landkreises Rosenheim)[10] und „Chiemgau Tourismus e.V.“ (tour. Marketingorganisation des Landkreises Traunstein, seit 2017 mit Logo und Marke „chiemsee chiemgau Bayerische Alpen“)[11] mit eigenen Webpräsenzen beworben werden. Als weitere Anziehungspunkte richteten sie für die Touristen u. a. auch einen Hochseilgarten und Rodelbahnen ein.
Neben dem noch mehr oder weniger ausgeprägten bayerischen Dialekt der Rosenheimer und Traunsteiner Einheimischen bilden die Chiemgauer Tracht samt Lederhose sowie das Chiemgauer Volkstheater eigene kulturelle Markenkennzeichen der Region. In diesem Zusammenhang sind auch noch die als Museumsbahn betriebene Chiemgauer Lokalbahn und das Chiemgauer Schulmuseum zu erwähnen. Von 1922 bis 1933 existierte eine „Freie Vereinigung Chiemgauer Künstler e.V.“ und der Gebirgstrachtenerhaltungsverein Grabenstätt hat „Chiemgauer“ als Vereinsnamen. Seit 2008 hat die Zirmstiftung Schusterhof in Bergen/Chiemgau ihren Sitz. Die Zirmstiftung veranstaltet auf dem neu aufgebauten Schusterhof Trachtenausstellungen des Gauverbands I sowie eine historische Krippenausstellung, deren Exponate auch in Wanderausstellungen an anderen Orten gezeigt werden. Zweck der Stiftung ist der Erhalt bayerischer Kultur und Traditionen.
Beliebter Drehort
Nicht zuletzt aufgrund dieser landschaftlichen Aspekte ist der Chiemgau beliebter Drehort für Filme und Fernsehserien, unter anderem:
Quax, der Bruchpilot 1941 (ehemaliger Flugplatz Prien am Chiemsee, Flugfeld in Unterwössen)
Weiterhin ist der Chiemgau als Wintersportzentrum bekannt, speziell durch das Eislaufstadion in Inzell („Eislauf-Mekka“), die Biathlon-Weltmeisterschafts- und Weltcup-Strecken in Ruhpolding. Aber auch in den anderen Bereichen des Wintersports, besonders im Ski nordisch und im Ski alpin hat der Chiemgau bekannte Sportler und Sportlerinnen hervorgebracht. In der Bundespolizeisportschule Bad Endorf trainieren Wintersportler, die dort parallel eine Ausbildung im Polizeivollzugsdienst erhalten.
Unterscheidungsmerkmal für Gruppen und Einrichtungen
Außerdem ist der Chiemgau als räumliche Bezeichnung so signifikant, dass unter anderem folgende Gruppen sich innerhalb von ihm organisiert bzw. Einrichtungen sich nach ihm benannt haben:
die Bezirksverbände Inn-Chiemgau (Landkreis Rosenheim) und Chiem-Rupertigau (Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein) des Musikbunds von Ober- und Niederbayern
Slow Food Chiemgau-Rosenheimer Land
Schützengau Chiemgau-Prien
Ereignisse
Viele kulturelle, sportliche, soziale und wirtschaftliche Ereignisse tragen die Bezeichnung „Chiemgauer“, z.B.:
Benedikt XVI. (1927–2022), emeritierter Papst und war vom 19. April 2005 bis zu seinem Amtsverzicht am 28. Februar 2013 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und des Staates der Vatikanstadt.
Stephan Zinner (* 1974) deutscher Kabarettist, Musiker und Schauspieler
Stefanie Hertel (* 1979), Sängerin und Moderatorin, lebt seit 1997 im Chiemgau
Peter Pfarl, Toni Anzenberger: Chiemgau und Rupertiwinkel. Über Königsschlösser, Lüftlmaler und Zauberberge. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2016, ISBN 978-3-7025-0821-0.
Christina Indinger: Zukunftsperspektiven einer touristischen Teildestination* in: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft Bd. 56, 2009, S.285–302, S. 286 und 291, PDF-Datei, online unter fgg-erlangen.de, abgerufen am 9. September 2018.
Lokale Arbeitsgruppe Chiemgauer Alpen: Lokale Entwicklungs-Strategie LES 2014–2020, S. 22, PDF-Datei, online unter www.lag-chiemgauer-alpen.de, abgerufen am 9. September 2018.
Der Begriff Kulturlandschaft wird unterschiedlich gebracht, das Bayerische Landesamt für Umwelt führt den Chiemgau als „Kulturlandschaftseinheit“ und bezeichnet kleinere Gebiete innerhalb dieser als „Kulturlandschaft“ (s. 59 Chiemgau (2013), im Entwurf einer kulturlandschaftlichen Gliederung Bayerns als Beitrag zur Biodiversität, PDF-Datei, online unter lfu.bayern.de)
Keinz Friedrich: Indiculus Arnonis und Breves Notitiae Salzburgenses – nach den bekannten und nach bisher unbenützten Handschriften neu herausgegeben und mit Erläuterungen versehen, München 1869, online