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Regionaljet Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die British Aerospace BAe 146, die zweite Modellserie ab 1993 umbenannt in Avro RJ,[1] ist ein vierstrahliges Kurzstrecken-Passagierflugzeug in Schulterdeckerausführung. Kennzeichnend für die Maschine ist neben dem hoch angesetzten gepfeilten Tragflügel mit der ausgeprägten negativen V-Stellung und den vier Triebwerken der außerordentlich geräumige Rumpf. Umgangssprachlich wird der Typ auch Jumbolino genannt. Diese Wortschöpfung entstand in der Regionalfluglinie Crossair, die selbst diesen Typ betrieb. Der „offizielle“ Beiname dieses Typs war Avroliner (eigentlich englisches Kofferwort aus dem Namen des Herstellers Avro und dem Substantiv airliner, Linienflugzeug‘).[2] Die erste Modellserie (BAe 146) des Flugzeugtyps wurde offiziell mit dem Beinamen Whisperjet (engl. wörtl. für Flüsterjet) versehen, was seinen geringen Lärmausstoß werbewirksam unterstreichen sollte.[3]
BAe 146 | |
---|---|
Avro RJ85 der Lufthansa Regional | |
Typ | Vierstrahliges Schmalrumpfflugzeug |
Entwurfsland | |
Hersteller | Hawker Siddeley British Aerospace |
Erstflug | 9. März 1981 |
Indienststellung | Mai 1983 |
Produktionszeit | 1981 bis 2003 |
Stückzahl | 387 |
Der ursprüngliche Entwurf mit der Bezeichnung HS.146 stammt von Hawker Siddeley aus dem Jahr 1973. Durch die Wirtschaftskrise Mitte der 1970er Jahre schwanden die Marktchancen für das geplante Zubringerflugzeug, so dass die Entwicklung zunächst verschoben wurde. Im Jahr 1978 nahm die staatliche British Aerospace (BAe) – die zwischenzeitlich Hawker Siddeley übernommen hatte – das Projekt wieder auf. Der Erstflug der 146-100 fand am 3. September 1981 statt, die Auslieferung der Erstversion begann 1983. Fast gleichzeitig kam die um 2,4 Meter verlängerte Version 146-200 (Erstflug August 1982) auf den Markt. Ende 1988 folgte die um nochmals 1,55 Meter gestreckte 146-300.
Ab 1992 wurden die Versionen überarbeitet. British Aerospace gründete 1993 das 100-prozentige Tochterunternehmen Avro International Aerospace zur Produktion der nun Avro RJ (für Regional Jet) genannten BAe 146. Die 146-100 wurde so zur Avro RJ70, die 146-200 zur RJ85 und die 146-300 zur RJ100. Gegenüber dem Ausgangsmuster von BAe erhielten die RJ leisere Triebwerke vom Typ Textron Lycoming LF507 mit einem Schub von je 31,1 kN und modernere Avionik. Aerodynamische Verbesserungen reduzierten den Luftwiderstand und erhöhten die Leistungsdaten. Die Dienstgipfelhöhe wurde gesteigert und durch Änderungen an der Struktur konnte das Gewicht gesenkt werden. Der Erstflug der RJ85 erfolgte am 23. März 1992, jener der RJ100 am 13. Mai 1992 und jener der RJ70 folgte am 23. Juni 1992. Im Oktober 1998 wurde dann ein reines Geschäftsreiseflugzeug „Corporate Jet“ ABJ 70 (= Avro Business Jet, statt ARJ 70 Avro Regional Jet) auf Grundlage der Avro RJ70 vorgestellt.[4]
Am 27. November 2001 kündigte der inzwischen als BAE Systems firmierende Avro-Mutterkonzern das Ende des RJX-Projekts an, welches eine Weiterentwicklung der Avro RJ war. Zu diesem Zeitpunkt lagen Bestellungen für zwei RJX85 (für Drukair) und zwölf RJX100 plus acht Optionen (für British European Airways, später Flybe genannt) vor. Damit waren die drei gebauten Exemplare (ein RJX85-Prototyp, ein RJX100-Prototyp und eine Serien-RJX100, ursprünglich für British European gefertigt) die letzten in Großbritannien gebauten Verkehrsflugzeuge. Bis zum Ende der Produktion Anfang 2002 waren insgesamt 394 Exemplare aller Versionen (davon 87 RJ85) gebaut worden, womit die von der Vickers Viscount gesetzte Marke mit 440 Exemplaren als meistverkauftes britisches Verkehrsflugzeug auch weiterhin unübertroffen ist.
Von der Firma Cordner Aviation wurde eine Umrüstung der BAe 146 zur Version Multijet Surveyor angeboten, die sich kurzfristig von einer reinen Passagierversion in eine VIP- oder Krankentransportmaschine umrüsten ließ. Dafür wurde das Betriebsleergewicht um etwa 500 kg gesenkt.[5]
BAe bot im September 2013 an, eine Tankflugzeug-Version der BAe 146 zu entwickeln – ein Angebot, das sich vor allem an die Royal Air Force richtete, die die Maschine als Truppentransporter verwendet. Das britische Verteidigungsministerium gab am 8. Oktober 2013 bekannt, man sehe keinen Bedarf an einer solchen Version der BAe 146.[6]
Haupteinsatzziel sind Routen mit Stadtflughäfen wie London City oder dem (inzwischen geschlossenen) Flughafen Berlin-Tempelhof. Die Maschinen verfügen über gute Kurzstart- und Landeeigenschaften bei trotzdem geringen Geräuschemissionen. Sie sind dank eingebauter Treppen und Eigenstartfähigkeit der Triebwerke unabhängig von Bodengerät. Sofern sie nicht mit 6 Sitzen pro Reihe äußerst eng bestuhlt sind wie bei Lufthansa Cityline, sind die Maschinen bei Passagieren beliebt, da der Rumpf eine für ein Regionalflugzeug großzügige Bestuhlung, eine ordentliche Gepäckablage und einen breiten Mittelgang erlaubt. Letzteres ermöglicht auch eine zügige Bodenabfertigung. Der Rumpf ist deutlich größer als bei der Jet-Konkurrenz von Embraer oder Bombardier, was aber durch teilweise enge Bestuhlung mit sechs Sitzen je Reihe konterkariert wird.
Nachteil der Maschinen ist aber, dass sie mit einer Reisegeschwindigkeit von etwa 690 km/h die Flugleistungen turbopropgetriebener Regionalflugzeuge kaum übertreffen. Zudem haben die Avro-Regionaljets mit maximal 2800 Kilometern auch keine größere Reichweite als die propellerbetriebene Konkurrenz.
Als weiterer Nachteil werden oft die vier Triebwerke genannt, die trotz fehlender Schubumkehr wartungsintensiver sind als zwei Aggregate. Der Treibstoffverbrauch ist insbesondere bei den älteren ALF-502-Triebwerken nach einer Studie der Lufthansa, die beide Flugzeuge einsetzte, deutlich höher als bei vergleichbar großen Versionen des Bombardier Canadair Regional Jet.[7]
Eine weitere Besonderheit ist, dass die BAe 146 eine Luftbremse am Heck besitzt (wie z. B. die Fokker 70/Fokker 100), die zwei Bremsklappen seitlich öffnet. In der Regel befinden sich die Bremsklappen an den oberen Seiten beider Tragflächen und werden dann Störklappen genannt. Oft werden diese vor der Landung ausgefahren, um die Geschwindigkeit am Boden rascher zu verringern, da die Schubumkehr fehlt, oder für Anflüge mit steilerem Gleitweg (wie bspw. London City). Diese Art der Luftbremse ist für einen sicheren Flug nicht erforderlich; sie verändert die Aerodynamik der Tragflächen nicht.
Mit Stand Juli 2016 waren von 387 produzierten Exemplaren noch 152 im aktiven Dienst als Fracht- oder Passagiermaschinen, davon 54 der ersten Serie (Bezeichnung BAe 146) sowie 98 der zweiten Serie (Bezeichnung Avro RJ).[8]
Im deutschsprachigen Raum wurde das Flugzeugmuster in der Vergangenheit unter anderem von Crossair, Eurowings und Lufthansa CityLine betrieben. WDL Aviation hat bis Ende 2019 seine letzten Maschinen ausgemustert, Cityjet im März 2020. Swiss Global Air Lines war jahrelang Betreiber einer großen Flotte von Avro RJ, deren letztes Exemplar am 15. August 2017 feierlich verabschiedet wurde.[9]
Militärische Betreiber sind die Staaten Bahrain, Bolivien[10], Libyen, Mali, Nepal, Saudi-Arabien und die Royal Air Force respektive deren Queens Flight/32. Squadron auf RAF Northolt. Die letzten beiden von ursprünglich drei BAe 146 CC.Mk.2 werden seit ihrer Außerdienststellung in Luftfahrtmuseen in Duxford und St. Athans ausgestellt[11].
Im Jahr 2002 waren zwei Löschflugzeuge (eine Hercules C-130A und eine Catalina) in der Luft auseinandergebrochen; der US Forest Service (USFS) suchte nach einem neuen Flugzeugtyp, den man zum Löschflugzeug umrüsten könnte. Im Jahr 2004 wurden Versuche mit der BAe 146 geflogen; ihre guten Langsamflugeigenschaften und die starke Motorisierung machten sie geeignet. Die vier Triebwerke geben eine Sicherheitsreserve – wenn ein Triebwerk ausfällt, leisten die anderen drei auch bei voller Beladung genügend Schub. Ein Tank mit einem Volumen von 3000 Gallons (11.356 Liter) wurde eingebaut.[12]
Vom Erstflug 1981 bis September 2019 kam es zu insgesamt 23 Totalverlusten von BAe 146 und Avro RJ. Bei neun tödlichen Unfällen kamen 335 Menschen ums Leben.[13] Beispiele:
Mitte der 1980er Jahre geriet die BAe 146 – besonders in Australien – in die Kritik, weil das Zapfluftsystem manchmal giftige Öldämpfe in die Kabine beförderte; Passagiere und Crewmitglieder erlitten ein aerotoxisches Syndrom. Professor Chris Winder, ein australischer Toxikologe: „Zuerst kamen 1997 zwei Piloten und eine Stewardess. Etwas später wurden aus drei fünf, aus fünf wurden zehn, dann zwanzig. Da erkannte ich: hier ist etwas im Gang. Dann tauchte ein französischer Kollege mit ähnlichen Fallzahlen von Betroffenen mit gleichen Symptomen auf. Da war mir klar: Wir haben hier ein internationales Problem!“[30] Avro gab damals Probleme des Atemluftsystems zu, sorgte aber nicht für Verbesserungen. Die britische Civil Aviation Authority nannte 2006 1050 Vorfälle mit kontaminierter Kabinenluft, davon 233 bei der BAe 146.[31]
Kenngröße | BAe 146-100/Avro RJ70 | BAe 146-200/Avro RJ85 | BAe 146-300/Avro RJ100 |
---|---|---|---|
Besatzung (Cockpit) | 2 | ||
Länge | 26,16 m | 28,55 m | 30,99 m |
Spannweite | 26,34 m | ||
Flügelfläche | 77,3 m² | ||
Flügelstreckung | 9,0 | ||
Höhe | 8,60 m | ||
Kabinenlänge | 15,42 m | 17,81 m | 20,20 m |
Kabinenbreite | 3,42 m | ||
Kabinenhöhe | 2,02 m | ||
Passagiere (5 pro Reihe) (6 pro Reihe @81cm) (6 pro Reihe @74cm) | 70 82 94 | 85 98 112 | 100 112 (max.) |
Leermasse | 31,1 t | 33,3 t | 35,6 t |
max. Startmasse | 38,1 t | 42,18 t | 45,13 t |
Höchstgeschwindigkeit | 780 km/h | ||
Reichweite | 2800 km | 2600 km | 2400 km |
Triebwerke | BAe 146: 4 × Lycoming (jetzt Honeywell) ALF 502 mit je 31 kN Schub Avro RJ: 4 × AlliedSignal (jetzt Honeywell) LF 507 mit je 31,15 kN Schub | ||
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