Top-Fragen
Zeitleiste
Chat
Kontext
LaMia-Flug 2933
Charterflug der Fluggesellschaft Línea Aérea Mérida Internacional de Aviación (LaMia) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Remove ads
LaMia-Flug 2933 (Flugnummer LMI2933) war ein Charterflug der Fluggesellschaft Línea Aérea Mérida Internacional de Aviación (LaMia) vom Flughafen Santa Cruz/Viru Viru (Bolivien) zum Flughafen Rionegro (Kolumbien). Am 28. November 2016 stürzte die Maschine des Typs Avro RJ85 kurz vor Erreichen des Zielflughafens ab. Dabei kamen 71 der 77 Flugzeuginsassen ums Leben.[2] Zu den Passagieren zählte fast die gesamte Fußballmannschaft des brasilianischen Erstligisten Chapecoense, die auf dem Weg nach Kolumbien zum Finalhinspiel der Copa Sudamericana in Medellín war.
Remove ads
Remove ads
Unfall
Zusammenfassung
Kontext
Eingesetzt wurde eine Maschine des Typs Avro RJ85 (Luftfahrzeugkennzeichen CP-2933).
Die Flugstrecke war mit 2994 km länger als die vom Hersteller mit 2965 km angegebene treibstoffbedingte maximale Reichweite des Maschinentyps.[3][4]
Ein nach Angaben der Fluggesellschaft geplanter Zwischenstopp am Flughafen Capitán Aníbal Arab, Cobija an der Grenze zwischen Brasilien und Bolivien zum Auftanken war entfallen, da der Flughafen nach Sonnenuntergang geschlossen wird.[5][6]
Laut Mitschnitten der letzten Funksprüche baten die Piloten dem Tower gegenüber zwar um Priorität für die Landung wegen Treibstoffmangels, unterließen es aber bis zuletzt, eine Luftnotlage zu erklären. Daher und weil bereits die Besatzung eines anderen Flugzeugs ein Problem gemeldet und um bevorzugte Landung gebeten hatte (die Piloten eines Airbus A320 der Gesellschaft Viva Air Colombia mussten den Flug nach San Andrés abbrechen[7]), erhielten sie keine sofortige Landeerlaubnis, sondern mussten noch zwei Warteschleifen fliegen. Die Piloten meldeten kurze Zeit später, zwölf Kilometer vor dem Flughafen, die Elektrik sei ausgefallen und der Treibstoff verbraucht. Dann brach der Funkkontakt ab.[8]
Am 28. November 2016 gegen 22:00 Uhr Ortszeit (COT) (3:00 UTC, 29. November)[9][10] verunglückte die Maschine am Berg El Gordo, in der Nähe von La Unión, Departamento de Antioquia, Kolumbien.[1]
Remove ads
Crew
Zusammenfassung
Kontext
Der Flugkapitän war der 36-jährige ehemalige Militärpilot Miguel Alejandro „Micky“ Quiroga Murakami. Er wurde am Liceo Militar Teniente Edmundo Andrade (Chuquisaca) ausgebildet und machte seinen Flugschein am Colegio Militar de Aviación (COLMILAV). Quiroga Murakami arbeitete bis 2013 beim Militär, bevor er bei LaMia einstieg und Pilot von LaMia Corporation SRL wurde.[11] Er war einer der beiden Eigentümer von LaMia.[12]
Kopilot war Ovar Goitia.[13]
Als Beobachter in Ausbildung war darüber hinaus die 29-jährige ausgebildete Pilotin Sisy Arias bei der Besatzung. Arias, die zuvor als Model Karriere gemacht hatte, wurde noch direkt vor dem Flug von einem TV-Sender interviewt.[14]
Funkverkehr
Remove ads
Passagiere
Zusammenfassung
Kontext

An Bord befanden sich 73 Passagiere und vier Besatzungsmitglieder.[16] Darunter waren 22 Spieler des brasilianischen Fußballvereins und Erstligisten Chapecoense auf dem Weg zum Hinspiel des Finales der Copa Sudamericana beim kolumbianischen Verein Atlético Nacional, verschiedene Vereinsfunktionäre, etliche Journalisten sowie drei weitere Passagiere.[17][18] Sie waren von São Paulo mit einem Linienflug zum Flughafen Viru Viru angereist; für einen ursprünglich geplanten Direktflug von São Paulo nach Medellín hatte die Fluggesellschaft keine Genehmigung.[3] Insgesamt starben 71 Menschen,[19][20][21] darunter folgende Spieler von Chapecoense: Ananias, Matheus Biteco, Canela, Caramelo, Danilo, Dener, Gil, Gimenez, Lucas Gomes, Josimar, Kempes, Filipe Machado, Arthur Maia, Marcelo, Bruno Rangel, Cléber Santana, Sérgio Manoel, Tiaguinho und Thiego. Unter den umgekommenen Journalisten befand sich der ehemalige Nationalspieler Mário Sérgio.[22]
Die sechs Überlebenden waren drei Spieler von Chapecoense (Jakson Follmann, Neto und Alan Ruschel), der Journalist Rafael Henzel und zwei Mitglieder der Besatzung, die Flugbegleiterin Ximena Suárez und der Flugtechniker Erwin Tumiri.[23][24][25][26][27] Die Verletzten wurden in das Spital San Juan de Dios in der Ortschaft La Ceja gebracht.[28] Ursprünglich hatten zunächst mindestens zehn Personen den Unfall überlebt. Wenige Minuten nachdem Rettungskräfte das Wrack erreichten, verstarb der zum Trainerstab gehörende Miguel Luis.[29] Chapecoense-Torhüter Danilo wurde schwer verletzt geborgen und ins Krankenhaus verbracht. Dort erlag er jedoch bei der anschließenden Notoperation seinen Verletzungen.[30][31][32] Es wurde zunächst berichtet, der nur leicht verletzte Erwin Tumiri habe geäußert, dass er sich an die Sicherheitshinweise gehalten, sich festgeschnallt, einen Koffer zwischen die Beine gestellt und dann die Brace position eingenommen habe; andere Fluggäste seien aufgesprungen und hätten herumgeschrien.[33] Tumiri, der kein Angestellter der Fluggesellschaft LaMia ist, sondern als Mitarbeiter eines anderen Unternehmens lediglich von dieser beauftragt war, widersprach wenige Tage nach dem Unfall diesen Berichten. Er habe sich zum Zeitpunkt des Absturzes im hinteren Bereich des Flugzeugs aufgehalten. Die Passagiere hätten gar keine Zeit gehabt, Vorbereitungen für den Absturz zu treffen, da man zunächst gar nicht mitbekommen habe, dass es Probleme gab.[34] Den Passagieren sei bereits mitgeteilt worden, dass die Landung bevorstehe, man die Sitzposition einnehmen und sich anschnallen solle. Zu keinem Zeitpunkt seien die Passagiere über die Absicht einer Notlandung informiert worden. Ximena Suárez, die sich zum Zeitpunkt des Absturzes ebenfalls im hinteren Flugzeugbereich zwei Sitze neben Tumiri befand,[35] wurde nur verhältnismäßig leicht verletzt. Sie soll sich dahingehend geäußert haben, dass sie sich lediglich an den plötzlichen Ausfall der Beleuchtung und einen daran anschließenden starken Sinkflug erinnern könne.[36]
Anfänglich wurde von 81 Personen an Bord ausgegangen und die Meldung entsprechend in den Medien verbreitet. Nach zwei Tagen teilte die Katastrophenschutzbehörde jedoch mit, dass es sich tatsächlich nur um 77 Personen gehandelt habe. Vier Passagiere hatten ihren gebuchten Flug nicht angetreten.[37] Zu diesen vier Personen zählte unter anderem Luciano Buligon, der Bürgermeister der Stadt Chapecó, in der der betroffene Fußballverein beheimatet ist.[38]
Remove ads
Untersuchung und Konsequenzen
Zusammenfassung
Kontext


Die Unidad Administrativa Especial de Aeronáutica Civil (UAEAC) ist für die Untersuchung des Unfalls verantwortlich.
Beide Flugschreiber wurden im unbeschädigten Zustand gefunden.[39] Sie wurden an das Nachfolgeunternehmen des Herstellers des Flugzeugs, BAE Systems, geschickt.
Die bolivianische Flugaufsichtsbehörde Directorate General de Aeronautica Civil (DGCA) gab am 1. Dezember bekannt, dass sie das Air Operator Certificate (AOC), also das Luftverkehrsbetreiberzeugnis, der Fluggesellschaft LaMia Bolivia mit sofortiger Wirkung widerrufen habe.[40]
Am 6. Dezember 2016 wurde der General Manager der Fluggesellschaft LaMia, Gustavo Vargas Gamboa, festgenommen. In Santa Cruz wurden nach der Durchsuchung von Büros zwei weitere Mitarbeiter festgenommen.[41] Vargas Gamboa äußerte zuvor, dass er drei Tage vor dem Unfall sein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen gekündigt habe. Er legte sein am 25. November 2016 mit Eingangsstempel versehenes Kündigungsschreiben vor, das hinsichtlich des Zeitpunktes zudem mit notarieller Beglaubigung versehen war.[42]
Während die beiden Mitarbeiter bereits am 7. Dezember 2016 wieder aus der Haft entlassen wurden, da sich der Verdacht einer Mitverantwortung nicht bestätigte, verblieb Vargas Gamboa in Untersuchungshaft im Gefängnis von Palmasola. Nach Angaben der bolivianischen Staatsanwaltschaft wird gegen ihn unter anderem wegen Totschlags ermittelt. Nach Presseberichten sollen die Ermittlungen auch auf den Miteigentümer Marco Antonio Rocha Venegas ausgeweitet werden.[43][44] Laut einer Stellungnahme der bolivianischen Einwanderungsbehörde habe Rocha das Land jedoch bereits eine Woche vor dem Unfall mit Ziel Paraguay verlassen und sei bislang nicht zurückgekehrt.[45]
Zudem wurden zwei Flugzeuge der Fluggesellschaft, zwei Avro RJ 85, in einem Hangar der Fuerza Aérea Boliviana auf dem Flughafen Cochabamba, von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.[46] Der Generalstaatsanwalt von Bolivien gab am 9. Dezember 2016 die im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse bekannt, dass die Fluggesellschaft die Charterflüge deutlich unter dem marktüblichen Preis angeboten habe. Bereits vor dem Unfall habe bei sieben Flügen der Airline gezwungenermaßen auf die Treibstoffreserve zurückgegriffen werden müssen.[47]
Der Pilot und Miteigentümer Miguel Quiroga hatte offenbar absichtlich, aus Kostengründen und um mit südamerikanischen Fußballmannschaften weiter im Geschäft zu bleiben, trotz zu knappen Treibstoffvorrats, einen Direktflug riskiert. Da dies verboten ist, wagte er auch keinen Notruf an den Flughafen zu senden, weil das seine Pilotenlizenz und seine Fluggesellschaft gefährdet hätte.[48]
Wie am 18. Dezember 2016 bekannt wurde, erhob Omar Durán, Rechtsanwalt des umgekommenen Co-Piloten Fernando Goytia, im Interview mit der bolivianischen Nachrichtenagentur ABI den Vorwurf, der Pilot Miguel Quiroga habe bei der Vergabe der Fluglizenz nicht über die geforderten Flugstunden verfügt; dies sei den Behörden bei der Vergabe bekannt gewesen.[49]
Der Unfall führte auch zu personellen Konsequenzen bei der Directorate General de Aeronautica Civil (DGCA). Der DGCA stand Gustavo Vargas Villegas vor, der Sohn des nach dem Unfall verhafteten Generalmanagers von LaMia.[50]
Vorläufiger Untersuchungsbericht
Nach den ICAO-Regeln (Anhang 13) muss die untersuchende Behörde einen Monat nach dem Unfall einen Zwischenbericht veröffentlichen. Am 26. Dezember 2016 präsentierte die kolumbianische Luftfahrtbehörde auf einer Pressekonferenz den vorläufigen Unfallbericht.[51]
- Hauptursache war der Treibstoffmangel; zum Unfall beigetragen haben die mangelhafte Planung des Fluges sowie die mangelnde Kontrolle durch die bolivianische Luftfahrtbehörde.
- Ereignisse vor dem Absturz (Zeitangaben in Minuten und Sekunden vor dem Aufprall):[52]
- 10': Die Piloten verlangen Priorität für die Landung, gleichzeitig werden die Landeklappen bis zur ersten Stufe ausgefahren. Die Piloten beginnen den Sinkflug, ohne die Erlaubnis der Flugsicherung einzuholen.
- 6': Triebwerk 3 (bei viermotorigen Maschinen das dritte von links, in Flugrichtung gesehen) fällt aus.
- 5': Die Crew fährt die Landeklappen weiter aus und fährt das Fahrwerk aus. Die Besatzung erklärt der Flugsicherung, die Feuerwehr („ground services“) sei nicht nötig. Triebwerk 2 fällt aus.
- 3' 45": Die anderen Triebwerke (1 und 4) fallen aus. Das Flugzeug fliegt ohne Stromversorgung, denn auch das Hilfstriebwerk (APU), welches Elektrizität liefern kann, fällt wegen Treibstoffmangels aus.
- 2': Die Besatzung erklärt einen Notfall wegen völligen Zusammenbruchs der Stromversorgung.
- Das Flugzeug schlägt mit 124 Knoten (230 km/h) auf dem Boden auf.
- Das Flugzeug war beim Start mit rund 400 Kilogramm überladen, was aber für diesen Unfall nicht ursächlich war.
- Die Piloten besprachen während des Fluges mehrere Male die Treibstoffmenge und die Frage, ob sie für einen Tankstopp in Leticia oder Bogotá landen sollten.
- Nach Erreichen der kolumbianischen Grenze endete die Aufzeichnung des Cockpit-Stimmenrekorders (cockpit voice recorder, CVR) von Geräuschen und Gesprächen. Der Grund dafür ist noch unklar.
- Das Flugzeug verfügte über ein System, welches die Piloten warnt, sobald für weniger als 20 Flugminuten Treibstoff vorhanden ist. Dieses sprach jedoch nicht an.
- Das Flugzeug war bis 29.000 Fuß Flughöhe zugelassen, flog aber in Missachtung der RVSM-Regeln höher.
Remove ads
Reaktionen
Das Hinspiel war ursprünglich für den 30. November 2016 im Estadio Atanasio Girardot von Medellín, das Rückspiel für den 7. Dezember 2016 in der Arena Condá in Chapecó geplant. Nach Bekanntwerden des Unfalls wurde das Finale der Copa Sudamericana vom südamerikanischen Fußballverband CONMEBOL am 29. November 2016 abgesagt.[53] Der kolumbianische Verein Atlético Nacional, geplanter Finalgegner von Chapecoense, kündigte unmittelbar nach dem Unfall an, auf den ihm zufallenden Titel zu verzichten, und schlug vor, die brasilianische Mannschaft zum Titelträger der Copa Sudamericana zu küren.[54] Die CONMEBOL folgte dem Vorschlag und erklärte Chapecoense zum Sieger des Wettbewerbs. Atlético Nacional wurde ein Fairplay-Award zuerkannt.[55]
Der brasilianische Staatspräsident Michel Temer rief eine dreitägige Staatstrauer aus.[56]
Remove ads
Mediale Rezeption
Der Unfall wurde unter dem Titel Tragödie der Fussballer (Football Tragedy) in der Episode 9 der Staffel 19 von Mayday – Alarm im Cockpit verfilmt.
Parallelen
Zusammenfassung
Kontext
Der Unfallhergang erinnert an den durch Treibstoffmangel bedingten Absturz einer Boeing 707 der kolumbianischen Avianca auf dem Avianca-Flug 052 am 25. Januar 1990 in New York City, bei dem der Erste Offizier anstelle einer Notfallmeldung lediglich „Priorität“ angefordert und den Treibstoffmangel nicht angemessen gegenüber der Flugsicherung kommuniziert hatte.
Das Verhalten der Besatzung erinnert an den Hapag-Lloyd-Flug 3378, bei dem eine A310 verunglückte, nachdem der Kapitän entgegen der Sicherheitsvorschriften versucht hatte, die Maschine mit Fahrwerkproblemen und dadurch stark erhöhtem Kerosinverbrauch von Griechenland nach Deutschland zu fliegen.
Weitere Zwischenfälle in der Luftfahrt, die sich infolge eines Treibstoffmangels ereigneten, waren:
- Air-Canada-Flug 143 (1983) – Treibstoffmangel wegen Fehlberechnung der Kerosinmenge
- Air-Transat-Flug 236 (2001) – Kerosinverlust durch Treibstoffleck auf Transatlantikflug
- Tuninter-Flug 1153 (2005) – Treibstoffmangel durch Einbau eines falschen Tankanzeige-Instruments
Flugunfälle, bei denen ganze Sportteams betroffen waren, waren unter anderem:
- Flugunfall von Superga (1949)
- British-European-Airways-Flug 609 (1958)
- Sabena-Flug 548 (1961)
- Fuerza-Aérea-Uruguaya-Flug 571 (1972)
- Flugzeugkollision von Dniprodserschynsk (1979)
- Absturz Charterflug Fußballteam Alianza Lima mit einer F27-400M (1987)
- Flugunfall der DHC-5 Buffalo AF-319 der sambischen Luftstreitkräfte (1993)
- YAK-Service-Flug 9633 (2011)
Remove ads
Weblinks
- Flugunfalldaten und -bericht RJ85 CP-2933 im Aviation Safety Network (englisch)
- Flight Tracking
- Final report by Aerocivil: spanisch, englische Übersetzung
- Vorläufiger Unfallbericht von Aerocivil: spanisch (PDF; 20,4 MB) – englische Übersetzung (PDF; 20,3 MB)
Einzelnachweise
Wikiwand - on
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Remove ads