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politisches System in Frankreich 1940-1944 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Vichy-Regime (französisch Régime de Vichy) oder Vichy-Frankreich (französisch France de Vichy) bezeichnet man im Rückblick die Regierung des État français („Französischer Staat“). Dieser löste mit dem Verfassungsgesetz vom 10. Juli 1940 die Dritte Französische Republik ab, die vom nationalsozialistischen Deutschland im Westfeldzug während des Zweiten Weltkrieges besiegt worden war. Der „État français“ bestand bis 1944 und erhielt den inoffiziellen Namen nach seinem Regierungssitz, dem Kurort Vichy in der Auvergne.
Französischer Staat | |||||
État français | |||||
1940–1944 | |||||
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Wahlspruch: Travail, Famille, Patrie („Arbeit, Familie, Vaterland“) | |||||
Französischer Staat (1942) dunkelgrün: beherrschtes Gebiet, hellgrün: beanspruchtes Gebiet | |||||
Amtssprache | Französisch | ||||
Hauptstadt | Vichy (de facto) Paris (de jure) Sigmaringen (im Exil 1944–1945) | ||||
Staats- und Regierungsform | Diktatorische Republik | ||||
Staatsoberhaupt | Staatschef Philippe Pétain (1940–1944) | ||||
Regierungschef | Premierminister Pierre Laval (1940) Pierre-Étienne Flandin (1940–1941) François Darlan (1941–1942) Pierre Laval (1942–1944) | ||||
Währung | Französischer Franc | ||||
Errichtung | 10. Juli 1940 | ||||
Vorgängergebilde | Dritte Französische Republik | ||||
Endpunkt | 9. August 1944 | ||||
Abgelöst von | (provis.) Französische Republik | ||||
Nationalhymne | Marseillaise (offiziell) Maréchal, nous voilà (inoffiziell) | ||||
Zeitzone | UT+1 (ab Oktober 1940)[1] | ||||
Kfz-Kennzeichen | F | ||||
Frankreich im Zweiten Weltkrieg ab Juni 1940
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Am 16. Juni 1940 zeichnete sich mit der Einschließung der französischen Armeegruppen 2 und 3 der Zusammenbruch der französischen Verteidigung gegen den deutschen Westfeldzug ab. Als Ministerpräsident Paul Reynaud im Parlament für die Fortführung des Krieges an der Seite der Alliierten und den Abschluss der von Winston Churchill vorgeschlagenen britisch-französischen Union plädierte, blieb er in der Minderheit und trat zurück. Staatspräsident Albert Lebrun betraute daraufhin seinen Stellvertreter, den populären Marschall Pétain, den „Helden der Schlacht um Verdun“ im Ersten Weltkrieg, mit der Regierungsbildung und der Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen.
Der Waffenstillstand von Compiègne wurde am 22. Juni 1940 in Compiègne unterzeichnet. Er brachte unter anderem die De-facto-Teilung Frankreichs in einen unter deutscher Militärverwaltung stehenden Nord- und Westteil sowie einen unbesetzten Südteil (etwa 40 % der Landesfläche) mit Vichy als Sitz der französischen Regierung. Diese Regierung erhob grundsätzlich den Anspruch, weiterhin für ganz Frankreich einschließlich der Überseegebiete zuständig zu sein. Das Elsaß und Lothringen blieben nach dieser Auffassung staatsrechtlich ein Teil Frankreichs. Entgegen dieser Auffassung wurden diese östlichen Departements jedoch noch im Sommer 1940 einem deutschen „Chef der Zivilverwaltung“ (CdZ) unterstellt; französische Proteste wurden von deutscher Seite ignoriert. Es folgte eine „Eindeutschungspolitik“ zur Vorbereitung einer späteren Annexion.
General Charles de Gaulle, im Kabinett Reynaud Staatssekretär, plädierte wie Reynaud für die Fortsetzung des Kampfes gegen das Deutsche Reich, ging nach Großbritannien und richtete am 18. Juni von London aus über den französischsprachigen BBC-Sender Radio Londres einen Appell an alle Franzosen, den Kampf notfalls von den Kolonien aus fortzusetzen. Die von de Gaulle gegründeten Forces françaises libres (FFL; Freie Französische Streitkräfte) nahmen Ende Juli 1940 mit einer Stärke von etwa 7000 Mann den Kampf an der Seite der britischen Streitkräfte auf. De Gaulle wurde vom Vichy-Regime wegen Landesverrats in Abwesenheit zum Tode verurteilt; die FFL galten dem Vichy-Regime und der deutschen Besatzungsmacht als Freischärler.
Die Nationalversammlung der Dritten Republik verabschiedete am 10. Juli 1940 mit 569 gegen 80 Stimmen[2] ein Gesetz, mit dem Marschall Pétain ermächtigt wurde, in einem oder mehreren Akten eine Verfassung für den État français (anstelle der République) zu verkünden; diese Verfassung müsse „die Rechte der Arbeit, der Familie und des Vaterlandes“ garantieren.[3]
Tags darauf verkündete Pétain die ersten drei Konstitutionsakte, in denen er sich unter anderem selbst zum Chef d’État (Staatschef) mit Weisungsrecht gegenüber der Exekutive, Legislative und Judikative erklärte.[4] Mit Konstitutionsakt Nummer 4 erklärte er am 12. Juli Pierre Laval zu seinem Stellvertreter.[5]
Staatsrechtlich unterstand dem Vichy-Regime ganz Frankreich mit Ausnahme des Elsass und Lothringens, die im Waffenstillstandsabkommen von Compiègne unter deutsche Verwaltung gestellt worden waren. Des Weiteren stand ein kleines Gebiet im Südosten des Landes (u. a. Monaco und Nizza) unter italienischer Verwaltung, dessen Besetzung von der deutschen und der Vichy-Regierung lediglich geduldet wurde.
Tatsächlich erstreckte sich die Verwaltungshoheit lediglich über 40 % des Mutterlandes und die Überseegebiete. Der überwiegende Teil der Nordzone war nach der Niederlage Frankreichs dem deutschen Militärbefehlshaber in Paris unterstellt, die beiden nördlichsten Départements am Ärmelkanal, Nord und Pas-de-Calais, jenem in Brüssel. In den besetzten Gebieten bedurften alle Gesetze und Erlasse des Vichy-Regimes der Gegenzeichnung durch die deutsche Militärverwaltung.
Am 10. und 11. November 1942, zwei Tage nach der Landung der Alliierten in Nordafrika, besetzten Deutsche und Italiener im „Unternehmen Anton“ auch die bis dahin unbesetzte Südzone Frankreichs. Damit hatte das Vichy-Regime seine geringe faktische Macht weitgehend eingebüßt. Trotzdem beließen die Deutschen das Vichy-Regime im Amt. Sie entschieden, dass die französische Verwaltung erhalten bleiben solle. Hitler sprach am 18. Dezember 1942 davon, dass es klug sei, „die Fiktion einer französischen Regierung mit Pétain aufrechtzuerhalten. Deshalb solle man Pétain ruhig als eine Art Gespenst beibehalten und ihn von Zeit zu Zeit etwas von Laval aufblasen lassen, wenn er etwas zu sehr zusammensinke.“[6] Trotz der Besetzung des Landes und der damit verbundenen Einbuße sämtlicher Entscheidungsgewalt trat die Vichy-Regierung nicht zurück, sondern beließ es bei einem Protest gegen den Bruch des Waffenstillstandsabkommens.
Nach der erfolgreichen alliierten Invasion in der Normandie wurden die Mitglieder des Vichy-Regimes im August 1944 zwangsweise in das Schloss Sigmaringen gebracht. Dort bestand das Marionettenregime des État français bis zur deutschen Kapitulation weiter.
Pétain proklamierte ein neutrales Frankreich, das zwischen den kriegführenden Parteien Äquidistanz halten wollte. In diesem Sinne lehnte er am 24. Oktober 1940 beim Treffen mit Hitler in Montoire eine Kriegsbeteiligung Frankreichs an der Seite des Deutschen Reiches ab. Eine Zusammenarbeit (Kollaboration) mit dem Deutschen Reich hielt Pétain jedoch für notwendig, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, Art und Umfang der materiellen, personellen und industriellen Ausbeutung des Landes in Grenzen zu halten und die Rückführung der etwa zwei Millionen französischen Soldaten aus deutscher Kriegsgefangenschaft zu erreichen.
Persönlich war Pétain überzeugt, dass die innere Zerrissenheit des Landes und der Verfall traditioneller Werte wesentlich zur militärischen Niederlage beigetragen hatten. Im sogenannten Prozess von Riom (Februar 1942 bis Mai 1943) sollte die Verantwortlichkeit dafür den wichtigsten Politikern und Militärs der letzten Jahre vor dem Krieg zugeschoben werden. Pétain wollte nun die Franzosen in einer Révolution nationale zu einer neuen Einheit führen. So ließ er die an allen öffentlichen Gebäuden befindliche Parole Liberté, Égalité, Fraternité („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“) durch den Wahlspruch Travail, Famille, Patrie („Arbeit, Familie, Vaterland“) ersetzen.
Die Niederlage im Jahre 1940 war für die Franzosen ein schwerer Schock. Als einer der Hauptgründe wurden die tiefen Klüfte innerhalb der Gesellschaft gesehen. Pétain war von der Niederlage unbelastet. Er wurde nun aufgrund seines legendären Rufes aus dem Ersten Weltkrieg von der Mehrheit der Franzosen und trotz seines hohen Alters als der richtige Mann angesehen, das Land zu einen und durch die Turbulenzen der kommenden Jahre zu führen. Die Mehrheit akzeptierte auch die neue autoritäre Verfassung und war zur Neutralität und zu einer Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden bereit, die zur Lockerung der Waffenstillstandsbedingungen führen würde. Das Vichy-Regime wurde daher zunächst mehrheitlich begrüßt. Der Historiker Henri Amouroux sprach von vierzig Millionen Pétainisten. Als jedoch die erwarteten Lockerungen nicht eintraten und sich die Kriegswende mit zusätzlichen Härten abzeichnete, verlor das Vichy-Regime an Ansehen. Die Regierung von Pétain hielt sich – mit Einschränkungen – trotzdem bis zum Sieg der Alliierten.
Nach der Ausschaltung des Parlamentes ordneten sich die Interessensgruppen neu. Die Kommunisten waren verboten, die Sozialisten aus Protest gegen die autoritäre Verfassung in der Opposition. Neben den „Konservativen“, die zwar die Regierung Pétain begrüßten, aber eine Zusammenarbeit mit den Achsenmächten ablehnten, war politisch noch die „Action française“ bedeutsam, die das republikanische System durch eine Monarchie ersetzen wollte und einer gemäßigten Kollaboration nicht negativ gegenüberstand. Die faschistisch eingestellten Kreise organisierten sich im Parti populaire français (P.P.F.) unter Jacques Doriot und in der Rassemblement national populaire (RNP) unter Marcel Déat.
Eines der wichtigsten innenpolitischen Ziele war die Verbesserung der sportlichen Möglichkeiten, vor allem für die Jugend. Hier stimmte man mit den politischen Ideen anderer faschistischer Systeme überein[7], sah aber auch im Sport anstelle des Militärs die Chance – so auch in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg –, die Jugend für einen künftigen Krieg körperlich aufzurüsten. Mit Jean Borotra wurde zum ersten Mal ein Staatssekretär für Jugend und Sport geschaffen, dem mit 1,9 Milliarden Francs mehr Mittel zur Verfügung gestellt wurde als dem gesamten französischen Sport in der Zwischenkriegszeit.[8] Die Zentralisierung des Sports unter Pétain diente als Vorbild für die Sportförderung im Nachkriegsfrankreich bis heute.[9]
Im unbesetzten Teil des Landes und in Nordafrika wurden Jugendlager (Chantiers de la Jeunesse) eingerichtet. Auch Jugendliche aus dem besetzten Gebiet konnten sich für den achtmonatigen Freiwilligendienst bewerben. Später wurde es möglich, den Dienst um weitere acht Monate zu verlängern und sich so der Zwangsarbeit in Industriebetrieben des Deutschen Reiches zu entziehen.
Innerhalb weniger Tage nach Gründung des État Français am 11. Juli 1940 erließ das Vichy-Regime eine Reihe von Gesetzen, die sich gegen die im Lande lebenden ausländischen Juden richteten. Am 17. Juli 1940 wurde bestimmt, dass eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst nur noch möglich sein sollte, wenn der Vater eines Betroffenen Franzose war. Mit weiteren Gesetzen am 16. August und 10. September 1940 wurde diese Regelung auf die medizinischen Berufe und die Angehörigen der Barreau, der Anwaltschaft, ausgedehnt. Daneben sollten sämtliche Einbürgerungen der Vergangenheit überprüft werden. Mit dieser Absicht wurde das Décret Crémieux für die Juden Algeriens am 7. Oktober 1940[10] abgeschafft. Am 27. August 1940 war die Loi Marchandeau, die eine antisemitische Presseberichterstattung unter Strafe gestellt hatte, abgeschafft worden.[11] Einen vorläufigen Höhepunkt fand das Vorgehen gegenüber ausländischen Juden im Internierungsgesetz vom 4. Oktober 1940. Nunmehr konnte diese Personengruppe ohne Angabe von Gründen interniert werden: „Die ausländischen Staatsangehörigen jüdischer Rasse (ressortissants étrangers de race juive) können mit Verkündung des vorliegenden Gesetzes aufgrund einer Entscheidung des Präfekten des Departements, in dem sie ihren Wohnsitz haben, in besondere Lager (camps spéciaux) eingewiesen werden.“[12] Daneben arbeitete die französische Staatsführung seit Juni/Juli 1940 an einem „Judenstatut“, das eine umfassende „Säuberung“ der Verwaltung sowie der staatlich kontrollierten Berufe in den Bereichen Justiz, Medizin, Bildung und Kultur vorsah. Wie der Historiker Michael Mayer 2007 nachwies, war das am 3. Oktober 1940 erlassene und am 18. Oktober im Journal officiel de la République française verkündete Statut des Juifs[13] Ausdruck einer autonomen französischen „Judenpolitik“, die keinem direkten und beinahe keinem indirekten deutschen Einfluss ausgesetzt war.[14] In einem weiteren Gesetz wurde festgelegt, dass ausländische Juden ab sofort von ihrer Präfektur in speziellen Lagern interniert werden könnten.[15] Am 2. Juni 1941 wurde das Statut des Juifs weiter verschärft, so dass die jüdische Bevölkerung nunmehr einer umfassenden rechtlichen Diskriminierung unterworfen war.[16][17]
Obwohl Pétain nach dem Angriff auf die Flotte in Mers-el-Kébir durch die Royal Navy (3. Juli 1940) die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien abgebrochen hatte, wurde die Regierung in Vichy von den Alliierten zunächst weiterhin als legitime Vertretung der Franzosen anerkannt. Es waren vor allem die USA, die über ihren Botschafter Admiral William D. Leahy enge Beziehungen zu Vichy pflegten. Präsident Franklin Roosevelt und Außenminister Cordell Hull wollten ebenso wie Churchill vermeiden, Pétain durch Isolation in die Arme Hitlers zu treiben. Dazu Churchill (nach Kriegsende):[18]
„Was auch in der Vergangenheit geschehen sein mochte, [Oran!] Frankreich war doch unser Leidensgefährte, und nichts als ein offener Krieg zwischen uns konnte es daran hindern, auch unser Gefährte im Sieg zu sein. Diese Politik war eine schwere Belastung für de Gaulle, der alles aufs Spiel gesetzt und die Fahne hochgehalten hatte, dessen Handvoll Anhänger außerhalb Frankreichs aber niemals den Anspruch erheben konnten, eine wirkliche französische Gegenregierung zu bilden.“
Da de Gaulle auch ein schwieriger und eigenwilliger Partner für die Alliierten war, suchten diese 1942/43 nach ihrer Landung in Französisch-Nordafrika nach einer prominenteren, entgegenkommenderen Führungspersönlichkeit. Da weder Ex-Ministerpräsident Reynaud noch General Weygand verfügbar waren, griff man trotz Bedenken wegen seiner Vichy-treuen Vergangenheit zunächst auf Admiral François Darlan zurück. Nach dessen kurz darauf erfolgter und bis heute nicht völlig aufgeklärter Ermordung in Algier versuchten vor allem die Amerikaner, General Henri Giraud, der einige Monate zuvor aus deutscher Kriegsgefangenschaft geflohen war, als Gegenspieler de Gaulles aufzubauen. Der honorige, aber politisch unerfahrene Giraud wurde schließlich zusammen mit de Gaulle als Doppelspitze der „Freien Franzosen“ von den Alliierten anerkannt, verlor jedoch im Verlauf des Jahres, u. a. aufgrund militärischer Fehlentscheidungen, jeglichen Einfluss auf die weitere Entwicklung. Außerdem hatte de Gaulle seit Mitte 1943 einen Trumpf in der Hand. Einem seiner Mitarbeiter, Jean Moulin, war es am 15. Mai 1943 gelungen, die wichtigsten Gruppierungen der Résistance zur Gründung des Conseil national de la Résistance (CNR) zu bewegen, dessen erste Deklaration die Forderung war, unverzüglich eine provisorische Regierung unter der Leitung von de Gaulle zu bilden. Dies geschah dann bereits einen Tag später mit der Gründung des „Französischen Komitees für die nationale Befreiung“ (CFLN) in Algier.
Diese Vorstufe zu einer Gegenregierung war nach der Besetzung des Vichy-Territoriums durch deutsche Truppen im November 1942 (als Reaktion auf die alliierte Landung in Nordafrika) ein weiterer schwerer Schlag für die Regierung in Vichy.
Das Regime verfügte – abgesehen vom unbesetzten Staatsgebiet – anfangs noch über alle Kolonien sowie über ein 100.000 Mann starkes Heer und die französische Kriegsmarine. Seit Herbst 1940 gab es dazu die Légion française des combattants, eine Kriegsveteranenorganisation, aus der Joseph Darnand gemeinsam mit hohen Offizieren im Spätsommer 1941 enttäuschte Kämpfer rekrutierte, die im Département Alpes-Maritimes eine geheime Militärorganisation unter der Bezeichnung Service d’ordre légionnaire (SOL) gründeten, die bei einer weiteren italienischen Aggression gegen französisches Territorium zum Einsatz kommen sollte. Bis zum Ende 1941 entwickelte sie sich zu einer ernstzunehmenden Streitmacht, die als zusätzlicher Schutz Frankreichs vor externer und interner Aggression im Januar 1942 den offiziellen Segen des Vichy-Regimes erhielt. Gegen Ende des Sommers 1942 rekrutierte Darnand daraus Freiwillige für die Légion volontaires français (LVF), die Légion anti-bolchévique bzw. Légion tricolore, einen französischen Verband in deutscher Uniform, der an der Ostfront gegen die Sowjetunion kämpfen sollte.
Die Zusammenarbeit der Zivilbevölkerung und der französischen Behörden mit dem Deutschen Reich ist auch heute noch ein Thema mit hoher politischer Brisanz, da es weiterhin unterschiedliche Auffassungen über Grad und Umfang einer akzeptablen Zusammenarbeit gibt. Unbestritten ist, dass es im Rahmen der Vichy-Regierung zu einer sehr weitreichenden Form der Kollaboration kam, die teilweise freiwillig, hauptsächlich jedoch aufgrund tatsächlicher oder zugesagter Gegenleistungen oder Erpressung geleistet wurde.
Die staatliche Kollaboration wurde nach dem Treffen von Marschall Pétain und Hitler in Montoire-sur-le-Loir am 24. Oktober 1940 mit dem Handschlag von Montoire öffentlichkeitswirksam eingeleitet. Dieses symbolträchtige Bild wurde der Rundfunkansprache des Generals de Gaulle über die Sender der BBC entgegengesetzt, in der dieser die Fortsetzung seines Kampfes an der Seite der Alliierten angekündigt hatte. Obwohl Pierre Laval mit führenden Nationalsozialisten (darunter Hitler selbst) zwei Tage zuvor am gleichen Ort Vorgespräche geführt hatte, erbrachte das Treffen von Montoire aber letztlich nur eine magere Erfolgsbilanz: Keine Seite ließ sich auf konkrete Absprachen ein. Lediglich das Prinzip der Kollaboration wurde verkündet, wobei die deutsche Seite sorgfältig darauf achtete, den Inhalt dieser Vereinbarung nicht zu genau festzulegen.
Pétain hoffte ebenso wie Laval, die deutsche Seite durch Zeichen guten Willens nach dem Treffen von Montoire milde zu stimmen. Im Gegenzug sollte auch Deutschland Zugeständnisse machen, wie z. B. die Rückkehr der französischen Kriegsgefangenen und eine Änderung der Demarkationslinie zwischen der militärisch besetzten Nordzone und der unbesetzten Südzone oder die Rückkehr der französischen Regierung nach Versailles zu erlauben. Aufgrund seiner Frankreich-Feindlichkeit war Hitler jedoch nicht zu den geringsten Zugeständnissen an die unterlegene Nation bereit. Er betrachtete die Zusammenarbeit mit dem Vichy-Regime vielmehr als ein ebenso taktisch wie strategisch einzusetzendes Mittel im weiter bestehenden Konflikt mit Großbritannien und beim geplanten Überfall auf die Sowjetunion. Letztlich ging es ihm darum, Frankreich mit geringstmöglichen Mitteln zu neutralisieren, wirtschaftlich zu kontrollieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass das Vichy-Regime sich jedem Versuch der Gaullisten und der Briten widersetzen würde, Nordafrika zu besetzen.[19]
Pétain erklärte in seiner Rundfunkansprache vom 30. Oktober 1940, dass er nun den Weg der Kollaboration betrete: « j’entre aujourd’hui dans la voie de la collaboration ».[20] In der Folgezeit zeigte er sich jedoch angesichts ausbleibender konkreter Vereinbarungen und mangelnden Entgegenkommens Hitlers enttäuscht: Er habe ein Nichts getroffen (rien du tout), einen Durchschnittsmenschen, der seine historischen Lektionen nicht gelernt habe (un médiocre qui n’a pas retenu les leçons de l’histoire) und spielte die Bedeutung des Treffens von Montoire herunter, das von Anfang an als informelles Konsultationstreffen (tour d’horizon) geplant gewesen sei. Am 13. Dezember 1940 entließ Pétain seinen Stellvertreter Laval wegen zu eigenwilliger Verhandlungsführung, letztlich jedoch aus innenpolitischen Gründen.[21] Pétain zog jedoch letztlich keine Konsequenzen aus dem Fehlschlag seiner Politik. Laval und er rechneten weiterhin mit einem deutschen Endsieg und wollten aus Frankreich einen privilegierten Partner von Hitlers Europapolitik machen. Sie verkannten völlig, dass Hitler aus Frankreich nichts anderes machen wollte als einen tributpflichtigen und nach Belieben auszubeutenden Vasallen. Der einzige Unterschied zwischen den Vorstellungen der beiden Politiker von Kollaboration war ein gradueller: Im Falle von Pétain spielten eher reaktionäre und nationalistische Motive eine Rolle, während Laval eher in europäischen Zusammenhängen dachte.[22]
Um seinen guten Willen zu bezeugen, hat das Vichy-Regime häufig deutsche Forderungen vorweggenommen oder übererfüllt. Die Gegenleistungen der Besatzungsmacht waren eher begrenzt, die Kosten der Besatzung stiegen vielmehr bis zuletzt kontinuierlich an. So erreichten Pétain und Laval für die Aushebung von 600.000 bis 650.000 Arbeitskräften für den Service du travail obligatoire (STO) im Gegenzug lediglich die Rückkehr von weniger als 100.000 Kriegsgefangenen, die aus Alters- und Gesundheitsgründen wohl ohnehin zurückgeschickt worden wären.
Unter den Kollaborateuren, die den verschiedenen Regierungen des Vichy-Regimes angehörten oder diese unterstützten, ist besonders Fernand de Brinon hervorzuheben, der Generalbeauftragte Vichys in der besetzten Nordzone von 1941 bis 1944, der bereits in der Vorkriegszeit ein großer Bewunderer des „Dritten Reichs“ gewesen war. Zu erwähnen sind außerdem Jacques Benoist-Méchin, der Hauptberater Darlans in den Verhandlungen mit Hitler (1941–1942); Gaston Bruneton, Sozialbeauftragter für die (teilweise freiwilligen, teilweise zwangsverpflichteten) französischen Arbeitskräfte in Deutschland, der eng mit der Deutschen Arbeitsfront (DAF) zusammenarbeitete; Jean Bichelonne, zunächst Minister für Industrieproduktion, später für das Transportwesen, oder der Schriftsteller Abel Bonnard, genannt Gestapette, der 1942 Minister für Nationalerziehung wurde. 1944 wurden die faschistischen Überzeugungstäter Joseph Darnand, Philippe Henriot und Marcel Déat auf deutschen Druck hin Regierungsmitglieder.
Während zahlreiche Pariser Kollaborateure das Vichy-Regime offen verachteten, das ihnen zu reaktionär und zu wenig engagiert in der Zusammenarbeit mit dem Dritten Reich war, erklärten sich andere wie z. B. Darnand zu bedingungslosen Anhängern des Marschalls Pétain. Jacques Doriot, der Anführer der Parti populaire français (PPF), präsentierte sich der Öffentlichkeit bis Ende 1941 als un homme du Maréchal (ein Mann des Marschalls). Pierre Laval, der bedeutendste Vichy-Politiker nach Pétain, unterhielt sehr enge politische Beziehungen zu Déat und Darnand und übernahm persönlich die Leitung der Milice française, einer gewalttätigen Organisation, die die Gestapo bis zum Äußersten unterstützte.
Der Begriff wirtschaftliche Kollaboration bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem, dass das Vichy-Regime die Politik der deutschen Besatzungsmacht umsetzte. Die formale Verpflichtung dazu ergab sich zunächst aus der Kriegsschuld, die zwar theoretisch im Waffenstillstand vom Juni 1940 festgelegt, in der Praxis aber einseitig von den Deutschen bestimmt wurde, da diese den Wechselkurs des französischen Franc zur deutschen Mark nach Belieben veränderten. Diese Kriegsschuld, ursprünglich zum Unterhalt der Besatzungstruppen gedacht, betrug durchschnittlich 400 Millionen Francs täglich, was damals etwa 4 Millionen Tageslöhnen von Arbeitern entsprach.[23] Obwohl Frankreich wirtschaftlicher Ausbeutung (in Form des Abtransportes von Rohstoffen und der Requirierung und Überführung von Lokomotiven, Werkzeugmaschinen, Motoren aller Art, Eisenkonstruktionshallen, Munitionsfertigungsmaschinen, Bergbauspezialgeräten, Kränen und weiteren industriellen Werten) unterworfen war, erkannte die deutsche Besatzungsmacht durchaus, dass das wirtschaftliche Leben so weit wie möglich normal gestaltet werden musste, wenn die eroberten industriellen Kapazitäten für die eigene Kriegswirtschaft nutzbar gemacht werden sollten. Aus diesem Grund wurde ein brutales Diktat vermieden und der Regierung Pétain ein bestimmtes Maß an Eigenständigkeit zugestanden.
Im Oktober 1940 gab es in Frankreich infolge der militärischen Niederlage eine Million Arbeitslose (wobei zu berücksichtigen ist, dass zusätzlich noch die 1,5 Millionen französischen Kriegsgefangenen dem französischen Arbeitsmarkt entzogen waren, die in Deutschland während fast der gesamten Dauer des Krieges als Arbeitskräfte eingesetzt wurden). Schon bald nach dem Waffenstillstand ermächtigte die Vichy-Regierung französische Unternehmen, Verträge mit Deutschland abzuschließen. Deutsche Aufträge wurden die Hauptantriebskraft für das Wiederaufleben der französischen Wirtschaft. Bis April 1941 buchten französische Firmen Aufträge im Wert von 1,5 Milliarden Reichsmark; bis Herbst 1942 waren es bereits über vier Milliarden Reichsmark. Frankreich wurde der wichtigste europäische Lieferant des Dritten Reichs während des Zweiten Weltkriegs. So konnte beispielsweise die Firma Renault ihren Umsatz von 1940 bis 1942 verfünffachen. Die französische Weinwirtschaft, die immer noch an den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu leiden hatte, arrangierte sich sofort mit der Besatzungsmacht und erlebte in der Folgezeit einen ungeahnten Aufschwung.[24] Die Arbeitslosenzahl fiel bis 1942 auf 125.000 und zur Zeit der Libération herrschte praktisch Vollbeschäftigung. Mit den Besatzungskosten beschäftigte die deutsche Besatzungsmacht große Teile der französischen Landwirtschaft und Industrie. Nach den Statistiken des Office central de la production industrielle produzierten 1943 100 % der Luftfahrtindustrie, 100 % der Schwerindustrie, 80 % der Bauindustrie, 60 % der Kautschukindustrie im Auftrag der Deutschen. Henry Rousso merkt dazu an, dass diese Angaben wahrscheinlich insgesamt etwas zu hoch angesetzt seien, die Größenordnungen aber weitgehend korrekt wiedergäben. Eberhard Jäckel gibt an, dass im Frühjahr 1942 rund 170.000 Franzosen direkt für die Wehrmacht arbeiteten, 275.000 beim Bau von Flughäfen und von Befestigungen wie dem Atlantikwall und 400.000 schließlich in der Rüstungsproduktion.[25]
Der deutschen Wirtschaftsorganisation entsprechend wurden zwölf nach Branchen und Produkten gegliederte Comités d’organisation (CO) und ein Office central de répartition des produits industriels (OCRPI) gegründet, die unter der Aufsicht des Ministeriums für Industrielle Produktion standen. Diese führten die 321 französischen Kapitalgesellschaften, koordinierten die Rohstoffzuteilungen und Lieferungen an die deutschen Stellen und lieferten darüber hinaus auch Informationen über die Rohstoffbestände in den unbesetzten Gebieten. Das Vichy-Regime nutzte sein dirigistisch ausgerichtetes Wirtschaftssystem zwar einerseits zur Bewältigung der existenziell wichtigen deutschen Produktions- und Lieferaufträge, versuchte andererseits aber auch den deutschen Einfluss auf die Wirtschaft nach Möglichkeit zu begrenzen. So wurde versucht, den unkontrollierten Zufluss deutschen Kapitals zu begrenzen; die Gründung deutsch-französischer Mischgesellschaften unter öffentlicher Kontrolle wurde jedoch ermöglicht (z. B. Francolor (51-%-Beteiligung der IG Farben); France-Rayonne (Tochterfirma von Rhône-Poulenc für Textilsynthetik; 33 % deutsche Beteiligung); Théraplix (Medikamente); der Industriegase-Hersteller Imbert). Deutsche Konzentrationsmaßnahmen in „arisierten“ Wirtschaftsbereichen (Leder, Kleiderindustrie, Handel) konnte das Regime zwar nicht verhindern, es bemühte sich jedoch, möglichst viele der enteigneten Vermögenswerte in „französische“ Hände überzuleiten.[26]
Eine besonders unrühmliche Form der wirtschaftlichen Kollaboration des Vichy-Regimes war seine Mitwirkung an der Zwangsverpflichtung von Arbeitskräften für den Einsatz in Deutschland. Bis zum Frühjahr 1942 waren trotz Zwangsrekrutierungen von Bergleuten und Metallarbeitern in der besetzten Zone sowie der Anwerbung französischer Freiwilliger für die deutsche Rüstungsindustrie lediglich 50.000 Franzosen in Deutschland tätig. Da diese Zahlen weit unter den Hitler zugesagten lagen, wurden tausende Franzosen vom Vichy-Regime zwangsrekrutiert. Als im Februar 1942 Albert Speer in Deutschland die Kriegsproduktion drastisch erhöhte, forderte Fritz Sauckel, der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, am 15. Mai die Entsendung weiterer 250.000 Arbeitskräfte nach Deutschland, davon 150.000 Facharbeiter. Laval hoffte, dieses Ziel durch die Relève zu erreichen, da bei Zielerreichung die Heimkehr von 50.000 Kriegsgefangenen zugesagt worden war. Da sich jedoch die dürftige Ernährung und schlechte Behandlung der Freiwilligen herumgesprochen hatten, meldeten sich lediglich 16.800 Facharbeiter für den Dienst in Deutschland. Im Gegenzug durften auch nur 1000 Kriegsgefangene heimkehren. Um das gewünschte Kontingent zu erfüllen, erließ Laval ein Gesetz, das Männer im Alter zwischen 18 und 50 sowie ledige Frauen zwischen 21 und 35 Jahren auch im Ausland dienstpflichtig machte. Als Sauckel bis Ende 1942 die geforderte Anzahl von 240.000 französischen Zwangsarbeitern erhalten hatte, forderte er am 2. Januar 1943 weitere 250.000 Arbeitskräfte, die auf Basis des am 16. Februar 1943 ins Leben gerufenen Service du travail obligatoire (STO) erfüllt werden konnte. Der STO zeigte jedoch bald seine Kehrseite: junge Franzosen, denen der STO drohte, gingen verstärkt in den Untergrund. Die dritte Aktion, die ab 6. August 1943 weitere 500.000 Arbeitskräfte bringen sollte, wurde lediglich zu 20 % erfüllt. Die vierte Aktion zum Anfang des Jahres 1944 brachte nur mehr 50.000 Zwangsarbeiter ein.
Die deutsche Seite konnte nicht nur aufgrund der Waffenstillstandsvereinbarungen Druck auf das Vichy-Regime ausüben, sondern auch aufgrund des Verhaltens vieler französischer Wirtschaftsunternehmen. Oftmals nahmen diese direkt Kontakt mit Wirtschaftsvertretern des Dritten Reiches auf und umgingen somit die Steuerungsversuche ihrer eigenen Regierung. Unter dem Druck der eigenen Finanz- und Industriekreise musste sich das Vichy-Regime letztendlich zu fast jedem Zugeständnis bereit erklären, was im Ergebnis dazu führte, dass eher ein Überangebot an wirtschaftlicher Kollaboration herrschte.[27]
Der Vize-Präsident des Vichy-Regimes nach der Entlassung Lavals, Admiral Darlan, hingegen sah die Kollaboration mit Deutschland als langfristige Strategie, der zufolge Frankreich sich unter Abkehr von seiner bisherigen diplomatischen Tradition dem Kontinentalsystem unter Führung Deutschlands anschließen sollte. Er traf am 11. und 12. Mai 1941 in Berchtesgaden mit Hitler zusammen,[28] der ihn für eine erweiterte militärische Zusammenarbeit gewinnen wollte. Darlan unterzeichnete daraufhin am 28. Mai 1941 mit Otto Abetz, dem deutschen Botschafter in Frankreich, die drei Protokolle von Paris (Protokoll I für Syrien und Libanon; Protokoll II für Bizerta und Tunesien; Protokoll III für Französisch-Westafrika und Französisch-Äquatorialafrika sowie ein Zusatzprotokoll zu den vom Vichy-Regime aufgestellten Forderungen nach mehr Mitteln für den Fall eines alliierten Angriffs). Marschall Pétain bestätigte den Wortlaut der Protokolle ausdrücklich in einem Telegramm an General Dentz, den französischen Hochkommissar für Syrien und Libanon. Deutschland wurde die Benutzung der französischen Stützpunkte in Syrien, französische Waffenlieferungen an irakische Aufständische unter Raschid Ali al-Gailani, Durchreise des Deutschen Afrikakorps durch das französisch kontrollierte Tunesien sowie die Überholung von Schiffen der deutschen Kriegsmarine in Dakar zugesagt. Im Gegenzug sollte Deutschland die Besatzungsgebühren um ein Viertel reduzieren, 100.000 Kriegsgefangene freilassen und die Wiederbewaffnung einiger französischer Kriegsschiffe genehmigen.[29]
Am 21. Dezember 1941 trafen General Juin und Hermann Göring in Berlin nochmals zusammen, um eine Nutzung des französischen Marinestützpunkts in Bizerta durch das Deutsche Afrikakorps zu vereinbaren. Da die von Vichy als Gegenleistung geforderte Verstärkung der französischen Truppen in Afrika sowie eine Abschwächung der Waffenstillstandsbedingungen aus dem Jahr 1940 von der deutschen Seite abgelehnt wurden, scheiterten diese Verhandlungen jedoch.[30]
Die Milice française wurde am 30. Januar 1943 vom Vichy-Regime aus Mitgliedern des Service d’ordre légionnaire (SOL) zusammengestellt und als Hilfstruppe der deutschen Armee eingesetzt, z. B. 1944 bei der Bekämpfung des Maquis im Vercors. Das Kommando führte nominell Laval, die eigentliche Leitung lag allerdings in den Händen von Joseph Darnand. Die Zahl der Bewaffneten in der Milice erreichte schließlich 30.000 Mann. Diese Kräfte kamen ab Januar 1944 vorwiegend in der Nordzone zum Einsatz, wo sie vom Militärbefehlshaber zumeist im Kampf gegen die Résistance eingesetzt wurden. Darnand stellte zusätzlich die Groupes mobiles de réserve (GMR) auf und schlug die Gründung einer Groupe franc de la garde unter seiner direkten Kontrolle zur Zerschlagung des Maquis des Glières (Département Haute-Savoie) vor, was von deutscher Seite jedoch abgelehnt wurde.
Nach dem Waffenstillstand vom Juni 1940 suchten die deutschen Besatzer in den Kriegsgefangenenlagern nach spanischen Republikanern, da Hitler zu dieser Zeit Franco noch zu einem Kriegseintritt auf Seiten Deutschlands zu bewegen suchte. Das Vichy-Régime erhob keinen Einspruch dagegen, dass die Mehrzahl der so Aufgespürten in das KZ Mauthausen eingeliefert wurden. Obwohl die Bekämpfung der französischen Kommunisten bis zum Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 keinen hohen Stellenwert für die deutschen Besatzer hatte, setzte das Vichy-Regime die schon von der Regierung Daladier begonnenen Maßnahmen gegen die Kommunisten fort. Nachdem die Kommunisten sich der Résistance angeschlossen und angefangen hatten, Anschläge zu begehen, wurden von der französischen Polizei verhaftete Kommunisten an die deutsche Besatzungsmacht ausgeliefert.[31]
Nachdem General Carl-Heinrich von Stülpnagel im Februar 1942 zum Militärbefehlshaber in Frankreich ernannt worden war, forderte er für seinen Verantwortungsbereich eine klare Trennung zwischen militärischen und politischen Aufgaben.[32] Da dies den Vorstellungen von Himmler und Heydrich entgegenkam, die ihren Einflussbereich innerhalb Europas ausdehnen wollten, ernannte Hitler am 9. März 1942 den SS-General Carl Oberg zum Höheren SS- und Polizeiführer für das besetzte Frankreich. Sein Stellvertreter wurde SS-Standartenführer Helmut Knochen als Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD. Unter ihrer Aufsicht und auf ihre Anordnung hin sollte die französische Polizei Maßnahmen gegen Kriminelle, Juden sowie gegen Kommunisten durchführen. Zu dieser Zeit umfassten die deutschen Polizeikräfte in Frankreich lediglich drei Bataillone mit ca. 3000 Männern (gegenüber gleichzeitig 5000 in den besetzten Niederlanden). Für Verhaftungen mussten die Deutschen auf die 47.000 französischen Polizisten in der besetzten Zone zurückgreifen.[33] Zwei Monate nach der Wannseekonferenz besuchte Heydrich vom 5. bis 12. Mai 1942 erstmals Frankreich, um die polizeiliche Kooperation zu verbessern: er versprach dabei größere Unabhängigkeit für die Polizeikräfte der besetzten Zone, unter der Bedingung, dass diese konsequent alle Feinde der Besatzungstruppen unterdrücke, die ja auch die Feinde der Révolution nationale seien.[34]
Im April 1942 ernannte Pierre Laval den Verwaltungsfachmann René Bousquet zum Generalsekretär der Polizei. Dieser ging von der Annahme aus, dass die Besatzungsmacht der Vichy-Regierung die Kontrolle über eine ausreichend bewaffnete Polizei in beiden Zonen anvertrauen würde, wenn es gelänge, die deutsche Seite von der vorbehaltlosen Kollaboration der französischen Polizei zu überzeugen. Diese Haltung passte gut zu den Plänen von Oberg, Knochen und ihrem Vorgesetzten Heydrich, die anders als ihre Vorgänger auf die französische Polizei setzten. Dieser mehr Autonomie und Verantwortung zu übertragen, brachte erhebliche Vorteile, ohne dabei das eigene Risiko zu erhöhen: mehr Wirksamkeit, weniger patriotische Reaktionen der französischen Bevölkerung, mehr Engagement der durch die Zusammenarbeit kompromittierten Polizisten.[35]
Die Erfassung aller Juden im Département Seine mittels der sogenannten Tulard-Akten durch die Polizeipräfektur Paris erfolgte ab Oktober 1941 auf deutsche Anordnung und wurde zur organisatorischen Grundlage für die Razzien, die ab dem Mai 1941 zunächst noch von der deutschen Besatzungsmacht und der französischen Polizei gemeinsam durchgeführt wurden. Auf Grund von Vereinbarungen zwischen Bousquet und Oberg vom Juli 1942 wurden die Razzien auf Juden nur noch durch die französische Polizei durchgeführt.[36] Französische Gendarmerie und Zollbeamte wurden auch mit der Überwachung der Zufahrtswege und der näheren Umgebung des Sammellagers Drancy beauftragt.
Die französische Polizei sollte eigentlich alle Widerstandskämpfer verfolgen, blieb jedoch in ihren Aktionen in der zone sud bis November 1942 verhältnismäßig zurückhaltend. In dieser Phase waren im Wesentlichen die Nachrichtendienste von Marine und Waffenstillstandsarmee in der Bekämpfung der Résistance aktiv (was einige Angehörige des Heeresnachrichtendienstes jedoch nicht daran hinderte, sich heimlich der Résistance anzuschließen).[37][38] Am 25. August 1942 wurde zweihundert deutschen Polizisten gestattet, mit falschen französischen Papieren und Funkmesswagen in die Südzone einzureisen, um dort Geheimsender aufzuspüren.[39] Die polizeiliche Zusammenarbeit ging auch nach der Besetzung der Südzone durch deutsche Truppen im November 1942 weiter. Eine der letzten großen Operationen der französischen Polizei wurde die Razzia von Marseille vom 22. bis 24. Januar 1943. Ab 1943 wurde der Kampf gegen die Résistance vollständig auf die Milice française unter Joseph Darnand übertragen, insbesondere der Kampf gegen die Maquis.[40][41]
Eine schwere Hypothek für das Regime stellt die teilweise freiwillige Bereitschaft dar, mit den deutschen Behörden bei Erfassung, Diskriminierung, Verhaftung und Deportation von Juden und anderen vom NS-Regime verfolgten ethnischen Minderheiten in die Vernichtungslager und der Beschlagnahme (Arisierung) ihres Besitzes mitzuwirken. So wurden zuerst Oktober 1940 und dann im Juni 1941 „Statuts des juifs“ (Sondergesetze für Juden) eingeführt, noch bevor dies die deutschen Behörden überhaupt gefordert hatten. Das Tragen des „Judensterns“ wurde allerdings nur im besetzten Teil obligatorisch. Das Vichy-Régime protestierte jedoch nicht gegen die Einführung des „Gelben Sterns“ in der besetzten Zone und ließ seinerseits in Identitätspapieren den Stempel Juif anbringen.
Die Deportationen, bei denen auch französische Behörden mitwirkten, wurden von dem im September 1940 eingerichteten Judenreferat in Paris unter Theodor Dannecker initiiert, der dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) der SS unterstand und mit Helmut Knochen, dem Leiter der Sicherheitspolizei (Sipo), sowie Carl Oberg, dem Höheren SS- und Polizeiführer, zusammenarbeitete. Im März 1941 ernannte die französische Regierung auf Betreiben der Deutschen einen „Generalkommissar für Judenfragen“ (commissaire géneral aux questions juives). Bis 1942 war dies Xavier Vallat. Er erhielt gesetzliche Vollmachten, in Judenfragen bei anderen Ministerien zu intervenieren und sogar Polizeikräfte einzusetzen. Die Deutschen waren mit Vallats Leitung bei der Judenverfolgung nicht zufrieden und sorgten für seine Ablösung ab 6. Mai 1942 durch Louis Darquier de Pellepoix.
Auf Grund der Oberg-Bousquet-Vereinbarungen vom Mai 1942 beteiligte sich die französische Polizei am 16. und 17. Juli 1942 an der Rafle du Vélodrome d’Hiver in Paris. Die festgenommenen Personen wurden auf verschiedene Lager verteilt, darunter das Sammellager Drancy. Am 26. August 1942 organisierte René Bousquet eine Razzia in der zone libre und die anschließende Deportation von 10.000 nichtfranzösischen Juden. Insgesamt wurden schließlich 130.000 ausländische und 70.000 französische Juden aus der Südzone über das Sammellager Drancy in die Vernichtungslager des von den Deutschen besetzten Osteuropas verbracht. Insgesamt wurden 76.000 französische Juden nach Auschwitz deportiert, 40 % davon wurden durch die französische Polizei verhaftet. Die Milice française war an der Verhaftung von 25.000 deportierten französischen Juden beteiligt.[42]
Als die Abtransporte begannen, begründete dies die deutsche Militärverwaltung lediglich mit der Notwendigkeit der „Evakuierung der Juden nach dem Osten“, mit „Arbeitseinsatz“ und „Zwangsarbeit“. Ab dem siebten Transport im Juli 1942 wurde die Bestimmung, dass nur arbeitsfähige Männer deportiert werden sollten, aufgeweicht und später dann ganz fallen gelassen. Als dann auch alte Menschen, Frauen und (seit August 1942) selbst Kinder jedes Alters deportiert wurden, war klar, dass es nicht mehr allein um Arbeitseinsätze gehen konnte. An die Verabredung mit der Vichy-Regierung, keine französischen Juden zu deportieren, hielt sich die Besatzungsmacht immer weniger, ab Mitte 1943 gar nicht mehr. Zuletzt fahndete das Sonderkommando Alois Brunner auch im unbesetzten Süden Frankreichs nach den letzten versteckten Juden.
Die deutschen Behörden verfügten über drei Schnittstellen zu ihren französischen Mitarbeitern:
Zwischen diesen drei deutschen Machtbereichen – insbesondere zwischen Botschaft und SS – kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, die durch mangelhafte Kompetenzabgrenzung gefördert wurde. Abetz und die Botschaft favorisierten Laval und den Gründer der Rassemblement national populaire (RNP), Marcel Déat, während die SS Jacques Doriot, den Chef der Parti populaire français (PPF), förderte. Gemeinsam war den deutschen Besatzungsbehörden, dass sie Pétains Ziel, einen Einparteienstaat nach deutschem oder italienischem Vorbild aufzubauen, skeptisch gegenüberstanden und bestrebt waren, die latenten parteipolitischen, religiösen, regionalen und sonstigen innerfranzösischen Gegensätze zu fördern, um die Bildung einer antideutschen Einheitsfront zu verhindern.
Mit dem Abschluss des Waffenstillstandes 1940 kam es zu einer Spaltung in der öffentlichen Meinung. Ein Teil sympathisierte bereits frühzeitig mit dem Freien Frankreich unter de Gaulle. Der überwiegende Teil der Bevölkerung verhielt sich jedoch abwartend bzw. befürwortete eine französisch-deutsche Kollaboration. Zu diesen Befürwortern zählten auch die Mitglieder der verbotenen Kommunistischen Partei (PCF), deren Repräsentanten unter Führung von Jacques Duclos am 15. Juni 1940 kurz nach den deutschen Truppen aus Belgien kommend in Paris eintrafen. Am 27. Juni 1940 legten Maurice Tréand (verantwortlich für die Untergrundaktivitäten der PCF) und Maître Fossin (Anwalt der sowjetischen Botschaft) dem deutschen Botschafter Abetz ein Memorandum zur Kooperation vor:
Nach Rücksprache mit Hitler lehnte Abetz das Angebot ab, worauf Tréand und Fossin von Moskau fallengelassen wurden, obwohl Duclos ihre Unschuld betonte.[48]
Die verunsicherten Kommunisten verhielten sich in der Folge weitgehend neutral. Der ernsthafte aktive Widerstand im Land begann mit Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion. Die verschiedenen Widerstandsbewegungen der Résistance wurden am 27. Mai 1943 von Jean Moulin, einem Abgesandten de Gaulles, im „Conseil national de la Résistance“ zusammengefasst.
Pétain und Laval wurden 1945 beide von einem französischen Gericht zum Tode verurteilt, wobei Pétains Strafe später durch General de Gaulle in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Dem zum Tode verurteilten Laval, dem die Einnahme von Zyankali gelungen war, wurde der Magen ausgepumpt, bevor er vor ein Exekutionskommando gestellt wurde.
Nach der Befreiung fand von Anhängern der Résistance und anderen Personen eine Jagd auf vermeintliche und tatsächliche Kollaborateure und Anhänger des Vichy-Regimes statt, die als Épuration (= „Säuberung“) bezeichnet wurde. Schätzungen gehen von bis zu 9.000 Tötungen während der „wilden Épuration“ und 6.763 Todesurteilen durch die Commission d’Épuration aus, wovon 767 Todesurteile vollstreckt wurden (weniger als beispielsweise in Belgien). Die Zahl der französischen Frauen, die wegen tatsächlicher oder vermeintlicher sexueller Beziehungen zu Besatzungssoldaten kahlgeschoren und nackt auf öffentlichen Plätzen „an den Pranger gestellt“ wurden, war erheblich höher. Diese von Kommunisten und Gaullisten getrennt organisierten Säuberungen sollten eine nationale Katharsis bewirken und die Spaltung der Nachkriegsgesellschaft überwinden, erreichten jedoch vielfach das Gegenteil. Die offenen Wunden wurden durch den politischen Mythos vom glorreichen Frankreich zugedeckt, der insbesondere von de Gaulle gepflegt wurde. Unter dieser Decke schien die Nation geeint, wozu auch das Konstrukt beitrug, der État français habe keinen französischen Rechtscharakter gehabt, sei also genaugenommen eine Besatzungsbehörde gewesen (diese Ansicht vertrat die französische Politik bis Mitte der 1990er-Jahre). Den Anhängern des Vichy-Regimes wurde die Akzeptanz dieses Konstrukts durch Amnestien erleichtert.
Eine Mitverantwortung von Franzosen an Deportationen und Völkermord wurde erst 1995 durch eine Erklärung von Staatspräsident Jacques Chirac eingeräumt, wenn auch nur für Angehörige der Milice française und der Gendarmerie.[51][52] Auf Basis dieses Eingeständnisses verurteilte das Oberste Verwaltungsgericht (Conseil d’État) den Staat am 12. April 2002 dazu, die Hälfte der Strafe zu zahlen, die der an Kriegsverbrechen für schuldig befundene Maurice Papon für seine Tätigkeit in der Präfektur Bordeaux zu leisten hatte. Das Geld sollen Deportationsopfer erhalten. Damit ist eine Mitverantwortung des französischen Staates für Kriegsverbrechen seiner Bürger nun auch rechtlich fixiert. Ebenso muss der Staat zwei Drittel jener Strafe tragen, die der Eisenbahngesellschaft SNCF im Juni 2006 wegen Beteiligung an den Deportationen auferlegt wurde.
1997 wurde auf Initiative Chiracs eine Untersuchungskommission zur Ausplünderung der französischen Juden (Mission d’étude sur la spoliation des Juifs en France) unter Jean Mattéoli eingerichtet, die 2000 einen mehrere Bände umfassenden Bericht vorlegte.[53] Das Kabinett Jospin gab am 2. Oktober 1997 Archivbestände aus dem Zweiten Weltkrieg frei. Das Gesetz vom 12. April 2000 betreffend die Rechte des Bürgers gegenüber der Verwaltung[54] weitete das Recht auf Zugang zu staatlichem Schriftgut weiter aus.[55][56]
Am 1. Juli 2020 kündigte der Bürgermeister von Vichy Frédéric Aguilera (LR) in einer Stellungnahme an, dass ein „umfangreicher Museumsraum mit einem Forschungszentrum“ zur Stadtgeschichte geschaffen werden soll, wobei für die Besatzungszeit ein „maßgeblicher Platz“ vorgesehen ist. Den bisherigen Umgang Frankreichs mit der Geschichte des Vichy-Regimes kritisiert er als „Gleichgültigkeit“ und „Verachtung“ gegenüber Vichys Bevölkerung. Für diese Initiative einer verantwortungsvollen Erinnerungskultur bittet Aguilera um die Unterstützung des französischen Staates, denn er sieht es als wichtig an für Frankreich „sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen und seiner Erinnerungsaufgabe an die Zeit von 1940 bis 1945 nachzukommen.“[57]
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