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Verbreitung eines germanischen Volkes sowie seiner Kultur und Sprache Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Begriff Germanisierung bezeichnet die weitere Verbreitung eines germanischen Volkes sowie seiner Kultur und Sprache. Das kann gewaltsam oder friedlich geschehen. Gemeint ist auch die damit oft verbundene Überformung oder Verdrängung anderer Kulturen und Sprachen bzw. der entsprechenden Menschen.
Im linguistischen Kontext bedeutet Germanisierung von Wörtern eine Angleichung an die deutsche Sprache (Eindeutschung).
Der Begriff Germanisierung wird für die Antike, die Völkerwanderungszeit und das Frühmittelalter vor der deutschen Reichsbildung bezogen auf alle germanischen Völker gebraucht. Für Teile des Mittelalters in Mittel- und Osteuropa sowie in der Neuzeit wird der Begriff vorwiegend für die entsprechende Ausbreitung des deutschen Volks und seiner Vorläufervölker verwendet.
Die genaue Bedeutung dieses Begriffs kann auch in weiterer Hinsicht variieren. So kann Germanisierung die Ausbreitung einer germanischen Kultur ohne erhebliche Migration von Menschen bezeichnen. Germanisierung bezeichnet aber auch die Verdrängung anderer Völker aus ihrem Siedlungsraum oder deren Überformung via Majorisierung durch hinzukommende Bevölkerung mit germanischen Sprachen und Kulturen.
In Bezug auf die römische Armee wird Germanisierung für das kaiserzeitliche und vor allem spätantike Römische Reich diskutiert. Diese Germanisierung des Heeres führte, vermittelt über die Inhaber der hohen Militärposten, insbesondere des magister militum, die sich aus dem Heer rekrutierten, auch zu einer Übernahme mächtiger Positionen in Militär und Politik durch Germanen (siehe auch Magister militum#Der „Militäradel“). Gleichzeitig wurde insbesondere das Westreich im Zusammenhang mit er Völkerwanderung auch konkret von germanischen Stämmen nicht nur bedroht, sondern auch besiedelt. Häufig akzeptierten die Römer die germanischen Völker als Foederaten und wiesen ihnen Siedlungsgebiete innerhalb der römischen Reichsgrenzen zu.
Nach Abzug der römischen Truppen aus Britannien blieb die teilweise romanisierte keltische Bevölkerung schutzlos zurück. Die germanischen Völker der Angeln, Sachsen und Jüten eroberten daraufhin in einem viele Jahrzehnte dauernden Prozess und extrem blutigen Auseinandersetzungen England. Die Erinnerung an die Abwehrschlachten der Kelten hat sich in der Artuslegende erhalten. Teile von Wales, des Cornwalls, und der heute schottischen Gebiete mit ihren skotischen und piktischen Einwohnern dagegen widerstanden dem Ansturm. In der Folgezeit kam es in der Wende der Spätantike zum Frühmittelalter zu einer allmählichen Germanisierung der ehemals keltischen Bevölkerung. Die Eroberung Englands 1066 durch die romanisierten germanischen Normannen fügte der Germanisierung Englands eine teilweise Romanisierung hinzu.
Von den Historikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde der Begriff Germanisierung vorwiegend für die Besiedlung autochthon slawischer Gebiete wie Mecklenburg, Brandenburg, Pommern, Sachsen, Schlesien, Großpolen und Westpreußen, baltischer Gebiete wie z. B. der Pruzzen in Ostpreußen, sowie magyarischer und rumänischer Gebiete in Ungarn verwendet. Teilweise ging der Germanisierung die Christianisierung voran oder nebenher. Es handelte sich jedoch nicht um eine einseitige „Germanisierung“, weil der hochmittelalterliche Landesausbau in der Germania Slavica („Ostkolonisation“) unter Einbeziehung der slawischen Bevölkerung geschah, wobei gemeinsam völlig neue Siedlungsformen gefunden wurden (z. B. Rundlinge und Angerdörfer), die es in dieser Form im Altsiedelland noch nicht gegeben hatte. Jedoch verlief die Einbeziehung der slawischen Bevölkerung nicht durchgehend friedlich, wie die Slawenfeldzüge Heinrichs I., der Slawenaufstand von 983 oder der Abodritenaufstand von 1066 zeigen.
Größtenteils wurden die deutschsprachigen Zuwanderer von den dortigen Landesfürsten, welche aufgrund von Treueiden an das Kaiserreich die Territorien als Lehen zum Regieren erhalten hatten, ins Land gerufen, um siedlungsarme oder gänzlich siedlungsfreie Flächen zu kolonisieren. Eine Verdrängung der bereits ansässigen Bevölkerung hätte aus Sicht der lokalen Herrscher keinen Sinn ergeben, zumal ihnen an einer möglichst hohen Anzahl von Untertanen gelegen war, die ihre Macht mehrten. Dabei gab es oft an einem Siedlungsplatz deutsche und slawische Ortsteile nebeneinander. Die Assimilierung und sprachliche Germanisierung der Slawen vollzog sich schleichend über Jahrhunderte und wurde durch gerichtliche Verbote des Sorbischen unterstützt. In der Lausitz konnte sich ein Teil der Sorben trotz ihrer insulären Lage im deutschen Sprachgebiet der vollständigen Germanisierung entziehen, wenngleich besonders die niedersorbische Sprache heute als stark gefährdet angesehen werden muss.
Innerhalb des deutschen Kaiserreichs betrieb das Königreich Preußen gegenüber seinen Bürgern polnischer Herkunft in den östlichen Provinzen Westpreußen und Posen, durch die Teilungen Polens erworben, eine Politik der Zurückdrängung der polnischen Sprache und Kultur. Die Auseinandersetzung war in erster Linie gekennzeichnet durch Verdrängung der polnischen Sprache im öffentlichen Gebrauch. Der polnische Schulunterricht wurde systematisch zurückgedrängt. 1873 wurde in der Provinz Posen und in Westpreußen Deutsch als alleinige Unterrichtssprache in Volksschulen eingeführt, die Zehntausende von Schülern nicht verstanden. Ausnahme blieben die Fächer Religion und der Kirchengesang.
Im gleichen Zeitraum wurde auch gegenüber den Dänen in dem seit dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 deutschen Schleswig (auch Süderjütland) eine repressive Sprachenpolitik ausgeübt. In Nordschleswig wurden die Schulen 1878 zur Hälfte deutschsprachig, und 1888 wurde Deutsch schließlich einzige Schulsprache, mit Ausnahme von vier Wochenstunden Religion. Im gleichen Jahr schlossen die Behörden die letzte dänische Privatschule.[1]
Ein Antezedens der antidänischen Sprachpolitik Preußens gab es zuvor am Niederrhein, wo die niederländische Sprache vom preußischen Staat ebenfalls bekämpft wurde. Die relative Toleranz in Sprachfragen, die Preußen noch im 18. Jahrhundert gegenüber der Verwendung des Niederländischen in seinen niederrheinischen Provinzen hatte walten lassen, wich im 19. Jahrhundert einer rigiden aktiven Sprachpolitik, deren Ziel die vollständige Verdrängung des Niederländischen und die Etablierung des Deutschen als alleiniger Standard- und Schriftsprache war.[2] So wurde 1827 in Kleve und Preußisch-Geldern der Gebrauch der niederländischen Sprache in Elementarschule und Kirche verboten.[3] Mit dem Verlust der letzten öffentlichen Domänen ist das Niederländische auch aus der privaten Schriftlichkeit (Anschreibebücher, Tagebücher, Briefe) weitestgehend verschwunden.[4] Dennoch wurde im Klevischen bis in die letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hinein in den Kirchen niederländisch heimlich gesprochen und gelehrt, so dass es um 1900 noch 80.361 niederländischsprachige Einwohner des deutschen Kaiserreiches gab.[5][6]
In den östlichen Gebieten wurde 1876 und 1877 bei Behörden und an den Gerichten statt der vorherigen Zweisprachigkeit nur noch das Deutsche erlaubt. Ein Dauerkonflikt war garantiert. Im Gegensatz zu den Dänen stellten die Polen eine größere, geschlossene Gruppe dar, waren zahlenmäßig stärker und wussten sich wirtschaftlich zu organisieren. So stellten sie der Preußischen Ansiedlungskommission erfolgreich eigene Organisationen zum Landerwerb gegenüber. Je mehr Maßnahmen der Staat ergriff, desto stärker wurden die polnischen Verteidigungsbemühungen. Als Höhepunkt wurde 1908 das Reichsvereinsgesetz erlassen, das fremdsprachige Versammlungen nur noch an Orten mit mehr als 60 % fremdsprachiger Bevölkerung erlaubte. Das sollte das dänische und vor allem das polnische Vereinswesen treffen. Parallel dazu sollten die polnischen Grundbesitzer vertrieben werden, teils mit gezieltem Landaufkauf, teils mit Repressalien (Hausbauverbot). Diese wurden jedoch nicht umgesetzt und konnten durch die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges auch nicht mehr realisiert werden.
Im Zuge der Volkstumspolitik, ein sogenanntes Großdeutsches Reich zu schaffen, gingen die Nationalsozialisten insbesondere in den besetzten Ostgebieten gegen Menschen und Institutionen nichtdeutscher Nationalitäten und Kulturen vor und versuchten, sie zu assimilieren, zu vertreiben oder auszurotten – auch durch Völkermord. Hauptziel war es, die angestammten Sitten und Sprachen nichtdeutscher Minderheiten zu vernichten (sogenannte Entnationalisierung[7][8][9]) und ein kulturell, sprachlich und „rassisch“ einheitliches deutsches Siedlungsgebiet zu schaffen.
Dieses Ziel wurde mit unterschiedlichen Maßnahmen verfolgt, :
In Mein Kampf machte Adolf Hitler deutlich:
Aus diesem Grund zielte die nationalsozialistische Politik nicht nur auf die sprachliche Germanisierung, sondern auch auf die Verdrängung nichtdeutscher Völker (Polen, Russen etc.) bzw. auf deren „Eindeutschung“ bzw. „Aufnordung“ (siehe auch: Generalplan Ost, Hungerplan).
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