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Ordnung der Klasse Säugetiere (Mammalia) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Nagetiere (Rodentia) sind eine Ordnung der Säugetiere (Mammalia). Mit etwa 2500[1] bis 2600[2] Arten stellen sie rund 40 % aller Säugetierspezies und sind somit die bei weitem artenreichste Ordnung dieser Gruppe.[1] Zugleich sind sie die Gruppe mit den meisten Neubeschreibungen innerhalb der Säugetiere; zwischen 2000 und 2017 wurden mindestens 248 Arten innerhalb der Ordnung neu beschrieben oder neu etabliert.[2]
Nagetiere | ||||||||||||
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Waldmaus (Apodemus sylvaticus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Rodentia | ||||||||||||
Bowdich, 1821 | ||||||||||||
Unterordnungen | ||||||||||||
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Sie sind nahezu weltweit verbreitet und haben eine Vielzahl von verschiedenen Lebensräumen besiedelt. Nur sehr wenige Nagetiere sind als Kulturfolger oder Heimtiere verbreitet, jedoch prägen diese das Bild der gesamten Gruppe. Viele Arten sind hingegen kaum erforscht und haben ein sehr eingeschränktes Verbreitungsgebiet.
Die Mehrzahl der Nagetiere ist kurzbeinig, quadruped (sich auf allen vieren fortbewegend) und relativ klein. Wichtigstes gemeinsames Merkmal sind die jeweils zwei vergrößerten, dauerwachsenden Nagezähne im Ober- und Unterkiefer, die nur auf der äußeren Seite von Schmelz umgeben sind. Je nach Lebensraum und Lebensweise haben sich jedoch die unterschiedlichsten Formen gebildet.
Die Größe der Nagetiere variiert zwischen Zwergformen wie der Afrikanischen Zwergmaus (Mus minutoides) und der Eurasischen Zwergmaus (Micromys minutus), die oft weniger als fünf Gramm wiegen, und dem Capybara, dem größten lebenden Nagetier, das eine Kopfrumpflänge von 100 bis 130 Zentimetern und ein Gewicht von 50 bis 60 Kilogramm erreichen kann. Andere großgewachsene Nagetiere sind beispielsweise Biber, Pakaranas und Pakas. Die meisten Nagetiere sind jedoch etwa mäuse- bis rattengroß und erreichen Kopf-Rumpflängen von etwa 8 bis 30 Zentimetern.
Nagetiere haben meist ein dichtes Fell aus Woll- und Deckhaaren. Nur der Schwanz ist bei manchen Arten nahezu unbehaart, und es gibt nur eine einzige generell fast haarlose Art, den Nacktmull. Die Fellfärbung ist meist in unauffälligen, tarnenden Farben gehalten, oft grau oder braun, bei Wüstenbewohnern auch gelblich. Allerdings kommen bei manchen tropischen Hörnchen wie Schön- oder Riesenhörnchen auch bunte Fellfarben vor.
Die Mehrzahl der Nagetiere besitzt einen Schwanz, lediglich bei einigen großgewachsenen oder unterirdisch lebenden Arten ist er nur rudimentär ausgebildet und äußerlich nicht vorhanden. Bei manchen baumbewohnenden Arten ist er zum Greifschwanz ausgebildet, bei den Bibern zu einem abgeplatteten, unbehaarten Steuerorgan. Bei vielen Arten kann der Schwanz leicht abbrechen, um so die Flucht vor Fressfeinden zu erleichtern; in solchen Fällen wächst er zum Teil wieder nach.
An der Spitze der Schnauze haben Nagetiere eine meist kurze, abgerundete Nase. Der Nasenspiegel ist nur ansatzweise ausgebildet oder fehlt völlig. Die Mundhöhle ist durch eine enge Öffnung in zwei Teile geteilt, der vordere Teil enthält die Schneidezähne, der hintere die Backenzähne. Die dazwischen liegende zahnfreie Lücke ermöglicht das Einziehen der Lippe. Zudem setzt sich hinter den Schneidezähnen die behaarte Haut des Gesichts fort (Inflexum pellitum). Beides verhindert, dass beim Nagen unverdauliche Fremdkörper in die Mundhöhle gelangen. Die Oberlippe ist häufig gespalten, so dass die Schneidezähne auch bei geschlossenem Maul sichtbar sind. Die Zunge ist kurz und kompakt mit einer stumpfen Spitze, die niemals über die Schneidezähne hinausragt. Die zur Zungenspitze hin befindlichen Geschmackspapillen sind klein und fadenartig, bei den Stachelschweinen auch teilweise vergrößert und hart. An der Zungenwurzel gibt es bei den meisten Arten drei Wallpapillen.
Manche Arten haben große, bis hinter die Ohren reichende, mit Fell ausgekleidete Backentaschen, die zum Reinigen ausgestülpt werden können. Bei Hamstern befinden sich deren Öffnungen in den Mundwinkeln, bei Taschennagern an den Außenseiten der Wangen.
Der Schädel der Nagetiere ist wie bei kaum einer anderen Säugetiergruppe auf eine Stärkung des Kauapparates ausgelegt.
Die Augenhöhle ist hinten immer offen und nie von Knochen umgeben. Der hinter der Augenhöhle liegende Jochbeinfortsatz des Stirnbeins ist nur ansatzweise ausgebildet oder fehlt ganz. Eine Ausnahme bilden die Hörnchen, bei denen dieser Fortsatz vorhanden ist. Auch das Jochbein bildet selten einen entsprechenden Stirnbeinfortsatz aus, so dass die Augenhöhle mehr oder weniger vollständig in die Schläfengrube übergeht. Das Tränenloch befindet sich immer im Augenhöhlenrand.
Bei vielen Arten ist das Foramen infraorbitale sehr groß, bei manchen so groß wie die Augenhöhle, und wird von einem Teil des Masseter durchzogen. Der Jochbogen ist unterschiedlich entwickelt und setzt vor der Backenzahnreihe an.
Das Nasenbein ist mit wenigen Ausnahmen groß und erstreckt sich weit nach vorn. Es ist durch das große Zwischenkieferbein vollständig vom Oberkiefer getrennt. Die Schneidezahnlöcher des Gaumens sind klein und deutlich ausgeprägt. Das Gaumenbein ist kurz, bei den Sandgräbern sogar kürzer als ein Backenzahn. Zwischen Schneide- und Backenzähnen befindet sich eine große zahnfreie Lücke.
Der Hirnschädel ist im Vergleich zum Gesichtsschädel klein. Das Scheitelbein ist klein, das Zwischenscheitelbein dagegen gewöhnlich deutlich ausgeprägt. Die das Mittelohr umgebende Bulla tympanica ist immer vorhanden und grundsätzlich groß. Bei Renn- und Springmäusen bildet die zusätzliche Bulla mastoidea große, halbkugelförmige Schwellungen an der Rückseite des Schädels. Bei diesen Tieren ist der Gehörgang röhrenförmig ausgebildet und verläuft nach oben und hinten.
Der Körper des Unterkiefers ist vorne verengt und abgerundet und trägt die unteren Schneidezähne. Der Muskelfortsatz ist klein, das kantige, untere Hinterteil des Unterkiefers groß und ausgeprägt. Der Gelenkkopf und die dazugehörige Gelenkhöhle des Kiefergelenks sind nach hinten verlängert.
Die Anordnung des Jochbeins und die Form des Unterkiefers sind Merkmale zur Klassifizierung der Familien.
Das relativ einheitliche Gebiss der Nagetiere ist trotz der Vielfalt in Körperbau und Lebensweise ihr deutlichstes morphologisches Kennzeichen. Ursprünglich besaßen Nagetiere 22 Zähne: vier Schneidezähne, sechs vordere Backenzähne, davon vier im Oberkiefer und zwei im Unterkiefer, und zwölf hintere Backenzähne. Während die Anzahl der Schneidezähne immer gleich blieb, hat sich in vielen Gruppen die Anzahl der Backenzähne verringert. Eckzähne waren nie vorhanden und zwischen Schneide- und Backenzähnen befindet sich eine große zahnfreie Lücke (Diastema).
Die als Nagezähne bezeichneten vier vergrößerten Schneidezähne sind das charakteristischste Merkmal der Nagetiere. Schon bei den ersten bekannten Nagetieren waren diese auf je ein Paar in Ober- und Unterkiefer reduziert. Die Nagezähne sind wurzellos oder besitzen kleine, offene Zahnwurzeln, haben eine zum Zahnfach hin offene Zahnhöhle und wachsen ein Leben lang nach. Durch den Abrieb an den gegenüberliegenden Zähnen bleiben sie in einer gewissen Längenkonstanz. Die Wachstumsrate der Nagezähne schwankt zwischen zwei und drei Millimetern pro Woche bei nichtgrabenden Arten und fünf Millimetern bei den mit den Nagezähnen grabenden Taschenratten. Bei Winterschlaf haltenden Tieren wachsen sie mit verminderter Geschwindigkeit weiter. Die vorderen 30 bis 60 % der Nagezähne sind mit Zahnschmelz bedeckt, so dass bei der schnelleren Abnutzung der weicheren Bestandteile dahinter eine scharfe, meißelförmige Kante stehen bleibt. Die Nagezähne sind regelmäßig gekrümmt, die des Oberkiefers mehr als die des Unterkiefers.
Bei fehlender Abnutzung wachsen die Nagezähne immer weiter und können einen Teil des Schädels durchstoßen. Die unteren Nagezähne wachsen dabei nach vorn und oben aus der Mundhöhle heraus und werden vollständig unbenutzbar. Die oberen Nagezähne dagegen krümmen sich um sich selbst und können spiralförmig aus der Mundhöhle herauswachsen oder nach Austritt aus der Mundhöhle Unter- und Oberkiefer von unten nach oben durchstoßen und die Schnauze damit verschließen. Diese Entwicklung endet tödlich, wurde von wildlebenden Nagetieren jedoch schon längere Zeit überlebt.
Die Nagezähne können zu verschiedensten Zwecken verwendet werden, dienen meist jedoch dem Aufbrechen hartschaliger Nahrung. Die südamerikanischen Fischratten, deren Nagezähne zugespitzt sind, verwenden sie zum Erlegen ihrer Beute und einige unterirdisch lebende Gruppen wie die Taschenratten und die Sandgräber zum Graben. Bei diesen Arten wachsen die Lippen nach innen und trennen so die Nagezähne von der Mundhöhle. Das bewirkt, dass bei der Nagetätigkeit keine Partikel nach hinten gelangen können. Die Kraft und Schärfe der Nagezähne kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass Biber einen Baum mit zwölf Zentimetern Durchmesser in einer halben Stunde fällen können und von manchen Arten berichtet wird, dass sie mit ihren Zähnen sogar Konservendosen aufbrechen können.
Von den vorderen Backenzähnen (Prämolaren) ist bei vielen Familien einer pro Quadrant vorhanden, nur wenige Hörnchen und Sandgräber haben zwei. Bei den Mäuseartigen sind hingegen nie Prämolaren ausgebildet.
Bei den meisten Arten sind pro Quadrant drei hintere Backenzähne (Molaren) vorhanden. Einige wenige Arten der Mäuseartigen haben nur zwei, die Shaw-Mayer-Maus (Mayermys germani) aus Neuguinea nur einen Molar pro Kieferhälfte – insgesamt also nur acht Zähne und somit die wenigsten aller Nagetiere. Die Gesamtzahl der Zähne liegt bei den Nagetieren nie über 22, mit Ausnahme des Silbergrauen Erdbohrers (Heliophobius argenteocinereus), einer Sandgräberart, die aufgrund einer sekundären Zahnvermehrung 28 Zähne besitzt.
Die Backenzähne haben im Gegensatz zu den Nagezähnen bei vielen Arten ein begrenztes Wachstum. Bei einigen Gruppen jedoch, beispielsweise den Stummelschwanzhörnchen, Taschenratten, Springhasen, Chinchillas und Meerschweinchen, sind auch die Backenzähne wurzellos und wachsen somit zeitlebens.
Ein Zahnwechsel findet bei den Nagezähnen meist nicht statt (Monophyodontie), lediglich manche Meerschweinchenartige (Cavioidea) besitzen hier Milchzähne, die allerdings schon vor der Geburt durch die bleibenden ersetzt werden.
Das Skelett der Nagetiere ist üblicherweise das eines vierfüßigen, sich laufend fortbewegenden Säugetiers mit gedrungenem Körperbau, kurzen Vorderbeinen, etwas längeren Hinterbeinen, Sohlengang und langem Schwanz. In Anpassung an verschiedenste Lebensräume haben sich jedoch auch andere Formen entwickelt.
Die Wirbelsäule besteht gewöhnlich aus sieben Halswirbeln, dreizehn Brustwirbeln, sechs Lendenwirbeln, drei bis vier Kreuzwirbeln und einer unterschiedlichen Anzahl von Schwanzwirbeln. Die Form der Wirbel ist unterschiedlich. Bei sich rennend oder springend fortbewegenden Arten sind die beiden Querfortsätze der Lendenwirbel gewöhnlich sehr lang. Die Länge der Schwanzwirbelsäule schwankt zwischen sehr kurz und über körperlang.
Die Gliedmaßen sind je nach Lebensweise unterschiedlich entwickelt. Das Schulterblatt ist üblicherweise schmal und besitzt ein langes Acromion. Ein Schlüsselbein ist bei den meisten Arten vorhanden, bei einigen jedoch unvollständig entwickelt oder es fehlt ganz. Das Becken besitzt große Sitz- und Schambeine mit einer langen und gewöhnlich knöchernen Schambeinfuge.
Die Vorderbeine weisen eine ausgeprägte Trennung zwischen Elle und Speiche auf. Die Vorderpfoten besitzen meist fünf Zehen mit normal entwickelten Zehenknochen. Die Großzehe ist allerdings bei einigen Arten zurückgebildet oder fehlt ganz und kann den anderen Zehen nicht oder kaum gegenübergestellt werden.
Die Hinterbeine besitzen einen in der Form beträchtlich schwankenden Oberschenkelknochen, der jedoch am Gelenkkopf gewöhnlich drei Rollhügel aufweist. Schienbein und Wadenbein sind bei sich springend fortbewegenden Arten miteinander verwachsen. Dies sorgt für eine größere Stabilität des oberen Sprunggelenks. Das Wadenbein bildet kein Gelenk mit dem Fersenbein. Bei den Springmäusen weisen die Hinterpfoten stark verlängerte Mittelfußknochen auf, bei manchen Arten sind diese auch miteinander verwachsen. Die Anzahl der Zehen an den Hinterpfoten schwankt zwischen drei und fünf.
Die Kiefer sind mit einer ausgesprochen starken Kaumuskulatur versehen, deren Anordnung auch eine wichtige Rolle bei der Klassifizierung dieser Tiere spielt. Der Masseter ist groß und bringt die Hauptkraft beim Nagen auf. Er ist dreigeteilt und erstreckt sich von der Unterseite des Jochbogens vorne bis zur Außenseite des senkrechten Teils des Unterkieferastes hinten. Dadurch zieht er den Unterkiefer nicht nur nach oben, sondern auch nach vorne und sorgt somit für die Nagebewegung. Der Schläfenmuskel ist im Vergleich zum Masseter vergleichsweise klein. Der zweibäuchige Musculus digastricus besitzt eine klar abgegrenzte, mittige Zwischensehne. Bei vielen Arten sind die beiden vorderen Bäuche des Muskels zwischen den beiden Unterkieferästen vereint.
Der Verdauungstrakt der Nagetiere ist auf eine pflanzliche Nahrung ausgerichtet, ungeachtet der Tatsache, dass es auch einige alles- oder vorwiegend fleischfressende Arten gibt. Sie sind Enddarmfermentierer, das heißt, sie können in ihrem Blinddarm (Caecum) mittels symbiotischer Bakterien auch Zellulose aufschließen. Der Grimmdarm (Colon) ist zu diesem Zweck modifiziert und weist oft komplexe Falten auf. Viele Arten praktizieren Caecotrophie, das heißt, sie scheiden vorverdaute Darminhalte (Caecotrophe) aus und nehmen sie erneut auf, um sie der endgültigen Verdauung zuzuführen. Der Magen ist bei den meisten Arten einkammerig und einfach gebaut, einige Wühlmäuse wie die Lemminge haben – ähnlich den Wiederkäuern – einen drüsenlosen Magenabschnitt, in dem ebenfalls eine Vorverdauung stattfindet.
Das Urogenitalsystem entspricht in weiten Zügen dem der übrigen Höheren Säugetiere. Die Geschlechtsorgane sind sehr unterschiedlich gebaut. In den Penis ist meist ein Penisknochen (Baculum) eingelagert, die Hoden können entweder in der Bauchhöhle oder außerhalb liegen, bei einigen Arten kommt es zu einem saisonalen Hodenabstieg. Die Weibchen haben stets eine paarige Gebärmutter (Uterus duplex).
Das Gehirn ist klein und die meist glatten (lissenzephalen) Hemisphären des Großhirns erstrecken sich nicht weit nach hinten und ragen somit nicht über das Kleinhirn hinaus.
Als Anpassung an verschiedenste Habitate und die Realisierung unterschiedlicher ökologischer Nischen haben die Nagetiere eine bemerkenswerte Vielfalt in ihrem Körperbau entwickelt. Zwei Gruppen, die Gleithörnchen und die Dornschwanzhörnchen, haben unabhängig voneinander eine Gleitmembran zwischen den Gliedmaßen ausgebildet, mit deren Hilfe sie Segelflüge zwischen Bäumen unternehmen können. Einige Nagetiere haben sich mit einem plumpen, walzenförmigen Körper, kurzen Gliedmaßen, verkleinerten oder rückgebildeten Augen und teilweise vergrößerten Grabhänden an eine unterirdisch grabende Lebensweise angepasst. Dazu zählen unter anderem die Taschenratten, die Blindmäuse und -mulle aus der Gruppe der Spalacidae, die Kammratten und die Sandgräber. Bei einigen Arten kam es zu einer Verlängerung der Hinterbeine und damit zu einer hüpfenden Fortbewegungsweise, wie etwa bei den Kängururatten, den Springmäusen und dem Springhasen. Die Agutis und die Pampashasen Amerikas entwickelten verlängerte Gliedmaßen mit hufähnlichen Zehen und bilden gewissermaßen das ökologische Äquivalent kleiner Paarhufer und Hasen.
Zahlreiche Arten haben sich unabhängig voneinander mittels stromlinienförmigem Körper, wasserabweisendem Fell und teilweise Schwimmhäuten zwischen den Zehen und Ruderschwanz an eine aquatische (im Wasser stattfindende) Lebensweise angepasst. Beispiele hierfür sind die Biber, die Bisamratte, die Biberratte oder Nutria, die südamerikanischen Fischratten oder die australischen Schwimmratten. Zur Abwehr von Fressfeinden haben mehrere Nagergruppen wie etwa Stachelschweine, Baumstachler oder teilweise die Stachelratten ein stacheliges Fell. Ein Gutteil der Arten schließlich ist in seinem gedrungenen Körperbau mit den eher kurzen Beinen und dem kurzen Hals den Ratten oder Mäusen ähnlich, dazu zählen viele Mäuseartige, die Bilche und andere Gruppen.
Im Miozän lebte mit Ceratogaulus der einzige gehörnte Vertreter der Nagetiere. Die Funktion der Hörner ist ungeklärt, wobei Vermutungen geäußert wurden, dass sie eine Rolle bei der Partnerwerbung, der Verteidigung oder als weiteres Grabwerkzeug gespielt haben könnten. Gegen eine Rolle bei der Partnerwahl spricht, dass die Hörner bei beiden Geschlechtern vorkamen.
Nagetiere haben eine nahezu weltweite Verbreitung erreicht, sie fehlten ursprünglich lediglich in der Antarktis und auf abgelegenen Inseln – etwa Neuseeland und den meisten pazifischen Inseln. Sie sind neben den Fledertieren das einzige Taxon der Plazentatiere, das ohne menschlichen Einfluss den australischen Kontinent besiedelt hat, nämlich in Gestalt einiger Altweltmäuse (Murinae). Obgleich es eine Reihe aquatischer (im Wasser lebender) Arten gibt, haben die Nagetiere die Meere nicht als Lebensraum erobert.
Als Kulturfolger haben einige Arten, etwa die Hausmaus, die Haus- oder die Wanderratte eine weltweite Verbreitung erreicht, daher sind Nagetiere heute faktisch überall zu finden, wo es Menschen gibt.
Nagetiere haben fast alle Lebensräume der Erde besiedelt, man findet sie sowohl in Wüsten als auch in tropischen Regenwäldern, im Hochgebirge und in Polarregionen. Auch aufgrund der vielfältigen Habitate und der unterschiedlichsten Formen im Körperbau lassen sich über die Lebensweise der Nagetiere nur sehr wenige verallgemeinernde Aussagen treffen.
Die Aktivitätszeiten der Nagetiere sind je nach Art und Lebensraum unterschiedlich, allerdings ist die Mehrzahl dämmerungs- oder nachtaktiv. Bei einigen Gruppen, beispielsweise den Hörnchen, finden sich jedoch vorwiegend tagaktive Tiere. Manche Bewohner kälterer Regionen halten einen ausgeprägten Winterschlaf (bekannte Beispiele aus dem europäischen Raum sind Siebenschläfer und Murmeltiere), andere wie etwa die Lemminge sind auch während des Winters aktiv. Manche Bewohner tropischer Regionen fallen im Gegenzug während der heißen oder trockenen Jahreszeit in eine Hitze- oder Trockenstarre, z. B. Fettmäuse.
Auch im Hinblick auf das Sozialverhalten finden sich innerhalb der Nagetiere sämtliche Formen, von strikt einzelgängerischen Arten, die außerhalb der Paarungszeit jeden Kontakt zu Artgenossen meiden, über Arten, die paarweise zusammenleben bis zu Arten, die ein ausgeprägtes Sozialsystem entwickelt haben. Insbesondere die in großen unterirdischen Bauen lebenden Nager wie beispielsweise Viscachas oder Präriehunde sind dafür bekannt. Einzigartig unter den Säugetieren ist die eusoziale Lebensweise mancher Sandgräber wie des Nacktmulls oder der Graumulle: Ähnlich wie bei manchen Insekten ist in einer Kolonie ein einziges Weibchen, die „Königin“, fruchtbar und paart sich mit mehreren Männchen, während die übrigen Tiere als unfruchtbare Arbeiter die notwendigen Tätigkeiten zur Versorgung der Gruppe verrichten.
Nagetiere sind überwiegend, jedoch nicht ausschließlich, Pflanzenfresser. Je nach Art, Lebensraum oder Jahreszeit werden alle Teile von Pflanzen konsumiert: Gräser, Blätter, Früchte, Samen und Nüsse, aber auch Zweige, Rinde, Wurzeln und Knollen. Als einer der Hauptgründe für den evolutionären Erfolg der Nagetiere gilt vermutlich die Tatsache, dass sie wie kaum eine andere Säugetiergruppe Herbivorie mit geringer Körpergröße verbinden – die meisten anderen pflanzenfressenden Säuger sind deutlich größer.
Es gibt zahlreiche rein herbivore Arten, einige Arten sind jedoch zum Teil Allesfresser (omnivor) und nehmen zumindest als Beikost Insekten, Würmer und andere Wirbellose, aber auch Vogeleier und kleine Wirbeltiere zu sich, dazu zählen unter anderem die Hörnchen, die Bilche, einige Mäuseartige oder die Sandgräber.
Es gibt jedoch auch einige wenige Arten, die sich vorrangig oder fast ausschließlich von Insekten und anderen Kleintieren ernähren. Beispiele hierfür sind einige Gattungen der Neuweltmäuse, wie etwa die Grashüpfermäuse (Onychomys, benannt nach ihrer Hauptnahrung), die Grabmäuse (Oxymycterus) oder die Gruppe der Fischratten (Ichthyomyini), die sich von Wasserinsekten, Krebsen und Fischen ernähren. Auch die Afrikanische Wasserratte und die australischen Schwimmratten (Hydromyini), die vorzugsweise Fische verzehren, oder Vertreter der Deomyinae wie die Kongo-Waldmaus oder die Bürstenhaarmäuse, die sich hauptsächlich von Insekten ernähren, zählen dazu.
Die Nagetiere gehören zu den Plazentatieren oder Höheren Säugetieren (Eutheria), als solche ist ihre Fortpflanzung charakterisiert durch die Plazenta und den Trophoblast (die äußere Zellschicht des frühen Embryos), der eine immunologische Barriere darstellt und ein im Vergleich zu den Beutelsäugern längeres Heranwachsen der Föten im Mutterleib ermöglicht. Abgesehen davon lässt sich aber kaum etwas Allgemeines über die Fortpflanzung dieser Tiergruppe feststellen.
Viele Arten, etwa die Mäuseverwandten, sind durch eine ausgesprochen hohe Fertilität gekennzeichnet (r-Strategie). Das Weibchen kann mehrmals im Jahr Nachwuchs zur Welt bringen, die Trächtigkeitsdauer ist kurz und die Wurfgröße hoch. Die Neugeborenen sind Nesthocker, oft unbehaart und hilflos, wachsen aber sehr schnell und erreichen binnen Wochen oder Monaten die Geschlechtsreife. So haben manche Hamsterarten mit nur 16 Tagen die kürzeste Tragzeit aller Plazentatiere und sind bereits mit sieben bis acht Wochen geschlechtsreif. Vielzitzenmäuse haben bis zu 24 Zitzen und Nacktmulle können bis zu 27 Neugeborene pro Wurf austragen.[3]
Auf der anderen Seite gibt es auch eine Reihe von Gruppen, bei denen es geradezu umgekehrt ist, etwa bei den Meerschweinchenverwandten. Deren Tragzeit ist vergleichsweise lang (beispielsweise bis zu 280 Tage bei der Pakarana), es gibt nur wenige Jungtiere pro Wurf und der Entwicklungsstand bei der Geburt ist recht hoch (K-Strategie). Gerade der Nachwuchs größerer Arten kommt mit vorhandenem Fell und geöffneten Augen zur Welt; viele Jungtiere können schon nach wenigen Stunden laufen und sind kurze Zeit später von der Mutter unabhängig.
Nagetiere haben zahlreiche Fressfeinde und sind aufgrund ihrer Häufigkeit Nahrungsgrundlage vieler Beutegreifer. Viele Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien, aber auch Wirbellose – wie etwa manche Vogelspinnen oder Fangschrecken – machen Jagd auf sie. Gerade die kleineren Vertreter verfügen kaum über aktive Verteidigungsstrategien, dafür vertrauen sie auf Vorsicht, Tarnung, Verbergen oder Flucht – einigen Arten hilft auch ihr gut entwickeltes Sozialverhalten. Krankheiten und Parasiten stellen weitere Bedrohungen für Nagetiere dar. Für zahlreiche Arten bildet der Mensch die größte Bedrohung. Während die gezielte Bejagung von als „Schädlingen“ betrachteten Nagetieren oft nicht den gewünschten Erfolg bringt, haben die Zerstörung des Lebensraumes und die Einschleppung von Neozoen zur Ausrottung einiger Arten geführt, etliche andere wurden bereits an den Rand des Aussterbens gedrängt (Näheres siehe unten).
Die Lebenserwartung ist sehr variabel. Auch ohne die Bedrohung durch die allgegenwärtigen Fressfeinde erreichen viele Arten, etwa Mäuseartige, nur ein Höchstalter von ein bis zwei Jahren. Es gibt aber auch längerlebige Nagetiere. Beim Gewöhnlichen Stachelschwein ist ein Höchstalter von 27 Jahren bekannt, den Altersrekord hält – soweit bekannt – ein Nacktmull mit geschätzten 28 Jahren.[4]
Die Nagetiere werden im Regelfall als Ordnung Rodentia mit den Hasenartigen (Ordnung Lagomorpha), ihrer vermutlichen Schwestergruppe, als Glires zusammengefasst. Die Glires werden innerhalb der Euarchontoglires den als Euarchonta zusammengefassten Ordnungen der Spitzhörnchen, Riesengleiter und Primaten gegenübergestellt. Eine grafische Darstellung der möglichen Verwandtschaftsbeziehungen sieht wie folgt aus:
Euarchontoglires |
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Die Verwandtschaft mit den Hasenartigen ist morphologisch gut begründet, und jene wurden schon 1735 in Carl von Linnés Systema Naturae als Untergruppe zu den Nagetieren (Ordnung Glires) gestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts aufgekommene Zweifel an dieser Verwandtschaft, die sich auch in einer Aufspaltung in zwei Ordnungen spiegelten, konnten durch neuere molekulargenetische Untersuchungen weitgehend ausgeräumt werden. Demnach trennten sich Nagetiere und Hasenartige vermutlich in der mittleren Oberkreide.
Die Einordnung in die Euarchontoglires ist noch jung und wird bisher lediglich durch die Molekulargenetik gestützt. Sowohl die gemeinsame Abstammung als auch die Schwestergruppenverhältnisse innerhalb der Euarchontoglires sind noch unsicher.
Einige Säugetiere werden aufgrund äußerer Ähnlichkeiten als „Mäuse“ oder „Ratten“ bezeichnet, ohne dass sie zu den Nagetieren gehören. Dazu gehören die Spitzmäuse aus der Ordnung der Insektenfresser, die Beutelmäuse und Beutelratten aus der Gruppe der Beutelsäuger und andere. Auch die Fledermäuse sind keine Nagetiere.
Die Nagetiere sind die bei weitem größte Ordnung der Säugetiere. Nachdem ihr Artenreichtum noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch die unkritische Anwendung des biologischen Artbegriffs verschleiert wurde, setzt sich die Anerkennung neuer Arten in jüngerer Zeit stetig fort:
Die hier vorgenommene Unterteilung der rezenten Nagetiere in fünf Unterordnungen mit 34 Familien folgt weitgehend Carleton & Musser (2005).[12]
Ordnung Nagetiere (Rodentia)
Die Nagetiere bilden aufgrund einiger abgeleiteter, morphologischer Merkmale (Synapomorphien) und molekulargenetischer Ergebnisse eine gut begründete Verwandtschaftsgruppe. Eine grafische Darstellung der möglichen phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnisse nach D'Elía und Kollegen (2019)[13] sieht wie folgt aus:
Kladogramm der Nagetiere[13] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Innerhalb der Hörnchenverwandten bilden Stummelschwanzhörnchen und Hörnchen eine seit langem gut belegte Verwandtschaftsgruppe. Die vermutete Verwandtschaft mit den Bilchen hat in letzter Zeit vermehrt Unterstützung erfahren. Auch die Verwandtschaft der Biber und Taschennager miteinander und damit die Zusammenfassung als Biberverwandte ist inzwischen recht sicher. Die Mäuseverwandten bilden eine gut belegte Verwandtschaftsgruppe.
Die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Stachelschweinverwandten sind inzwischen recht gut belegt. Demnach bilden die Kammfinger die Schwestergruppe aller anderen Familien. Auch die Phiomorpha und die Meerschweinchenverwandten erfahren als Verwandtschaftsgruppen gute Unterstützung. Lediglich das Schwestergruppenverhältnis zwischen Phiomorpha, Meerschweinchenverwandten und Stachelschweinen ist noch nicht klar.
Traditionell werden zwei morphologische Merkmale zur Klassifizierung der Familien herangezogen.
Zwei Ausprägungen des Unterkiefers werden unterschieden:
Vier Ausprägungen der Kaumuskulatur werden unterschieden:[14]
Hauptartikel: Geschichte der Systematik der Nagetiere
Schon Carl von Linné fasste in seiner Systema Naturae ab 1735 ursprünglich alle Nagetiere einschließlich der Hasenartigen in der Ordnung Glires zusammen. Daneben enthielt diese Ordnung mit Spitzmäusen, Desmanen, Beutelratten, Nashörnern, Fledermäusen und dem Fingertier zeitweise auch nicht verwandte Säugetierarten. Von 1821 stammt die Bezeichnung Rodentia für die Ordnung der Nagetiere einschließlich der Hasenartigen. Nach der unterschiedlichen Ausprägung ihrer Kaumuskulatur wurden diese 1855 in Sciuromorpha („Hörnchenartige“), Myomorpha („Mäuseartige“), Hystrichomorpha („Stachelschweinartige“) und Lagomorpha („Hasenartige“) unterteilt. Erstere drei Gruppen, die Nagetiere im heutigen Sinn, wurden 1876 als Simplicidentata zusammengefasst und den Hasenartigen (Duplicidentata) gegenübergestellt. Nach der Struktur ihres Unterkiefers hingegen wurden die Nagetiere im heutigen Sinn 1899 in die Sciurognathi und die Hystricognathi unterteilt. Neben der Dreiteilung in Sciuromorpha, Myomorpha und Hystricomorpha ist diese Zweiteilung bis in die heutige Zeit weit verbreitet. 1912 wurde erstmals vermutet, dass Nagetiere und Hasenartige nicht näher miteinander verwandt sind, und die beiden Gruppen wurden fortan als separate Ordnungen geführt.
Anfang der 1990er-Jahre wurde mit der provokanten Veröffentlichung Is the Guinea-Pig a Rodent? („Ist das Meerschweinchen ein Nagetier?“) in der Zeitschrift Nature die Theorie aufgestellt, die Meerschweinchenverwandten seien nicht mit den übrigen Nagetieren verwandt, sondern hätten sich zu einem früheren Zeitpunkt als andere Säugetierordnungen abgespalten. Andere Untersuchungen von morphologischen und molekularer Daten bestätigten hingegen die Monophylie (die gemeinsame Abstammung aller Arten von einem gemeinsamen Vorfahren) der Nagetiere, was heute weitgehend als Konsens betrachtet wird.
Die ersten zweifellos den Nagetieren zuzuordnenden Funde stammen aus dem oberen Paläozän, entstanden dürfte die Gruppe aber bereits in der Kreidezeit sein. Als mesozoische Vorläufer werden manchmal die Zalambdalestidae angeführt, eine in der Oberkreide in Asien lebende Gruppe. Diese für mesozoische Säugetiere relativ großen Tiere hatten einen den Rüsselspringern vergleichbaren Körperbau und wiesen im Bau der vergrößerten unteren Schneidezähne Ähnlichkeiten mit den Nagern auf. Ob sie tatsächlich die Vorfahren der Nagetiere oder der Glires (des gemeinsamen Taxons aus Nagern und Hasenartigen) darstellen, ist umstritten.
Im unteren Paläozän lebte in Asien die Familie der Eurymylidae, die wie die heutigen Nager bereits nur mehr zwei vergrößerte Schneidezähne pro Kiefer aufwies, sich in Details im Aufbau der Zähne aber von diesen unterscheidet. Heute werden die Eurymylidae eher als Schwestergruppe der Nagetiere und nicht als dessen basale Vertreter klassifiziert. Ähnliches gilt für die Alagomyidae, die ebenfalls im Paläozän in Asien und Nordamerika lebte.
Als älteste bekannte Vertreter der Nagetiere gelten die Ischyromyidae (eventuell gemeinsam mit den Paramyidae), die im späten Paläozän in Nordamerika verbreitet waren und die noch ein etwas ursprünglicheres Gebiss mit einem vorletzten Prämolaren und generell niederkronigen Backenzähnen aufwiesen.[15] Die Aufspaltung in die fünf Unterordnungen war bereits gegen Ende der Kreidezeit vollendet. Im Eozän breiteten sich die Nagetiere dann auch in Eurasien und Afrika aus, und gegen Ende dieser Epoche kam es zu einer fast explosionsartigen Radiation und viele der heutigen Gruppen entstanden. Unter anderem sind Hörnchen, Biber, Dornschwanzhörnchen, Mäuseartige, Kammfinger und Bilche aus dieser Zeit oder spätestens aus dem frühen Oligozän belegt.
Eine Gruppe von Nagern, die heute als Meerschweinchenverwandte zusammengefasst werden, erreichte im frühen Oligozän (vor rund 31 Millionen Jahren) Südamerika – vermutlich von Afrika auf Treibholz über den damals viel schmaleren Atlantik schwimmend. Südamerika war damals – wie während des größten Teils des Känozoikums – von den übrigen Kontinenten isoliert, sodass sich eine eigene Fauna bilden konnte, vergleichbar mit der Situation in Australien. Es gab dort nur wenige Säugetiergruppen (die Beutelsäuger, die ausgestorbenen Südamerikanischen Huftiere und die Nebengelenktiere), weswegen die Meerschweinchenverwandten einige ökologische Nischen einnehmen konnten, die für Nagetiere untypisch sind und sich in dieser Form nur bei dieser Gruppe finden. Einige grasfressende Arten stellen gewissermaßen das ökologische Äquivalent zu den Paarhufern dar, auch entwickelten sich riesenhafte Formen. Noch heute gehört mit dem Capybara der größte Nager zu dieser Gruppe, ausgestorbene Formen wie Phoberomys erreichten sogar die Ausmaße von Flusspferden.
Bemerkenswert ist, dass die Nagetiere vor der weltweiten Ausbreitung des Menschen als einzige Gruppe landgebundener Plazentatiere den australischen Kontinent besiedeln konnten. Diese Einwanderung geschah in mehreren Wellen vor fünf bis zehn Millionen Jahren. Heute gibt es eine Reihe auf diesem Kontinent endemischer Gattungen, darunter die Schwimmratten, die Australischen Kaninchen- und die Häschenratten. Zu einem späteren Zeitpunkt haben auch die Ratten mit mehreren Vertretern Australien erreicht.
Eine Reihe von Nagetierarten wird vom Menschen als Nutztiere gehalten, das heißt, um sich einen wirtschaftlichen Zweck zugutezumachen. Die wichtigsten Zwecke sind der Genuss ihres Fleisches, die Verwendung des Fells und Tierversuche.
Der Genuss des Fleisches von Nagetieren ist heute im mitteleuropäischen Kulturraum unüblich, wenn auch in früheren Zeiten insbesondere in Notsituationen auch diese Tiere verspeist wurden. In anderen Regionen der Erde hingegen werden sie gegessen, manche Arten gelten sogar als Delikatesse. Bekannte Beispiele sind die Hausmeerschweinchen, die in Südamerika – insbesondere in Peru – millionenfach gezüchtet und verspeist werden, die Rohrratten, die in einigen westafrikanischen Ländern wie Ghana gehalten werden und deren Zucht von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) propagiert wird, oder der Siebenschläfer, der im alten Rom als Leckerbissen galt und in eigens angelegten Glirarien gemästet wurde. Daneben werden Nagetiere nicht nur für den Genuss des Menschen gezüchtet, sondern auch als Futtertiere verwendet, beispielsweise für Echsen und Schlangen und andere in Zoos oder privaten Terrarien gehaltene Tiere.
Einige Nagetiere werden auch ihres Felles wegen gejagt oder auch gezüchtet. Die in Mitteleuropa bekanntesten Vertreter sind die Eigentlichen Chinchillas, die Bisamratte und die Biberratte oder Nutria; weltweit dienen jedoch die verschiedensten Arten als Pelzlieferanten.
Einen bedeutenden Bereich der Nutzung von Nagetieren stellen Tierversuche dar. Diese Tiere werden vorwiegend verwendet, da sie klein, leicht zu züchten und zu halten sind und sich sehr schnell vermehren. Über 80 %, teilweise sogar über 90 %, der eingesetzten Tiere sind Nagetiere, allen voran Farbmäuse, gefolgt von Farbratten und Hausmeerschweinchen.[16] Die Kontroverse um den tatsächlichen Nutzen dieser Praktiken wird äußerst heftig geführt. Ebenfalls zu den Tierversuchen kann die Verwendung von Nagetieren in der Raumfahrt gezählt werden. Erstmals wurden Hausmäuse und Hausmeerschweinchen an Bord des sowjetischen Raumschiffs Wostok 3 A im März 1961 ins All geflogen, später kamen auch Wanderratten und Taschenmäuse hinzu.
Zahlreiche Nagetiere werden auch als Heimtiere oder Streicheltiere gehalten, das heißt aus Freude und persönlicher Zuneigung und nicht aus einem direkten wirtschaftlichen Nutzen. Die Gründe für die Haltung von Nagern sind unter anderem die geringe Körpergröße und die damit verbundenen niedrigen Haltungskosten. Etliche Arten sind jedoch aufgrund ihrer nachtaktiven Lebensweise und ihrer Unwilligkeit gegenüber Berührungen nur bedingt als Heimtier geeignet, auch ist bei vielen Arten, die in großen Gruppen leben oder viel Auslauf brauchen, eine artgerechte Haltung kaum realisierbar. Zu den Arten, die als Heimtiere gehalten werden, zählen Hausmeerschweinchen, Gold-, Zwerg- und andere Hamster, Haus-, Renn-, Spring- und andere Mäuse, Wanderratten, Degus, Chinchillas, Gleit-, Streifen- und andere Hörnchen, mehrere Bilcharten und andere mehr.
Etwa 200 bis 300 Arten gelten als Landwirtschafts- oder Nahrungsmittelschädlinge. Zum Teil halten sie sich in den zur Nahrungsmittelproduktion genutzten Flächen auf, wo sie die Feldfrüchte selbst verzehren oder durch ihre unterirdische Lebensweise an Wurzeln und Knollen der Pflanzen Schäden anrichten. Häufig ist der Mensch die Hauptursache dafür, indem er massiv in den natürlichen Lebensraum der Tiere eingreift. Durch die Umwandlung der Habitate in landwirtschaftlich genutzte Flächen und die Verringerung des Nahrungsangebotes werden viele Arten gezwungen, sich neue Nahrungsquellen zu erschließen. In Indonesien gehen beispielsweise 17 % der Reisernte durch Nagetiere verloren.[17] Diese stehen dann in Konkurrenz zu den wirtschaftlichen Interessen und leiten die Verfolgung ein. Die hemerophilen Arten (Kulturfolger), beispielsweise Mäuse und Ratten, suchen auch direkt in den Aufbewahrungsorten von Lebensmitteln nach Nahrung. Darüber hinaus kommt es durch die Nagetätigkeit oft zu weiteren materiellen Schäden, zum Beispiel an Dämmmaterialien, Strom- und Wasserleitungen.
Neben den materiellen Schäden, die Nagetiere anrichten, sind einige Arten auch als Überträger von Krankheiten bekannt und stellen so eine Bedrohung für den Menschen dar. Infektionen können auf verschiedenste Weise geschehen: durch Bisse können unter anderem Pasteurellose und Tollwut übertragen, wenngleich Nagetiere seltener vom Tollwutvirus betroffen sind als andere Säugetiergruppen. Durch ihre Exkremente kann es unter anderem zur Übertragung von Salmonellose und Leptospirose (Weil-Krankheit) sowie von hämorrhagischem Fieber (Hantaviren) kommen; durch den Verzehr von Nagern, der wie oben erwähnt in außereuropäischen Ländern recht häufig vorkommt, zur Trichinose. Am bekanntesten sind wohl die Krankheiten, die von auf diesen Tieren parasitierenden Flöhen übertragen werden wie das murine Fleckfieber und die Pest, die in mehreren Pandemien Millionen Menschen das Leben gekostet hat.
Die weite Verbreitung einiger kulturfolgender Arten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Nagetierarten ein kleines Verbreitungsgebiet haben und zu den gefährdeten oder bedrohten Arten zählen. Die Gründe dafür sind unter anderem die gezielte Verfolgung von als Schädlinge betrachteten Tieren (zum Beispiel bei den Präriehunden), die Bejagung aufgrund des Fleisches oder des Felles (wie beim Kurzschwanz-Chinchilla), die Zerstörung des Lebensraumes, die vor allem waldbewohnende Arten trifft und die Verdrängung durch eingeschleppte oder eingewanderte Neozoen.
Die IUCN listet 2024 37 Nagetierarten als ausgestorben, neben einigen australischen handelt es sich dabei vorwiegend um Arten, die auf Inseln endemisch waren. Dazu zählen unter anderem sämtliche Riesenhutias, einige Vertreter der Baum- und Stachelratten der Karibischen Inseln, die Karibische Riesenreisratten, eine Südamerikanische Baumstachlerart, die Kanarische Riesenratte, sowie aus Australien die Weißfuß-Kaninchenratte, die Kleine Häschenratte und mehrere Arten der Australischen Hüpfmäuse. Des Weiteren gelten laut IUCN 60 Arten als vom Aussterben bedroht (critically endangered) und 142 als stark gefährdet (endangered) und 128 als gefährdet (vulnerable), für 405 Arten liegen zu wenig Daten vor, weswegen sie als (data deficient) gelistet werden.[18]
Nur sehr wenige Nagetiergattungen spielen in der menschlichen Kultur eine Rolle. Auffallend ist jedoch, dass sie im Gegensatz zu ihrem Ruf als Schädlinge häufig positive Rollen einnehmen. Sie werden – vermutlich aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit – oft als klug und gewieft dargestellt, die sich gegen größere, oft dümmere Gegner erfolgreich zur Wehr setzen.
Mäuse und Ratten sind sicher die häufigsten derart dargestellten Nagetiere. In der Chinesischen Astrologie gelten Menschen, die im Jahr der Ratte oder Maus (鼠, shu) geboren sind als angriffslustig, aber auch intelligent und selbstbewusst. Auch in Indien sind Ratten ein Symbol für Intelligenz und Stärke, beispielsweise wird der Gott Ganesha häufig auf einer Ratte oder Maus reitend dargestellt. Im westlichen Kulturkreis sind Ratten deutlich negativer besetzt, sie gelten oft als bösartig. Die weit verbreitete Abscheu oder Angst vor Ratten wird etwa in Die Rättin von Günter Grass oder in 1984 von George Orwell zur Sprache gebracht.
Mäuse hingegen verkörpern eher den „süßen“, gutartigen Charakter. Dementsprechend häufig tauchen positiv besetzte Mäuse insbesondere in Kinderliteratur und Zeichentrick auf, beispielsweise Walt Disneys Micky Maus oder die Figur in der Sendung mit der Maus. Der stereotype Kampf Mäuse gegen Katzen, bei dem meist die Katzen unterliegen, wird ebenfalls oft dargestellt, etwa in Trickfilmserien wie Tom und Jerry oder Speedy Gonzales. In allegorischer Weise finden sich Mäuse beispielsweise in Franz Kafkas Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse oder in dem die NS-Zeit behandelnden Comic Maus – Die Geschichte eines Überlebenden.
Die Tätigkeiten oder Eigenschaften einiger weiterer Nagetiere sind sprichwörtlich geworden, beispielsweise der lange Winterschlaf der Murmeltiere oder Siebenschläfer. Die Sammeltätigkeit der Hamster steht Pate für einen übertriebenen Hortungsdrang, und die Bautätigkeit der Biber wird als Inbegriff des Fleißes betrachtet.
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