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Teilgebiet der Medienwissenschaft Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Medientheorie werden spezifische oder generalisierte Forschungsansätze verstanden, die das Wesen und die Wirkungsweise von Einzelmedien oder der Massenmedien generell zu erklären versuchen. Es werden darin häufig Rückbezüge genommen auf die Kommunikations- und die Informationstheorie. Die Weiterentwicklung der Medientheorie steht zuletzt im Zusammenhang mit einem verstärkten Interesse für die politischen Aspekte der Medien, die nicht nur für das intellektuelle oder ästhetische Spiel, sondern auch für den Ernst der politischen Lage[1] stehen.
Die Medientheorie ist neben der Medienanalyse und der Mediengeschichte eines der drei zentralen Arbeitsfelder der Medienwissenschaft.
Eine einheitliche Medientheorie existiert nicht. Bislang ist es nicht gelungen, eine Kategorisierung nach technischen Medienbegriffen mit einer sinnvollen und stimmigen Definition von Medium bzw. Medien in Einklang zu bringen. Zudem gehen verschiedene wissenschaftliche Disziplinen unterschiedlich an das Thema heran. So können einige Medientheorien eher als Philosophien der Medien (Medienphilosophie) betrachtet werden, andere sind soziologische Theorien. Geisteswissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Medienwissenschaft verfolgen zudem unterschiedliche Erkenntnisinteressen.
In der Medienphilosophie nahestehenden Medienkritik verbindet sich Medientheorie mit der Kritik an den Folgen moderner Medien für Gesellschaft, Politik und Pädagogik. Dabei ist die neurophysiologisch begründete Richtung der Kritik (Manfred Spitzer) und die eher geisteswissenschaftlich oder kulturphilosophisch orientierte Richtung Neil Postmans und Giovanni Sartoris am einflussreichsten, aber auch umstrittensten.
Einen neuen medientheoretischen Ansatz unternimmt zuletzt Stavros Arabatzis (Medienpharmakologie)[2]. Darin werden Medien nicht bloß technisch-informatisch, symbolisch, ästhetisch, metaphorisch oder neurophysiologisch erklärt, sondern – im Anschluss an Derridas Platons Pharmazie – als heilende oder giftige Mittel (Wirkstoffe) pharmazeutisch-politisch, epidemiologisch sowie in ihrer gesellschaftlichen Wirkung genealogisch entfaltet.
Es existieren verschiedene Ansätze zur Systematisierung vorhandener Medientheorien.
Stavros Arabatzis unterscheidet in seiner Rezension der Bücher von Leschke, Mersch, Debray und Agamben, in seinem Aufsatz Doxologien der Schaltungen sowie in seinem Buch Medienherrschaft, Medienresistenz und Medienanarchie. Archäologie der Medien und ihr neuer Gebrauch[3] und zuletzt in seinem Aufsatz ›Sei vernetzt! Mediatisiere! Sei in Relation!‹.Über die verkürzten Medienmodelle der neuen Soziologie[4] elf Kategorien von Medientheorien:
Danach lassen sich folgende Aspekte der Medien und Medientheorien nach Stavros Arabatzis[5] unterscheiden:
I. Medien und Medientheorien behandeln zwei wesentliche Aspekte: die Modernität der neuen Medien und ihre Archäologie. Eine archäologische Erbschaft der Medien, die in ihrem Dazwischen als eine historisch-gesellschaftliche, mythische, ontotheologische Spur (als Anfang und Herrschaft) vergraben liegt.
II. Diese Medienspur führt auf den imperativen Charakter der neuen Medien zurück. Er zeigt sich bereits im engeren Bereich der Sprache, wie sie einmal Aristoteles in apophantische (Logos, Argument, Rationalität, Wahrheit etc.) und nicht-apophantische (Erzählung, Wunsch, Gefühl, Drohung, Zorn, Frage etc.) unterschieden hat, geht aber weit über die „Sprache“ (logos) als Medium hinaus und umfasst alle Medien – in ihrer Vermittlung und Unmittelbarkeit. Das heißt, sie beschreiben die zwei Seiten desselben Mediendispositivs: die vermittelte, objektive Seite der Medien und ihre unmittelbare, subjektive Seite. Hierbei wird die freie, abstammungsfreie Netzkultur des weltweit agierenden Gesamtakteurs als ein monarchisches Mediendispositiv (Globalität, Unruhe, Weltmarkt, Kapitale, Aufmerksamkeit, Ausstellungswert, Zivilisation etc.) entziffert, das darin immer zugleich von den mythischen Mediendispositiven (Abstammungen, Nationen, Ethnien, Wurzel, Heimat, Region, A-Kapitale etc.) polyarchisch umrahmt wird.
III. Entsprechend werden Medientheorien in den jeweiligen Kategorien eingeordnet, wobei diese Kategorisierung nicht statisch zu verstehen ist, weil ja darin auch die Dynamik der Medien wirkt. Andererseits wird hier aber darauf hingewiesen, dass Medien in ihrer Dynamik ihrerseits eines statischen Moments bedürfen, wollen sie in ihrer Praxis und Theorie nicht blind und leer bleiben. In der Kritik dieser Medienreflexion werden daher zwei Elemente diagnostiziert: die progressiven Energien der Medien und darin zugleich das Wirken der uralten Medien. Daher können diese Medienreflexionen nur dann überzeugen, wenn hier zwei Gesichtspunkte berücksichtigt werden: 1. Zu den wirklich neuen Medien gelangt man nur von einer Archäologie der Medien aus. 2. Das intendierte, wahrhaft neue, an-archische Medium (ohne Herrschaft) ist so radikal anders, dass zuerst alle machtvollen (archischen) Medienmaschinen deaktiviert werden müssen, will das Medium einmal auch heilsam wirken.
IV. Die Modernität der Medien verweist auf die Genealogie der Medien: von ihrem magisch-mythischen und kultischen bis hin zu den profanen Medien. Hierbei werden die Begriffe Natur und Kultur in ihrer Dialektik entziffert. Ebenso wird der Dualismus von Zahl und Musik, von Logos und Mythos in seiner ganzen Problematik entfaltet. Ausgangspunkt ist hier vor allem die Klärung der Frage: Was sind Mythos, Kult und Religion überhaupt? Die Antwort lautet: Sie sind nichts anderes als der Versuch die Welt auf den Imperativ zu gründen. Beweise hierfür liefern uns Homer in der Ilias (Mythos) und die biblischen Texte (Theologie) – so fängt etwa die Ilias mit dem Imperativ an: „Menin aide, thea“ (Singe, o Göttin, den Zorn), und ebenso die biblischen Texte: „Und Gott sprach“. Diese imperative Herrschaft der Medien reicht dann bis in unsere Zeit hinein. Es handelt sich um ein von der historisch-gesellschaftlichen, mythischen, kulturellen und theologischen Bühne (Geschichte, Prozess, Dialektik, Sein, Werden, Geschehen, Pseudokritik) verdecktes „Heeresgerät“ (Kittler), das heute im Dienste der neuen Imperative steht: ‚Sei!, Werde!, Zähle!, Erzähle!, Singe!, Schreibe!, Spreche!, Genieße!, Wolle!, Wünsche!, Konsumiere!, Kaufe!, Optimiere!, Musiziere!, Gestalte!, Sorge um dich!, Habt Spaß!, Errege Aufmerksamkeit!, Kommuniziere! Oder als kollektiver Narzissmus: Seid unabhängig!, Grenzt euch ab!, Schließt euch in der eigenen Identität ab!, Setzt das Wir gegen Sie!‘ etc. Damit erfüllen alle Medien in ihrer historischen Entwicklung, Dynamik, Ausdifferenzierung und Transformation von Beginn an (archē) eine desubjektivierende Funktion: das Bündnis zwischen Kapitale und A-Kapitale. Eine, die noch im negativ-dialektischen, „daß es anders werden solle“ (Adorno), im „Denkt in Systemen!“ (Luhmann), im „Kommuniziert!“ (Habermas), im fundamentalontologischen „anderen Anfang der Geschichte“ (Heidegger), im „Bildet Rhizome!“ (Deleuze) oder „Dekonstruiert!“ (Derrida) im Dienste jener alten medialen archē steht. Deswegen können wir nun den aufklärerischen und pädagogischen Kantischen Imperativ „Man muss wollen können“ heute in ‚Du muss wollen können!‘ umformulieren, was dann sowohl das Können als auch das Wollen (die Ströme des Begehrens) und die Phantasie des Menschen miteinschließt. Damit können wir auch das mythische und theologische Gründungsmedium (poiesis, téchnē, praxis, logos) neu reformulieren: Am Anfang (en archē) war nicht das Wort (logos) oder die „Tat“ (Goethe), sondern der ‚Imperativ der Medien‘.
V. Medien und Medientheorien beschreiben heißt zuletzt, den Ausgang aus den imperativen Medienvorrichtungen suchen. Jenseits der Komplementarität der beiden imperativen Medienmaschinen (global-vermittelte und örtlich-unmittelbare), die heute alle Medien konfisziert haben, wird hier auf die Notwendigkeit einer Deaktivierung der Medienmaschinen hingewiesen, die heute im Dienst der alten und neuen imperativen Mächte stehen. Die imperative Herrschaft hat freilich heute ihre Erscheinungsform geändert, indem sie inzwischen auch eine mikrophysische (invasive, subkutane, neuronale) und makrophysische (als Universalsubjekt oder nationales Subjekt) Gestalt annimmt – oder als monarchisches Prinzip (das seinerseits polyarchisch umrahmt wird) in sich selber einen antagonistischen metaphysischen Dualismus (Gott gegen Gott), eine „ewige Umkehr“ (Baudrillard) erzeugt. Jenseits des absoluten Medienintegrals (samt den relativen Medienintegralen) wird hier gezeigt, wie die Unmöglichkeit des Gebrauchs der Medien paradigmatisch wieder rückgängig gemacht werden kann, indem nämlich alle Medienvorrichtungen außer Kraft gesetzt werden, um die Medien auf ein Neues, Anderes und Gemeinsames umzulenken. Es sind zuletzt die dekontaminierten Medien, die damit eine neue Erfahrung des Worts und einen neuen Gebrauch aller Medien ermöglichen. Damit haben wir es in den Medien und Medientheorien mit drei Hauptkategorien zu tun: 1. Die imperativ-archischen Medien und Medientheorien. 2. Die gegenimperativen Medien und Medientheorien. 3. Die an-archischen Medien und Medientheorien.
Werner Faulstich unterscheidet beispielsweise vier Kategorien von Medientheorien:
Bei einem objektorientierten Ordnungsprinzip werden ebenfalls vier Gruppen von Einzelmedien unterschieden (nach Harry Pross):
Manfred Faßler erweitert dieses Modell in seinem Buch „Was ist Kommunikation?“ (1997) um
Folgende Ansätze lassen sich in einem Phasenmodell nach Rainer Leschke (2001) als Ordnungsmodelle unterscheiden:
Ansätze der primären Intermedialität beschäftigen sich vor allem mit dem Verhältnis unterschiedlicher Medien zueinander (Medienvergleich); diese Ansätze entstehen meist, wenn eine neue Medientechnik entwickelt wird oder wenn ein Funktionswandel eintritt, beispielsweise beim Übergang zu den Massenmedien. Sie sind vortheoretisch und beschränken sich auf Einzelaussagen über ihre Untersuchungsgegenstände.
Beispiele:
Wenn sich ein neues Medium etabliert hat, setzt eine an der Praxis orientierte Reflexion ein; dabei werden schwerpunktmäßig nicht mehr Vergleiche mit anderen Medien angestellt, es tritt dagegen das betrachtete Einzelmedium und dessen spezifische Eigenschaften in den Mittelpunkt, beispielsweise die Montage bei Sergej Eisenstein. Diese medientheoretischen Ansätze der rationalisierten Praxis erheben nicht den Anspruch einer vollständigen Theorie des Mediums – sie sind ebenfalls vortheoretisch – und versuchen, relevante Teilbereiche zu systematisieren.
Brechts Radiotheorie:
Einzelmedienontologien versuchen, das Wesen eines neuen Mediums, das sich bereits etabliert hat, zu bestimmen. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen gehen sie dabei methodisch und systematisch vor; sie beschäftigen sich nicht mehr nur mit Details des Mediencharakters, sondern streben Allgemeingültigkeit in Bezug auf das Einzelmedium an. Einzelmedienontologien sind nur eingeschränkt auf andere Medien übertragbar.
Generelle beziehungsweise generalisierende Medientheorien werden entwickelt, um mehrere Medien theoretisch zu erfassen; sie werden in der Regel unter Rückgriff auf die Modelle und Methoden anderer Wissenschaftsdisziplinen wie der Kultur- oder Sozialwissenschaften entworfen. Sie ersetzen die Einzelmedienontologien nicht, sondern ergänzen diese.
Generelle beziehungsweise generalisierende Medienontologien versuchen, über die Aussagen der generellen (beziehungsweise generalisierenden) Medientheorien hinauszugehen und allgemeingültige Aussagen über das Wesen und die Struktur von Medien an sich zu machen und eine Universaltheorie zu schaffen; mit diesem Allgemeinheitsanspruch schließen sie eine Koexistenz mit der generellen Medientheorie aus, sie sind inkompatibel zueinander. Außerdem lösen sich generelle Medienontologien von benachbarten Wissenschaftsdisziplinen und stellen eigenständige medientheoretische Paradigmen auf.
Die Ansätze der sekundären Intermedialität versuchen, Intermedialität zu verallgemeinern und eine generelle Medientheorie zu schaffen; sie bestimmen das Wesen von Medien aus der gegenseitigen Beeinflussung der Medien zueinander. Sie bilden somit eine spezielle Variante der generellen Medienontologie.
Liebrand/Schneider/Bohnenkamp/Frahm suchen nicht nach einem einheitlichen Medienbegriff, weil dieser ihrer Meinung nach überflüssig und aus kulturwissenschaftlicher Perspektive zu vermeiden ist. Sie untersuchen vielmehr, wann und unter welchen Bedingungen etwas zu einem Medium wird. Von daher unterscheiden sie in ihrer Einführung vier Perspektiven der Medientheorie, die mit vier Kernbegriffen zusammenhängen:
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