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Geisteswissenschaft von der geschichtlichen Entwicklung der bildenden Künste Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Kunstgeschichte oder Kunstwissenschaft, veraltet auch Kunsthistorik, ist eine geisteswissenschaftliche Disziplin, die Architektur, Bildkünste und -medien sowie kunsthandwerkliche Objekte einschließlich ihrer Theorien und Praktiken vom Mittelalter bis in die Gegenwart untersucht. Das Spektrum des kunsthistorischen bzw. kunstwissenschaftlichen Arbeitens reicht von formalen und ikonographischen, stilistischen und materiellen Analysen über entwurfstheoretische, kunstpraktische und rezeptionsästhetische Untersuchungen bis hin zu sozialen, politischen und gesellschaftlichen Interpretationen von Kunst und Architektur in ihren lokalen, regionalen und globalen Zusammenhängen.
Die Geschichte der Bildenden Kunst vollzieht sich durch die Veränderung der gesellschaftlichen Funktion und Stellung der Kunst, der theoretischen Auffassung über sie sowie durch die Entwicklung der Kunstformen und Stilrichtungen. Ziel des Faches Kunstgeschichte ist es, die künstlerischen Objekte nach ihren Inhalten zu befragen (Ikonographie), ihre formale Gestaltung zu bestimmen, die Werke in Raum und Zeit einzuordnen und ihrer Rezeption nachzugehen; dabei werden einerseits stilistische Zusammenhänge besprochen, andererseits wird versucht, den historischen Kontext als Voraussetzung eines Kunstwerks zu verstehen oder ihn zum Verständnis des Werks miteinzubeziehen.
Im Gegensatz zur Kunstkritik wählt sich die Kunstgeschichte in der Regel historische Gegenstände oder versucht zumindest sich zeitgenössischen Themen mit einer wissenschaftlich abgesicherten, methodisch definierten Herangehensweise zu nähern. Dabei wird anerkannt, dass (wissenschaftliche) Rezeption und Interpretation selbst zeitgebundene Handlungen sind.
Die klassischen Untersuchungsobjekte der Kunstgeschichte sind europäische und vorderasiatische Werke der Malerei und Grafik, Bildhauerei und Baukunst in der Zeit vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Die Architekturgeschichte ist zentraler Bestandteil der Kunstgeschichte. Seit ungefähr der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden zudem Gegenstände aus den Kirchenschätzen, die sog. Kleinkunst, analysiert. Die Vor- und Frühgeschichte behandelt (auch) die künstlerische Entwicklung vor dem Auftauchen der Schrift. Die Archäologie und die Ägyptologie behandeln (auch) die künstlerische Entwicklung der frühen Hochkulturen des Mittelmeerraumes. Die Kunstgeschichte widmet sich der Erforschung der historischen Entwicklung der europäischen Kunst ab dem Zeitpunkt, an dem das Christentum im 4. Jahrhundert im Römischen Reich Staatsreligion wird. In der Gegenwart erweitert sich das untersuchte Gebiet auf die kulturellen Einflusszonen der sogenannten westlichen Hemisphäre, also etwa auch Amerika oder die zeitgenössischen Künstler weltweit, die am Kunstmarkt teilnehmen.
Die Kunst nichteuropäischer Kulturen und Länder wird außerhalb dieser Länder in den jeweiligen Landeskunden (Sinologie, Arabistik, Afrikanistik etc.) miterforscht oder in übergreifenden Disziplinen wie der Ethnologie. Die Kunstgeschichte öffnete sich seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (siehe Carl Einstein, Leo Frobenius) auch anderen Kulturkreisen, etwa der Afrikanischen oder Asiatischen Kunstgeschichte. Darüber hinaus werden neue Darstellungsformen wie Fotografie, Medienkunst und Gattungen, Kunstgewerbe, Design untersucht. Jüngste Entwicklungen sehen in der Kunstgeschichte auch eine Bildwissenschaft, die – unabhängig vom Kunstcharakter eines Bildes – Funktionen und Entwicklungen analysiert (vgl. z. B. auch Game Studies).
Die Begriffe Kunstgeschichte oder Kunstwissenschaft entstanden im 19. Jahrhundert und gehen auf Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) zurück, der in seinen Werken zur Kunst der Antike erstmals genauere stilgeschichtliche Untersuchungen unternommen hat. Als erster deutscher Kunsthistoriker, der auch gemalt hat, kann wohl Joachim von Sandrart genannt werden, der in seinem 1679 erschienenen theoretischen Hauptwerk über die Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild und Mahlerey-Künste erstmals über deutsche Künstler und Kunststile geschrieben hat. Im ausgehenden 18. Jahrhundert legte Johann Dominik Fiorillo an der Universität Göttingen die Grundlagen für die Kunstgeschichte als akademisches Fach. Die zweite Anregung brachte die Kunsttheorie, allen voran Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Johann Gottfried Herder sowie die Romantik.
Grundlagen für die Kunstwissenschaft legten Carl Friedrich von Rumohr und Gustav Friedrich Waagen. Als Fachwissenschaft begründet wurde sie zum einen von Historikern wie Jacob Burckhardt, Herman Grimm und Carl Justi, die die Kunst in den allgemeinen Rahmen der Kulturgeschichte einbezogen. Zum zweiten durch die beginnende antiquarische Sichtung und Ordnung der überlieferten Kunstwerke, die eng mit dem Kunstsammeln verbunden war. Aus ihr entstanden die positivistische und kennerschaftliche Kunstgeschichte (Giovanni Morelli, Gottfried Semper). Eine dritte Wurzel der Kunstgeschichte kam aus der Philosophie und Ästhetik, vertreten durch Heinrich Gustav Hotho, Karl Schnaase; auch viele spätere Kunsthistoriker studierten Kunstgeschichte und Philosophie (Heinrich Wölfflin).
Von einer eigenständigen Disziplin Kunstgeschichte lässt sich erst seit dem 19. Jahrhundert sprechen. Bei vorhergehenden Schriften handelte es sich meist um Kunstbetrachtung und biographische Beschreibungen. Die Entwicklung dorthin bereiteten Traktate verfassende und schriftstellernde Künstler, Kunstschriftsteller, Philosophen und Kunstkritiker vor. Bereits in der Antike entstehen Texte über Kunst, die allerdings wie bei Lukian von Samosata Kunstwerke in synästhetischer Form von Ekphrasen beschreiben, oder wie bei Plinius dem Ältern Kunstgeschichte als Teil eines allgemeinen Gesamtwerkes (in seinem Fall der Naturalis historia (Geschichte der Natur)) abhandeln.
In ähnlicher Weise als Teil eines größeren Werkes über ein anderes Thema (Architektur) beschäftigte sich Vitruv in seinen zwischen 33 und 22 v. Chr. entstandenen 10 Büchern über die Architektur mit der Kunst, in denen er zum Schluss kommt, dass die Architektur ein Primat über die Gattungen der bildenden Kunst habe.
Während das Werk zu seiner Zeit und in den folgenden Jahrhunderten wenig Aufsehen erregte, änderte sich das in der Renaissance, in denen Vitruvs Theorien bedeutende Künstler wie Albrecht Dürer und Leonardo Da Vinci zu Skizzen inspirierten. Dessen Illustration „Der vitruvianische Mensch“ gilt als eines der bekanntesten Werke der Kunst und begründete Vitruvs späten Ruhm.
Diese Praxis wird erst wieder in der Renaissance von einem Autor aufgegriffen, der mit Leonardo da Vinci eine außerordentliche Breite des wissenschaftlichen und künstlerischen Betätigungsfeldes gemein hatte: Giorgio Vasari. Der 1511 geborene († 1574) Architekt, Hofmaler der Medici und gleichzeitig als Biograf zeitgenössischer florentinischer Künstler tätige Schriftsteller war einer der ersten systematisch vorgehenden Kunsthistoriker. Die Kreativität seiner anderen Berufe bewies er auch als Autor: Mit der „Gotik“, die er als Anhänger der antiken Kunst als barbarisch (ital.: gotico) empfand und der „Renaissance“ erfand er Schlüsselbegriffe, die bis heute die Kunstgeschichte prägen. Sein Werk Le Vite de’ più eccellenti Architetti, Pittori et Scultori italiani, da Cimabue insino a’ tempi nostri (Die Lebensbeschreibungen der hervorragendsten italienischen Architekten, Maler und Bildhauer, von Cimabue bis in unsere Zeit) erschien 1550.[1] Eine zweite, stark veränderte Auflage mit weiteren Künstlerbeschreibungen von Leon Battista Alberti, Albrecht Dürer, Andrea Palladio u. a. erschien im Jahre 1568. In diesen Auflagen wurden erstmals die wichtigsten Künstler einer Epoche in einem Werk zusammengefasst, – zum Teil vergleichend – beschrieben und in ihrer Bedeutung eingeordnet.
Im 1604 erschienenen Werk Schilder-Boeck führte der Holländer Karel van Mander diese Tradition weiter. Auch van Mander war von Haus aus Maler und Lehrer so bekannter Künstler wie Frans Hals, bevor er sich als Verfasser kunsthistorischer Schriften betätigte. Sein dreiteiliges „Maler-Buch“ war die erste nördlich der Alpen erschienene kunsttheoretische Schrift und befasste sich im ersten Teil mit den Grundlagen der Kunst, im zweiten mit Biographien verschiedener antiker Maler und bekannter italienischer Maler und im dritten mit in der niederländischen Malerei verwandten mythologischen Textquellen.
1755 veröffentlichte Johann Joachim Winckelmann, der später als erster Ausländer die Oberaufsicht über die Antiken in Rom haben sollte, in Dresden seine erste Schrift: Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerei und Bildhauer-Kunst, der er in späteren Neuauflagen weitere Texte beigab. Darin sind bereits die neuen, folgenschweren Gedanken enthalten, die er in seinem 1764 erschienenen Hauptwerk, Die Geschichte der Kunst des Altertums in 2 Bänden, ausführlich darlegte. Winckelmann beschreibt darin nicht nur den chronologischen Ablauf einer Kunstgeschichte der Antike, sondern ein System der griechischen Kunst. Er entwickelt Kriterien einer Ästhetik des Schönen und identifiziert einen klassischen Stil, den er zum Maßstab seiner Beurteilung erhebt. Zwar steht diese Suche nach dem Schönen noch im Mittelpunkt, doch der Versuch einer Stilgeschichte gibt dem Idealen, der edlen Einfalt und stillen Größe einen ersten Kontext. Winckelmann stand im Austausch mit zeitgenössischen Künstlern (Anton Raphael Mengs) und stellte ständig Bezüge von der künstlerischen Vergangenheit in die damalige Gegenwart her. Zum „ersten Kunsthistoriker“ macht ihn unter anderem, dass er als Archäologe und Grabungsleiter von der materiellen Kenntnis seiner Forschungsobjekte ausging; dass er präzise Beschreibungen als Erkenntnismethode verwandte; dass er sich für die Systematisierung seiner Forschungsgegenstände interessierte.
In Göttingen wurde 1799 die erste Professur für Kunstgeschichte eingerichtet. Der Zeichenlehrer Johann Dominik Fiorillo betreute die Kunstsammlung und unterrichtete die ersten Studenten.
Die Entwicklung der wissenschaftlichen Disziplin Kunstgeschichte hat durch den Diskurs über exemplarische Fallbeispiele des Fachs im 19. Jahrhundert immer wieder Fortschritte gemacht. Eine besondere Rolle spielten dabei u. a. die Laokoon-Gruppe oder der Dresdner Holbeinstreit. Der Basler Historiker Jacob Burckhardt (1818–1897) widmete sich erstmals der Betrachtung einer ganzen Kulturlandschaft unter dem Aspekt ihrer künstlerischen Produktion zu Zeiten einer bestimmten Epoche. Von grundlegender Bedeutung für die universitäre Kunstgeschichte war zu diesem Zeitpunkt die Stilgeschichte, also die stilistische Analyse von Kunstwerken, die Frage nach dem künstlerischen Wie, zu der als weitere Erkenntnismittel die historische und hilfswissenschaftliche Erforschung eines Kunstwerks – also die Frage nach dem Was – kam. Später sollte sich dieses Verhältnis umkehren.
Wie kaum eine andere Wissenschaft wurde die Kunstgeschichte bis zur Machtergreifung 1933 von deutschen Gelehrten und der Lehre an deutschen Universitäten geprägt. Wichtige deutschsprachige Schulen der Kunstgeschichte vor dem Zweiten Weltkrieg waren:
Mit Karl Friedrich von Rumohr, Franz Theodor Kugler, Gustav Friedrich Waagen, Heinrich Gustav Hotho, Heinrich Wölfflin und Carl Schnaase.
Zur Wiener Schule gehören ihre Vertreter Franz Wickhoff, Alois Riegl, Julius von Schlosser, Moritz Thausing, Rudolf Eitelberger, Max Dvořák, Otto Pächt und Hans Sedlmayr. Fritz Saxl, Ernst Kris, Ernst Gombrich. Sie wurden alle in Wien ausgebildet. Max Dvořák prägte den Begriff der Kunstgeschichte als Geistesgeschichte, Alois Riegl forschte über das Kunstwollen und prägte den Begriff der spätrömischen Kunstindustrie.
Mit Heinrich Wölfflin, Hans Jantzen, Wilhelm Pinder. Wölfflin prägte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kunstgeschichte durch seinen formalistischen Stilbegriff.
Aby Warburg wandelte seine Privatbibliothek in Hamburg ab 1918 in eine öffentliche wissenschaftliche Bibliothek zur Erforschung des Nachlebens der Antike in der Neuzeit unter der Leitung von Fritz Saxl und Gertrud Bing um, die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Erwin Panofsky und Edgar Wind studierten zu dieser Zeit bei Ernst Cassirer, der die Bibliothek ausgiebig für seine Erforschung der symbolischen Formen nutzte und somit seine Studenten in die Arbeit der Bibliothek einbrachte. Nach Warburgs Tod 1929 kamen noch Ernst Gombrich und William Heckscher dazu. Panofsky wurde später zum Begründer der nichtchristlichen Ikonologie.
Auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verloren viele jüdische Kunsthistoriker nach 1933 ihre Lehrberechtigung und wurden zur Emigration gezwungen. Zu den bekanntesten gehörten Erwin Panofsky (Princeton University), Walter Friedlaender (New York University), Julius Held (Barnard College und Columbia University), Ernst Gombrich (Warburg Institute), Ernst Kris (New School for Social Research), Nikolaus Pevsner und Ernst Cohn-Wiener. Ihre Stellen wurden von dem neuen nationalsozialistischen System gegenüber loyalen Kunsthistorikern besetzt, wie Wilhelm Pinder (München, Berlin), Hans Sedlmayr (Wien) und Percy Ernst Schramm (Göttingen).
Durch die Vertreibung durch die Nationalsozialisten entstanden im Ausland wichtige Zentren der kunsthistorischen Forschung, so in Großbritannien das Warburg Institute, das Courtauld Institute und in Oxford, in den USA in Princeton, Berkeley, Stanford und an der Columbia University.
Die wichtigsten Vertreter des Faches waren in:
Heute wird das Fach Kunstgeschichte weniger von Schulen, denn von herausragenden Persönlichkeiten und bestimmten Forschungsschwerpunkten geprägt. Eine genaue Abgrenzung der beiden Begriffe lässt sich schwer ziehen, letztere bezieht aber generell Nachbardisziplinen aus der Psychologie, Soziologie oder Kulturgeschichte u. a., die sich mit Kunst auseinandersetzen, mit ein.
Die wichtigsten Forschungsfelder der jüngeren Kunstgeschichte werden von einigen Kunsthistorikern nicht mehr in der Bestandssicherung, der Datierung und Zuordnung einzelner Kunstwerke, sondern in der Untersuchung von Funktionen, Strukturen und soziologischer Bedeutung von Kunstwerken und Kunst im Allgemeinen gesehen. Diese Kunsthistoriker greifen damit die Entwicklungen anderer geisteswissenschaftlicher Disziplinen auf. Doch auch die Bauforschung bleibt wichtig, und daran angeschlossen eine Vorgehensweise der Kunstgeschichte, die sich auf Objekte bezieht. Denn selbst Arbeiten mit einem Schwerpunkt auf der Theorie sind nur dann glaubwürdig, wenn sie auf konkreten, nachweisbaren Befunden fußen. Dies ist aber nicht immer der Fall.
Die folgenden Fachverbände vertreten die Interessen von Kunsthistorikern:
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