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beliebte Dichtungsform im 'Sturm und Drang' Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Bei der Kunstballade handelt es sich neben der Volksballade um eine von zwei wichtigen Balladenarten. Der Germanist Wolfgang Kayser unterschied die Ballade in den Unterarten Geisterballade, Schauerballade, die naturmagische oder historische Ballade, Schicksalsballade und Ritter-, Heldenballade und nordische Ballade. Die Typologie wird weiterhin durch die soziale und legendenhafte Ballade ergänzt.
Spricht man umgangssprachlich von Balladen, so werden darunter gemeinhin die Kunstballaden des 18., 19. und 20. Jahrhunderts verstanden.
Die Balladenform begann mit Gottfried August Bürgers Ballade Lenore (1773). Er wurde angeregt von einer Sammlung englischer und schottischer Geisterballaden sowie durch Johann Gottfried Herders Sammlung Stimmen der Völker in Liedern.
Im Sturm und Drang blieb die Kunstballade weitestgehend als beliebte Dichtungsform erhalten. Da die Kunstballade in besonderem Maße die drei Grundformen der Literatur (Lyrik, Epik und Dramatik) in sich vereinigt, bezeichnet sie Goethe als „Ur-Ei der Dichtung“.
Als hervorragende deutschsprachige Dichter von Balladen gelten Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Ludwig Uhland, Heinrich Heine, Joseph von Eichendorff, Theodor Fontane, Conrad Ferdinand Meyer und Bertolt Brecht. Weiterhin Gottfried August Bürger, Adelbert von Chamisso, Clemens Brentano, Eduard Mörike, Annette von Droste-Hülshoff, Friedrich Hebbel, Detlev von Liliencron, Agnes Miegel und Frank Wedekind. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Georg Britting, Marie Luise Kaschnitz und Peter Huchel. In der englischsprachigen Literatur Robert Burns, Samuel Taylor Coleridge, Dante Gabriel Rossetti und Rudyard Kipling. Als französische Vertreter Eustache Deschamps, François Villon, Clément Marot und Gérard de Nerval.
Die Hinwendung zum mittelalterlichen, nordischen Sujet wie die bevorzugte Darstellung von Helden war gleichzeitig eine Abkehr von der Tendenzliteratur und dem Weltschmerz der ausgehenden Romantik. Der heute fast vergessene Dichter Moritz von Strachwitz prägte die Handlungsballaden seiner Zeit. Protagonisten sind oftmals nordische Helden wie in Das Herz von Douglas. Die Geschichte selbst ist zweitrangig, Heldentum und Tat stehen im Vordergrund. Neben Thomas Percy und Walter Scott prägte er die Balladendichtung des jungen Theodor Fontanes.[1] In seiner Heldenballade Archibald Douglas knüpft er zwar an Strachwitz an, jedoch wird der Konflikt nicht mehr durch das äußere Geschehen dargestellt, sondern in innerpsychische Vorgänge getragen.[2] Die Sammlung Männer und Helden. Acht Preußenlieder bedeutete eine Abkehr von der nordischen Vorzeit wie der konventionellen Heldenfigur. Der König Gorm Grymme wird im gleichnamigen Gedicht Opfer eines von ihm verantworteten Fluches, nachdem er die Kunde vom Tod des Thronfolgers und geliebten Sohnes selbst bringt. Gleichzeitig beruhte die Popularität von Fontanes Behandlung des Douglas-Stoffes und der heute vergessenen Sammlung auf einem von Patriotismus und Nationalismus bestimmten Zeitgeist. In den späteren Balladen des Autors wie John Maynard und Die Brück’ am Tay sieht Walter Hinck das Aufkommen eines neuen Heldentypus'.[3] Medienhistorisch ist der Umbruch zur vorherigen Balladendichtung sichtbar. Fontane ließ sich von Zeitungsnachrichten zu seinen beiden Balladen inspirieren und in John Maynard ruft der Kapitän mit einem Sprachrohr (Vers 33) nach seinem Steuermann. Die schlichte Ballade Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland nennt Hinck „eine legendenhafte Ballade von menschlicher Freundlichkeit, die der Weisheit nahesteht“ und „eine der humansten die wir besitzen“[4] Wenngleich der Held der Ballade ein Adeliger ist, sieht Sabine Becker in der Alltagsthematik und dem Gebrauch des Dialekts eine „Objektivierung der lyrischen Schreibens“[5]. Wie Fontane debütierte Conrad Ferdinand Meyer als Balladendichter. Den Stoff für seine bekannten historischen Balladen entnahm er dem Mittelalter oder frühen Neuzeit, so in Der gleitende Purpur, Die Rose von Newport oder Die Füße im Feuer. Nach Winfried Woesler ging es Meyer weniger um die Vermittlung von Geschichte, sondern um ein „humanistisches Grundanliegen“[6].
Mit dem Aufkommen des Naturalismus verlor die Ballade ihre überragende Stellung. Laut Walter Müller-Seidel lasse sich um das Jahr 1900 eine Zäsur beobachten: „Seit dem Naturalismus, seit dem Symbolismus und Expressionismus ist es mit dieser Lyrik vorbei. Eine Epoche ist zu Ende und mit ihr eine Ästhetik, die ein Jahrhundert gültig war.“[7] Entgegen dem Etikett vom „balladenfeindlichen Naturalismus“[8][9] ließe sich anführen, dass der Wortführer des Naturalismus in Deutschland Arno Holz mit Een Boot is noch buten immerhin eine heute noch bekannte Ballade verfasste, wenngleich er in der Gestalt des Balladerichs Uwe Schievelbein die Gattung karikierte[10]. Ähnlich wie Otto Ernst Ballade Nis Randers orientiert sich Holz’ Ballade am Realismus, weswegen berechtigterweise der naturalistischen Balladendichtung eine eher unbedeutende Rolle wie ein Mangel an Eigenständigkeit zugeschrieben wird[11]. Eine gewisse Ausnahme stellt die Dichtung Detlev von Liliencrons dar, die nicht dem Naturalismus zugerechnet werden kann, doch zur selben Zeit entstand. Seine Balladen zeichnen sich durch formale und motivische Erneuerungen aus, so in den heroischen Balladen Trutz, blanke Hans und Pidder Lüng oder in Die Musik kommt und Der Blitzzug. Walter Hinck weist darauf hin, dass sich der Fischer Pidder Lüng, obwohl eindeutig einer niedrigen sozialen Schicht angehörend, nicht vom Helden der nordischen Ballade unterscheide und Liliencron somit in der Konzeption seines Helden hinter Fontane zurückfällt.[12]
Im Göttinger Musenalmanach kümmerten sich die Neuromantiker Börries von Münchhausen, später Agnes Miegel und Lulu von Strauß und Torney um eine Wiederbelebung der Gattung. 1906 veröffentlicht Münchhausen die Abhandlung Zur Ästhetik meiner Balladen. Bausteine für die Ästhetik der deutschen Ballade, darin er nicht nur sein Verständnis von der Gattung, sondern gleich die antinaturalistische Tendenz seiner Dichtung zum Ausdruck brachte. Während er in seinen historischen Balladen wie Bauernaufstand oder Hunnenzug die Sicht des Adels präsentierte, thematisierte Strauß und Torney das einfache Leben der Bauern und Fischer. Zu romantischen Motiven kam die Mystifizierung und das Unterbewusste hinzu, wie in Miegels Ballade Die Frauen von Nidden oder Ina Seidels Regenballade. Gertrud Kolmars Gedichtband Das Preußische Wappenbuch und der Balladen-Zyklus Robespierre enthalten zahlreiche balladeske Gedichte. Die Neuromantik verhalf die Ballade zwar zur erneuten Popularität, blieb aber in ihrer Gestaltung bewusst traditionell.[11] Dichter wie Stefan George und Georg Trakl, die nicht einseitig der Neuromantik zugeordnet werden können, verfassten neuromantische Balladen wie Das Lied oder Melusine und Ballade[13]. Der Versuch, die Ballade im Sinne der Neuromantik zu erneuern, wird in der Forschung als gescheitert betrachtet.[14][15]
Die Gattung sollte im Expressionismus trotz einiger Gegenbeispiele weiter an Bedeutung verlieren. Nach Walter Hinck sei es zu „weitgehender Abkehr von der Ballade überhaupt“[16] gekommen. In seiner Studie nennt Srdan Bogosavljevic die Germanisten Fritz Pratz und Heinz Piontek, der die expressionistische Ballade unter anderem in den Hebräischen Balladen der Else Lasker-Schüler und in Georg Trakls Junge Magd verwirklicht sah, als Befürworter einer hervorragenden Balladenkunst innerhalb der expressionistischen Lyrik.[17] Nach Bogosavljevic ist dem Helden die heroische Geste fremd, vielmehr handelt es sich um ein isoliertes und leidendes Geschöpf.[18] Als formale Innovation können Georg Heyms vier Sonette zur Französischen Revolution gelten.
Die Ballade erfuhr bereits 1902 abseits von der Neuromantik und dem Expressionismus ihre Erneuerung seitens des Dramatikers Wedekind in dessen Gedicht Der Tantenmörder. Obzwar ein kabarettistischer Text und mit der Gattung Moritat einer volksnahen Dichtung zugehörend, erneuerte die aus dem Bänkelsang kommende Drastik des Stoffes, welche in einem lapidaren Ausdruck mit einfacher Wortwahl gefasst ist, die Balladendichtung ungemein.[19] Bertolt Brecht inszenierte seine Balladen als Erzählgedichte, welche die epische, dramatische und lyrische Gestalt beibehielten, jedoch von den liedhaften Balladen sich durch eine szenische Dramatik, epische Genauigkeit und dem Einsatz von Anaphern wie Sprüche von den traditionellen Balladen grundlegend unterschieden. Brecht, der von der Heldenballade des Realismus ausging, erneuerte in seiner Hauspostille die deutschsprachige Balladendichtung durch die Abkehr von heldenhaften oder vorbildlichen Personen und seiner Hinwendung zu Verbrechern (Apfelböck oder die Lilie auf dem Felde) oder Abenteurer (Ballade von den Seeräubern). Die antibürgerliche Ästhetik des Fin de Siècle mit der Vermengung des Hässlichen und Schönen wie bei Von der Kindsmörderin Marie Farrar oder Hanna Cash wird in den Gedichten genauso rezipiert wie der Volkston aus der Bibelübersetzung Luthers und der Lyrik Kiplings. Die epische Darstellung, welche in Chroniken wegen des Berichtscharakters am Stärksten ist, wird durch die Aufgabe gängiger Reime und der Aufzeichnung des Geschehens ohne daramtische Wendung wiedergewonnen. Vielmehr steht die Auflösung, so der Tod oder der sich ankündigende Tod (Legende vom toten Soldaten). Neben Erneuerungen seiner Vorgänger, wie der Lehrcharakter des wedekinschen Moritats, knüpft Brecht an die szenische Darstellung, welche bereits bei Rilkes Karl der Zwölfte von Schweden reitet in der Ukraine zur Anwendung kam. Der ästhetische Amoralismus seiner Gedichte findet gleichfalls hier einen Vorläufer und Vorbild für Gedichte wie Ballade von Mazeppa. Die Abkehr von der dramatischen Wendung als Höhepunkt oder Umkehr ist weiterhin in den Balladen Erich Kästners anzutreffen. Die Ballade vom Misstrauen oder die berühmtere Sachliche Romanze sind durch knappe Sätze ohne große Erzählbögen geprägt und beinhalten als unerhörte Begebenheit oftmals eine Banalität. Die brechtschen Balladen blieben selbst nach 1945 tonangebend und prägten mehrere Generationen von Lyrikern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden Balladen, welche sich durch feste Themen von den Vorgängern unterschieden. Stephan Hermlins im Exil entstandene Sammlung Zwölf Balladen von den großen Städten stellt thematisch eine Rückbindung zur expressionistischen Großstadtlyrik dar. Die Exilperspektive, welche durch einen vereinsamten Sprecher und seinem vergeblichen Aufruf zum unerreichbaren Kollektiv bestimmt wird, findet sich in zahlreichen Balladen der Zeit wieder. Gleichfalls die zumeist drastisch vorgetragene Friedensmahnung. Marie Luise Kaschnitz zeigt in Hiroshima die Banalität der mörderischen Handlung des Kampfpiloten auf, der in seiner Familienidylle zurückkehrt und keinerlei Reue empfindet. Ähnlich erscheint Peter Huchel in Dezember 1942 jeder Trost nach den Untaten als Illusion, wodurch der Forderung nach Friedensanstrengungen Ausdruck verleiht wird.
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