Loading AI tools
Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zwischen der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU), der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der nach der Bundestagswahl 2013 ausgehandelt (siehe Liste der Teilnehmer an den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD 2013 für die beteiligten Personen) und am 27. November 2013 geschlossen wurde, trägt den Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“.[1]
Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien präsentieren den unterschriebenen Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode. |
Am 29. November stimmten der Parteivorstand der CSU und die Mitglieder der CSU-Landesgruppe einstimmig für den Koalitionsvertrag.[2] Die CDU stimmte dem Vertrag am 9. Dezember auf einem kleinen Parteitag des Bundesausschusses zu.[3] In der SPD stimmte die gesamte Parteibasis in einem Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag ab; das Ergebnis des Entscheids wurde am 14. Dezember bekanntgegeben. Mit 75,96 Prozent stimmten die Mitglieder für ein Bündnis mit der Union. Die Zustimmung der zuständigen Parteigremien war Bedingung für das Inkrafttreten des 185 Seiten umfassenden Dokuments. Besonders innerhalb der SPD war der Koalitionsvertrag stark umstritten.[4]
Nach drei Sondierungsrunden[5] begannen am 23. Oktober 2013, 31 Tage nach der Bundestagswahl, die Koalitionsverhandlungen zwischen den Unionsparteien und der SPD.[6] Die Verhandlungen spielten sich hauptsächlich in zwölf Arbeitsgruppen und vier Untergruppen ab, letzte strittige Punkte wurden in einer 17-stündigen Sitzung der drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) in der Nacht vom 26. zum 27. November 2013 geklärt. Der Vertrag wurde am Mittag des 27. der Öffentlichkeit präsentiert.[7] Am 16. Dezember wurde er von den drei Parteichefs, den drei Fraktionsvorsitzenden und den drei Generalsekretären vor den versammelten Fraktionen dieser Parteien im Paul-Löbe-Haus feierlich unterschrieben.
Ein bundesweiter Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde soll 2015 eingeführt werden. Sogenannte „Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner“ erlauben während einer zweijährigen Übergangszeit Ausnahmen. Auch Ausnahmen bestehen für geltende Tarifverträge, die spätestens Ende des Jahres 2016 die Höhe des dann geltenden Mindestlohns erreicht haben. Ab 1. Januar 2017 soll in jedem Falle der Mindestlohn gelten.[1]
Verschiedene Medien kritisierten die beschlossenen Mehrausgaben von mindestens 23 Milliarden Euro, während man das Ziel der Tilgung von Staatsschulden aufgegeben hätte. Der Koalitionsvertrag sei in wesentlichen Punkten sehr vage gehalten, dort, wo konkrete Aussagen getroffen wurden, seien ausschließlich Ausgabenerhöhungen vorgesehen: „Nie in den letzten Jahren ist in Berlin dem Geldausgeben und staatlicher Intervention von einer eben gewählten Regierung so hemmungslos, ja freudig das Wort geredet worden“. Deutschland riskiere auf europäischer Ebene seine Glaubwürdigkeit beim Eintreten für Budgetsanierung durch Einsparungen.[27] Das Magazin Focus kritisierte „planwirtschaftliche“ Tendenzen; von der Energieumlage über den Mindestlohn bis hin zur Mietpreisbremse würden Eingriffe in die Marktwirtschaft vorgenommen, die nicht zu rechtfertigen seien und schwere volkswirtschaftliche Schäden verursachen könnten.[28]
Umweltverbände und der Bundesverband Erneuerbare Energie kritisierten, dass der Koalitionsvertrag die Energiewende drosselt statt beschleunigt. So seien etwa Ausbaukorridore statt Mindestziele für erneuerbare Energien vorgesehen; dies deckelt faktisch den Zubau erneuerbarer Energien. Die Bedingungen für Erneuerbare Energien werden nicht verbessert, sondern tendenziell eher verschlechtert. Eine Industriepolitik für die Solarbranche fehlt. Die Förderung von Biogas soll auf Reststoffe konzentriert werden anstatt die Ökologisierung des Landbaus voranzutreiben. Geothermie wird nicht erwähnt. Die Einspeisevergütungen für Windstrom sollen auf „gute“ Standorte oberhalb von Referenzstandards beschränkt werden und Genehmigungen für Windkraftwerke sollen erschwert werden (Mindestabstand von 2000 Metern zu Wohnsiedlungen). Für die Bereiche Mobilität, Effizienz und Wärme wurden kaum konkrete Maßnahmen vereinbart. Die zahlreichen Ausnahmetatbestände für Unternehmen bei der EEG-Umlage sollen lediglich "überprüft" werden. Der EU-Emissionshandel soll nicht reformiert werden, obwohl er erhebliche Konstruktionsfehler aufweist und daher derzeit kaum Wirkung entfaltet. Deutschland werde vom "Vorreiter" zum "Mitläufer".[29][30][31][32][33][34][35][36][37][38]
Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor dem 1. Januar 1992 geboren sind, sollen aus Rentenversicherungsbeiträgen finanziert werden. Das wäre ein Bruch mit dem bisherigen Grundsatz, nach dem der Bund die entsprechenden Beiträge aus Steuermitteln einzahlt. Er zahlt aktuell dafür eine jährlich fortgeschriebene pauschale Summe an die allgemeine Rentenversicherung (§ 177 SGB VI). Im ZDFcheck äußerten sich alle befragten Experten ablehnend über dieses im Wahlkampf 2013 von der CDU angekündigte Vorhaben.[39] Auch in anderen Medien wird dies nun kritisch thematisiert.[40] Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen kritisierte: "Die Mütterrente bindet umfangreiche Finanzmittel, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden. Junge Familien müssen während der Kindererziehung unterstützt werden, anstelle den Müttern erst nachträglich im Alter eine leicht höhere Rente zu gewähren. Hier sind die Prioritäten falsch gesetzt."[41]
Zahlreiche Jugendvertreter bemängelten, der Koalitionsvertrag belaste die junge Generation einseitig, so u. a. die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, junge CDU-Politiker,[42] und der BDKJ[43]. In einer Kurzanalyse heißt es: "Die Rentenpolitik der Großen Koalition belastet die junge Generation, ist auf Dauer nicht finanzierbar und passt nicht in die demografische Realität. Sie ignoriert Reformbedarf, etwa bei der Riesterrente, und betreibt teure Klientelpolitik. Im Kampf gegen die wachsende Altersarmut bleibt sie halbherzig."[44]
Von religions- bzw. kirchenkritischer Seite kam nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags Kritik am Umgang mit den beiden großen christlichen Kirchen. Der Humanistische Pressedienst bemängelte unter anderem diese Aussage: „Das bewährte Staatskirchenrecht in unserem Land ist eine geeignete Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften.“, hiermit, so der hpd, werden längst überfällige Reformen betreffend Kirchensteuer etc. übergangen. Auch die Worte „Zum Gedenken an den weit über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus bedeutenden 500. Jahrestag der Reformation 2017 wird auch der Bund einen angemessenen Beitrag leisten. Dankbar stellen wir das Erstarken des jüdischen Lebens in unserem Land fest. Wir unterstützen die jüdischen Gemeinden und die jüdische Wohlfahrtspflege, zum Beispiel bei der Integration von Zuwanderern und dem Auf- und Ausbau von Bildungs- und Kultureinrichtungen.“ wurden bemängelt, da innerhalb zweier Sätze versucht wurde, den Antisemiten Martin Luther in Einklang mit dem Zuzug von Juden nach Deutschland zu bringen.[45]
Ein Inflationsausgleich ist im Vertrag nicht vorgesehen. Erhöhung bei steigender Produktivität ebenfalls nicht. Im Jahr 2017 hätten 8,50 Euro bei 2 % Inflation noch die Kaufkraft von etwa 7,85 Euro aus dem Jahr 2013. Ergänzt man die Annahme einer jährlichen Produktivitätssteigerung von 0,5 Prozent, müsste im Jahr 2017 der Mindestlohn bei 9,40 Euro liegen, um einem Mindestlohn für das Jahr 2013 zu entsprechen, so Marlies Uken in Zeit Online.[46]
Das Mitgliedervotum war teilweise umstritten. Kritisiert wurde, unter anderem von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), dass die SPD-Mitglieder über die zukünftige Koalition entscheiden und damit den Wählerwillen untergraben und entwerten würden.[47][48] Die SPD-Spitze und andere Befürworter des Votums entgegneten, das Votum sei Teil innerparteilicher Demokratie, außerdem entscheide bei der Union ein noch kleinerer Personenkreis über die Koalition.[49] Der Staatsrechtler Christoph Degenhart sieht in dem Mitgliedervotum einen Eingriff in das freie Mandat der Abgeordneten, da so die Mitglieder der Partei darüber entschieden, wie die Fraktion abstimmen solle.[50] Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts beschloss am 6. Dezember 2013 einen Eilantrag einer Privatperson gegen das Mitgliedervotum abzulehnen, da sie das Zustandekommen innerparteilicher Positionen nicht für staatliches Handeln hielt und das freie Mandat der Bundestagsabgeordneten durch das Votum nicht gefährdet sah.[51]
Dem Koalitionsausschuss gehörten bei dieser neuerlichen großen Koalition folgende Mitglieder an:
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.