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Ein Kirchengericht ist ein Rechtsprechungsorgan einer christlichen Religionsgemeinschaft.
Staatskirchenrechtliche Grundlage kirchlicher Gerichtsbarkeit ist das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, das in Deutschland durch das Grundgesetz (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV),[1] in Österreich durch das Bundes-Verfassungsgesetz (Art. 149 Abs. 1 B-VG i. V. m. Art. 15 Staatsgrundgesetz 1867)[2] und in der Schweiz durch die kantonalen Verfassungen (vgl. Art. 72 Abs. 1 BV) gewährleistet wird.
Die Vollstreckung einer kirchengerichtlichen Entscheidung erfordert jedenfalls in Deutschland den Titel eines staatlichen Gerichts als Grundlage. Das gilt auch für etwaige Gerichtsgebühren[3] und die Prozesskostenerstattung.[4] Gestaltungs- und Feststellungsurteile bedürfen keiner Vollstreckung; Leistungsurteile können ggf. auch im Wege der Aufrechnung durchgesetzt werden.[5]
Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist unmittelbar in den beiden großen Kodifikationen geregelt (CIC für die lateinische Kirche, CCEO für die unierten Ostkirchen). Weitere Normen gelten für die Gerichte des Apostolischen Stuhles, z. B. die Konstitution Praedicate Evangelium (PE).
a) Niedere Gerichte sind
Geleitet wird jedes Gericht von einem Gerichtsvikar (Offizial), dem Richter beigegeben sind;[11] ferner gibt es die Ämter des Kirchenanwalts, des Bandverteidigers und des Notars (Urkundsbeamten, 1420–1437 CIC, 1086–1101 CCEO). Die Gerichtsaufsicht wird von der Apostolischen Signatur in ihrer Funktion als Justizverwaltungsbehörde ausgeübt (1445, § 3 CIC, Art. 198 PE, Art. 35, 106 ff. LPSA).
b) Als höhere Gerichte bestehen vereinzelt besondere Gerichte wie
c) Gerichte des Apostolischen Stuhles sind
d) Beispiel Rom
Der kirchliche Gerichtsaufbau ist nicht immer leicht durchschaubar. Im Bereich von Rom beispielsweise gibt es unterhalb der Gerichte des Apostolischen Stuhles sieben kirchliche Gerichte. Geordnet nach zunehmender territorialer Zuständigkeit sind dies
Die ordentliche Gerichtsbarkeit erstreckt sich u. a. auf folgende Angelegenheiten (Grundnormen: 1400 CIC, 1055 CCEO):
Dem Prozessrecht nach bildet das ordentliche Streitverfahren (iudicium contentiosum ordinarium, 1501–1655 CIC, 1185–1342 CCEO)[36] das Grundmuster, auf das an anderer Stelle[37] verwiesen wird.
Erstinstanzlich ist im Allgemeinen ein Einzelrichter zuständig (1424 CIC, can. 1084, § 2, 1089 CCEO). Ehe- und Weihenichtigkeitssachen sowie Strafprozesse, die zur Entlassung aus dem geistlichen Stand oder zur Exkommunikation führen können, werden grundsätzlich vor einem Kollegialgericht mit drei Richtern verhandelt (1425 CIC, vgl. 1084 CCEO).
Zahlenmäßig machen die Ehenichtigkeitsverfahren mit Abstand den größten Anteil aus: 2017 ergingen weltweit 56.890 erstinstanzliche Urteile in Ehenichtigkeitssachen; 86 % davon entschieden für die Nichtigkeit (pro nullitate).[38] 40 % der erstinstanzlichen Urteile wurden in den USA gefällt; Länder mit einem Anteil über 4 % waren Mexiko, Brasilien, Kolumbien, Indien, Italien und Polen. In Deutschland waren es 867 Urteile,[39] in Österreich 164 und in der Schweiz 74. Als Prozessordnung für die lateinische Kirche dient dabei die Instruktion Dignitas connubii (DC) von 2005.[40] Bis 1879 urteilten in manchen deutschen Staaten Kirchengerichte im Bereich des Eherechts mit bürgerlichrechtlicher Wirkung (vgl. § 15 Abs. 3 GVG a. F.).[41] Heute ist in Deutschland unabhängig vom anzuwendenden Recht die Eheschließung[42] wie auch die Ehescheidung[43] eine Angelegenheit staatlicher Behörden bzw. Gerichte (Zivilehe). In vielen katholisch geprägten Ländern sorgen Konkordate mit dem Heiligen Stuhl dafür, dass die kirchliche Eheschließung staatlich anerkannt werden kann; in Ländern wie Italien, Portugal, Spanien, Malta[44] oder Brasilien[45] gilt das auch für die kirchlich festgestellte Ehenichtigkeit. Problematisch ist bei der kanonischen Ehenichtigkeit, dass staatliche Vorschriften etwa zum Unterhalt umgangen werden können, weshalb der italienische Kassationshof die Anerkennung auf Trennung innerhalb von drei Jahren nach der Hochzeit beschränkt hat.[46] In orientalischen Ländern umfasst die Gerichtsbarkeit der kirchlichen Gerichte bisweilen auch heute noch weite Teile des Familienrechts (siehe unten).
Wesentliche Verfahrensschritte sind
Ordentliche Rechtsbehelf gegen ein Urteil (sententia) ist die Nichtigkeitsbeschwerde (querela nullitatis, cann. 1619 ff. CIC, cann. 1302 ff. CCEO) bzw. die Berufung (appellatio, cann. 1628 ff. CIC, cann. 1309 ff. CCEO), gegen ein gerichtliches Dekret (decretum) die Beschwerde[49] (recursus). Bei rechtskräftigen Urteilen ist Wiedereinsetzung möglich (restitutio in integrum, cann. 1645 ff. CIC, cann. 1326 ff. CCEO); in Personenstandssachen, welche nur einer eingeschränkten Rechtskraft fähig sind,[50] Wiederaufnahme (nova causae propositio, 1644 CIC, 1325 CCEO).
Der Instanzenzug kann sich unterschiedlich gestalten:
Im Einzelfall kann für jede Sache auf Antrag vom Papst ein Gericht als zuständig bestimmt werden (ius reclamandi, 1417 CIC, 1059 CCEO; Entgegennahme durch die Apostolische Signatur als Justizverwaltungsbehörde, Art. 198 nn. 2, 3 PE, Art. 115–116 LPSA). Desgleichen kann der Papst von sich aus jede Sache an sich ziehen (ius evocandi, 1405, § 1, n. 4 CIC, 1060, § 1, n. 4 CCEO).
Für die 27 deutschen Bistümer bestehen 21 Gerichte, meist Offizialate, teilweise auch Konsistorien genannt. 11 davon üben auch Rechtsprechung in zweiter Instanz aus (5 erzbischöfliche Gerichte sowie Augsburg, Hildesheim, Münster, Osnabrück, Rottenburg-Stuttgart und Würzburg). In Österreich mit Liechtenstein bestehen 10 Gerichte, in der Schweiz sieben.
Siehe auch: Katholische Kirchengerichte in Argentinien, Belgien, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Malta, Polen, Tschechien, Ungarn.
Gegenüber Verwaltungsakten (cann. 35 ff. CIC, cann. 1510 ff. CCEO) gibt es zunächst einmal nur das verwaltungsinterne Verfahren der hierarchischen Beschwerde (recursus hierarchicus, 1732–1739 CIC, 996–1006 CCEO). Gegen Verwaltungsakte, die von Dikasterien oder dem Staatssekretariat erlassen oder gebilligt wurden, kann jedoch Beschwerde bei der Apostolischen Signatur als Verwaltungsgericht der Kurie eingelegt werden (1445, § 2 CIC, Art. 197 PE, Art. 34, 73–105 LPSA).
Auch Straftaten können prinzipiell im Verwaltungsweg durch außergerichtliches Dekret geahndet werden, wobei allerdings nicht alle Strafen verhängt oder festgestellt werden können (1342 CIC, 1402, § 3 CCEO). Bei schwereren Straftaten, die dem Glaubensdikasterium vorbehalten sind, tritt hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde das Glaubensdikasterium gewissermaßen an die Stelle der Apostolischen Signatur (Art. 24 § 1 der Normen über vorbehaltene Straftaten).
Besondere Gerichte sind in Deutschland auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts (MAVO, KODA) seit 2005 die 11 (inter-)diözesanen Arbeitsgerichte erster Instanz und der bei der Deutschen Bischofskonferenz angesiedelte Kirchliche Arbeitsgerichtshof (KAGH).[57] Wie immer besteht auch hier prinzipiell die Möglichkeit der Anrufung des Apostolischen Stuhls.[58] Ferner gibt es Einigungsstellen für Regelungsstreitigkeiten im Mitarbeitervertretungsrecht (MAVO)[59] und Schlichtungsstellen und -ausschüsse im Arbeitsvertragsrecht (AVO und AVR)[60] sowie Disziplinargerichte für Kirchenbeamte.[61]
Liste der Arbeitsgerichte
(Erz-)Bistum | 1. Instanz | 2. Instanz | |
---|---|---|---|
MAVO | KODA | ||
Aachen | KAG Aachen | KAG Köln | KAGH Bonn |
Essen | KAG Essen | ||
Köln | KAG Köln | ||
Münster (nordrhein-westfälischer Teil) | KAG Münster | ||
Paderborn | KAG Paderborn | ||
Augsburg, München und Freising, Passau, Regensburg; Bamberg, Eichstätt, Würzburg[62] | KAG Augsburg | ||
Freiburg | KAG Freiburg | ||
Fulda | KAG Fulda | ||
Hamburg, Hildesheim, Münster (oldenburgischer Teil), Osnabrück; Berlin, Dresden-Meißen, Görlitz; Erfurt, Magdeburg | GKAG Hamburg | ||
Mainz, Limburg, Speyer,[63] Trier | KAG Mainz | ||
Rottenburg-Stuttgart | KAG Rottenburg |
Eine allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit existiert auch in Deutschland bisher nicht.[64] Im Hinblick auf Art. 91 EU-DSGVO wurden jedoch 2018 zwei kirchliche Gerichte in Datenschutzangelegenheiten errichtet: das Interdiözesane Datenschutzgericht (IDSG) in Köln[65] und als zweite Instanz das Datenschutzgericht der Deutschen Bischofskonferenz (DSG-DBK) in Bonn.[66] Außerdem gibt es in den meisten Bistümern pastorale Schieds- und Schlichtungsstellen.[67]
In der Schweiz besteht im römisch-katholischen Bereich aufgrund kantonalen Verfassungsrechts ein organisatorisches Nebeneinander („duales System“) von Bischofskirche und kantonalen Landeskirchen. Einige der letzteren haben eine eigene Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgebaut; zum Teil sind stattdessen auch staatliche Gerichte zuständig. Die Bezeichnungen der landeskirchlichen Spruchkörper sind Rekurskommission (AR, BL, BS, GR, SZ, ZH[68]), Rekursgericht (AG), Justizkommission (FR) oder Commission juridictionnelle (JU).[69] In höherer Instanz entscheiden staatliche Gerichte.[70]
In orientalischen Ländern wie dem Libanon oder Syrien sind kirchliche Gerichte auch für Verfahren in Sachen der Personalstatute[71] zuständig (Ehe, Kindschaft, Unterhalt, Vormundschaft, Erbrecht, fromme Stiftungen/Waqf, privilegierter Gerichtsstand der Geistlichen).
In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ihren Gliedkirchen und deren Zusammenschlüssen (UEK, VELKD, KEKiN) sind Verwaltungs- und Verfassungs-, Disziplinar- und Lehrbeanstandungs- sowie Arbeitsrechtssachen zu unterscheiden. In den meisten Landeskirchen hat die kirchliche Gerichtsbarkeit eine kirchenverfassungsrechtliche Grundlage.[72] Insgesamt erfolgt eine Orientierung am staatlichen Recht.[73]
Die Mitarbeitervertretungsangelegenheiten machen den größten Anteil der Verfahren aus. Eine Besonderheit des kirchengerichtlichen Verfahrens besteht u. a. darin, dass die Richter nicht nur „an Recht und Gesetz“, sondern auch an „Schrift und Bekenntnis“ gebunden sind.[96] In personeller Hinsicht findet jedoch teilweise eine Verzahnung mit der staatlichen Justiz statt.[97]
Entscheidungen der Kirchengerichte wurden z. B. in der vom Kirchenrechtlichen Institut der EKD 1982 bis 2013 jährlich als Beilage zu Heft Nr. 4 des Amtsblatts der EKD herausgegebenen Rechtsprechungsbeilage[98] publiziert (nunmehr online).
Kirche | Verwaltungsgerichte | Disziplinargerichte | ||
---|---|---|---|---|
1. Instanz | 2. Instanz | 1. Instanz | 2. Instanz | |
EKiHN | KVVG Darmstadt – KVVG >170 Entscheidungen 1954–2023 | — | KG-EKD Hannover (0134, Disziplinarkammer) | KGH-EKD Hannover (0125) – DG.EKD |
EKvW | VK Bielefeld – AGVwGG.EKD >140 Entscheidungen 1977–2024 | KGH-EKD Hannover (0135) – VwGG.EKD | ||
EKBO | VG Berlin – VwGGAG | |||
ELA | KG-EKD Hannover (0136, Verwaltungskammer) ←(ab 2016) | |||
LL | ||||
EKiM | ||||
ERK | ||||
EKiR | ||||
UEK | ||||
EKD | ||||
BEK | G/BEK Bremen – AGVwGG | ? – AGDG | ||
EKvKW | LKGer Kassel – KiVwGG | ? – AG EKKW DG.EKD | ||
EKdPf | VuVG Speyer (XIII 102/09) – VVGG | (101/11) – DG.Pfalz | ||
ELiBa | VG Karlsruhe – VWGG | D – AG-DG.EKD | ||
ELiWü | VG Stuttgart – KVwGG | — | DG – AG DG | |
VELKD | VuVG-VELKD Hannover (RVG) | ReH (Konf 2070) – ReHO | ||
ELLiB | ReH Hannover (Konf R) – ReHO | VuVG-VELKD Hannover (RVG) – KG Err.VVG | ||
ELLH | ||||
ELKiO | ||||
ELLSL | ||||
KEKiN | ||||
ELLS | KVwG Dresden – KVwGG | Disz – AG DG.EKD | ||
ELKiB | VG München (20/27-4/1) – KVGG | DiszK – DG.EKD ErgG | ||
ELKiN | VuVG Kiel (NK-VG) – KiGG, VerfVwGG | ↑ KG-EKD (ab 2022) – DGErgG |
Landeskirche | 1. Instanz | 2. Instanz | |
---|---|---|---|
verfasste Kirche | Diakonie | ||
EKD | Kirchengericht der EKD (Hannover; RegZ: 2708) – § 57a MVG-EKD – AGMVG-EKD – MVG-AusfG – AusfG MVG-EKD | Kirchengerichtshof (Hannover; 0124) | |
ELA | |||
EKiM | |||
ERK | |||
ELiBa | Kirchliches Arbeitsgericht (Karlsruhe; KA) – MVG-Baden | ||
ELKiB | Kirchengericht (München; 26/0-6/4) – AGMVG | ||
EKBO | Schiedsstelle (Berlin) – MVG-AG | Schiedsstelle (Berlin) – RVO/MVG | |
BEK | Gemeinsames Kirchengericht (Bremen) – AusfG/MVG | ||
EKiHN EKvKW | Schlichtungsstelle (Darmstadt) – § 49 MAVG | Kirchengericht für MAV-Sachen (Kassel; K) – MVG.DH | |
Kirchengericht für mav-rechtliche Streitigkeiten (Kassel) – AG.MVG.EKD | |||
KEKiN (ohne ERK) | Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten (Hannover; VR MVG) – MVG-Gerichtsgesetz | ||
ELKiN | Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten (Kiel; NK-MG; ca. 120 Entscheidungen 2004–23) – MAVKiGG | ||
EKdPf | Schlichtungsstelle (Speyer) – § 7 MVG-Pfalz | Schlichtungsstelle (Speyer) – § 7a MVG-Pfalz | |
EKiR | Gemeinsame Schlichtungsstelle (Düsseldorf; GS) – AG.MVG-EKD | ||
ELLS | Schlichtungsstelle (Dresden; SST) – AnwG MVG-EKD | ||
EKvW LL | Schlichtungsstelle (Bielefeld/Münster; M; >60 Entscheidungen 2008–18) – AGMVG, EG MVG-EKD | ||
ELiWü | Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten (Stuttgart; AS; >40 Entscheidungen 2017–23) – MVG.Württemberg |
Trotz Einschränkung der kirchlichen Gewalt zugunsten der Landesherren im Augsburger Bekenntnis von 1530 bestand schon bald die Notwendigkeit zur Einrichtung kirchlicher Gerichte (Konsistorien; Beispiel: Wittenberger Konsistorium mit Justus Jonas d. Ä.), etwa für Ehesachen.[99] Durch das landesherrliche Kirchenregiment ging in der Folgezeit die Streitentscheidung immer mehr auf die Landesherren über, selbst hinsichtlich der Ahndung von Pflichtverstößen Geistlicher;[100] die Konsistorien wurden zu reinen Verwaltungsbehörden.[101] Im weiteren Verlauf lassen sich grob vier Etappen ausmachen:
Landeskirchen | Disziplinargerichte | Verwaltungsgerichte |
---|---|---|
Anhalt | Kirchliches Disziplinargericht → Kirchlicher Disziplinarhof | Landeskirchengericht |
Baden | Kirchliches Dienstgericht[106] | Kirchliches Verwaltungsgericht |
Lippe | Kirchliches Disziplinargericht → Dienststrafgericht | Kirchliches Verwaltungsgericht |
Preußen: Hannover (lutherisch) | Landeskirchengericht → Landeskirchenobergericht | Verfassungsgericht |
Landeskirchen | Gerichte | |
---|---|---|
Lübeck | Kirchengericht | |
Preußen APU/Brandenburg | Rechtsausschuss | Rechtsausschuss der APU[107] |
Preußen APU/Danzig | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Memelgebiet | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Ostpreußen | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Pommern | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Posen-Westpreußen | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Rheinland mit Hohenzollern | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Sachsen | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Schlesien | Rechtsausschuss | |
Preußen APU/Westfalen | Rechtsausschuss | |
Preußen Hannover (reformiert) | Kirchlicher Gerichtshof[108] | |
Preußen Kassel | Kirchengericht | Landeskirchengericht[109] |
Preußen Frankfurt | Disziplinargericht | Landeskirchengericht[110] |
Sachsen | Kirchengericht | Kirchliches Obergericht |
Landeskirchen | Gerichte |
---|---|
Bayern | Dienststrafgerichtshof bei Verfahren gegen Geistliche Dienststrafgerichtshof bei Verfahren gegen Kirchenbeamte |
Bayern: Pfalz | Kirchliches Dienstgericht |
Braunschweig | Kirchliches Dienstgericht → Dienstobergericht |
Bremen | Rechtskammer → Rechtshof |
Hamburg | Disziplinarkammer → Disziplinarhof für Geistliche Dienststrafgerichtshof für nichtgeistliche Beamte |
Hessen | Disziplinarhof |
Mecklenburg-Schwerin | Kirchengericht → Oberes Kirchengericht[111] |
Mecklenburg-Strelitz | Kirchengericht → Oberes Kirchengericht |
Oldenburg | Dienstgericht |
Oldenburg: Birkenfeld | (Dienstgericht) |
Oldenburg: Eutin | Dienstgericht |
Preußen Nassau | Disziplinarhof |
Preußen Schleswig-Holstein | Disziplinarhof |
Reuß ältere Linie | Dienstgerichtskammer → Dienstgerichtshof |
Schaumburg-Lippe | Disziplinarhof |
Thüringen | Dienstgericht[112] |
Waldeck | Kirchengericht |
Württemberg | Disziplinargericht |
Getrennte Disziplinar- und Verwaltungsgerichtsbarkeit
Kombinierte Disziplinar- und Verwaltungsgerichtsbarkeit
Nur Disziplinargerichtsbarkeit
In der Evangelischen Kirche A. u. H. B. in Österreich bestehen folgende Spruchkörper:
In der Schweiz haben elf der evangelisch-reformierten Landeskirchen eigene Spruchkörper mit den Bezeichnungen Rekurskommission (AR/AI, BL, BE/JU/SO, FR, GR, SH, SZ, ZH[119]), Rekursgericht (AG), Rekurs- und Beschwerdekommission (TG) oder Kirchliche Beschwerde- und Rekurskommission (BS). In höherer Instanz sind staatliche Gerichte zuständig.[120]
Bulgarisch-Orthodoxe Kirche:[121]
Rumänisch-Orthodoxe Kirche:[123]
Russisch-Orthodoxe Kirche:[124]
Für die Church of England bestehen:[126]
„Geteilte“ Gerichtsbarkeiten – in Deutschland existierend im Bereich Kirche, aber auch in den Bereichen Sport und Berufsverbände (Vereinsgerichtsbarkeit) – unterliegen nicht der staatlichen Aufsicht, was immer wieder Anlass zur Kritik gibt,[131] insbesondere im Hinblick auf den lange von den Verwaltungsgerichten vertretenen Ausschluss des Rechtswegs zu staatlichen Gerichten in Kirchensachen.[132] Deshalb eröffnet die neuere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung unter Berufung auf den Justizgewährungsanspruch den Rechtsweg zur Überprüfung kirchengerichtlicher Entscheidungen; allerdings ist dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften bei Umfang und Intensität der gerichtlichen Kontrolle Rechnung zu tragen.[133]
Bereits das Alte Testament bringt zum Ausdruck, dass Gerechtigkeit das Ziel von Rechtsprechung sein soll, aber nicht immer erreichbar ist:
„Noch etwas habe ich beobachtet unter der Sonne: An der Stätte, wo man Urteil spricht, geschieht Unrecht; an der Stätte, wo man gerechtes Urteil sprechen sollte, geschieht Unrecht.“
Im Neuen Testament finden sich grundsätzliche Aussagen gegen das Richten im Allgemeinen und die Inanspruchnahme von Rechtsprechung im Besonderen, zum Beispiel:
„Daher wollen wir uns nicht mehr gegenseitig richten. Achtet vielmehr darauf, dem Bruder keinen Anstoß zu geben und ihn nicht zu Fall zu bringen!“
„Ist es nicht überhaupt schon ein Versagen, dass ihr miteinander Prozesse führt? Warum leidet ihr nicht lieber Unrecht? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?“
Diese Aussagen werden überwiegend jedoch nicht als Verbot des justizförmigen Richtens an sich verstanden, sondern nur als Mahnung, andere nicht leichtfertig oder überheblich zu beurteilen. Richter und Prozessparteien sind zu Sachlichkeit und Demut aufgerufen.
Es bleibt allerdings die Frage, inwieweit diesen Prämissen ein formalisiertes und konfrontatives Justizsystem dienen kann, bei dem es (im Gegensatz zur außergerichtlichen Streitbeilegung) in der Regel am Ende einen Gewinner und einen Verlierer gibt.[134]
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