oberste Verwaltungsinstanz der gemeinsamen Armee sowie der Kriegsmarine Österreich-Ungarns (1867–1918) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das k.u.k. Kriegsministerium mit Sitz in Wien, bis 1911 Reichskriegsministerium genannt, war 1867–1918 oberste Verwaltungsinstanz der gemeinsamen Armee, in Friedenszeiten oft (gemeinsames) Heer genannt, sowie der KriegsmarineÖsterreich-Ungarns.
Das Heer stellte den Großteil der Landstreitkräfte Österreich-Ungarns, zu denen auch die den Landesverteidigungsministern in Wien und Budapest unterstehenden Landwehren und der Landsturm gehörten. Heer, Landwehren, Landsturm und Kriegsmarine bildeten die „Bewaffnete Macht“ oder „Wehrmacht“ der Doppelmonarchie unter dem Oberbefehl des Monarchen.
Das Ministerium wurde im Schematismus unter dem Oberbegriff Zentralleitung und Militärbehörden geführt. An der Spitze stand der k.u.k.Kriegsminister (bis 20. September 1911 Reichskriegsminister), der dem Oberkommandierenden[1] unterstand und vom Monarchen ernannt und enthoben wurde.[2]
Das Kriegsministerium war nicht zuständig für:
die königlich ungarische Landwehr (királyi Honvédség oder auch nur Honvéd genannt); sie unterstand der Budapester Regierung
Die beiden Landwehren entstanden als Kompromiss mit Ungarn, das ein von der Wiener Regierung unabhängiges ungarisches Heer anstrebte. Die Rekrutenzahl beider Landwehren zusammen machte aber nur einen kleinen Teil aller Rekruten aus.
Bis zum 31. Mai 1848 war der Hofkriegsrat die zentrale militärische Behörde im Kaisertum Österreich. Sie wurde zum 1. Juni 1848 in ein Kriegsministerium umgewandelt, ohne zunächst die organisatorische Struktur anzutasten. Gerade vor dem Hintergrund der Revolution von 1848/1849 im Kaisertum Österreich blieben seine Kompetenzen jedoch unklar. Als der erste Kriegsminister Theodor Baillet von Latour im Oktober 1848 ermordet wurde, blieb seine Position über Wochen vakant, während militärische Regionalbefehlshaber wie die FeldmarschälleJosef Radetzky und Alfred zu Windisch-Graetz umfassende Vollmachten besaßen. Erst nach den Kämpfen bestimmte der neue Kaiser Franz Joseph I. im Oktober 1849 die militärische Führungsstruktur näher: Das Kriegsministerium sollte sich um die Verwaltung, der Generalquartiermeisterstab um die operative Führung und die Militärzentralkanzlei um Grundsatzfragen und Personalpolitik kümmern. Die Beschränkung stellte insofern ein Problem dar, als der Kriegsminister dem Parlament zunächst noch verantwortlich war (bis zur Aufhebung der Verfassung 1851) und dort Angelegenheiten vertreten musste, die nicht in seiner Entscheidungsgewalt lagen.[3]
Die mächtigste Stellung nahm nun die Militärzentralkanzlei unter Karl Ludwig von Grünne ein, unter dessen Einfluss das Kriegsministerium mehr und mehr Kompetenzen verlor und 1853 schließlich ganz aufgelöst wurde. An seine Stelle trat das Armeeoberkommando unter Erzherzog Wilhelm, das zwar viele Kompetenzen akkumulierte, aber dennoch zur Ineffizienz neigte.[4] Dies wurde im Krieg gegen Sardinien und Frankreich (→ Sardinischer Krieg) offenbar, und als Folge wurde das Armeeoberkommando im Oktober 1859 aufgelöst und durch ein neues Kriegsministerium ersetzt. Der neue Kriegsminister besaß umfassende Vollmachten und neben dem Chef der Militärkanzlei und den Kommandierenden Generalen ein Immediatsrecht. Da ihm auch der Generalquartiermeisterstab untergeordnet wurde, lenkte er fortan die Verwaltung, Organisation und Operationen des Militärs.[5]
Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 legte die Angelegenheiten fest, die beiden Staaten der Doppelmonarchie gemeinsam sein und daher in gemeinsamen Ministerien verwaltet würden. Die Ausgleichsgesetze traten am 21. Dezember 1867 in Kraft.
Vorgesehen war nun ein gemeinsames Reichskriegsministerium, aber die Ungarn lehnten diese Bezeichnung ab. Daher wurde ab 1874 der Begriff Gemeinsames Kriegsministerium genutzt. Erst ab dem Ministerwechsel vom 20. September 1911 wurde der entsprechende Minister, einer ungarischen Forderung entsprechend, k.u.k. Kriegsminister genannt.[6] Dieser wurde nach wie vor vom Monarchen ohne Mitwirkung anderer Verfassungsorgane ernannt und enthoben. Er bildete mit dem k.u.k. Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußern als Vorsitzendem, dem Reichsfinanzminister, später Gemeinsamer Finanzminister genannt, und den beiden Ministerpräsidenten den Ministerrat für gemeinsame Angelegenheiten beider Teile der Realunion Österreich-Ungarn. Der Minister hatte Vortragsrecht beim Monarchen.
Die Kriegsminister entfalteten im Allgemeinen kaum größere politische Aktivität, da bei Heer und Marine zumeist der Monarch selbst, allenfalls assistiert vom Generalstabschef, den Ton angab und die beiden Ministerpräsidenten wesentlichen Einfluss nahmen. Dies führte in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu Stillstand und Überalterung.
Eine spezielle Rolle fiel dem letzten k.u.k. Kriegsminister zu, als Ungarn per 31. Oktober 1918 die Realunion aufkündigte und daher ab 1. November 1918 de jure kein gemeinsames Heer mehr bestand.
Da nach dem Zerfall Österreich-Ungarns weder Österreich noch Ungarn Anteil an der Adriaküste hatte, bestand auch keine k.u.k. Kriegsmarine mehr. Der Kaiser hatte am 30. Oktober entschieden, sie dem neuen südslawischen Staat zu übertragen; die Übergabe führte Kontreadmiral Miklós Horthy am 31. Oktober 1918 in Pola durch.
Minister Stöger-Steiner hatte die Aufgabe, die gesamte bisherige militärische Struktur in Cisleithanien, ab 12. November 1918 unter Aufsicht des Staatssekretärs für HeerwesenDeutschösterreichs, zu liquidieren (siehe bis 31. Oktober 1918 gemeinsame Minister), soweit dies von Wien aus möglich war. Er amtierte in dieser Funktion bis Dezember 1918. Das liquidierende Kriegsministerium wurde im April 1920 in das Militärliquidierungsamt umgewandelt, das bis 1931 bestand.
Das Kriegsministerium hatte seinen Sitz in der Inneren Stadt(1., Am Hofheutige Hausnummer 2; das Gebäude wurde nach 1912 abgerissen), wo während der Revolution von 1848 Kriegsminister Theodor Graf Baillet von Latour gelyncht worden war. Zur Jahrhundertwende war das Ministerium zur Hälfte in Privathäusern und Kasernen untergebracht.[13] 1913 übersiedelte das Ministerium in das an der Wiener Ringstraße neu errichtete Kriegsministerialgebäude(1., Stubenring1), wo es sich bis 1918 befand. Das Denkmal von Feldmarschall Radetzky übersiedelte mit dem Ministerium. Die Marinesektion des Kriegsministeriums, seit Jahrzehnten nicht am Hauptsitz des Ministeriums untergebracht, erhielt 1908 in unmittelbarer Nachbarschaft, 3., Vordere Zollamtsstraße 9, Ecke Marxergasse 2 (Postadresse), ein eigenes Gebäude, an dem bis heute Wappen ehemals österreichischer Adriahäfen zu sehen sind.
Das Kriegsministerium bestand aus mehreren Fachabteilungen, den Hilfsorganen des Kriegsministers und der Marinesektion. Die folgende Darstellung der Struktur des Ministeriums bezieht sich auf den Stand vom Juli 1914, somit auf die Situation unmittelbar vor der Entscheidung des Kaisers, den später Erster Weltkrieg genannten Waffengang zu beginnen.
Vorstand: Generalmajor Karl Bellmond Edler von Adlerhorst
Organisation der Armee im Felde, Personalangelegenheiten der aktiven Generale und Stabsoffiziere, sowie der Militärregistraturbeamten von der VIII. Rangklasse aufwärts. Überwachung des Geschäfts und Dienstbetriebes im ganzen Heer, Preßangelegenheiten, Verordnungsblätter, Militärschematismus, Normalienevidenz und besondere Angelegenheiten, Kanzleidirektion.
Den Sektionen unterstehende Abteilungen:
1. Abteilung
Vorstand: Oberst im Infanterie-Regiment 8 Karl Geřabeck
Personalangelegenheiten der aktiven Oberoffiziere des Soldatenstandes und der Truppenrechnungsführer, sowie der Militärregistarturbeamten von der IX. Rangklasse aufwärts, ferner aller pensionierten Offiziere. Ernennung der Fähnriche bzw. Kadetten. Führen der Qualifikationslisten und Verwaltung der Elisabeth-Theresien-Militärstiftung.
2.W. Abteilung
Vorstand: Generalmajor Karl Czapp
Wehrgesetzliche und aus den Unteroffiziers-Anstellungsgesetzen hervorgehende Angelegenheiten.
2.St. Abteilung
Vorstand: Oberst im Infanterie-Regiment 48 Jobst von Rupprecht
Standes- und Grundbuchsangelegenheiten, Personalangelegenheiten der Mannschaften.
3. Abteilung
Vorstand: Oberst des Generalstabskorps Adam Nowottny
Organisation der Kavallerie und der Traintruppe; Trainwesen
Operative Angelegenheiten, Reichsbefestigung, Kommunikations-, Post- und Telegraphenwesen, Truppendislokation und taktische Ausbildung, Reglements, Generalstabs- und Angelegenheiten der Pioniertruppe, sowie der Fachbildungsanstalten
5. E.B. Abteilung
Vorstand: Oberst des Generalstabskorps Johann Straub
Kommunikationswesen, Angelegenheiten des Eisenbahn-Regiments, Eisenbahnwesen
5.T.B. Abteilung
Vorstand: Oberst des Generalstabskorps Rudolf Schamschula
Post- und Telegraphenwesen, Angelegenheiten des Telegraphen-Regiments
5.M. Abteilung
Vorstand: Oberst des Generalstabskorps Ottokar Landwehr von Pragenau
Organisation und Leitung des Automobil- und Luftschiffwesens, einschließlich der Festungsballonabteilungen und der Freiwilligen-Korps
6. Abteilung
Vorstand: Oberstleutnant im Infanterie-Regiment 27 Hermann Leidl
Organisation und Leitung der Militär-Erziehungs- und Bildungsanstalten, der Offizierstöchter-Erziehungsinstitute, und der Verwaltung der davon betroffenen Stiftungen.
7. Abteilung
Vorstand: Generalmajor Árpád Kiss de Nagy-Sitke
Organisation und Administration der Artilleriewaffe und des Artilleriezeugwesens, sowie des Waffen- und Munitionswesens im Heer
7.P. Abteilung
Vorstand: Artilleriegeneralingenieur Eugen Ritter Schlesinger von Benfeld
Angelegenheiten des Schieß-, Spreng- und Zündmittelwesens, Verwaltungs des Pulvermonopols, Patentwesen.
8. Abteilung
Vorstand: Generalmajor Gustav Stowasser
Organisation des Geniestabes und des Militärbaudienstes, Administration der Geniedirektion, Bau- und Befestigungswesen
8.H.B. Abteilung
Vorstand: Oberst des Ingenieuroffizierskorps Viktor Dziubinski
Organisation des Militärhochbaudienstes, Personalangelegenheiten der Militär-Bauingenieure
Vorstand: Oberst des Generalstabskorps Eduard Ritter von Steinitz
Angelegenheiten der Kriegsbereitschaft und Schlagfertigkeit des k.u.k. Heeres und diesbezügliche statistische Arbeiten
11. Abteilung
Vorstand: Generalintendant Wilhelm Hanauseck
Organisation der Militärintendanz und des Truppenrechnungsdienstes, Gebührwesen, Tax- und Stempelangelegenheiten, Militärkassen, Ersatz- und Passierungsverhandlungen
11.E. Abteilung
Vorstand: Generalintendant Ferdinand Firbas
Unterkunft- und Vorspannsangelegenheiten
12. Abteilung
Vorstand: Militär-Oberintendant 1. Klasse Johann Schubert
Organisation der Verpflegs- und Bettenmagazine, Naturalverpflegung des Heeres, Speditionswesen, Personalangelegenheiten des Militär-Verpflegspersonals
13. Abteilung
Vorstand: Generalintendant Adolf Seipka
Adjustierungsangelegenheiten, Organisation der Monturverwaltungsanstalten. Sicherstellung der Montur, Rüstung und Feldrequisiten.
14. Abteilung
Vorstand: General-Oberstabsarzt Philipp Beck, Chef des Militärärztlichen Offizierskorps
Militärsanitätswesen, Personalangelegenheiten der Militärärzte und Militär-Medikamentenbeamten, Organisation der Militärheilanstalten.
15. Abteilung
Vorstand: Militär-Oberintendant 1. Klasse Georg Warta
Organisation des Militär-Rechnungs- und Kontrollwesens, Rechnungshauptabschlüsse, Liquidierungsangelegenheiten
15.B. Abteilung
Vorstand: Militär-Oberintendant 1. Klasse Josef Anderka
Verfassung und Evidenzhaltung des Heeresbudgets, Ermittlung und Verteilung des Gelderfordernisses
Kanzleidirektion des Kriegsministeriums
Kanzleidirektor: Der jeweilige Vorstand des Präsidialbureaus[16]
Einreichungsprotokoll – Direktor: Oberstleutnant im Gebirgsartillerie-Regiment 6 Josef Ritter Fritsch von Cronenwald
Expedit – Direktor: Oberst im Infanterie-Regiment 8 Josef Löderer
Registratur – Direktor: Militär-Registratur-Unterdirektor Rudolf Ritter von Klar
Der Generalstab, formal unter den Hilfsorganen des Kriegsministers angeführt, konnte sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine autonome Stellung erarbeiten und gab speziell im Ersten Weltkrieg bei militärischen Entscheidungen den Ton an. Der Generalstabschef hatte das Recht, dem Monarchen persönlich zu berichten. Als bei Kriegsbeginn 1914 das Armeeoberkommando gebildet wurde, dem der Generalstab angehörte, gab Franz Joseph I. dem Armeeoberkommandanten Erzherzog Friedrich vor, Generalstabschef Conrad weitgehend unabhängig arbeiten und entscheiden zu lassen.
Sektionschef: Oberst des Generalstabskorps Richard Ritter von Gruber
1. Abteilung – Militärstatistik (Vorstand: Oberstleutnant des Armeestandes Albert Werth)
2. Abteilung – Intendanzwesen (Vorstand: Militär-Oberintendant 1. Klasse Eduard Alscher)
IV. Sektion: Technologiewesen – ein chemisches Laboratorium, eine Sammlung von physikalischen Instrumenten, eine mechanische Werkstätte und eine photographische Werkstätte.
Sektionschef: Oberst des Feldartillerieregiment 1 Leopold Austerlitz
Automobilwesen
Automobilversuchsabteilung: Wien VI. Bez. Gumpendorfer Straße 1 (Techn.Militärkomitee-Gebäude)
k.u.k. Kriegsministerium (Hrsg.): Seidels kleines Armeeschema. Dislokation und Einteilung des k.u.k Heeres, der k.u.k. Kriegsmarine, der k.k. Landwehr und der k.u. Landwehr. Seidel & Sohn, Wien, Nr. 76, 1914.
Walter Wagner: Geschichte des k.k. Kriegsministeriums. 2 Bände, Böhlau, Wien u.a. 1966/71.
Band 1: 1848–1866 (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Bd. 5). 1966.
Band 2: 1866–1888 (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Bd. 10). 1971.
Gunther E. Rothenberg: The Army of Francis Joseph, West Lafayette 1998, S. 40f; Denise Geng: Monarch und Militär - Zum Verhältnis von politischer und militärischer Führung im 19. Jahrhundert, Berlin 2013, S. 79f