Franz Volhard wurde zweimal bei Luftangriffen auf Frankfurt ausgebombt. 20 Familienangehörige (darunter 13 Enkel) hatten sich vor den Bombenangriffen in seinem Haus in Masserberg (Thüringen) in Sicherheit gebracht. Diese Angehörigen holte Volhard persönlich im Mai 1945 mit einem von den Amerikanern organisierten Bus – vor Einrücken der Roten Armee in Thüringen – in die US-Besatzungszone.
Volhard starb 1950 an den Folgen eines Autounfalls. Sein Grab befindet sich auf dem Hauptfriedhof Frankfurt (Gewann V 311), wo auch seine Frau Else 1949 beigesetzt wurde.[5][6]
Kurzzeitig leitete er die Medizinische Klinik in Halle, war von 1905 bis 1908 Chefarzt der Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses Dortmund und übernahm 1908 (bis 1918) die Direktion der Städtischen Krankenanstalten in Mannheim, die er zu einem vorbildlichen Klinikum aufbaute. Die pflegerische Leitung des Klinikums oblag ab dem Jahr 1909 Oberin Mathilde von Horn. 1908 wurde Volhard nach London eingeladen, wo er mit William Osler und dem Physiologen Ernest Starling zusammentraf.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 wurde Volhard kurzzeitig als Marinearzt nach Kiel eingezogen, konnte aber bald nach Mannheim in seine Klinik zurückkehren. Dort betreute er auch die Reservelazarette internistisch und richtete ein spezielles „Nierenlazarett“ ein. Seinen Vorschlag einer „Hunger- und Dursttherapie“ (auch Volhardsche Hunger- und Durstkur[7] genannt) der „Kriegsnephritis“ (akute diffuse Glomerulonephritis) trug er 1916 auf einer außerordentlichen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im deutsch besetzten Warschau vor. Diese Therapie hatte sich laut Wilhelm Stepp „überall in der Welt durchgesetzt“. Volhard schloss sich als konservativer Patriot 1917 der Deutschen Vaterlandspartei an.
1933 setzte er sich als Dekan mehrfach für jüdische Fakultätsmitglieder ein, deren Entlassung er aber nicht verhindern konnte. Seine Möglichkeiten wurden daraufhin eingeschränkt, trotz Mitgliedschaft in mehreren Unterorganisationen der NSDAP. Es gibt allerdings auch Hinweise darauf, dass er sich aktiv an der Vertreibung jüdischer Fakultätsmitglieder beteiligt hat, so im Falle des Kinderheilkundlers Paul Grosser. Im Frankfurter Personenlexikon heißt es hierzu: „Am 29.4.1933 ‚legte‘ ihm der Dekan der Medizinischen Fakultät, Franz Volhard, in einem Schreiben ‚nahe‘, auf seine Vorlesungen ‚in Anbetracht der gegenwärtigen Einstellung der Studentenschaft verzichten zu wollen‘... Sein [Grossers] Antrag, von der Medizinischen Fakultät beurlaubt zu werden, wurde von deren nationalsozialistischem Dekan im November 1933 abgelehnt.“[9]
Während einer Südamerikareise erreichte Volhard die Nachricht seiner (Zwangs-)Emeritierung zum 1. Oktober 1938, die er – trotz seines Alters von 66 Jahren – in Anbetracht seiner Leistungen und Vitalität als ungerecht empfand. Sein Nachfolger war von 1939 bis 1945 der „stramme Nationalsozialist“ Wilhelm Nonnenbruch, bis Franz Volhard seine Tätigkeit in der Frankfurter Universitätsklinik fortsetzen konnte.[10]
Franz Volhard als Zeuge im Nürnberger Ärzteprozess, 1947
Volhard entwickelte eine quantitative Trypsinbestimmungsmethode, arbeitete über die Kohlensäurevergiftung, die Tuberkulinbehandlung und die Differentialdiagnose der Herzfehler sowie den Herzblock. Er stellte 1909 ein Quecksilbermanometer zur oszillatorischen beziehungsweise zur auskultatorischen Messung des diastolischenBlutdrucks vor und forschte mit Theodor Fahr über Nierenkrankheiten. 1910 wurde der nach Volhard benannte Wasser- und Konzentrationsversuch in die Diagnostik von Nierenkrankheiten eingeführt.[11] Volhard klassifizierte Schrumpfnieren nach funktionellen Gesichtspunkten. Volhard und Fahr teilten 1914 die „Brightschen Nierenkrankheiten“ neu ein in degenerative Erkrankungen (Nephrosen), entzündliche Erkrankungen (Nephritiden) und arteriosklerotische Erkrankungen (Skerosen).[12] Vor allem die Nierenpathologie stand nun im Vordergrund: Nach zehnjähriger Vorarbeit erschien 1917 eine erste große zusammenfassende Arbeit über Nierenerkrankungen, in der Nierenfunktionsstörungen ausführlich behandelt und die pathogenetische Einteilung in Nephritiden (entzündlich), Nephrosen (degenerativ) und Nephrosklerosen (arteriosklerotisch) nochmals vorgestellt wurde.
In Halle führte er die klinische Hauptvorlesung durch und beschäftigte sich mit der Pathophysiologie des Lungenemphysems sowie ophthalmologisch-renalen Fragestellungen. Auf dem Kongress für innere Medizin in Wien 1923 referierte er erstmals die Symptomatologie und die Pathomechanismen des „blassen“ (von einer Durchblutungsstörung der Niere ausgelösten) und des „roten“ (beruhend auf einer verminderten Dehnbarkeit des arteriellen Systems) Hochdrucks. Im gleichen Jahr berichtete er über die operative Therapie des Panzerherzens (Perikardresektion, gemeinsam mit Viktor Schmieden) und prägte den Begriff der kardialen Einflussstauung. Er führte unter anderem die bereits 1920 von Fr. M. Allen inaugurierte salzfreie Diät bei Herzerkrankungen und Hypertonie in Deutschland[13] ein.
1916 erklärte Franz Volhard auf dem Warschauer Kongress, dass die allgemeine Gefäßverengerung auf noch geheimnisvollem Wege zustande kommen soll.[14] 1918 veröffentlichte er seine grundlegende Arbeit Die doppelseitigen hämatogenen Nierenerkrankungen (Bright’sche Krankheit) in der ersten Auflage des Handbuches der inneren Medizin.[15] 1931 erschien dann als Band 6 (Teile 1 und 2) der zweiten Auflage des Handbuchs der inneren Medizin[16] Volhards fast 2000-seitiges Hauptwerk Die doppelseitigen hämatogenen Nierenerkrankungen (im Klinikjargon: „Handbuch der Nierenerkrankungen“ oder auch kurz die „Nierenbibel“; jetzt ohne den Zusatz Bright’sche Krankheit[17]). 1942 veröffentlichte er seine Vortragssammlung über Nierenerkrankungen und Hochdruck. Zu Franz Volhards Spezialgebieten gehörte auch die heute als Pseudowissenschaft abgelehnte Iridologie.
Er setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in zahlreichen Vortragsreisen für die Wiederaufnahme Deutschlands in die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft ein.
Volhard publizierte 156 wissenschaftliche Beiträge und war Mitglied in mehr als 12 wissenschaftlichen Gesellschaften. Unter ihm habilitierten sich 18 Schüler, aus denen sich bedeutende Wissenschaftler entwickelten. Er war der Gründer einer großen und weitreichenden internistisch-nephrologischen Schule in Deutschland.
Filtrations-Rückresorptions-Theorie
Zusammenfassung
Kontext
Klare Vorstellungen über die Arbeitsweise der Nieren bei der Harnbereitung hatte zuerst 1842 Carl Ludwig.[19] Nach seiner mechanischen Theorie findet die physikalische Filtration des Plasmas in den Glomeruli statt. Anschließend komme es zur Rückdiffusion von Wasser durch eine Endosmose im Tubulus.[20] Wie viele andere Nephrologen lehnten auch Franz Volhard und Wilhelm Nonnenbruch diese Filtrations-Rückresorptions-Theorie ab. Trotzdem beschrieb Volhard zutreffend „extrarenale Ursachen“ der Niereninsuffizienz.[21] Eine „Herzinsuffizienz mit Ödembereitschaft“ führt zur „Nephritis ohne Nierenerscheinungen“ oder analog zur „Kriegsnephritis ohne Nephritis“, also zur „Feldnephritis unter rein extrarenalen Verlaufsformen“.[22]
Franz Volhard hat diese „Filtrations-Rückresorptions-Theorie von Ludwig und Cushny“ 1931 ausführlich beschrieben, aber trotzdem mehrfach abgelehnt.[23][24] Volhard betonte die Bedeutung eines Verständnisses der Niereninsuffizienz:
„Ich habe aber den Eindruck gewonnen, daß die Frage der Niereninsuffizienz in den Vordergrund des Interesses gestellt werden muß. Sie zieht sich wie ein ‚roter Faden‘ durch das Labyrinth der pathologischen Physiologie und Klinik der Nierenkrankheiten und gibt für die allgemeine Betrachtung wie für den einzelnen Fall einen Hinweis von grundlegender Bedeutung.“[25][26]
Theodor Fahr schrieb 1925, „daß nach Volhard vielleicht Glomerulus und Tubulus wechselweise in der Funktion für einander eintreten. Auch Jores lehrt, daß die Glomerulusfunktion durch die Tubuli übernommen werden könne.“[27]
Franz Volhard definierte 1931 die Tubulusinsuffizienz irrtümlich als ein Konzentrationsunvermögen, das nur dadurch kompensiert werden kann, dass die Glomeruli mehr leisten, so dass es zu einer Polyurie kommt.[28][29] Es wurde nicht erkannt, dass die Polyurie von einer Tubulusunterfunktion und nicht von einer Glomerulusüberfunktion verursacht wird. „Hiernach erscheint der Begriff der Tubulärinsuffizienz, wie ihn schon Franz Volhard und neuerdings besonders Wollheim und Moeller (Eggert Hugo Heiberg Møller (* 1893) aus Hellerup in Dänemark, 1952) benutzten, nämlich als einheitliches Syndrom aller Konzentrationsstörungen gleich welcher Ätiologie, Pathogenese und Ausprägung, als zu umfassend und zu wenig differenzierend, um hieraus eine grundlegende Neuordnung der nephrologischen Nosologie (Ernst Wollheim 1963) abzuleiten.“[30] „Die Diskussion darüber, ob die Tubuli sezernieren oder resorbieren, ist nicht zur Ruhe gekommen.“[31]
Begriffe
Zusammenfassung
Kontext
Nach Franz Volhard wurden benannt:
der Volhardsche Atemstoß (Kerzenversuch nach Volhard mit Ausblasenlassen einer Kerzenflamme zur Bestimmung des Atemsekundenvolumens)
das Volhardsche Frühstück („Ölfrühstück“ mit Gabe von 200 ml Olivenöl durch eine Duodenalsonde)
der Volhardsche Handgriff (zur Beurteilung der Atemexkursionen)
die Volhardsche Hochdrucktheorie (verminderter Vasomotorentonus mit Steigerung der Herzarbeit)
der Volhardsche Konzentrationsversuch (zur Prüfung der konzentrativen Nierenleistung)
die Volhardsche Krankheit (Nephrosklerose bei der malignen Hypertonie)
die Volhardsche Nierenfunktionsprobe (Volhardscher Konzentrationsversuch, Volhardscher Verdünnungsversuch[32])
das Volhardsche Schema (zur Klassifizierung der glomerulären Nephropathien)
Die Franz-Volhard-Medaille war seit 1980 die höchste Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, die zudem noch den Franz-Volhard-Preis vergab. Seit 2023 vergibt die DGfN diese beiden Preise unter anderen Namen, die nicht mehr mit Franz Volhard verknüpft sind. Der Vorstand der DGfN beschloss diesen Schritt „angesichts der Einstellung und des Verhaltens von Prof. Volhard zum Fehlverhalten von Kollegen und der Tatsache, dass er schon damals geltende medizinethische Grundsätze missachtete.“ Volhard habe nach dem Zweiten Weltkrieg Versuche an KZ-Häftlingen und Versuche an Kindern, die Ende der 1940er Jahre durchgeführt worden waren, gerechtfertigt.[36] Aus dem gleichen Grund wurde der „Franz-Volhard-Hörsaal“ des Universitätsklinikum Frankfurt in „Hörsaal 22:2“ umbenannt.[37]
Benennungen
Franz-Volhard-Klinik in Berlin-Buch
Familie Jacob Volhard und Josefine Volhard in Halle 1905 (Franz Volhard ganz links)Professor-Franz-Volhard-Klinik in Masserberg/Thüringen
Station Volhard und Haus Volhard im Universitätsklinikum Gießen (benannt auch nach seinem Vater Jacob Volhard?)
Aussprüche und Varia
„Damit Ihr keinen Unsinn über mich schreibt“ (zu seinen Schülern 1942, als er ihnen eine von ihm selber vorbereitete Laudatio zu seinem 70. Geburtstag übergab)
„Meine Herren haben einen 24-stündigen Arbeitstag. Was sie in der Zwischenzeit tun, ist mir egal.“
„Wie kommst Du dazu, mir zu widersprechen?“ (nachts zu einem heranzitierten Mitarbeiter)
„Die Wahrheit von heute ist der Irrtum von morgen.“ (unter ausdrücklicher Bezugnahme auf sein eigenes Schaffen; zitiert von seinem Sohn, dem Professor Ernst Volhard)[38]
Franz Volhard, seine Klinik und seine Behandlung werden in dem Frankfurter Reisebericht[39] des türkischen Schriftstellers Ahmet Haşim geschildert, der im Herbst 1932 sein Patient war.
Das stattliche Haus in Masserberg im Thüringer Wald, das Volhard 1922 erworben hatte und das Zuflucht seiner Töchter und Schwiegertöchter und von 13 Enkeln vor den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg war, verkam zur DDR-Zeit und wurde abgerissen.
Schriften (Auswahl)
Zusammenfassung
Kontext
Ein ausführliches Literaturverzeichnis (von 1897 bis 1950) findet sich im Buch Franz Volhard – Erinnerungen anlässlich seines 110. Geburtstages; dort fehlt jedoch seine umstrittene Kochsalzfreie Krankenkost.[40]
Experimentelle und kritische Studien zur Pathogenese der Eklampsie. Medizinische Dissertation Halle 1897–
Über das fettspaltende Ferment des Magens. (Medizinische Habilitationsschrift). In: Zeitschrift für Klinische Medizin. Band 43, 1901, S. 302 ff.
Über die funktionelle Unterscheidung der Schrumpfnieren. In: Verhandlungen Dtsch Kongr inn Med. Band 27, 1910, S. 735 ff.; gekürzt auch in Der Internist. Band 10, 1969, S. 102–105.
mit Theodor Fahr: Die Bright’sche Nierenkrankheit. Klinik, Pathologie und Atlas. Berlin 1914.
Der arterielle Hochdruck. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Band 35, 1923, S. 134 ff.
Die kochsalzfreie Krankenkost. 1930; 10. Auflage 1942; 13. Auflage. Herausgegeben von seinem Sohn Ernst Volhard. Johann Ambrosius Barth Verlag, München 1952.
Die doppelseitigen hämatogenen Nierenerkrankungen. In: Gustav von Bergmann, Rudolf Staehelin (Hrsg.): Handbuch der inneren Medizin. 2. Auflage, Verlag von Julius Springer, Berlin/Heidelberg 1931, Band 6, zwei Teile, ISBN 978-3-662-42701-9 (Nachdruck von Teil 2, Seiten 1025–2140).
Nierenerkrankungen und Hochdruck. Leipzig 1942.
Blutdruck und Niere. In: Erwin Becher: Nierenkrankheiten. 1. Band. Verlag von Gustav Fischer, Jena 1944, S. 318–339.
Helmut Siefert: Franz Volhard und die Frankfurter Medizinische Fakultät (1933–1938). In: Frankfurter Beiträge. Band 15: Medizin in Frankfurt am Main. Hildesheim 1994, ISBN 3-487-09894-6, S. 214–232 und 335–340.
Claudia Kronschwitz: Franz Volhard: Leben und Werk. Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-921345-12-X (zugleich medizinische Dissertation Frankfurt).
Hans Erhard Bock: Franz Volhard zur Vollendung seines 75. Lebensjahres. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift. Band 72, 1947, S. 233.
Werner Erwin Gerabek: Volhard, Franz. In: Werner Erwin Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1453–1454.