Völklinger Hütte
Industriedenkmal und Weltkulturerbe in der saarländischen Stadt Völklingen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Industriedenkmal und Weltkulturerbe in der saarländischen Stadt Völklingen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Völklinger Hütte | |
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UNESCO-Welterbe | |
Eingangsbereich des Weltkulturerbes Völklinger Hütte | |
Vertragsstaat(en): | Deutschland |
Typ: | Kultur |
Kriterien: | (ii), (iv) |
Referenz-Nr.: | 687 |
UNESCO-Region: | Europa und Nordamerika |
Geschichte der Einschreibung | |
Einschreibung: | 1994 (Sitzung 18) |
Die Völklinger Hütte ist ein 1873 gegründetes ehemaliges Eisenwerk in der saarländischen Stadt Völklingen. Es wurde 1986 stillgelegt.
1994 erhob die UNESCO die Roheisenerzeugung der Völklinger Hütte als erstes Industriedenkmal aus dem Zeitalter der Industrialisierung in den Rang eines Weltkulturerbes der Menschheit. 2007 wurde sie für die Auszeichnung als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland nominiert. Sie ist ein geschütztes Kulturgut nach der Haager Konvention.
Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist heute ein wichtiger Standort der Industriekultur in Europa und Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH).
Die Hütte befindet sich südwestlich der Innenstadt Völklingens, unmittelbar am Bahnhof Völklingen, dessen umfangreiche Gleisanlagen dem Rohstofftransport und dem Personenverkehr zur Hütte dienten.[1]
1873 gründete der Hütteningenieur Julius Buch bei Völklingen an der Saar ein Puddel- und Walzwerk. Nach sechs Jahren musste er sein Werk schließen, da der Betrieb sich aufgrund billiger Importe britischen Roheisens und fehlender Einfuhrzölle nicht länger rentierte.
Im Jahr 1881 kauften die Gebrüder Röchling unter Leitung von Carl Röchling die stillgelegten Anlagen und wenig später konnte der erste Hochofen in Betrieb gehen. 1890 waren die „Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke“ der größte Eisenträgerhersteller Deutschlands.
Ein Jahr später wurde das Thomas-Stahlwerk der Völklinger Hütte eröffnet. Das Thomas-Verfahren wurde relativ spät eingeführt, zeigte jedoch bald Erfolge. Denn nun konnte auch die lothringische Minette, ein Eisenerz aus der benachbarten Grenzregion, in Völklingen verhüttet werden. Bis 1963 wurde die Minette zur Verhüttung eingesetzt.
Um die zur Stahlherstellung notwendigen hohen Temperaturen zu erreichen, brauchte man vor allem Koks. Deshalb wurde 1897 die erste Koksbatterie direkt neben den Hochöfen errichtet. Drei Jahre später nahm die erste Gasgebläsemaschine ihren Betrieb auf. 1911–1914 entstand die Hängebahnanlage mit ihren charakteristischen Schrägaufzügen zur Beschickung der Hochöfen.
Ins Jahr 1911 fällt der Einsatz der weltweit ersten Trockengasreinigung. Diese reinigte das im Hochofenprozess anfallende Gichtgas von Festbestandteilen. Anschließend konnte das Gas zum Antrieb der Gasgebläsemaschinen und zum Heizen der Cowper und der Koksbatterien genutzt werden. Die Technik war so erfolgreich, dass sie weltweite Verbreitung fand.[2]
1913 erfolgte der Bau der Möllerhalle in der neuen Stahlbetontechnik zur Lagerung von aufbereitetem Erz.
Während des Ersten Weltkrieges arbeiteten bis zu 1.446 russische Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter aus Polen, Belgien, Frankreich und Italien in den Röchling‘schen Eisen- und Stahlwerken. Mindestens 143 von ihnen kamen in dieser Zeit zu Tode.[3]
1917/1918 erfolgte der Bau des Wasserhochbehälters in Betonskelettbautechnik.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges stand die Völklinger Hütte bis 1922 unter französischer Sequesterverwaltung.
Am 16. Januar 1928 explodierte ein Hochofen. Die Explosion war das bis dahin schwerste Einzelunglück in der Geschichte der Völklinger Hütte – 13 Menschen starben.[4]
Als 1928 die Sintertechnik Einzug hielt, entstand in Völklingen eine der modernsten und größten Sinteranlagen Europas. Sie erlaubte das Recycling von Abfallprodukten wie Gichtstaub und Feinerz.
Während des Zweiten Weltkrieges arbeiteten etwa 70.000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in den Bergwerken, Hütten und Fabriken des Saarreviers. In der Völklinger Hütte waren von 1942 bis November 1944 12.393 Männer und Frauen aus Albanien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Italien, Jugoslawien, Kroatien, Luxemburg, Litauen, Marokko, Niederlande, Polen, Serbien, Slowenien, der Sowjetunion, Tschechien, Ukraine und Ungarn unter schwersten Bedingungen beschäftigt. 261 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene kamen in dieser Zeit ums Leben.[5]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Völklinger Hütte abermals unter französische Sequesterverwaltung gestellt.
1952 erreichte die Hütte ihren Produktionshöchststand, bedingt durch den Bauboom in der Nachkriegszeit. Erst mit der Rückkehr des Saarlandes nach Deutschland Ende 1956 erhielten die alten Besitzer, die Industriellenfamilie Röchling, die Völklinger Hütte zurück.
Im Jahr 1965 zählten die gesamten Produktions- und Verwaltungsbereiche der Völklinger Hütte insgesamt 17.000 Mitarbeiter. Die weltweite Stahlkrise erfasste 1975 auch die Völklinger Hütte. Während der luxemburgische Stahlkonzern Arbed bis 1971 im Saarland den Standort Burbach betrieb, fusionierte die Völklinger Hütte mit den „Vereinigten Hüttenwerken Burbach-Eich-Düdelingen“ zur gemeinsam mit Röchling betriebenen „Stahlwerke Röchling-Burbach GmbH“. Mit der Integration des Neunkirchener Eisenwerks wurde 1982 die Arbed Saarstahl GmbH geschaffen. Daraus entstand 1986 die Saarstahl Völklingen GmbH und 1989 die Saarstahl AG. Umgangssprachlich wird das gesamte Völklinger Werksgelände der Saarstahl AG ebenfalls als Völklinger Hütte bezeichnet.
Nach der Stilllegung der Roheisenphase 1986 wurde dieser Teil als Industriedenkmal unter Denkmalschutz gestellt.[6]
Anfang der 1990er Jahre wurde das Industriedenkmal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seither finden auf dem Gelände verschiedenste Kulturveranstaltungen statt. Das Spektrum reicht vom Open-Air-Rockkonzert über Kammermusik bis hin zu Ausstellungen über Mensch, Natur und Technik.
1994 erklärte die UNESCO die Roheisenerzeugung der Völklinger Hütte zum Weltkulturerbe. Das heutige Welterbe umfasst mit 7,46 Hektar Grundfläche nur einen Bruchteil des rund 260 Hektar großen Völklinger Saarstahl-Areals.
Die „Stiftung Industriekultur“ wurde Anfang 1996 mit dem Ziel gegründet, die Geschichte der Völklinger Hütte zu präsentieren und das Gelände kulturell zu erschließen. In der Wirkungszeit ihres Vorstands Franz Zeithammer (bis Februar 1998) geriet sie nach Anfangserfolgen in finanzielle Turbulenzen.[7] Im Juli 1999 wurde die Stiftung durch die neue Trägergesellschaft „Weltkulturerbe Völklinger Hütte – Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur“ abgelöst. Zum ersten Generaldirektor und Leiter der Geschäftsführung berief das Saarland den Kulturmanager Meinrad Maria Grewenig.
Die Hüttenlandschaft wird seit 1999 durch eine Lichtinstallation von Hans Peter Kuhn illuminiert. Im Jahr 2001 folgte die Erweiterung der nächtlichen Szenerie um eine Lichtinstallation des Wasserhochbehälters und des Pumpenhauses von Michael Seyl. Seit 2021 sind dank Austausch der alten Leuchtkörper gegen LED-Strahler sowie einer neuen Digitalsteuerung wechselnde Lichtprogramme möglich.
Seit 2004 kann das ScienceCenter Ferrodrom erkundet werden,[8] eine multimediale Erlebniswelt rund um Eisen und Stahl. Es gibt Exponate zur Kulturgeschichte des Eisens, Eisen zum Anfassen, Filme, und Interviews mit Zeitzeugen.
2012 war das Areal erstmals Veranstaltungsort des electro magnetic. Im Rahmen der „European Festival Awards“ im holländischen Groningen wurde es als „Bestes Neues Festival Europas 2012“ ausgezeichnet[9] und lief erfolgreich bis ins Jahr 2019.
Seit 1. Mai 2020 ist Ralf Beil Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte.[10]
Anstelle des pandemiebedingt ausgefallenen electro-magnetic-Festivals fand 2020 der Performance-Parcours „Staatstheater goes Völklinger Hütte“ in Kooperation mit dem Saarländischen Staatstheater statt: Best Practice Pandemic Theatre auf dem weitläufigen Gelände des Welterbes Völklinger Hütte.
Folgende Bereiche des ehemaligen Eisenwerkes können besichtigt werden:
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