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Stadt im Landkreis Görlitz, Sachsen, Deutschland Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Herrnhut (oberlausitzisch: Harrnhutt, auch Harrnutt[2]; obersorbisch Ochranow[3]; tschechisch Ochranov[4]) ist eine Stadt im sächsischen Landkreis Görlitz in der Oberlausitz. Zentral zwischen den Städten Löbau und Zittau gelegen, ist sie als Gründungsort der Herrnhuter Brüdergemeine, durch die Produktion der Herrnhuter Sterne und internationale Missionsarbeit bekannt.
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Koordinaten: | 51° 1′ N, 14° 45′ O | |
Bundesland: | Sachsen | |
Landkreis: | Görlitz | |
Höhe: | 344 m ü. NHN | |
Fläche: | 74,13 km2 | |
Einwohner: | 5814 (31. Dez. 2023)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 78 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 02747 | |
Vorwahl: | 035873 | |
Kfz-Kennzeichen: | GR, LÖB, NOL, NY, WSW, ZI | |
Gemeindeschlüssel: | 14 6 26 180 | |
LOCODE: | DE HH4 | |
Stadtgliederung: | Kernstadt, 12 Ortsteile | |
Adresse der Stadtverwaltung: |
Löbauer Straße 18 02747 Herrnhut | |
Website: | www.herrnhut.de | |
Bürgermeister: | Willem Riecke (HL Herrnhuter Liste) | |
Lage der Stadt Herrnhut im Landkreis Görlitz | ||
2016 wurde Herrnhut der Ehrentitel „Reformationsstadt Europas“ durch die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa verliehen.[5] Am 26. Juli 2024 wurden die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.[6]
Durch die Eingliederung der Gemeinden Ruppersdorf, Strahwalde, Großhennersdorf und Berthelsdorf hat die Stadt Herrnhut neben der Kernstadt zwölf Ortsteile.[7] Während Friedensthal aus nur sehr wenigen Häusern besteht, ist Großhennersdorf der größte Ortsteil.
Die Gründung von Herrnhut auf dem „Hut(s)berg“ bei Berthelsdorf zwischen Löbau und Zittau verdankt sich der Großzügigkeit und dem persönlichen Engagement von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf. Er hatte im Jahr 1722 Böhmischen Brüdern, Glaubensflüchtlingen aus Mähren, Aufnahme auf seinem Gut Berthelsdorf gewährt. Noch heute erinnert ein Gedenkstein (51° 0′ 38,8″ N, 14° 45′ 0,8″ O ) im Eulbusch an den Baubeginn der Siedlung am 17. Juni 1722.[8]
Doch die Geschichte Herrnhuts beginnt viel früher. 1457 entstand eine der ersten evangelischen Kirchen in Böhmen, die Unitas Fratrum oder Brüder-Unität. Die „Böhmischen Brüder“ beriefen sich auf den Reformator Jan Hus, der 1415 in Konstanz als Ketzer verbrannt wurde. Für ihre Gemeinschaft sollten einzig und allein die Aussagen der Bibel gelten. Infolge der Gegenreformation kamen sie Anfang des 18. Jahrhunderts als Glaubensflüchtlinge auf das Gut von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf in der Oberlausitz. Er gewährte ihnen Asyl. Ihrer ausgeprägten Religiosität entsprechend stellten sie ihre Gemeinschaft unter die „Obhut des Herrn Jesus“ und nannten ihre Kolonie Herrnhut, wie es in der ersten urkundlichen Erwähnung, einem Schreiben des Gutsverwalters Heitz, und auch im Gebet des Christian David zum Anbau des Ortes heißt (Psalm 84,4 LUT).
Die Ausstrahlung dieser neuen Arbeits- und Lebensgemeinschaft erreichte in kürzester Zeit Menschen aus anderen Kirchen. Dies beruhte nicht zuletzt auf den besonderen Gaben des Grafen Zinzendorf, der seine vom Pietismus geprägte Theologie weiterentwickelte. Nach seinem Tod 1760 vererbte er den Brüdern das Schloss und das Gut.
Wegen Zuzugs wurde Herrnhut noch im 18. Jahrhundert eine administrative Gemeinde. Sie erlangte 1895 Selbständigkeit und erhielt 1929 das Stadtrecht.
Am 9. Mai 1945 – einen Tag nach dem Kriegsende in Europa – fiel ein Großteil der Gebäude in Herrnhut der Brandstiftung durch sowjetische Soldaten zum Opfer.[9][10]
1994 wurde die Nachbargemeinde Ruppersdorf/O.L. mit ihren Ortsteilen Schwan und Ninive eingemeindet. Am 1. Januar 2010 folgte die überschuldete Gemeinde Strahwalde mit ihrem Ortsteil Friedensthal,[11] am 1. Januar 2011 die benachbarte Gemeinde Großhennersdorf mit ihren Ortsteilen Euldorf, Heuscheune, Neundorf auf dem Eigen und Schönbrunn. Zum 1. Januar 2013 folgte die Gemeinde Berthelsdorf mit dem Ortsteil Rennersdorf/O.L.
Jahr | 1834 | 1871 | 1890 | 1910 | 1925 | 1939 | 1946 | 1950 | 1964 | 1990 | 2000 | 2010 | 2012 | 2013 | 2015 | 2016 | 2017 | 2022 |
Einwohner | 899 | 1092 | 1139 | 1364 | 1664 | 1627 | 2024 | 2025 | 1808 | 1754 | 2842 | 4963 | 6336 | 6335 | 6097 | 6033 | 5981 | 5849* |
Nach dem sächsischen Landesrezess 1777 hatte Herrnhut 76 Häuser.[12]
Die Einwohnerzahl stieg Mitte des 19. Jahrhunderts über 1000 an und erreichte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg die Marke von 2000. Seit den 1950er Jahren gab es einen Bevölkerungsrückgang, der erst durch die Eingemeindungen kompensiert werden konnte.[12]
Herrnhut ist der Hauptsitz der Herrnhuter Brüdergemeine (Evangelische Brüder-Unität), die als Kirche unter dem Namen Moravian Church in 30 Ländern vertreten ist und auch heute noch tätige Missionsarbeit betreibt. Die römisch-katholische Kirche ist mit der 1956 geweihten St.-Bonifatius-Kirche in Herrnhut vertreten. Weiterhin gibt es seit 1999 das Christliche Zentrum Herrnhut, eine evangelische Freikirche charismatischer Prägung. Evangelisch-lutherische Kirchgemeinden gibt es in den Ortsteilen Ruppersdorf, Großhennersdorf, Berthelsdorf und Strahwalde. Darüber hinaus gibt es seit 2004 ein Zentrum der Jugend mit einer Mission im Ortsteil Ruppersdorf.
Der Stadtrat besteht aus 15 Räten. Die Kommunalwahl vom 9. Juni 2024 führte bei einer Wahlbeteiligung von 67,8 % (+ 3,3 %p gegenüber der Wahl 2019) zu nebenstehendem Ergebnis. Frühere Wahlergebnisse sind tabellarisch aufgelistet.
Regulär hätte der Stadtrat 18 Sitze. Das Stimmenergebnis der AfD würde vier Sitze bedeuten. Da aber nur ein Kandidat aufgestellt war, reduziert sich die Gesamtanzahl der Sitze entsprechend um drei Sitze auf 15; darunter ist keine Frau.[13]
Liste | 2024[13] | 2019[14] | 2014[15] | ||||
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Sitze | in % | Sitze | in % | Sitze | in % | ||
Herrnhuter Liste | 7 | 40,5 | 9 | 46,3 | 10 | 49,9 | |
AfD | 1 | 19,7 | 1 | 16,0 | – | – | |
CDU | 3 | 18,6 | 4 | 21,2 | 5 | 24,9 | |
Bündnis Oberlausitz/Freie Sachsen | 2 | 10,5 | – | – | – | – | |
Bürgerbewegung | 1 | 6,8 | 1 | 8,9 | 2 | 9,7 | |
Linke | 1 | 3,9 | 1 | 5,5 | 1 | 6,7 | |
SPD | – | – | – | 2,1 | – | 1,8 | |
Grüne | – | – | – | – | – | 4,4 | |
NPD | – | – | – | – | – | 2,5 | |
Wahlbeteiligung | 67,8 % | 64,5 % | 55,3 % |
Bürgermeister ist seit 2008 Willem Rieke (HL Herrnhuter Liste).
Blasonierung: „In Silber ein blauer Einberg, darauf innerhalb einer mittig (heraldisch) offenen Umfassungsmauer ein dreibogiger blauer Rundturm mit umlaufender Dachbalustrade und zentralem flachkegelbedachtem Aufsatz mit pfeilförmiger silber-schwarzer Windfahne.“[16] | |
Wappenbegründung: Das Herrnhuter Wappen in dieser Form existiert seit 1980. Im Jahr 1929 erhielt der Ort ein neues Wappen mit dem altanartigen Aussichtsturm auf dem Hutberg als markantem Wahrzeichen der Stadt.[17] Das ältere Wappen: „In Silber auf grünem Einberg ein blauer Rundturm mit mittigem Eingang, dreibogiger Außenmauer, Dachbalustrade und zentralem flachkegelbedachtem Aufsatz mit goldener Turmkugel und Kreuz“. Hinter den Bogenöffnungen war der Turmkern zu sehen, während das modernere Wappen den silbernen Schildhintergrund in den Bögen zeigt.
Im 19. Jahrhundert gab es ein völlig anderes Wappen: „In Silber ein Amboss auf wachsendem Holzstumpf in natürlichen Farben und perspektivischer Darstellung, waagerecht aufgesetzt ein schwarzer Fäustel und ein schwarzer Hammer mit auwärtsgekehrten Stielen in natürlichen Farben.“ Das Wappen stand mit der Waldenserbewegung in Verbindung. |
Es bestehen Partnerschaften zwischen Herrnhut und den Gemeinden Bad Boll in Baden-Württemberg, Suchdol nad Odrou in Tschechien und Karlstetten in Niederösterreich.
Die Bundesstraße 178 führte lange Zeit unmittelbar durch den Stadtkern. Aufgrund der hohen Verkehrsbelastung, auch durch den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union, befindet sich ein Straßenbauprojekt für eine neue Trassierung der B 178 in Planung, weite Teile davon sind bereits fertiggestellt, wodurch Herrnhut zwischen Löbau und Zittau verkehrsentlastend angebunden ist. Die durch den Ortskern führende Durchfahrungsstraße (Löbauer Str. / Zinzendorfplatz / Zittauer Str.), nun die K 8610, weist immer noch ein hohes Verkehrsaufkommen auf.
Der Personenverkehr auf der Bahnstrecke Zittau–Herrnhut–Löbau wurde 1998 eingestellt, die Einstellung des Güterverkehrs folgte 2002.
Bis 1945 war der Bahnhof Herrnhut Ausgangspunkt einer Schmalspurbahn nach Bernstadt, welche danach als Reparationsleistung für die Sowjetunion abgebaut wurde.
Herrnhut ist auch wegen der geometrischen, beleuchteten Herrnhuter Sterne bekannt, die seit über 200 Jahren hergestellt werden und mittlerweile eine beliebte Advents- und Weihnachtsdekoration sind. Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Sterne aus weißem und rotem Papier in den Internatsstuben der Herrnhuter Brüdergemeine gefertigt und aufgehängt. Von der Herrnhuter Sterne GmbH werden sie auch im 21. Jahrhundert in Handarbeit hergestellt.[22]
Weite Verbreitung erlangte das Herrnhuter Kleisterpapier, ein Buntpapier, das in der Brüdergemeine hergestellt wurde. Es handelte sich anfangs um ein Nebenprodukt bei der Textilherstellung, wobei die für die Tuche verwendeten Farben (vor allem Indigoblau – Färberwaid wurde in der Lausitz angebaut –, rot und oliv) für einfarbige Kleisterpapiere Verwendung fanden. Das Papier war durch seine Einfarbigkeit und die darauf aufgebrachten geometrischen Muster, die mit unterschiedlichen Gerätschaften (Kämmen, Stäben) erzeugt wurden, einzigartig.
Aus Herrnhut stammt eine heute in Deutschland weit verbreitete Apfelsorte, der Schöne von Herrnhut.
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