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Verkleinerungsform eines Substantivs Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Diminutiv (auch Deminutiv, Diminutivum, Deminutivum von lateinisch (nomen) deminutivum, zu deminuere „verringern, vermindern“,[1][2] vgl. minus) ist die Verkleinerungsform eines Substantivs mit grammatischen Mitteln. Gegenteil ist das Augmentativ. Diminutive dienen der Verniedlichung, z. B. als Koseform und zur Bildung von Kosenamen (Hypokoristika), oder auch der pejorativen und dysphemistischen Abwertung. Häufigste Endung in Deutschland ist „-chen“ und „-lein“, häufigste in der Schweiz ist „-li“ (Schweizerdeutsch) und „-lein“ (Schriftsprache).
Das Diminutiv gehört als Verkleinerungsform zu den Mitteln der morphologischen Wortbildung. Diminutivformen werden in der Regel durch Kürzung, Silbenverdoppelung oder Anfügen eines Diminutivaffixes gebildet. Die Art und Häufigkeit des Gebrauchs von Diminutiven unterscheidet sich je nach Sprache und Dialekt.
Im Deutschen ist das Diminutiv vor allem durch die Suffixe -chen und -lein gekennzeichnet. Ursprünglich galt sowohl im mittel- wie im oberdeutschen Sprachraum nur das Suffix -lein, wogegen -chen aus dem niederdeutschen und niederfränkischen Sprachraum stammt (nd. -ken oder -ke). Ab dem 17. Jahrhundert entwickelte sich -chen in der Schriftsprache zum dominanten Suffix.[3]
Grundlage bildet in beiden Fällen das germanische Zugehörigkeitssuffix -īn. Im Fall von -chen wurde es mit dem Suffix -k (germanisch -ko/-ka[4]) verbunden, wogegen -lein eine Verbindung des althochdeutschen Suffixes -al, -il (vgl. etwa ahd. fogal ‚Vogel‘, leffil ‚Löffel‘) mit dem althochdeutschen Verkleinerungssuffix -īn ist, das später als neues, eigenständiges Suffix interpretiert und auf Wörter übertragen wurde, die ursprünglich kein l-Suffix besaßen (vgl. etwa ahd. hūsilin ‚Häuslein‘).[5]
Im Deutschen gibt es zudem bei Vornamen und anderen Substantiven eine Diminutivendung auf -i (Hansi, Berti, Karli; aber auch Studi, Bubi); siehe auch Abschnitt „Koseformen bei Vornamen“. Die Endung -i wird auch zur Bildung von Spitznamen aus Familiennamen verwendet.
Reduplikationen finden sich auch im Deutschen vor allem für Koseformen (Papa oder Dodo für „Doris“ etwa).
Verschwunden (beziehungsweise von -chen überschichtet) ist hingegen das im Frühneuhochdeutschen beliebte Suffix -gen, das unklarer Herkunft ist.[3]
Die Bildung des Diminutivs ist im Deutschen oft mit der Änderung des Vokals der Stammsilbe zum entsprechenden Umlaut (Sack – Säcklein) und Aussparung eines unbetonten letzten Vokals (Hose – Höschen) verbunden (Gegenbeispiele sind etwa Paulchen, Blondchen). Der zu einem doppelt geschriebenen Vokal gebildete Umlaut wird nur einfach geschrieben (z. B. Boot – Bötchen).
Im mittelbairischen Dialektraum, speziell im ostösterreichischen Zweig, wird das Diminutiv bevorzugt mit -erl (z. B. Sackerl, Hunderl, Hoserl, Stüberl), auch nur mit -l (z. B. Gansl) gebildet.
Im südbairischen Dialektraum wird das Diminutiv bevorzugt mit -ele oder -ale (z. B. Sackele/Sackale, Hundele/Hundale, Hosele/Hosale) gebildet.
Im alemannischen Dialektraum wird das Diminutiv in der Regel mit -li gebildet: z. B. Platz – Plätzli. Besonders in höchstalemannischen Mundarten gibt es auch weitere Varianten wie -ji und -tschi, siehe dazu im Artikel -li.
Im schwäbischen Dialektraum wird das Diminutiv mit den Endungen -le (Singular) bzw. -la (Plural) gebildet, z. B. Heisle und Heisla (Häuslein).
Im Altsächsischen wurde für die Verkleinerung das ableitende k bzw. c bevorzugt, das durch die hochdeutsche Lautverschiebung zu ch wurde und sich zum heutigen „chen“ erweiterte. Dem oberdeutschen Fridolin mit dem Stamm frid entspricht also ein angelsächsischer Frideko, einem oberdeutschen Berilo mit dem Stamm bera ein niederdeutsches Beriko usw. Die Namensformen mit „co“ sind seit dem 4. Jahrhundert nachgewiesen.[6]
In der deutschen Standardsprache sind Diminutive auf -chen und -lein stets sächlich, weshalb die Diminuierung männlicher oder weiblicher Substantive – bei Lebewesen ungeachtet ihres natürlichen Geschlechts (Sexus) – eine Änderung des Genus mit sich bringt. Somit ist das Mädchen (ursprünglich: Mägdchen, Diminutiv von Magd)[7][8] grammatikalisch sächlich, ebenso wie Weibchen und Männchen. In Dialekten sind Verkleinerungen von männlichen Personennamen hingegen oft männlich, etwa der Hansli (der kleine Hans), aber das Anneli (die kleine Anna). Im österreichischen Dialektraum behalten Verkleinerungen weiblicher Personennamen in der Regel den weiblichen Genus wie die Annerl im Gegensatz zu beispielsweise das Hunderl.
Verwendung des Diminutivs im Deutschen:
Besonders häufig ist die Verwendung von Diminutiven (-la, -le, -li, -l, -erl) im Ostfränkischen, in den alemannischen Dialekten (siehe den Artikel -li), im Bairischen sowie (-ke) im heute aussterbenden Niederpreußischen. Das ostfriesische Platt verwendet die Diminutiv-Endung -je bzw. -tje (Kluntje, Antje „Ännchen“), kennt aber auch das Suffix -ke (Happke „Häppchen“). Weniger ausgeprägt erfolgt es im Nordniedersächsischen, wo die Verkleinerung in der Regel durch ein vorangestelltes Adjektiv ausgedrückt (lütte Deern „kleines Mädchen“) wird, was mit dem weitestgehenden Fehlen von Diminutiven im angelsächsischen und skandinavischen Sprachraum korrespondiert; das norddeutsche Diminutiv auf -ing (Kinnings für „Kinder“, Louising für „Louise“) ist kaum noch verbreitet. Ebenfalls wenig verbreitet ist das Diminutiv -l oder -el im Ostmitteldeutschen, wo es sich meist nur in feststehenden Ausdrücken wie Rostbrätel findet; es lebt allerdings in einer Reihe von Personennamen (z. B. Hänsel und Gretel) im gesamten deutschen Sprachraum fort.
Bestimmte Wörter sind formal Diminutive, werden jedoch als eigenständiger Begriff und nicht (mehr) als Verkleinerungsform des Ursprungsbegriffes verwendet. Beispiele:
Weitere Beispiele siehe auch unter -li #Bedeutung.
Das ursprüngliche französische Diminutiv auf -ette kommt heute nur noch lexikalisiert vor, das heißt, die damit gebildeten Wörter sind selbständig und sind nicht (mehr) die Funktion einer Verkleinerung anderer Wörter. Ein Beispiel ist etwa sandalette „leichte Sandale“, zu sandale „Sandale“. Einige auf diese Weise gebildete Begriffe haben als Fremdwörter Eingang ins Deutsche gefunden, beispielsweise Voiturette oder Zigarette.
Im Quebecer Französisch werden Diminutivformen durch Präfigierung oder Silbenverdopplung gebildet, beispielsweise ti-chat „Kätzchen“, ti-gars „Jüngelchen“, Ti-(L)ouise „Louise“, Ti-Mi „Michelle“, Dédé „André“, Didi „Diane“, Dodo „Dominique“. Ähnliche Formen gibt es auch in den französischen Kreolsprachen (namentlich Haitianisch-Kreolisch) und verschiedenen westafrikanischen Sprachen.
Diminutive sind im Italienischen sehr gebräuchlich, besonders als Kosenamen und liebevoll, aber auch scherzhaft oder ironisch. Die typischen Endungen lauten -ina und -ino, oder -etta und -etto; und zuweilen auch -ella und -ello.
Beispiele: Annina zu Anna, Raffaellino zu Raffaello, Giuseppino zu Giuseppe (oder Peppino zu dessen Koseform Beppe), Nicolino zu Nicola oder Niccolò, Nicoletta zu Nicola, Giulietta (Giulietto) zu Giulia (Giulio), Antonino oder Antonello zu Antonio.
Seltener sind die Suffixe -accio oder die -uccio: z. B. Antonaccio statt Antonio, Matteuccio für Matteo.
Verselbständigte Bildungen sind:
Italienisch kennt auch eine Vergrößerungsform (Augmentativ), die auf -one endet.
Siehe auch: Abschnitt „Portugiesisch“ im Artikel Diminutivaffix
In der portugiesischen Sprache sind Diminutive ausgesprochen verbreitet, sehr oft verniedlichend, scherzhaft oder ironisch sowie als Steigerung.
Die typische Diminutivendung lautet im Maskulinum -inho (sprich: -iɲu), -sinho, -zinho und im Femininum -inha (sprich: -iɲɐ), -sinha, -zinha.
Beispiele: bola „Ball“ – bolinha; bolo „Kuchen“ – bolinho; pomba „Taube“ – pombinha; peixe „Fisch“ – peixinho; melão Melone – melãosinho.
Daneben existiert auch -ito (sprich: -itu) oder -ita (sprich: -itɐ), das etwas kecker oder frecher klingt als -inho/-inha und teilweise alternativ verwendet werden kann, z. B.: bébé „Baby“ – bébésinho/bébésinha oder bébésito/bébésita.
Diminutive werden auch bei Adjektiven oder Adverbien benutzt, dies ist nur schwer ins Deutsche zu übersetzen, z. B. pequeno „klein“ – pequeninho oder pequenito; bom „gut“ – bomzinho; devagar „langsam“ – devagarinho.
Verselbständigte Wortbildungen sind: um bocadinho „ein kleines bisschen“ (aber auch: bocado), oder carregadinho (von carregar „tragen“): uma árvore carregadinha de fruta „ein Baum voller Früchte“.
Die Diminutiv-Endungen im Spanischen sind -ito beziehungsweise -ita, z. B. Manuel/Manolo – Manolito, Manuela/Manola – Manolita; José – Joselito; flor „Blume“ – florecita; muchacha/-o „Mädchen /Junge“ – muchachita/-o. Zuweilen kommt auch -illo, illa vor, z. B. Angelillo zu Ángel.
Die Diminutiv- aber auch Augmentativsuffixe weisen hinsichtlich ihrer Vokalbetonungen zwei Besonderheiten auf. So sind die Verkleinerungssuffixe, hier in ihrer maskulinen Formen: -ito, -cito, -ico, -cico, -illo, -cillo auf dem vorderen Vokal betont, wohingegen die Vergrößerungssuffixe: -ón, -azo, -ote einen hinteren bzw. offenen betonten Vokal haben.
In den skandinavischen Sprachen sind Diminutiva nicht mehr produktiv. Es existieren noch lexikalisierte Reste einer Diminutivendung -ing. Zum Beispiel: ælling (dän.) Entchen von and, killing (dän.) Kátzchen oder kælling (dän.), kärring (schw.) Alte (Frau) von „karl“ (Kerl, Mann) Unterscheidungen zwischen den Verniedlichungsformen und den entsprechenden Augmentativa werden durch das Voranstellen der Wörter für „klein“ bzw. „groß“ verdeutlicht. In lexikalisierten Fällen werden diese Verbindungen zusammengeschrieben, zum Beispiel dänisch lillebror „kleiner Bruder, jüngerer Bruder“.
In der litauischen Sprache gibt es Diminutive bei vielen Vornamen (Laimutė, Sigutė, Birutė etc.). Auch sonst sind Diminutive sehr verbreitet. Dafür gibt es etliche Diminutivendungen:
Sogar die Funktion „Seite erneuern“ (engl. „purge“) heißt in der litauischen Wikipedia „Išvalyti podėlį“ (also „das kleine Töpfchen auswaschen“).
In der lettischen Sprache sind Diminutive sehr verbreitet. So heißt es im Volkslied:
Pie niedrītes laivu sēju, pie auziņas kumeliņu.
Pats uzkāpu kalniņāi zeltenītes lūkotiesi.
Hier sind in zwei kurzen Liedzeilen fünf Diminutive enthalten: „niedrīte“ ist Diminutiv von „niedre“ (Schilf), „auziņa“ von „auza“ (Hafer), „kalniņš“ von „kalns“ (Berg), „zeltenīte“ von „zeltene“.
In den slawischen Sprachen werden häufig zwei sich steigernde Formen des Diminutivs verwendet, z. B. im Tschechischen: strom „Baum“ → stromek „Bäumchen“ → stromeček „kleines Bäumchen“.
Im Russischen ist die typische Endung des Diminutivs ein -a, die oft um -ka -ja, -schka erweitert auftritt, wie z. B. baba „alte Frau, Großmutter“ neben babuschka „Großmütterchen, Oma“.
In der griechischen Sprache dienen der Diminuierung eine Vielzahl verschiedener Verkleinerungssuffixe. Zu den gebräuchlichsten zählen:
„Die Bedeutung der griechischen Diminutiva geht aber über die Verkleinerung hinaus, denn sie werden sehr oft verwendet, um eine zärtliche Bemerkung, eine höfliche Bitte, eine approximative Berechnung, manchmal auch eine negative [verharmlosende] Beurteilung auszudrücken“ (Pavlos Tzermias: Neugriechische Grammatik, A. Francke Verlag, Bern 1967).
Das Griechische kennt nicht nur Diminutiva, sondern auch Vergrößerungsformen (Augmentativa), die manchmal sehr plastisch sind.
In der internationalen Sprache Esperanto wird die „Verkleinerungsform“ mit der Silbe -et- in Anlehnung an die romanischen Sprachen gebildet, für die entgegengesetzte „Vergrößerungsform“ wird die Silbe -eg- benutzt. Danach wird, wie regelhaft üblich, ein Endvokal oder eine Endsilbe angefügt, die die Wortklasse bezeichnet (-o für Substantive in der Einzahl, -oj für Substantive im Plural, -a für Adjektive, -e für Adverbien, -i für Verben in der Grundform usw.).
Die Silben sind auch als eigenständige Wortstämme einsetzbar.
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