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Gesamtheit des gottesdienstlichen Lebens der katholischen Ostkirchen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der byzantinische Ritus (missverständlich auch griechischer Ritus genannt) ist die traditionelle Gottesdienstordnung der Großen Kirche Christi von Konstantinopel. Sie wird heute in allen byzantinisch-orthodoxen Kirchen sowie in vielen katholischen Ostkirchen befolgt. Die Bezeichnung umfasst die Gesamtheit des gottesdienstlichen Lebens dieser Kirchen, die Feiern der Sakramente, der Stunden, der Feste, der Kasualien usw.
Der byzantinische Ritus entstand und entwickelte sich im Byzantinischen Reich, näherhin in Konstantinopel[1], und ist den ostkirchlichen Liturgien zuzurechnen. Sowohl die byzantinisch-orthodoxen Kirchen als auch die mit Rom unierten Kirchen des byzantinischen Ritus feiern ihre Gottesdienste in dieser Form, nicht jedoch die orientalisch-orthodoxen Kirchen und die ihnen entsprechenden katholischen Ostkirchen, die eigenen Gebräuchen folgen.
Ab dem 4. Jahrhundert in Byzanz, vor allem durch den Klerus der Konstantinopler Hagia Sophia, in feste, aber keineswegs starre Formen gebracht, fand der byzantinische (= konstantinopolitanische) Ritus im 9. und 10. Jahrhundert einerseits weite Verbreitung unter den slawischen Völkern (Bulgaren, Russen, Serben) sowie in der Georgischen Orthodoxen Kirche und andererseits auch bei den durch den Islam geschwächten orthodoxen Kirchen im Nahen Osten (Patriarchate von Alexandrien, Antiochien, Jerusalem und Kirche von Zypern). Von Anfang an wurden überwiegend die Landessprachen verwendet; erst später erstarrten archaisch gewordene Sprachstufen zu Liturgiesprachen (etwa das Kirchenslawische auf dem Balkan und in Russland). Liturgische Zusätze und Ausformungen kamen im Laufe der Zeit hinzu. Anderes ging verloren. Die gegenwärtige Form geht im Kern auf das 8. Jahrhundert zurück, wurde jedoch nach dem Ende des Bilderstreits neu gefasst, ebenso abermals nach dem Ende der Lateinerherrschaft über Konstantinopel. Die heutige Zelebration der Göttlichen Liturgie und der Stunden wird von monastisch geprägten Ordnungen geregelt, die der spätere Ökumenische Patriarch Philotheos Kokkinos noch als Abt der Großen Laura um 1344/47 auf dem Athos ausgearbeitet haben soll.
Perioden der byzantinischen Liturgiegeschichte[2]:
(1) Die Zeit bis zur „Konstantinischen Wende“.
(2) Die Kaiserliche oder Patristische Periode bis zur lateinischen Besetzung Konstantinopels (1204–1261) (z. T. in Überschneidung mit den Perioden 3 und 4).
(3) Die „dunklen Jahrhunderte“, etwa 610 bis 850, d. h. bis zum Ende des Bilderstreits und zur „studitischen Reform“.
(4) Die von den Studiten-Mönchen geprägte Periode (9. bis 13. Jahrhundert), mit verstärktem Einfluss des palästinischen Mönchtums.
(5) Die „neo-sabaitische Synthese“ seit der Lateinerherrschaft (= der heutige Byzantinische Ritus).
Der endgültige Byzantinische Ritus wird gerne als eine Mischform von Konstantinopler Kathedralliturgie und Jerusalemer monastischen Riten beschrieben, die sich allmählich zu einer Synthese entwickelten. Doch unterscheidet sich der jeweilige Anteil von einheimischen und importierten Elementen erheblich nach Art der Feier und den verwendeten liturgischen Büchern. Die Messfeier („Göttliche Liturgie“) ist deutlich konstantinopolitanisch und bewahrt bis heute die Gewohnheiten der kirchlichen Hauptstadt.[3]
Für die Kirchen im Nahen Osten (Patriarchate von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem) und die Kirche der Georgier wurden bei Übernahme des byzantinischen Ritus Übersetzungen der zugehörigen griechischen Liturgiebücher in das Syrische, Arabische und Georgische gefertigt, für das Christentum auf dem Balkan und in Russland in das Slawische und in der Moderne weltweit in zahlreiche andere Sprachen.
Die sehr feierliche, zeichen- und symbolreiche Form des Gottesdienstes im byzantinischen Ritus ist für den Betrachter gekennzeichnet durch die Verehrung der Ikonen, die Verwendung von Weihrauch, die Abtrennung (eigentlich Verbindung) des Altarraumes vom bzw. mit dem Kirchenschiff durch das Templon („Ikonostase“) und die festlichen Gewänder der Vorsteher (Zelebranten) und Ministranten. Die liturgischen Ordnungen setzen die Mitwirkung mindestens eines Diakons voraus, doch fehlt ein solcher heute mehr als selten. Seine Textanteile werden dann von einem konzelebrierenden oder dem allein amtierenden Priester übernommen.
Viele Kirchen des byzantinischen Ritus folgen noch heute dem julianischen Kalender, andere, so das Ökumenische Patriarchat und die Kirche von Griechenland, nur noch für den Ostertermin. Die Orthodoxe Kirche Finnlands hat den gregorianischen Kalender komplett übernommen.
Die heilige Messe („Göttliche Liturgie“) wird heute meist mit dem Formular der Chrysostomos-Liturgie gefeiert, an wenigen Tagen im Jahr, vor allem in der Großen Fastenzeit bis einschließlich der Ostermesse (faktisch gefeiert am frühen Karsamstag), mit der vormaligen Hauptliturgie, der Basilius-Anaphora. Beide Liturgien besitzen z. T. unterschiedliche Texte, aber dasselbe Messzeremoniell (Ordo missae). Tatsächlich handelt es sich bei beiden also um die eine Messliturgie nach der Tradition der Großen Kirche von Konstantinopel, jeweils z. T. mit Eigentexten.
Nur noch an den Wochentagen der Fastenzeit findet die Präsanktifikaten-Vesper („Liturgie der vorgeweihten Gaben“) Verwendung, die ein abendliches Stundengebet mit folgender Kommunionfeier ist (keine Missa Sicca!).
Eine weitere Form der Eucharistiefeier, die restaurierte Jakobus-Liturgie aus Jerusalemer Tradition, wird heute, vor allem im orthodoxen Griechenland, aber auch bei den Slawischen Ostkirchen, zunehmend häufig benutzt. Für ihre Feier wird meist ein Volksaltar vor der Ikonostase („Templon“) aufgestellt, und die Priester beten und agieren mit dem Gesicht zum Volk (versus populum).
Neben der ursprünglichen Liturgiesprache, Altgriechisch, werden je nach Land und Situation viele andere Sprachen (Altslawisch, Rumänisch, Arabisch, Englisch usw.) verwendet.
Der eigentlichen Feier geht eine längere, nicht öffentliche Vorbereitungsphase (Prothesis-Ritus in der Proskomidie) voraus, die der Zurüstung der eucharistischen Gaben dient.
Die byzantinische Göttliche Liturgie (Eucharistiefeier im weiteren Sinne) besteht dann aus zwei Hauptteilen:
1. Die Liturgie der Katechumenen (Wortgottesdienst): Im Mittelpunkt stehen die Lesungen aus Apostelgeschichte und -briefen sowie das Evangelium.
2. Die Liturgie der Gläubigen (eucharistischer Gottesdienst im engeren Sinne): Höhepunkte sind hier das Hochgebet mit der Heiligung von Brot und Wein sowie die Austeilung der Kommunion.
Der einheimische „Kathedralritus“ der Hagia Sophia zu Konstantinopel ist mit dem Exil des Patriarchats in Nikaia untergegangen. Die anfangs neben jenem und heute allgemein gepflegte Form verdankt sich den von byzantinischen Klöstern aufgegriffenen Gewohnheiten Jerusalems und Palaestinas.
Der Tageszyklus beginnt mit der Vesper (ursprünglich bei Sonnenuntergang). Die Hauptfeiern, Hesperinos (Vesper) am Abend und Orthros am Morgen, spielen in der ostkirchlichen Tradition auch in den Pfarrkirchen eine große Rolle und werden dort regelmäßig gefeiert – auch die Verschmelzung der beiden Stunden zur Vigil am Eingang des Sonntags und großer Feste des Kirchenjahres. Die anderen Stunden werden in der Regel nur in Klöstern begangen.
Bezeichnung der Stunde (griechisch) | Entsprechung in der Westkirche | Tageszeit (historisch) | |
---|---|---|---|
Hesperinós (Ἑσπερινός) | Vesper | bei Sonnenuntergang | |
Apódeipnon (Ἀπόδειπνον) | Komplet | (wörtlich „nach dem Essen“) vor dem Zubettgehen | Meditation über den letzten Schlaf, den Tod. |
Mesonyktikón (Μεσονυκτικόν) | Mitternacht | ||
Orthros (Ὄρθρος) | Matutin / Laudes | zeitiger Morgen – Sonnenaufgang | |
Prōtē Hōra (Πρῶτη Ὥρα) | Erste Stunde (Prim) | gegen 6 Uhr morgens | Meditation über die Schöpfung. Wird gewöhnlich im Anschluss an den Orthros gefeiert. |
Tritē Hōra (Τρίτη Ὥρα) | Dritte Stunde (Terz) | gegen 9 Uhr morgens | Meditation über das Herabkommen des Heiligen Geistes an Pfingsten, das zu dieser Stunde geschah. |
Hektē Hōra (Ἕκτη Ὥρα) | Sechste Stunde (Sext) | mittags | Meditation über die Kreuzigung Christi, die zu dieser Stunde geschah. |
Enatē Hōra (Ἐννάτη Ὥρα) | Neunte Stunde (None) | gegen 3 Uhr nachmittags | Meditation über den Tod Christi, der zu dieser Stunde eintrat. |
Die Myronsalbung (Chrismation) folgt unmittelbar auf die Taufe. Sie entspricht der westkirchlichen Firmung, wird bei der Taufe von Kleinkindern jedoch nicht auf ein späteres Lebensalter verschoben.
Sie besteht aus zwei anfangs getrennten, später verbundenen Teilen: Verlobung und Trauung. Beide Teile werden heute in der Regel direkt nacheinander vollzogen. Die Verlobungsfeier besteht aus Fürbitten, Ringwechsel und dem Segensgebet des Priesters. Die Trauung wird als „Krönung“ bezeichnet, weil in der Feier die Brautleute mit Kränzen aus Laub (in der griechischen und nahöstlichen Tradition) oder goldenen bzw. gelbfarbenen Kronen (in der slawischen Tradition) geschmückt werden. Der Ablauf der Trauung umfasst Psalm 127 (128), Fürbitten, die Segensgebete des Priesters, die Krönung, das Ineinanderlegen der Hände, die Lesung von Eph 5,20–33 und Joh 2,1–11, denen weitere Fürbitten, Gebete und das Vaterunser folgen. Den Brautleuten wird der gesegnete, aber nicht konsekrierte gemeinsame Kelch gereicht, früher regelmäßig auch die Heilige Kommunion. Es folgt ein dreimaliges Umschreiten des in der Mitte der Kirche stehenden Trautisches (als „Tanz des Jesaja“ bezeichnet). Eine ausdrückliche Erfragung des Ehewillens der Brautleute ist in den orthodoxen Kirchen nur bei denen slawischer Tradition sowie bei den Katholiken üblich. Liturgisches Zentrum ist der Ehesegen des Priesters, ein Hochgebet über die Brautleute. In diesem dreifachen epikletischen Priestergebet wird der Heilige Geist auf die Brautleute herabgerufen. Nach ostkirchlicher Tradition ist dieser Segen und nicht die Konsenserklärung der Brautleute konstitutiv für die Eheschließung. Beim Abschluss einer zweiten Ehe eines oder beider Partner findet eine Sonderordnung Anwendung, die weniger feierlich ist und zusätzliche Elemente der Buße beinhaltet.
Liturgische Texte:
Darstellungen und Untersuchungen:
Traditionell wird unterschieden zwischen χειροτονία chirotonia (lat. ordinatio, „Weihe“) und χειροθεσία chirothesia (lat. institutio, „Beauftragung“). Die Ordination unter Handauflegung der Bischöfe und kirchlichem Gebet empfangen die höheren Ordnungen, so Bischof, Presbyter, Diakon (historisch auch die Diakonin), die Beauftragung erfolgt zu den kirchlichen Unterämtern, z. B. Subdiakon, Lektor. Eine besondere Ordinationsliturgie für die Kirchenoberhäupter, so den Ökumenischen Patriarchen, hat der Byzantinische Ritus im Unterschied zu anderen Ostkirchen nicht ausgebildet.
Traditionell sind Krankengebete (zahlreich überliefert) und Salbungen mit Öl von heiliger Stätte (aus Kirchenlampen, mit Reliquien- und Segensöl). Die Feier der Krankensalbung in Konzelebration mehrerer (im Idealfall sieben) Priester ist eine erst um 1000 n. Chr. entstandene Sitte. Sie wird heute in der Regel mit reduziertem Personal oder von nur einem Priester gefeiert.
Der heutige byzantinische Ritus kennt vier Ordnungen der Begräbnisfeier, die gemeinsame Elemente aufweisen: (1) für erwachsene Laien, (2) für Priester, (3) für Mönche und (4) für Kinder.
Es beginnt mit Ostern und gliedert sich in einen Zyklus fester Feiern nach dem Kalender (Beginn: 1. September) und einem vom Osterdatum abhängigen, daher beweglichen Zyklus: Große Fastenzeit und Osterzeit (bis Pfingsten). Einzelheiten sind im Typikon beschrieben.
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