Artur Brauner

deutscher Filmproduzent Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Artur Brauner

Artur „Atze“ Brauner (geboren am 1. August 1918 in Łódź, Regentschaftskönigreich Polen, als Abraham Brauner; gestorben am 7. Juli 2019 in Berlin) war ein deutscher Filmproduzent. Brauner, der jüdischer Abstammung war, und seine Familie wurden von den Nationalsozialisten während der Besetzung Polens verfolgt. Ihm gelang die Flucht in die Sowjetunion. Nach dem Krieg kam er nach West-Berlin und wurde dort ein erfolgreicher Filmproduzent und Unternehmer.

Thumb
Artur Brauner auf der Berlinale 2018

Leben

Zusammenfassung
Kontext

Frühes Leben und Flucht vor dem Nationalsozialismus

Abraham Brauner war Sohn des jüdischen Holzgroßhändlers Moshe Brauner und seiner Frau Brana. Sein Vater stammte aus Kattowitz, die Mutter aus Odessa. Er hatte vier Geschwister. Sein 1923 geborener Bruder Wolf Brauner war ebenfalls Filmproduzent.[1] In Łódź machte er sein Abitur. Bereits in seiner Jugend interessierte er sich für den Film. Mit jungen Zionisten reiste er 1936 in den Nahen Osten, wo die Gruppe zwei Dokumentarfilme drehte. Danach studierte er bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges am Polytechnikum Łódź.

Thumb
Artur Brauner, 1971

Mit seinen Eltern und Geschwistern flüchtete er 1940 vor der Ghettoisierung der Łódźer Juden in die Sowjetunion, wo er die deutsche Besetzung nach 1941 unerkannt überlebte. Nach Brauners Angaben fielen 49 seiner jüdischen Verwandten dem Holocaust zum Opfer. Seine Eltern und drei seiner Geschwister wanderten nach Israel aus.

Nach vorübergehenden Plänen, in die USA auszuwandern, kam Abraham Brauner, genannt Artur „Atze“ Brauner, nach Westdeutschland bzw. West-Berlin. Er wurde Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern und lebte mit seiner Frau Theresa Albert, genannt Maria, einer ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin, die er am 28. Februar 1947 heiratete, in Berlin-Grunewald. Eines seiner Kinder ist die Journalistin und Filmproduzentin Alice Brauner.[2] Die Schauspielerin und Sängerin Sharon Brauner ist seine Nichte.[3]

Karriere als Filmproduzent

Nach seiner Ankunft in Deutschland beantragte Brauner eine Filmproduktions-Lizenz und gründete am 16. September 1946, unterstützt von Verwandten und Freunden, in Berlin die Central Cinema Compagnie (CCC-Film) und wurde Filmproduzent. 1949 baute er seine Studios auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Spandau in Berlin-Haselhorst auf, in denen seit den ersten Dreharbeiten, im Februar 1950 für Maharadscha wider Willen, über 500 Filme, die Hälfte davon eigene Produktionen, entstanden. Viele von Brauners Filmen entstanden in dieser Zeit in Zusammenarbeit mit der Filmverleiherin und -produzentin Ilse Kubaschewski.[4]

Thumb
Brauners Unternehmens- und zeitweiliger Privatsitz der CCC-Film in der Pücklerstraße.[5][6][7][8]

Noch während des Zweiten Weltkrieges hatte er sich einen Schwur geleistet: „Wenn ich überlebe, muss ich die Opfer lebendig machen.“ Von Anfang an engagierte Brauner sich im demokratischen Aufbau Deutschlands und versuchte, an die Verfolgung der Juden zu erinnern. 1961 setzte er 10.000 Mark Belohnung für „vertrauliche Informationen“ aus, die „dazu führen, dass der KZ-Arzt Josef Mengele ergriffen und vor ein ordentliches Gericht gestellt werden kann.“[9]

Auch in seinen Filmen ging es ihm darum, die deutsche NS-Vergangenheit aufzuarbeiten. Sein erster Film hieß Sag die Wahrheit. Der autobiographische Film Morituri (1948), den er mit Unterstützung der sowjetischen Militärbehörden produzierte, wurde ein Misserfolg. Im Rahmen der weitgehenden Verdrängung der Nazizeit in der unmittelbaren Nachkriegszeit zeigte das deutsche Publikum mehrheitlich Desinteresse an dem Film, der sich mit dem Schicksal verfolgter Juden beschäftigte. Vielmehr wurden teils die Scheiben von Kinos, die diesen Film zeigten, eingeschlagen. Letztlich entschied man, den Film aus dem Programm zu nehmen. In den folgenden Jahren setzte Brauner deshalb mehr auf Unterhaltungsfilme, die dem Publikumsgeschmack entsprachen. Sein Konkurrent und ehemaliger Angestellter Horst Wendlandt sicherte sich die Verfilmungsrechte der Karl-May-Western-Stoffe und die Rechte an den Edgar-Wallace-Büchern vor Brauner, der sich in der Folge Rechte an Werken von Bryan Edgar Wallace, dem Sohn von Edgar Wallace, und den Karl-May-Büchern nach den Orientstoffen sicherte.

Nach eigener Aussage mischte Brauner sich in die Arbeit eines Regisseurs nicht ein. Nur wenn die täglichen Kopien Mängel aufgewiesen hätten, habe er sich eingemischt.[10] Allerdings scheute sich Brauner nicht, notfalls den Regisseur mitten in den Dreharbeiten auszutauschen, wie beim Karl-May-Film Durchs wilde Kurdistan (1965) mit Franz Josef Gottlieb geschehen, der den Drehplan in Spanien völlig überzogen hatte. Brauners Vertragsverhandlungen mit Schauspielern und anderen Filmschaffenden waren berüchtigt. So verpflichtete er zum Beispiel den US-amerikanischen Schauspieler Lex Barker für einen Karl-May-Film (wieder: Durchs wilde Kurdistan) und drehte dann mit ihm gleich zwei Filme (auch die Fortsetzung Im Reiche des silbernen Löwen), wollte Barker aber nur für einen Film bezahlen. Barker verlangte daraufhin in einem Gerichtsprozess eine Nachzahlung von 100.000 Mark und gewann den Prozess.

Thumb
Artur Brauner (links) mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt, 1971

In den CCC-Studios drehten bekannte Schauspieler wie Romy Schneider in Mädchen in Uniform, oder O. W. Fischer in Menschen im Hotel, sowie Maria Schell, Sonja Ziemann und Gert Fröbe. Der 1955 nach der Vorlage von Gerhart Hauptmanns gleichnamigen Stück Die Ratten gedrehte Film erhielt 1961 den „Bambi“.

Das Mitte der 1960er Jahre in Deutschland einsetzende Kinosterben traf die CCC-Studios empfindlich. Die bearbeiteten Themen, die bisher dem Publikumsgeschmack entsprachen, waren immer weniger gefragt. Auch mit den Problemen von „Opas Kino“ und dem Aufkommen des Neuen deutschen Films geriet Brauners Filmproduktion in den 1970er-Jahren in erhebliche Schwierigkeiten. Eine neue Strategie, das Publikum wieder zu gewinnen, musste her. Brauner überwand diese Schwierigkeiten. Zugleich zeigte sich bei Brauner in dieser Zeit die Konzentration auf die Produktion von Filmen, die sich mit dem NS-Regime auseinandersetzten. In den Mittelpunkt rückte er dabei immer wieder Menschen, die als Juden den Verfolgungen der Nationalsozialisten ausgesetzt waren: Charlotte, Die weiße Rose, Zeugin aus der Hölle, Eine Liebe in Deutschland, Hitlerjunge Salomon. Letzterer Film wurde in den USA mit einem Golden Globe ausgezeichnet.

Artur Brauner verfolgte dabei eine besondere Geschäftsstrategie. Das Geld aus der Produktion und dem Verkauf von Unterhaltungsfilmen setzte er ein, um Filme, die Themen der Auseinandersetzung mit dem NS-Regime zum Gegenstand hatten, überhaupt herstellen zu können. Diese Themen lagen ihm, auch aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen aus jenen Jahren, besonders am Herzen. Aber es war eher schwierig, damit Geld zu verdienen. Eine Schlüsselrolle nimmt hier der 1965 gedrehte Film Zeugin aus der Hölle ein. Regie führte Žika Mitrović. Gegenstand des Filmes ist es, die Auswirkungen des Holocaust auf die überlebenden Opfer zu zeigen.

Zu Brauners Freunden und Besuchern seines Hauses gehörten unter anderem Kirk Douglas, Romy Schneider sowie Helmut Kohl.[11] Für seinen Freund Helmut Kohl spendete Artur Brauner 1999 im Kontext der CDU-Spendenaffäre 50 000 DM.[12][13][14]

Brauner eröffnete 1999 in Berlin das 4-Sterne-Hotel Hollywood Media Hotel Berlin am Kurfürstendamm. Außerdem gehörte ihm das Holiday Inn Berlin Mitte in Gesundbrunnen. Im Jahr 2004 geriet Brauners Immobilienfirma vorübergehend in finanzielle Schwierigkeiten, da die krisengebeutelte Cinemaxx-Gruppe Mietzahlungen hinausgezögert hatte.[15][16][17] Laut verschiedener Berichte aus dem Jahr 2018 verlangte der Fiskus von Brauner Schuldenzahlungen in Höhe von rund 73 Millionen Euro.[18]

Brauner produzierte etwa 500 Filme, viele davon für Fernsehanstalten. Er erhielt zwei Golden Globes, einen Oscar als Coproduzent und 2003 bei den Filmfestspielen Berlin Die Berlinale Kamera für sein Lebenswerk.

Privatleben und öffentliches Engagement

Im Jahr 1991 wurde die Artur-Brauner-Stiftung gegründet: Zweck ist die Förderung der Verständigung zwischen Juden und Christen sowie der Toleranz zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen, Kulturkreise, Hautfarben und gesellschaftlicher oder ethnischer Herkunft. Sie unterstützt Filmproduzenten, die sich diesen Themen widmen, durch jährliche Vergabe des Artur-Brauner-Filmpreises in Höhe von 25.000 Euro.[19]

Im August 2007 wurde Artur Brauner in Berlin, auf Vorschlag von Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, zum ordentlichen Ehrenmitglied der Europäischen Kulturwerkstatt (EKW) Berlin-Wien ernannt.

Thumb
Maria und Artur Brauner, 2010

Yad Vashem ehrt Brauner seit 2009, indem 21 seiner Produktionen, die einen Bezug zur Schoah aufweisen, ständig in der Gedenkstätte gezeigt werden, beispielsweise Charlotte, Die weiße Rose, Der 20. Juli oder Mensch und Bestie. Der so Geehrte bezeichnete diese Vorführungen als „Krönung meines Filmschaffens“. Im März 2010 wurde dort eine eigene Mediathek für seine Filme eingerichtet.

Im August 2017 starb seine Ehefrau Maria, mit der er seit 1946 verheiratet gewesen war, mit 92 Jahren.[20][21] Sie war für ihr soziales Engagement in Berlin bekannt. In über 60 Jahren kümmerte sie sich um die Jüdische Gemeinde Berlin, insbesondere die jüdischen Senioren; sie war Patientenfürsprecherin im Jüdischen Krankenhaus.[22][23]

Artur Brauner starb nach einem Schwächeanfall im Juli 2019 im Alter von 100 Jahren in Berlin. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Jüdischen Friedhof Heerstraße in der Ehrenreihe.[24][25]

Filmografie

Auszeichnungen

Thumb
Brauner beim Besuch seines Sterns auf dem Boulevard der Stars, 2011
Thumb
Stern für Artur Brauner auf dem Boulevard der Stars in Berlin-Tiergarten

Nachrufe (eine Auswahl)

Literatur

Filmdokumentationen

  • Ein Leben für die Traumfabrik. Porträt des Filmproduzenten Artur Brauner. Dokumentation von Michael Strauven, Deutschland 1998, NDR, 90 Min.
  • Ihn gibt’s nur einmal – Artur Brauner. Dokumentarfilm von Wolfgang Dresler, Deutschland 1994, Deutsche Welle, 35 Minuten.
  • Rosas Welt. Kurzfilm-Portrait über die Familie Brauner von Rosa von Praunheim in dem Film, der aus 70 Kurzfilmen besteht. 2012.
  • Der Unerschrockene: Der Berliner Filmproduzent Artur Brauner. TV-Dokumentarfilm von Kathrin Anderson und Oliver Schwehm, Deutschland 2018, 59 Minuten; Erstsendung am 1. August 2018 auf arte.
Commons: Artur Brauner – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

Loading related searches...

Wikiwand - on

Seamless Wikipedia browsing. On steroids.