Remove ads
historischer Marionettenstaat (1916–1918) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Regentschaftskönigreich Polen (polnisch Królestwo Regencyjne) bestand im Ersten Weltkrieg vom 5. November 1916 bis zum 29. November 1918 auf dem unter der Kontrolle der Mittelmächte stehenden Gebiet der seit dem Wiener Kongress 1815 zum Russischen Kaiserreich gehörenden Provinz Weichselland bzw. „Kongresspolens“. Nachfolger war ab dem 29. November 1918 die Zweite Polnische Republik.
Królestwo Polskie Königreich Polen | |||||
1916–1918 | |||||
| |||||
Amtssprache | Polnisch und Deutsch | ||||
Hauptstadt | Warschau | ||||
Staats- und Regierungsform | Konstitutionelle Monarchie | ||||
Staatsoberhaupt | Kronmarschall Wacław Niemojowski (1916–1917) Regentschaftsrat (1917–1918) Oberbefehlshaber Józef Piłsudski (1918) | ||||
Regierungschef | Ministerpräsident | ||||
Währung | Polnische Mark | ||||
Errichtung | 5. November 1916 (Proklamation) | ||||
Vorgängergebilde | Weichselland bzw. Russisch-Polen, auch Kongresspolen | ||||
Endpunkt | 29. November 1918 | ||||
Abgelöst von | Zweite Polnische Republik | ||||
Zeitzone | UTC+1 MEZ |
Bereits zu Beginn des Ersten Weltkrieges fasste der deutsche Kaiser Wilhelm II. den Entschluss, das eventuell zu erobernde Gebiet Kongresspolens bei einem etwaigen Friedensschluss nicht an Russland zurückzugeben, sondern einen eng mit dem Königreich Preußen verbundenen polnischen Staat zu schaffen. Die Verwaltung des Landes sollte in polnischen Händen liegen, der deutsche Kaiser und preußische König sollte jedoch das militärische Oberkommando über die Armee ausüben. Das neue Polen sollte eine Eisenbahngemeinschaft mit Preußen bilden und durch Handels- und Schifffahrtsverträge den Absatz seiner Waren über Danzig garantiert bekommen. Eine Annexion des Gebietes von Kalisch (Kalisz) durch Preußen wurde erwogen, ebenso kleinere Gebietsabtretungen an Österreich-Ungarn. Polen sollte ein Königreich sein. Die aussichtsreichsten Thronkandidaten waren Erzherzog Karl Stephan von Österreich, der in Saybusch (Żywiec) wohnte, sowie dessen ältester Sohn Erzherzog Karl Albrecht von Habsburg-Altenburg, der von seinem Vater auf den polnischen Thron vorbereitet worden war. Beide sprachen fließend Polnisch.
Nach der Eroberung ganz Kongresspolens durch deutsche und österreichisch-ungarische Truppen im Spätsommer 1915 wurde das Land von den Mittelmächten in zwei zivil verwaltete Generalgouvernements aufgeteilt, ein deutsch verwaltetes mit Sitz in Warschau unter Generaloberst Hans von Beseler und in ein österreichisch-ungarisch verwaltetes mit Sitz in Lublin und General Karl Kuk an der Spitze. Kleinere nördliche Gebiete Polens um Suwałki und Augustów kamen zum Gebiet Ober Ost, das deutscher Militärverwaltung unterstellt war.[1]
Beseler verfasste in den Jahren 1915 und 1916 mehrere Denkschriften, in denen er zwar die Errichtung eines unabhängigen polnischen Staates befürwortete, aber gleichzeitig – unter dem Einfluss Ludendorffs – nicht unbedeutende Gebietsabtretungen an Preußen: das Industriegebiet Zagłębie Dąbrowskie in Kleinpolen (östlich von Oberschlesien) und das Gebiet um Łomża (unweit der ostpreußischen Grenze) sowie an Litauen und Österreich-Ungarn postulierte. Gegen diese Vorschläge wandte sich der bedeutende Diplomat Gerhard von Mutius, Vetter des deutschen Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg und Vertreter des Auswärtigen Amtes bei Beseler, indem er betonte: „[…] Teilung und selbst Abtrennungen, soweit irgend mit den militärischen Interessen vereinbar, sind zu vermeiden. […] Nur so kann die antirussische Tendenz des neuen Polen für absehbare Zeit festgelegt werden.“ Gleichzeitig zeigten sich starke Habsburger Tendenzen, das Land in seiner Ganzheit zu übernehmen und in Vereinigung mit Galizien als polnisches Königreich in Personalunion mit Cisleithanien zu regieren; diese Überlegungen riefen jedoch wegen einer befürchteten Übermacht der Slawen in einer dann trialistisch gewordenen Doppelmonarchie die heftige Gegnerschaft der Deutschösterreicher und der Ungarn hervor.
Deutschland stand nach dem Scheitern des Angriffs auf Verdun und dem Beginn der Somme-Schlacht seit Mitte 1916 an der Westfront unter schwerem Druck der Entente, und die Truppen der Donaumonarchie hatten in der Südtiroloffensive 1916 Misserfolge an der italienischen Front hinzunehmen. Zusätzlich zur bedrohlichen Lage an der Ostfront musste das Reich den Kriegseintritt Rumäniens hinnehmen. Deshalb änderte die Oberste Heeresleitung (OHL) ihre ursprüngliche Einstellung – Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff wären nämlich bereit gewesen, Kongresspolen um den Preis eines Sonderfriedens an Russland zurückzugeben – und postulierte von nun an die Schaffung eines unabhängigen Polens, wohl in der Hoffnung, dass die neu zu schaffende polnische Armee zur Unterstützung der Mittelmächte herangezogen werden könne. Schließlich einigte man sich im Oktober 1916 während der Verhandlungen mit Österreich-Ungarn im Großen Hauptquartier in Pleß, den Prozess der Proklamation des neuen Staates zu beschleunigen. In der Zwischenzeit gelang es Beseler, eine pro-deutsche polnische Partei zu schaffen, den Klub der Anhänger des polnischen Staatswesens unter Władysław Studnicki, der sich entschieden zur Errichtung eines an das Deutsche Kaiserreich angelehnten polnischen Staates bekannte.
Anfangs gewann er sogar die austrophilen (österreich-ungarisch-freundlichen) Kräfte und die Anhänger von Józef Piłsudski für seine Ideen. Nach dem Besuch einer polnischen Delegation unter der Führung des Gelehrten Józef Brudziński in Berlin beim Kaiser und Reichskanzler Ende Oktober 1916 wurden schließlich die letzten Einzelheiten festgelegt.
Die Zweite Polnische Republik wurde zum Nachfolger des Regentschaftskönigreiches. Am 20. Februar 1919 wurde Piłsudski durch den Verfassungsgebenden Sejm im Amt bestätigt. Er verfolgte das Ziel der Wiederherstellung der Grenzen aus der Zeit vor den Teilungen Polens. Das am 15. August 1917 gegründete Polnische Nationalkomitee (Komitet Narodowy Polski) mit Sitz anfangs in Lausanne und später in Paris, das eng mit dem 1916 in Posen gegründeten Obersten Volksrat zusammenarbeitete und dessen Leiter Roman Dmowski ein erbitterter Opponent von Piłsudski war und in Deutschland Polens Hauptgegner sah, wurde trotzdem im Januar 1919 um zehn Vertreter von Józef Piłsudski erweitert und als die offizielle polnische Delegation für die Friedensverhandlungen in Paris von Piłsudski bestätigt. Dmowski selbst unterzeichnete den Friedensvertrag von Versailles.[3] Durch diese Politik kam es zunächst zur durch den Versailler Vertrag festgelegten Integration von Großpolen, Kujawien, Pommerellen (mit Kulmerland) und Ostoberschlesien sowie zum Krieg mit Sowjetrussland und zum Krieg mit Litauen wegen des von beiden Seiten beanspruchten Gebietes um Wilna/Vilnius. Trotz anfänglichen Erfolgen im Bündnis mit dem ukrainischen Präsidenten Symon Petljura (Vertrag von Warschau) erlitt die polnische Armee starke Verluste, sie konnte sich aber im „Wunder an der Weichsel“, bei dem die Rote Armee durch ein riskantes Zangenmanöver nahezu vollständig vernichtet wurde, retten. Am 18. März 1921 unterzeichneten Polen und Sowjetrussland den Friedensvertrag von Riga, bei dem auch Gebiete, die nicht mehrheitlich von ethnischen Polen bewohnt waren, Teil des polnischen Staates wurden. Auch gegenüber Litauen setzte sich Piłsudskis Politik durch. Obwohl Polen im Vertrag von Suwałki (7. Oktober 1920) auf den größten Teil des strittigen Gebiets von Wilna (Vilnius) mit seiner polnischen Bevölkerungsmehrheit verzichtet hatte, eroberten schon zwei Tage später polnische Truppen unter General Lucjan Żeligowski im Handstreich die sog. Litwa Środkowa.
Das Inkrafttreten der März-Verfassung führte zu einer demokratischen Verfassung im parlamentarischen Stil in Polen.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges gründete das Deutsche Reich auf dem Gebiet des ehemaligen Russischen Kaiserreiches mehrere Marionettenregierungen. Diese Staaten waren jedoch weder voll unabhängig noch souverän.
Durch das rasche Kriegsende gingen diese Versuche, genauso wie beim Regentschaftskönigreich Polen, nie über die Planungsphase hinaus.
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.