Anton von Webern, Sohn von Karl Eduard von Webern, einem Bergkommissär, wuchs in Graz und Klagenfurt auf. Die väterliche Familie war 1753 in den fürsterzbischöflich Trienter Adelsstand erhoben worden. Durch seine Mutter erhielt Anton von Webern früh Klavierunterricht; später erteilte ihm Edwin Komauer Privatunterricht in Musiktheorie. Außerdem erlernte von Webern das Violoncello-Spiel. Von Herbst 1902 bis 1906 studierte er an der Universität WienMusikwissenschaft. Er wurde dort mit einer Edition des Choralis ConstantinusII von Heinrich Isaac, die 1909 als Band 32 der Denkmäler der Tonkunst in Österreich erschien,[1] zum Dr. phil. promoviert.
Von 1904 bis 1908 erhielt von Webern Kompositionsunterricht von Arnold Schönberg.
Nach dem Ersten Weltkrieg war Webern u.a. Leiter des Wiener Schubertbundes (bis 1922), der Wiener Arbeiter-Sinfoniekonzerte sowie Chormeister des Wiener Arbeiter-Singvereins. 1927 wurde er ständiger Dirigent beim österreichischen Rundfunk. Er gab Gastspiele in der Schweiz, in England, Spanien und Deutschland. Als Dirigent (1926, 1932 und 1935), Juror (1932 und 1936) und Komponist (an zehn Weltmusiktagen mit Werken vertreten) war er von der Gründung der ISCM 1922 bis zum Zweiten Weltkrieg eine der prägenden Gestalten bei den Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (ISCM World Music Days). Mehrere seiner Werke wurden bei den Weltmusiktagen auch uraufgeführt: 5 Stücke für Orchester op.10 (1926), Konzert für 9 Instrumente op.24 (1935), Kantate Das Augenlicht op. 25 (1938), Kantate Nr. 1 op. 29 (1946), Kantate Nr. 2 op. 31 (1950).[2][3]
Weberns Verhältnis zur NS-Ideologie und zum NS-Staat ist in der Forschung umstritten. „Ungeachtet partieller Übereinstimmungen mit dem ‚Nationalsozialismus‘ hatte (und wollte) er nach dem „Anschluss Österreichs“ 1938 als „Kulturbolschewist“ keine Chance im offiziellen Musikleben“, schreibt das Lexikon Komponisten der Gegenwart. Ab 1939 stellte er für die Universal EditionKlavierauszüge her und zog sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. Eine authentische Sicht auf den Komponisten in dieser Zeit geben die Erinnerungen Karl Amadeus Hartmanns, der Webern im November 1942 in Maria Enzersdorf bei Wien besuchte, um Unterricht zu nehmen.[4]
Am 15. September 1945 wurde Anton Webern in Mittersill bei Zell am See von einem Soldaten der US-Armee irrtümlich erschossen, als er während einer Razzia in seinem Haus –sein Schwiegersohn wurde des Schwarzmarkthandels verdächtigt– vor die Tür trat, um eine Zigarre zu rauchen. Webern wurde in der Annakirche in Mittersill aufgebahrt und auf dem Ortsfriedhof begraben. Die Umstände von Anton Weberns Tod sind Thema von René Staars op. 9 Just an Accident? A Requiem for Anton Webern and Other Victims of the Absurd aus dem Jahr 1986.
Er ist zusammen mit seiner Frau Wilhelmine und seiner Tochter Maria Halbich († 2000) in einem Ehrengrab der Gemeinde Mittersill beigesetzt. Auf der Rückseite des Grabsteins ist ein Gedicht Hildegard Jones zu lesen, das Webern 1935 vertont hatte.
Der größte Teil des Nachlasses von Anton Webern befindet sich heute in der Paul-Sacher-Stiftung in Basel.
Bereits aus der „Klagenfurter Periode“ (1899) sind zwei Stücke für Cello und Klavier aus Weberns Hand bekannt. Weberns frühe, zu Lebzeiten nicht aufgeführte Stücke (Im Sommerwind, 1904; Langsamer Satz, 1905) stehen noch deutlich in der Tradition der Spätromantik. Darauf folgte, beginnend 1908/1909 mit den Liedern nach Stefan George und den Fünf Sätzen für Streichquartett, eine lange atonale Phase, die den Ruf Weberns als eines Vertreters des musikalischen Expressionismus begründete. Bis 1914 entstanden Stücke von aphoristischer Kürze. 1924/1925 wendete Webern dann erstmals Schönbergs Zwölftontechnik an. Während Schönberg und Alban Berg diese Technik für große Formen anwendeten, vollendete sich die Kunst Weberns in der kleinen, hochkonzentrierten Form und er begann „seine Diamanten zu schleifen, seine blitzenden Diamanten, von deren Minen er eine so vollkommene Kenntnis hatte“ – wie Igor Strawinski es einmal ausdrückte.
Von da an konzentrierte sich Webern auf die Organisation der Struktur – neben der Ordnung der Tonhöhen auch die der Dauern und der Dynamik. György Ligeti hat in Salzburger Vorträgen, bei denen er unter anderem die Bagatellen für Streichquartett op.9 analysierte, deren komplexe Symmetrien gezeigt und dafür den Ausdruck „Prinzip der gestörten Ordnung“ geprägt. Eine konsequente, strenge Regelhaftigkeit in der Festlegung der musikalischen Parameter nahmen nach dem Zweiten Weltkrieg die Komponisten der Darmstädter Schule vor, vor allem Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen, die Weberns Verfahren übernahmen und zu Kompositionstechniken der seriellen Musik ausbauten. Schüler waren bei Webern Gerd Muehsam und Eduard Steuermann.
1. „Du, der ich’s nicht sage“, 2. „Du machst mich allein“
Op. 9, Sechs Bagatellen für Streichquartett (1911)
Op. 10, Fünf Stücke für Orchester (1911)
Op. 11, Drei kleine Stücke für Violoncello und Klavier (1914)
Op. 12, Vier Lieder für Gesang und Klavier (1915–17)
1. „Der Tag ist vergangen“ (1915), 2.„Die geheimnisvolle Flöte“ („An einem Abend“) (1917), 3.„Schien mir’s, als ich sah die Sonne“ (aus August Strindbergs "Gespenstersonate"; 1915), 4.„Gleich und gleich“ („Ein Blumenglöckchen“) (1917)
Op. 13, Vier Lieder für Gesang und Orchester (1914–18)
1. „Wiese im Park“ („Wie wird mir zeitlos“) (1917), 2.„Die Einsame“ („An dunkelblauem Himmel“) (1914), 3.„In der Fremde“ („In Fremdem Lande“) (1917), 4.„Ein Winterabend“ („Wenn der Schnee“) (1918)
Op. 14, Sechs Lieder nach Gedichten von Georg Trakl (1917–21), Gesang und Kammerensemble
Op. 15, Fünf geistliche Lieder (1917–22), Gesang und Kammerensemble
1. „Das Kreuz, das musst’ er tragen“, 2.Morgenlied „steht auf, ihr lieber Kinderlein“, 3.„In Gottes Namen aufstehen“, 4.„Mein Weg geht jetzt vorüber“, 5.„Fahr hin, O Seel’“
Op. 16, Fünf Canons nach lateinischen Texten (1924), Gesang und Kammerensemble
Op. 28, Streichquartett (1936–1938), in drei Sätzen
Op. 29, Erste Kantate (1938–1940), Sopran Solo, gemischter Chor und Orchester
1. „Zündender Lichtblitz“, 2.„Kleiner Flügel“, 3.„Tönen die Seligen Saiten Apolls“
Op. 30, Variationen für Orchester (1940), in einem Satz
Op. 31, Zweite Kantate (1943), Sopran Solo, Bass Solo, gemischter Chor und Orchester
1. „Schweigt auch die Welt“, 2.„Sehr tief verhalten“, 3.„Schöpfen aus Brunnen“, 4.„Leichteste Bürden“, 5.„Freundselig ist das Wort“, 6.„Gelockert aus dem Schoße“
Werke ohne Opuszahl
Zwei Stücke für Cello und Klavier (1899)
Drei Gedichte, für Stimme und Klavier (1899–1902)
Acht frühe Lieder, für Stimme und Klavier (1901–1903)
Willi Reich (Hrsg.): Der Weg zur Neuen Musik, zwei Vortragszyklen 1932-33. Universal Edition, Wien 1960, 73 S. archive.org
Der Weg zur Komposition in zwölf Tönen (1932), 8 Vorträge Januar bis März 1932
Der Weg zur Neuen Musik (1933), 8 Vorträge Februar bis April 1933
Neil Boynton (Hrsg.): Über musikalische Formen, aus den Vortragsmitschriften [1934–1938] von Ludwig Zenk, Siegfried Oehlgiesser, Rudolf Schopf und Erna Apostel, = Veröffentlichungen der Paul-Sacher-Stiftung Band 8. Schott, Mainz 2002, 439 S.
Die Gemeinde Mittersill stiftete für Webern ein Ehrengrab.
1965 wurde am Haus in Mittersill, vor dem er starb, eine Gedenktafel angebracht. Auf ihr befindet sich neben Weberns Namen das Sator-Quadrat („SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS“), auf das Webern in seinem Opus 24 bezugnahm.
Heinrich Deppert:Studien zur Kompositionstechnik im instrumentalen Spätwerk Anton Weberns (=Musikbücher von Tonos. Band3). Edition Tonos, Darmstadt 1972, DNB730205096 (227S., Dissertation Universität Tübingen, Fachbereich Altertums- und Kulturwissenschaften, 1970).
Elmar Budde: Anton Weberns Lieder op. 3: Untersuchungen zur frühen Atonalität bei Webern (= Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft 9). Steiner, Wiesbaden 1971, ISBN 978-3-515-00224-0.
Walter Kolneder:Anton Webern. Genesis und Metamorphose eines Stils (=Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts. Band19). Lafite / Österreichischer Bundesverlag, Wien 1974, ISBN 3-215-61006-X.
Hans Moldenhauer:Der Tod Anton von Weberns. Ein Drama in Dokumenten. Mit einem Geleitwort von Igor Strawinsky. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1970, ISBN 3-7651-0001-3 (Originaltitel: The death of Anton Webern. Übersetzt von Gerd Sievers).
Hans und Rosaleen Moldenhauer:Anton von Webern. Chronik seines Lebens und Werkes. Atlantis, Zürich / Freiburg im Breisgau 1980, ISBN 3-7611-0573-8 (Originaltitel: Anton von Webern, a Chronicle of His Life and Work. Übersetzt von Ken W. Bartlett).
Heinz-Klaus Metzger, Rainer Riehn (Hrsg.):Anton Webern I (=Musik-Konzepte. Sonderband). edition text+kritik, München 1983, ISBN 3-88377-151-1.
Heinz-Klaus Metzger, Rainer Riehn (Hrsg.):Anton Webern II (=Musik-Konzepte. Sonderband). edition text+kritik, München 1984, ISBN 3-88377-187-2.
Karlheinz Essl:Das Synthese-Denken bei Anton Webern (=Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft. Band24). Hans Schneider, Tutzing 1991, ISBN 3-7952-0675-8 (256S., Vorwort– Musikwissenschaftliche Dissertation Universität Wien 1988).
Matthias Herrmann:Schönberg – Berg – Webern und Dresden. In: Matthias Herrmann, Hanns-Werner Heister (Hrsg.): Dresden und die avancierte Musik im 20. Jahrhundert. Teil I: 1900–1933 (=Musik in Dresden. Band4). Laaber, Laaber 1999, ISBN 3-89007-346-8, S.297–348.
Dominik Schweiger, Nikolaus Urbanek (Hrsg.):Webern 21 (=Wiener Veröffentlichungen zur Musikgeschichte. Band8). Böhlau, Wien / Köln / Weimar 2009, ISBN 3-205-77165-6.
Simon Obert (Hrsg.):Wechselnde Erscheinung. Sechs Perspektiven auf Anton Weberns sechste Bagatelle (=Webern-Studien. Beihefte der Anton Webern Gesamtausgabe. Band1). Lafite, Wien 2012, ISBN 978-3-85151-080-5.
Dominik Skala: Untersuchungen zu den freiatonalen Orchestra Pieces (1913) Anton Weberns, Hochschule für Musik Freiburg 2014
Monika Kröpfl, Simon Obert (Hrsg.):Der junge Webern. Künstlerische Orientierungen in Wien nach 1900 (=Webern-Studien. Beihefte der Anton Webern Gesamtausgabe. Band2a). Lafite, Wien 2015, ISBN 978-3-85151-082-9.
Thomas Ahrend, Matthias Schmidt (Hrsg.):Der junge Webern. Texte und Kontexte. (=Webern-Studien. Beihefte der Anton Webern Gesamtausgabe. Band2b). Lafite, Wien 2015, ISBN 978-3-85151-083-6.
Thomas Ahrend, Matthias Schmidt (Hrsg.):Webern-Philologien (=Webern-Studien. Beihefte der Anton Webern Gesamtausgabe. Band3). Lafite, Wien 2016, ISBN 978-3-85151-084-3.
Andreas Krause:Anton Webern und seine Zeit. 2., korrigierte und erweiterte Auflage. Laaber, Laaber 2018, ISBN 978-3-89007-698-0.
Pietro Cavallotti, Simon Obert, Rainer Schmusch (Hrsg.):Neue Perspektiven. Anton Webern und das Komponieren im 20. Jahrhundert (=Webern-Studien. Beihefte der Anton Webern Gesamtausgabe. Band4). Lafite, Wien 2019, ISBN 978-3-85151-098-0.
Julia Bungardt (Hrsg.):Anton Webern. Briefwechsel mit der Universal-Edition (=Webern-Studien. Beihefte der Anton Webern Gesamtausgabe. Band5). Lafite, Wien 2020, ISBN 978-3-85151-102-4.
WebernUhrWerk – generativer Musikgenerator auf Basis von Weberns letzter Zwölftonreihe, zur Erinnerung an seinen plötzlichen Tod am 15. September 1945.
als Musikbeilage abgedruckt in: Kandinsky, Franz Marc: Der Blaue Reiter. Piper, München 1912 (Nachdruck der Ausgabe von 1912. Piper Verlag, München 2004, ISBN 3-492-24121-2)