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Volk aus Kanaan Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Amalekiter (hebräisch עֲמָלֵק ʿᵃmālēq) gelten im Alten Testament als räuberisches Nomadenvolk, das im Süden der Region Palästinas lebte, und Erbfeind der Israeliten.[1] In Gen 36,12 EU werden sie durch die Nennung Amaleks als Enkel Esaus in die Nachkommenschaft Isaaks und den Konflikt mit Jakob als Stammvater der Israeliten gestellt. Historisch lässt sich über das Volk der Amalekiter wenig sagen.[1]
In der Moderne werden die Amalekiter vielfach mit Feinden Israels bzw. der Juden gleichgesetzt, darunter auch Palästinenser. Während des Israel-Gaza-Krieges ab 2023 wurden die Palästinenser und die militant-islamistische Hamas seitens israelischer Politiker und Medien vielfach mit den Amalekitern gleichgesetzt. Einige der Aussagen wurden vor dem Internationalen Gerichtshof seitens des Anklägers Südafrika in einer Klage gegen Israel als „Völkermordabsichten gegen das palästinensische Volk“ gewertet.
Aufgrund der fehlenden archäologischen Zeugnisse und der uneindeutigen biblischen Angaben lässt sich der Lebensraum der Amalekiter nicht eindeutig lokalisieren. In Num 14 werden Amalek und Kanaan als benachbarte Völker genannt, jedoch widersprechen sich die Angaben, da die Völker zunächst in der Ebene (Num 14,25 EU) dann im Gebirge (Num 14,39–45 EU) lokalisiert werden.[1]
Ri 1,16 EU (nach plausibler Konjektur) und 1 Sam 15,6 EU sehen die Amalekiter und Keniter (hebr.: קינים) als Nachbarn, was zur Lokalisierung Amaleks im Negev passt (Num 13,29 EU). Auch die Abfolge des vermutlich alten Völkerspruchs in Num 24,20f EU, die Keniter den Amalekitern unmittelbar folgen lässt, deutet möglicherweise auf die Nachbarschaft der Völker hin. Dass die Amalekiter im edomitischen Gebiet lebten, legen auch die Geschlechterliste Esaus (Gen 36,12 EU und 1 Chr 1,36 EU) und die Liste der edomitischen Häuptlinge (Gen 36,16 EU) nahe.[1]
In Ps 83,7 f EU werden die Amalekiter unter den transjordanischen Völkern verortet. Ri 5,14 EU und Ri 12,15 EU bezeugen Erinnerungen Amaleks an den Stamm Ephraim.[1]
Über die Lebensweise der Amalekiter lassen sich kaum gesicherte Aussagen treffen. Für gewöhnlich wird in Amalek ein im Negev umherziehender Nomadenstamm vermutet.[1][2] Dem Nomadentum widerspricht jedoch die Angabe in 1 Sam 15 EU, dass Amalek eine Stadt bewohne und König Agag an seiner Spitze stehe.
Gemäß Ri 6,3–5 EU, 1 Sam 15,3 EU und 1 Sam 30,17 EU besaßen die Amalekiter Kamele. 1 Sam 30 EU sowie die Erwähnungen in Ri 6,3 EU, 6,33 EU und 7,12 EU zeichnen ein Bild von Amalek als räuberischem Volk.
Die vertrauenswürdigsten Überlieferungen des AT zur Auseinandersetzung zwischen Israel und den Amalekitern sind die aus der Zeit Davids. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Feindschaft in seine Zeit zu datieren ist. In späteren Traditionen wird die Feindschaft immer weiter in die Frühgeschichte zurückverlagert und dabei Amalek mit ostjordanischen Feinden verknüpft. Der Name des amalekitischen Königs Agag wird schließlich zum neuen Synonym für einen Erzfeind.[2]
Mit Ausnahme einer kurzen Notiz über die Verwüstung des Gebiets der Amalekiter durch einen Zusammenschluss von Königen (Gen 14,7 EU), sind die Amalekiter in Ex 17,8–16 EU zum ersten Mal von Bedeutung. Nach seinem Auszug aus Ägypten griff Amalek Israel in Refidim an. Mose übertrug Josua, dem Sohn Nuns, die militärische Führung im Kampf, während er selbst die Hände zum Gebet erhoben hielt.[1]
„Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel stärker; sooft er aber die Hand sinken ließ, war Amalek stärker.“
Israel konnte den Sieg erringen, da Aaron und Hur die Hände Moses stützten (Ex 17,12 f EU).
Die Erzählung gipfelt in einer göttlichen Zusage der Vernichtung der Amalekiter: „Denn ich will die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel austilgen.“ (Ex 17,14 EU). So begründet sie die Erzfeindschaft zwischen den beiden Völkern und „zeigt als theologische Lehrerzählung die Kraft des Gebets“.[1]
Die Erzählung in Num 14,39–45 EU stellt ein negatives Gegenstück zu Ex 17,8–16 EU dar: Israel unterliegt Amalek in einem eigenmächtig und gegen den ausdrücklichen Willen JHWHs unternommenen Kriegszug.
Das Amalekitergesetz in Dtn 25,17–19 EU nimmt die Vernichtungszusage aus Ex 17,14 EU auf und überführt sie in einen Auftrag, das Volk der Amalekiter auszurotten, wenn Israel nach der Landgabe Frieden gefunden hat. Begründet wird das Gebot mit dem Angriff der Amalekiter während der Wüstenwanderung. Die Verwerfung Sauls in 1 Sam 15,18 f EU hat ihre Ursache in der Missachtung dieses Gebots[1] insofern, dass er zwar an den Menschen den Bann vollziehen ließ, d. h. „Mann und Frau, Kinder und Säuglinge“ getötet wurden, aber deren König Agag verschonte und duldete, dass sich sein Volk „die besten Schafe und Rinder, das Mastvieh und die Lämmer und alles, was von Wert war“ aneignete. „Was aber nichts taugte und gering war, daran vollstreckten sie den Bann.“ (1. Samuel 15,9).
In der Richter- und Königszeit kommt es häufiger laut biblischem Bericht zu wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Amalekitern und Israeliten.
Ri 3,13 EU erzählt von einem Eroberungszug der Amalekiter und Ammoniter unter moabitischer Führung gegen Israel. Gemäß Ri 6,3 EU, 6,33 EU und 7,12 EU führten die Amalekiter gemeinsam mit den Midianitern und den „Leuten des Ostens“ Beutezüge durch. Auch Ri 10,12 EU zählt Amalek als eines der Völker, die Israel in vorstaatlicher Zeit bedrängten, auf.[1]
Der Übergang zu 1 Sam 15 EU wird durch eine Notiz geschaffen, die von einem Schlag Sauls gegen Amalek berichtet (1 Sam 14,48 EU). 1 Sam 15 nennt insgesamt zwölfmal die Amalekiter (zehnmal עֲמָלֵק ʿᵃmālēq, zweimal עֲמָלֵקִי ʿᵃmālēqî). Gemäß dem o. g. Amalekitergesetz muss Saul den vollständigen Bann vollziehen, jedoch führt er den Befehl nicht korrekt aus. Dies führt zu seiner Verwerfung. Auch 1 Sam 28,18 EU begründet den Verlust von Sauls Königtum mit dem nicht vollstreckten Bann.
Die Notiz in 1 Sam 27,8 EU, die von Überfällen Davids auf Amalek berichtet, bereitet die große Erzählung 1 Sam 30 EU vor: Nach einem Überfall der Amalekiter auf seine Residenzstadt Ziklag führt David einen Rachefeldzug durch. 2 Sam 1,1–16 EU beschreibt, wie der Amalekiter, der David die Königsinsignien Sauls überbringt, vorgibt, Saul getötet zu haben und dafür niedergestochen wird. 2 Sam 8,12 EU und 1 Chr 18,11 EU zählen die Amalekiter als eines der Fremdvölker auf, die David besiegte und plünderte.
Ps 83,7 f EU nennt Amalek in einer Aufzählung transjordanischer Völker, die die feindliche Völkerwelt bzw. die Chaosmächte repräsentieren. Sie planen Israel derart zu vernichten, dass sich niemand mehr an Israel erinnern wird.[1]
Ein historischer Kern kann nicht mit genügend Sicherheit aus Ex 17,8–16 EU, 1 Sam 15 EU und 1 Sam 30 EU isoliert werden, was die historische Rekonstruktion verhindert. Die Erzählungen dienen dem Zweck, Amalek als den Feind schlechthin darzustellen – keine Bannforderung erreicht dieselbe Schärfe wie die gegen Amalek.[1]
Auch die übrigen Berichte lassen kein eindeutiges Bild erkennen. Vermutlich handelte es sich bei Amalek in vorstaatlicher Zeit um einen hartnäckigen Feind, der an Judäas Südgrenze zu lokalisieren ist und mit dem Israel immer wieder wegen Weide- und Quellenrechten in Konflikt geriet. Später blieb nur die rudimentäre Erinnerung an einen nicht mehr existierenden Feind, die Amalek zum Synonym jeglicher Feindschaft gegen Israel werden ließ.[1]
In der jüdischen Überlieferung sind verschiedene Personen, die sich durch besondere Feindschaft gegenüber den Juden hervorgetan haben, dem Stamm Amalek zugeordnet worden. Dazu zählen zum Beispiel der Kosakenführer Bohdan Chmelnyzkyj (1595–1657) sowie Adolf Hitler. Die Nationalsozialisten galten prominenten Juden, so zum Beispiel Simon Dubnow, Arthur Szyk und Raul Hilberg, als Amalekiter. Solche Überlieferungen hängen mit Vorstellungen über Reinkarnation zusammen, die auf Hebräisch Gilgul genannt wird (wörtlich: „Rollen“, hier der Seele).
Einige Rabbis gehen sogar so weit, bestimmte Völker mit den Amalekitern zu identifizieren, wie beispielsweise der Gaon von Wilna, auf den sich Rabbi Joseph Chaim Sonnenfeld berief, als er sich 1898 weigerte, Kaiser Wilhelm II. bei seinem Palästinabesuch zu begrüßen, da die Deutschen von den Amalekitern abstammten.[3] Rabbi Joseph Ber Soloveitchik und andere Rabbiner lehren, dass alle Judenhasser von der Saat Amaleks stammten, so die Nationalsozialisten, die Sowjets, Nasser und der Mufti. Wiederum andere, wie Rabbi Jack Riemer, sehen in islamischen Fundamentalisten Amalekiter. Rabbi Shammai Engelmayer bezeichnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den Russischen Überfall auf die Ukraine 2022 als Nachahmung Amaleks.[4]
1974 wurden die Palästinenser als Volk erstmals mit Amalek gleichgesetzt, als Rabbi Moshe Ben-Tzion Ishbezari aus Ramat Gan sie so bezeichnete.[5] 1980 schloss sich Rabbi Israel Hess dieser Ansicht an.[6] Hess war Rabbi am Campus der Bar-Ilan-Universität und veröffentlichte im Februar 1980 einen Artikel mit dem Titel „Die Aufforderung zum Völkermord in der Torah“.[7][8] Nach dem Tode Jassir Arafats wurde dieser von 200 Rabbis aus Piqquach Nefesch als „Amalek unserer Generation“ bezeichnet und der Vorschlag gemacht, seinen Todestag als Freudentag zu feiern.[9]
Der jüdisch-rechtsextreme Terrorist Baruch Goldstein, der am 25. Februar 1994 in Hebron bei einem Massaker in der Abraham-Moschee 29 Palästinenser tötete und 150 verletzte, rechtfertigte seine Tat unter anderem damit, dass er die Palästinenser als Amalekiter der Gegenwart betrachtete.[10]
Robert Eisen, Professor für Judaistik an der George Washington University in Washington D.C, befand, dass die Neigung rechtsnationaler israelischer Siedler, die Palästinenser mit den Amalekitern zu identifizieren, mitunter für diese tödliche Konsequenzen habe.[11]
Während des Israel-Gaza-Krieges ab 2023 setzten israelische Politiker und Medien die Palästinenser bzw. die Hamas vielfach mit den Amalekitern gleich. Einige der Aussagen wurden als „Völkermordabsichten gegen das palästinensische Volk“ in einer Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof gewertet.
Ende Dezember 2023 erhob Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel Anklage wegen „Völkermordes“. In der 84-seitigen Klageschrift werden Äußerungen israelischer Politiker, Staatsbediensteter und anderer als Belege für „Völkermordabsichten gegen das palästinensische Volk“ gewertet.[22] Hierbei aufgeführt werden auch Zitate, die den Amalek-Begriff enthalten, darunter die Aussage von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vom 28. Oktober 2023,[14] die Aussage von Boaz Bismuth vom 16. Oktober 2023[16] und das Video vom 7. Dezember 2023 mit den israelischen Soldaten.[18][17]
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