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Zwangsumsiedlungsaktion in der DDR Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze bezeichnet man zwei große, generalstabsmäßig angelegte Operationen der DDR, die im Juni 1952 als „Aktion Grenze“ und „Aktion Ungeziefer“[Anmerkung 1] und im Oktober 1961 als „Aktion Festigung“ und „Aktion Kornblume“[Anmerkung 2] mit dem Ziel durchgeführt wurden, in politischer Hinsicht als unzuverlässig eingeschätzte Personen aus dem Sperrgebiet entlang der innerdeutschen Grenze zu entfernen.[1]
„Aktion Ungeziefer“ war der Tarnname (im Gebrauch waren auch die Bezeichnungen Aktion Grenze und Aktion G) einer vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR vorbereiteten und von der Volkspolizei durchgeführten Zwangsumsiedlungsaktion, in deren Verlauf zwischen Mai und Juni 1952 von der Staatsführung als „politisch unzuverlässig“ eingeschätzte Bürger mit ihren Familien zwangsweise von der innerdeutschen Grenze in das Landesinnere umgesiedelt wurden. Grundlage und Auslöser dieser Aktion war die vom Ministerrat am 26. Mai 1952 beschlossene „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands“ (Gesetzblatt [GBl.] der DDR Nr. 65 vom 27. Mai 1952 [Ausgabetag], S. 405).[2] Offiziell wurde die „Festigung“ der innerdeutschen Grenze als Ziel genannt.[3] Federführend für die Aktion war der Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der DDR und vormalige Thüringer Ministerpräsident Werner Eggerath.
Der thüringische Innenminister und kommissarische Ministerpräsident Willy Gebhardt war für die Umsetzung der „Aktion Ungeziefer“ in Thüringen verantwortlich. Seine handschriftliche Notiz an den damaligen 2. Landesvorsitzenden und Landessekretär der SED in Thüringen, Otto Funke, über die Anzahl der dabei aus den Grenzgebieten in das Innere der DDR zwangsumzusiedelnden Menschen „Otto, diese Zahlen hat mir eben Gen. König durchgegeben. Das wäre das Ergebnis der Kommissionsarbeit zur Beseitigung des Ungeziefers.“ wird vielfach als Ausdruck der menschenverachtenden oder gar entmenschlichenden Sichtweise der DDR-Führung beschrieben.[4] In einer weiteren Überlieferung erhält durch die genannte handschriftliche Mitteilung des thüringischen Innenministers Willy Gebhardt vom 9. Juni 1952 an den 2. Landessekretär der SED in Thüringen, Otto Funke, die erste große Welle der Zwangsaussiedlung, die „Aktion X“ und ihre Nachfolgeaktion „X“, erst den späteren legendären Namen „Aktion Ungeziefer“.[5][6]
Eine ähnliche Aktion, die von den Einsatzleitungen in den Bezirken verschieden genannt wurde, wie: im Bezirk Erfurt „Aktion Kornblume“, im Bezirk Magdeburg „Aktion Neues Leben“, im Bezirk Suhl „Aktion Blümchen“, im Bezirk Karl-Marx-Stadt „Aktion Frische Luft“, im Bezirk Gera „Aktion Grenze“ und in den Bezirken Rostock und Schwerin „Aktion Osten“, fand im Oktober 1961 statt.[7]
Die Einschätzung der „politischen Unzuverlässigkeit“ erfolgte oft willkürlich (zum Teil auch durch Denunziationen von Nachbarn), sodass von der Zwangsumsiedlung Bürger mit Westkontakten, Kirchgänger, ehemalige Angehörige der NSDAP und ihrer Gliederungen, aber auch Bauern, die ihr Ablieferungssoll an den Staat nicht erfüllten, und Menschen, die sich in irgendeiner Form negativ über den Staat geäußert hatten, erfasst wurden. Vereinzelt stellten sich ganze Dörfer diesen Zwangsmaßnahmen entgegen, sodass die Umsiedlung nur unter Einsatz von Verstärkungskräften und um einige Tage verzögert stattfinden konnte. Betroffene erzählen, dass sie samt ihrem Hab und Gut auf einen Güterwagen der Bahn regelrecht verladen wurden; sie fuhren los, ohne ein Ziel zu kennen. Angekommen, wies man ihnen eine Wohnung oder ein Haus zu, das wertmäßig keineswegs dem entsprach, um das man sie gebracht hatte.
Die Aktion Ungeziefer fand nach Unterzeichnung des Generalvertrags der Bundesrepublik Deutschland mit den westlichen Besatzungsmächten zur Etablierung des neuen DDR-Grenzregimes statt,[8] die Aktion Kornblume aufgrund der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung vom 24. August 1961. An den neuen Wohnorten wurde den Nachbarn erzählt, es handele sich um Kriminelle.[3][9] Dies hatte zur Folge, dass ihnen dort zunächst kein normales soziales Leben möglich war. Den Betroffenen hingegen wurde die Zwangsumsiedlung als eine notwendige Maßnahme zur Sicherung des Friedens begründet. Ziel dieser Lügen war es, die politischen Gründe der Umsiedlungsaktion zu vertuschen.
Im Zusammenhang mit den Zwangsaussiedlungen aus dem Grenzgebiet sind sechs Suizide nachgewiesen.[10]
Von Historikern wird davon ausgegangen, dass bei den Aktionen „Ungeziefer“ (1952) und „Festigung“ (1961) insgesamt zwischen 11.000 und 12.000 Menschen umgesiedelt wurden und sich ca. 3.000 Menschen dieser Maßnahme durch Flucht aus der DDR entzogen.[11][12] Für Aufsehen sorgte die gemeinsame Flucht von 34 Menschen aus Billmuthausen im Juni 1952[13] sowie von 53 Menschen aus Böseckendorf im Oktober 1961. Beide Orte liegen in Thüringen. Mehrfach kam es in Medien zu Diskussionen über eine fehlende Entschädigung der durch die Umsiedlungsaktionen in der DDR Vertriebenen.[14][15][16]
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