Raub von Kunstwerken Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Kunstraub wird das Entwenden wertvoller Kunst- und Kulturgegenstände aus öffentlichen Sammlungen, Museen oder Galerien bezeichnet. Es handelt sich um ein historisch-empirisches Phänomen und rechtspolitisches Schlagwort, nicht aber um einen bestimmten Rechtsbegriff oder selbständigen Straftatbestand im internationalen oder nationalen Strafrecht.[1]
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum Album siehe Kunstraub (Album).
Der illegale Handel mit Kulturgut aus Raubgrabungen, zerstörerische Plünderungen von antiken Kultstätten und Kunstraub aus Kirchen, Museen und Sammlungen steht neben Geldwäsche, Korruption, Drogen-, Menschen- und illegalem Waffenhandel mittlerweile weltweit an oberster Stelle krimineller Aktivitäten.[2] Laut LKA-Bayern entstehen jährliche Schäden in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar, der Bundesverband der Sachverständigen nennt eine Schadenssumme von 6 bis 8 Milliarden US-Dollar pro Jahr.[3][4]
In der Statistik des BKA wird die Zahl der in Deutschland polizeilich registrierten Diebstahls-Delikte im Bereich Antiquitäten, Kunst- und sakrale Gegenstände für 2018 mit 1.403 Fällen angegeben. Das höchste Vorkommen seit 2001 war mit 2.930 Delikten im Jahr 2012 zu verzeichnen.[5] Die Aufklärungsquote lag in Deutschland 2018 bei 25,5%.[6]
Der international anerkannte Kriminologe John E. Conklin zählt fünf Motive für Kunstdiebstahl auf:
Täter, die hoffen, gestohlene Kunst selber an Hehler oder durch Vermittlung veräußern zu können.
Solche Täter oder Gruppen, die Kunstwerke auf Bestellung und für eine Provision stehlen.
Kunstdiebe, die die Kunstwerke gegen ein Lösegeld den Eigentümern oder Versicherungen zum Rückkauf anbieten (Artnapping).
Jene Täter, die die Kunst für sich und ihre eigene Sammlung stehlen und schließlich
Eine vergleichsweise kleine Gruppe von Tätern, die Kunst stiehlt, um damit politische Ziele durchzusetzen.[7]
Immer häufiger werden Kunstwerke von der Organisierten Kriminalität und sogar auf Bestellung gestohlen. Diese Kunstwerke werden dann als Geldanlage, zur Geldwäsche oder als Zahlungsmittel verwendet. Häufigstes Motiv ist allerdings das der persönlichen Bereicherung.
Nach Angaben des Art Loss Registers werden Kunstwerke von Picasso, Miró und Chagall am häufigsten entwendet.
Illegaler Handel mit archäologischen Funden und Kunstobjekten wird als Antikenhehlerei bezeichnet. (Siehe Hauptartikel: Antikenhehlerei und Raubgrabung)
Vor 1900 war es gängige Praxis, bei Kriegen Schätze, einschließlich Kunstwerke, des Kriegsgegners als Kriegsbeute zu plündern oder zu rauben. In Artikel 56 der Haager Landkriegsordnung von 1899 ächteten die Unterzeichnerstaaten den Kunstraub. In der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 erweiterten die Unterzeichnerstaaten nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges die Regeln zum Schutz von Kulturgut.
Die im Zuge des Zweiten Weltkrieges konfiszierten Kunstgegenstände werden häufig als Beutekunst bezeichnet. Im Zweiten Weltkrieg war der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg mit systematischem Kunst- und Kulturraub in den besetzen Ländern beauftragt. Zudem bereicherten sich prominente Nationalsozialisten, allen voran Hermann Göring, schon vor dem Krieg systematisch an Raubkunst. Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass sich Göring über 4.000 Kunstwerke illegal aneignete.[8]
Im Zuge des Irakkrieges wurden zahlreiche wertvolle Exponate aus dem archäologischen Irakischen Nationalmuseum in Bagdad geraubt; einige davon wurden später bei Kunstauktionen versteigert oder privaten Kunstsammlern feilgeboten.
1945 – Teile des Domschatzes aus der Domschatzkammer Quedlinburg wurden von einem US-amerikanischen Soldaten entwendet.
1962 – Sogenannter Madonnenraub der Volkacher Rosenkranzmadonna von Tilman Riemenschneider, nach einer Rettungsaktion des Wochenmagazins Stern gerettet.
2014 – Für 71 Bilder, die im August aus einer Villa in Wien-Hietzing gestohlen wurden, vorwiegend wertvolle Werke österreichischer Künstler wie Oskar Kokoschka, wurde für die Wiederbeschaffung die Rekordsumme von 250.000 €ausgelobt.[18]
2015 – Am 19. November wurden aus dem Museum Castelvecchio in Verona 17 Gemälde (u.a. Bilder von Tintoretto und Rubens) im Wert von ca. 15 Millionen Euro gestohlen.
2017 – Am 27. März wurde aus dem Berliner Bode-Museum eine rund 100 kg schwere Big-Maple-Leaf-Goldmünze geraubt.
2022 - In der Nacht zum 23. November 2022 wurden aus dem Kelten-Römer-Museum im bayerischen Manching fast fünfhundert keltische Goldmünzen gestohlen.
Auswahl an Filmen, in denen es um Kunstdiebstahl geht. Meist werden hier die Diebe mythologisiert während sie mit der Realität des organisierten Verbrechens nichts gemein haben.
UNESCO-Konvention gegen illegalen Handel mit Kulturgut vom 14. November 1970[19] − in Deutschland ratifiziert als Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens, in Kraft getreten 2008 (konkretisiert mit Verordnung über das Verzeichnis wertvollen Kulturgutes nach dem Kulturgüterrückgabegesetz)[20]
UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig exportierte Kulturgüter vom 25. Juni 1995[21]
Deutsches Strafgesetzbuch
Kein Raub, sondern ein besonders schwerer Fall des Diebstahls liegt in der Regel vor, wenn der Täter „eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist“ (sog. gemeinschädlicher Diebstahl, §243 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Ein Beispiel ist der Diebstahl der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum am 27. März 2017.[22][23][24]
John E. Conklin: Art Crime. Praeger Publishers, Westport 1994
Bénédicte Savoy: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2010, ISBN 978-3-205-78427-2. (Übersetzung von Bénédicte Savoy: Patrimoine annexé. Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800. Éditions de la Maison des sciences de l’homme, Paris 2003, ISBN 978-2-7351-0988-3).
Bénédicte Savoy mit Robert Skwirblies und Isabelle Dolezalek (Hrsg.): Beute. Eine Anthologie zu Kunstraub und Kulturerbe. Matthes & Seitz, Berlin 2021, ISBN 978-3-75180-311-3.
Bénédicte Savoy mit Merten Lagatz und Philippa Sissis (Hrsg.): Beute. Ein Bildatlas zu Kunstraub und Kulturerbe. Matthes & Seitz, Berlin 2021, ISBN 978-3-7518-0311-3.
Steen Kittl, Christian Saehrendt: Geier am Grabe van Goghs und andere häßliche Geschichten aus der Welt der Schönen Künste. DuMont, Köln 2010, ISBN 978-3-8321-9093-4.
Nora Koldehoff, Stefan Koldehoff: Aktenzeichen Kunst. Die spektakulärsten Kunstdiebstähle der Welt. DuMont, Köln 2004, ISBN 3-8321-7435-4.
Sandy Nairne: Die leere Wand, Museumsdiebstahl - Der Fall der zwei Turner-Bilder. Piet Meyer Verlag, Bern/Wien 2013, ISBN 978-3-905799-19-4.
Milbry Polk, Angela M. Schuster: The looting of the Iraq Museum. Baghdad - the lost legacy of ancient Mesopotamia. Abrams, New York 2005, ISBN 0-8109-5872-4.
Peter Watson, Cecilia Todeschini: Die Medici-Verschwörung. Der Handel mit Kunstschätzen aus Plünderungen italienischer Gräber und Museen. Parthas-Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-86601-905-8.
Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (12. Oktober bis 14. November 1970 in Paris): Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (BGBl. 2007 II S. 626, 627)