Gedächtniskirche der Protestation (Speyer)
Kirchengebäude in Speyer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Gedächtniskirche der Protestation (oft kurz Protestationskirche) in Speyer wurde in den Jahren 1893 bis 1904 zur Erinnerung an die im Jahre 1529 auf dem Reichstag zu Speyer erfolgte Protestation zu Speyer errichtet. Ihr Turm ist mit 100 m der höchste Kirchturm der Pfalz und der höchste deutsche Kirchturm im Bereich links des Mittel- und Oberrheins.
Auf dem Reichstag zu Speyer im Jahr 1529 wollten die Fürsten, die Luthers Lehre anhingen, sich nicht damit abfinden, dass durch eine Abstimmung über die Religionszugehörigkeit entschieden werden sollte. Sie äußerten ihren Widerstand in der Protestation zu Speyer, daher der Begriff Protestant. Dieses Ereignis führte zu der Trennung der christlichen Konfessionen in katholisch und protestantisch.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert, zur Zeit des Kulturkampfes, waren die Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken infolge der Verkündung des Dogmas der päpstlichen Unfehlbarkeit und des Papstprimats auf dem ersten vatikanischen Konzil stark belastet. Diese Auseinandersetzungen hatten ihre Auswirkungen auch auf den Kirchenbau. Die Gedächtniskirche sollte eine Hauptkirche der gesamten protestantischen Christenheit werden, ein Ziel, das viel zu hoch gegriffen war. Die Gedächtniskirche ist in Deutschland kaum bekannt und noch weniger im Ausland. Auch unter den Protestanten waren die Meinungen nicht einhellig, deshalb vergingen zwischen der ersten Idee und der Grundsteinlegung der Gedächtniskirche mehr als 35 Jahre mit teilweise heftigen Diskussionen.
Der Bau der Gedächtniskirche war eine Reaktion auf die bauliche Erneuerung und Ausmalung des Speyerer Doms durch Johann von Schraudolph in den Jahren 1846 bis 1856. Ursprünglich sollte die Dreifaltigkeitskirche unweit des Doms renoviert werden, dann aber fiel die Entscheidung, anstelle der Instandsetzung dieser aus der Barockzeit stammenden Kirche einen Neubau in Angriff zu nehmen.
Zunächst sollte die geplante Reformationskirche am Retscher, der Ruine eines Adelspalais der Familie Retschelin neben der Dreifaltigkeitskirche, errichtet werden. Hier, so glaubte man, habe der Reichstag von 1529 stattgefunden. Zur Errichtung der sogenannten Retscher-Kirche wurde ein Bauverein gegründet, der mit Genehmigung des bayerischen Königs Maximilian II. im Jahr 1857 mit einem Spendenaufruf an die Öffentlichkeit trat. Die Geldspenden waren jedoch vorerst recht gering, denn die Protestanten mussten zur gleichen Zeit das Lutherdenkmal in Worms finanzieren, das 1868 im Beisein des preußischen Königs und späteren Kaisers Wilhelm I. und des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (später Kaiser Friedrich III.), enthüllt wurde. Bei diesem Ereignis knüpfte die Speyerer Gemeinde ersten Kontakte mit dem preußischen Königshaus, die später von erheblicher Bedeutung sein sollten.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Reichsversammlung von 1529 nicht im sogenannten Retscher getagt hatte, war man mit dem Neubauprojekt nicht mehr an die Altstadt gebunden. 1883 wurde vom Verein zur Erbauung der Gedächtniskirche der Protestation von 1529 der Bauplatz der heutigen Kirche bestimmt. Außerdem gab die Verkündung des Dogmas der päpstlichen Unfehlbarkeit im Jahr 1870 und die Gründung des Deutschen Reichs unter einem evangelischen Kaiser im Jahr 1871 dem Projekt neuen Auftrieb.
Die Protestationskirche sollte nicht hinter dem Dom zurückstehen. Deshalb musste eine Bauform gefunden werden, die ganz anders als der romanische Dom war. In dem dazu ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gingen 45 Entwürfe von Architekten aus dem ganzen Deutschen Reich ein. Die fünf Entwürfe, die in die engere Wahl kamen, propagierten alle den neugotischen Baustil. Im Zusammenhang mit den ausgeschriebenen Wettbewerben wurden als Sieger, im November 1884, die Architektengemeinschaften von Julius Flügge und Carl Nordmann in Essen mit dem Ersten Preis sowie die Gemeinschaftsarbeit von Johannes Vollmer und Fernando Lorenzen mit dem Zweiten Preis ausgezeichnet.[1]
Als die Gelder für den Bau 1890 noch nicht beisammen waren, wandte sich der Bauverein an den protestantischen Kaiser Wilhelm II., der versprach, für die Fertigstellung der Kirche zu sorgen. Am 24. August 1893 fand die Grundsteinlegung statt. Nach elfjähriger Bauzeit konnte die Gedächtniskirche am 31. August 1904 eingeweiht werden.
Die Gedächtniskirche vertritt die doktrinäre Neugotik. Sie verwendet verhältnismäßig reine historische Formen und entlehnt ihr Formenvokabular den gotischen Kathedralen. Vorbilder der Gedächtniskirche waren aber vor allem die Kirchen der Wiener Neugotik. Besonders hervorzuheben ist hierbei die 1856 bis 1879 errichtete Wiener Votivkirche.
Die Gedächtniskirche liegt im Südwesten der Stadt Speyer außerhalb der alten Stadtmauer vor dem ehemaligen Landauer Tor, wo im 19. Jahrhundert eine neue Vorstadt mit Wohnbauten im Stil der Gründerzeit entstand. Der Bau steht frei wie der Speyrer Dom im Osten der Stadt.
Bei der Auswahl der Bausteine ließ man besondere Sorgfalt walten. Verschiedene Steinbrüche wurden geprüft. Der für den Sockel verwendete Weidenthaler Rotsandstein konnte für den Weiterbau nicht verwendet werden, da er zu sehr mit Kieseln durchsetzt und für Bildhauerarbeiten nicht geeignet war. Außerdem befürchtete man, dass der rote Stein durch Witterungseinflüsse bald nachdunkeln werde, während der gewählte weiß-graue Vogesen-Sandstein seine helle Farbe behalten und nur leicht patiniert wirken würde. Die Steine aus Lauterecken konnten nicht verwendet werden, weil dort die Schichten zu niedrig und daraus keine großen Quader zu hauen waren. Insgesamt wurden 6622 Kubikmeter Bruchsteine geliefert, neben 1935 Kubikmetern Mauersteine.
Bei der Bedachung wurde auf ein Schieferdach verzichtet, da dieses häufige Reparaturen erfordert. Stattdessen wurde das Dach mit glasierten Ziegeln gedeckt, die mit Kupferdraht fixiert wurden.
Die Gedächtniskirche ist eine dreischiffige, gewölbte Halle über dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes. Die Gewölbe sind wegen des geringeren Gewichtes aus künstlichem Tuffstein gemauert. Vor dem kurzen Langhaus steht der mächtige 100 m hohe Glockenturm, seit 1904 der höchste Kirchturm der Pfalz, in seinem Erdgeschoss die Gedächtnishalle. Der Turm ist bis zum Helm 57 m hoch, der Turmhelm misst nochmals 43 m.
Die Fassaden sind ohne feste Kontur. Es dominiert die im Sinn der Hochgotik aufgespaltene Form, die keine größere Flächen stehen lässt, sondern den ganzen Baukörper in einem Wechsel von Strebepfeilern und Fensterwänden umgibt. Die Dächer sind mit verschiedenfarbig glasierten Ziegeln gedeckt, die ein kleinteiliges Rautenmuster bilden.
Im Erdgeschoss des Turms ist die Gedächtnishalle untergebracht. Diese hat wie der Turm einen sechseckigen Grundriss. Die Anlage der Gedächtnishalle vor dem Haupteingang ist bewusst gewählt. Denn an keiner anderen Stelle konnte man die Zeugen der Protestation, deren Statuen nicht im Kircheninnern aufgestellt werden durften, dem Kirchenbesucher besser vor Augen führen.
In der Mitte der Gedächtnishalle steht auf einem Sockel aus schwedischem Granit das Bronze-Standbild Martin Luthers, eine Stiftung der deutsch-amerikanischen Lutheraner. Luther hält in der Linken die aufgeschlagene Bibel und ballt die Rechte zur Faust; mit dem rechten Fuß zertritt er die päpstliche Bannbulle. Die in den Boden eingelassene Inschrift (Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen!) verdeutlicht, dass hier an Luthers Auftreten vor dem Reichstag von Worms im Jahr 1521 gedacht ist.
Auf sechs Postamenten stehen die von Max Baumbach geschaffenen Statuen der Fürsten, die am 19. April 1529 auf dem Speyerer Reichstag protestiert haben:
In den Schnittpunkten der Gewölberippen befinden sich die Wappen der Unterzeichner. In den Bogenzwickeln der Nebenportale hängen die Wappen der vierzehn Reichsstädte, die sich der Speyerer Protestation anschlossen (Heilbronn, Isny, Kempten, Konstanz, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Nürnberg, Reutlingen, St. Gallen, Straßburg, Ulm, Weißenburg, Windsheim).
Das zweiteilige Hauptportal zeigt am Mittelpfosten die Sandsteinfigur von König David mit der Harfe, der die Kirchenbesucher mit einem Psalmwort auf einer Textrolle begrüßt und außerdem auf die besondere Bedeutung der Musik in den protestantischen Kirchen aufmerksam macht:
An der Innenseite des Portals steht ein Engel mit geöffnetem Buch, der die hinausgehenden Kirchenbesucher an die Bewahrung von Gottes Wort erinnern soll:
Der Innenraum der Kirche ist eine in allen Teilen kreuzrippengewölbte Halle, die stark zum Zentralraum tendiert. Der zweigeschossige Aufriss des Inneren ist durch die Empore bedingt, die den Raum fast ganz umläuft und lediglich in der Apsis fehlt. Grundrisse mit kurzem Schiff und Anlage als Emporenhalle sind im protestantischen Kirchenbau weit verbreitet und mit der besonderen Bestimmung der Kirche als Predigtraum zu erklären. Deshalb vermied man aus akustischen Gründen große Kirchenschiffe und schuf Platz für eine größere Zuhörerschaft mit Emporen.
Von einer mittelalterlichen Kathedrale unterscheidet sich das Kircheninnere durch den Verzicht auf Verputz und Bemalung. Quader, Pfeiler, Gewände, Gewölberippen und Maßwerke sind ebenso sichtbar belassen; alle Farbigkeit bleibt der Glasmalerei vorbehalten.
Wie bei gotischen Kathedralen sind die farbig gestalteten Fensterwände elementarer Bestandteil des Baues, über dessen Bedeutung sie Aufschluss geben. Die Fenster kommen aus neun bekannten Ateliers in verschiedenen Städten des damaligen Deutschen Reiches. Alle 36 Fenster sind im Stil des Historismus geschaffen.
Die Hochfenster in der Apsis, die Karl de Bouché schuf, stiftete das letzte deutsche Kaiserpaar, Wilhelm II. und seine Frau Auguste Viktoria. Aus diesem Grund heißt der Altarraum auch Kaiser-Chor. Die sieben Engelköpfe in den drei mittleren Fenstern sind Porträts der Kaiserkinder. Wilhelm II. sagte deshalb über diese Darstellung seiner Kinder:
Die ersten drei seitlichen Fenster nach dem Hauptportal symbolisieren Glaube, Hoffnung und Liebe, die Grundwerte des Christentums:
Die Großfenster über den drei Portalen zeigen in der Mitte Luther, in den beiden seitlichen Fenstern Förderer der Reformation.
Die drei ersten Großfenster auf der linken Seite stellen drei Berufungen dar:
Die Großfenster über der Empore zeigen auf der rechten Seite drei Ereignisse, mit denen den Menschen Leitlinien des christlichen Lebens verkündet wurden:
Der Altar der Gedächtniskirche wurde zunächst gemäß der lokalen protestantischen Tradition als einfacher tischförmiger Altar errichtet, den die Stuttgarter Steinmetz-Firma Erfort und Wüst geschaffen hatte. Im Jahr 1908 wurde das Altarretabel hinzugefügt, das gotischen Vorbildern folgt. Vor der zentralen Goldmosaik-Fläche steht eine Statue des „lehrenden Christus“ des Wiesbadener Bildhauers Feihl.[2]
Das Lesepult am Altar ist neueren Datums. Es ist ein Werk des pfälzischen Bildhauers Gernot Rumpf, der auch hier, wie an anderen Orten seinen Humor zeigt und Pfälzer Sagenstoff in den Kirchenbau einbringt. Er stellt ein Netz dar und spielt dabei auf das Bibelwort Jesu zu Petrus an: „Von nun an sollst du Menschen fangen.“ Am Lesepult hängt deshalb ein Netz, in dem Fische in Form der pfälzischen Sagengestalten, der Elwetritschen, gefangen werden. Der dicke Fisch mit dem aufgeschlagenen Buch ist Martin Luther, der Fisch mit den Zöpfen neben ihm ist seine Frau Katharina von Bora.
Die Kanzel ist durch einen reichen Aufbau mit verschiedenen Materialien ausgezeichnet. Im Kanzelkorb sind vier Bronzereliefs mit den Darstellungen der Geburt, der Taufe, der Kreuzigung und der Auferstehung Christi eingelassen. Der Kanzeldeckel aus Eichenholz zeigt einen reichen Aufbau in der Art eines gotischen Sakramentshäuschens. Er wurde schon bald nach der Einweihung der Kirche als überladen empfunden, wurde aber nicht entfernt oder vereinfacht.
Für den Unterbau der Kanzel wurden verschiedenfarbige Marmorsorten gewählt:
Die Kanzel stiftete der US-amerikanische Eisenbahnmagnat John Pierpont Morgan. Die Vierungssäulen sind ein Geschenk von William Ziegler, ebenfalls aus New York.
Die Eichenbänke zeigen an den Wangen Dekorationsformen, die auch am Bau vorkommen, und Wappen und Namen der Stifter, die von dem Speyerer Holzbildhauer Otto Martin, dem Schöpfer des Dommodells im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, geschnitzt wurden. Insgesamt umfasst das Gestühl 1800 Sitzplätze.
Die Gedächtniskirche hat zwei Orgeln.
Die ursprüngliche Orgel, die von der Stuttgarter Orgelbaufirma C. F. Weigle im Jahr 1900 begonnen und von der Oettinger Firma Steinmeyer im Jahr 1902 vollendet wurde, besaß 65 klingende Register, verteilt auf vier Manuale und Pedal. 1938/1939 wurde dieses Werk tiefgreifend von Steinmeyer umgebaut und auf 75 Register erweitert. Aus dieser Zeit stammt auch der nach dem Entwurf des Münchner Bildhauers Hans Miller geschaffene, heute noch erhaltene Freipfeifenprospekt.
Nach einer erneuten Erweiterungs- und Umbaumaßnahme im Jahr 1963 durch Oberlinger wurde 1979/1980 die heutige Orgel aus der Orgelbauwerkstatt Detlef Kleuker in Bielefeld aufgebaut und in Dienst gestellt; Kleuker übernahm neben dem monumentalen Prospekt auch etliche Register aus der Vorgängerorgel. Mit 95 Registern zählt das Instrument zu den größten Orgeln in Südwestdeutschland mit mechanischer Spieltraktur.[3]
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Seit 1956 gibt es hinter dem Altarretabel eine Chororgel. Das erste Instrument wurde von der Orgelbaufirma Oberlinger (Windesheim) mit 13 Registern erbaut; der Spieltisch stand hinter der Kanzel. Diese Orgel wurde 2021 durch einen Neubau der Orgelbaufirma Klais ersetzt. Das neue Instrument hat 25 Register auf zwei Manualwerken und Pedal. Das Pfeifenwerk ist – mit Ausnahme einiger Pedalpfeien – in einem massiven Eichengehäuse untergebracht, das als Schwellwerk (mit Austrittsöffnungen zur Seite und nach oben) ausgestaltet ist und durch zwei Schwelltritte bedient werden kann. Die Spieltrakturen der Manualwerke sind mechanisch, die des Pedalwerks elektrisch. Der Spieltisch ist auf der linken Seite direkt an das Orgelwerk angebaut.[4]
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Von den ursprünglichen Glocken, die Franz Schilling in Apolda gegossen hatte, wurde die am 14. Februar 1900 gegossene, von Kaiser Wilhelm II. gestiftete, Kaiserglocke (f0, 9.130 Kilogramm) 1942 im Glockenfriedhof Hamburg für Kriegszwecke eingeschmolzen. Sie trug neben dem Bildnis Kaiser Wilhelms I. die Inschrift „Welch eine Wendung durch Gottes Fügung!“ – ein (angeblicher) Ausspruch des Kaisers während der Schlacht von Sedan. Die vier übrigen 1903 gegossenen Glocken, Gustav-Adolf-Glocke (as0, 4.660 Kilogramm), Martin-Luther-Glocke (b0, 3.298 Kilogramm), Bayernglocke (c1, 2.800 Kilogramm) und die Evangelische Arbeitervereinsglocke (es1, 1.250 Kilogramm) kehrten nach Kriegsende zurück. Sie waren aber von so geringer Qualität, dass sie für ein neues Geläute kaum infrage kamen. Da jedoch erhebliche Kosten mit der Beschaffung eines komplett neu zu gießenden Geläutes verbunden waren, holte der Bauverein der Gedächtniskirche zuvor noch ein Gutachten von Kirchenrat Schildge (Stuttgart) ein, der dann am 26. Juli 1957 an den Vorsitzenden des Bauvereins, Oberkirchenrat D. Schaller, schrieb „Wenn von dem amtl. Glockensachverständigen der protestantischen Landeskirche der Pfalz -Theo Fehn- vorgeschlagen wurde, die vorhandenen 4 Glocken einzuschmelzen und ein von Grund auf neues Geläute zu beschaffen, so muss dem beigepflichtet werden …“ So wurde nach der auf die filigrane Turmform und Sangesfreude innerhalb des evangelischen Glaubens abgestimmten Disposition von Theo Fehn mit 8 sich über fast 2 Oktaven erstreckende Glocken in weit gespannter Rippenprogression, im Jahr 1959 ein vollständig neues Geläute bei der Karlsruher Glockengießerei Bachert in Auftrag gegeben. Dieses wurde in Konzeption und Feinanpassung des Tonaufbaus noch in der Giesserei auf Halbtonsechzehntel genau von Theo Fehn eingestimmt sowie an die übrigen 5 Geläute der Stadt Speyer angepasst.[5] Die aus Spenden angeschafften Glocken tragen die Namen bekannter Reformatoren und ihrer Mitarbeiter sowie des um das Luthertum verdienten Schwedenkönigs Gustav Adolf. Es gilt mit seinem freudig strahlenden, reinen, ausgewogenen und harmonischen Klang als das schönste Großgeläute der Pfalz.
Der Uhrschlag wurde auf Vorschlag des Glockensachverständigen dem Westminsterschlag im Elizabeth Tower nachempfunden.
Nr. | Name | Gussjahr | Gießer, Gussort | Durchmesser (mm) | Gewicht (kg) | Nominal (HT-1/16) |
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1 | Martin Luther | 1959 | Glockengießerei Bachert, Karlsruhe | 2333 | 7450 | f0 +1 |
2 | Johannes Calvin | 1957 | 4452 | as0 +3 | ||
3 | Huldrych Zwingli | 1595 | 2530 | c1 +2 | ||
4 | Gustav Adolf | 1331 | 1578 | es1 +5 | ||
5 | Philipp Melanchton | 1162 | 1106 | f1 +4 | ||
6 | Martin Butzer | 1006 | 729 | as1 +7 | ||
7 | Zacharias Ursinus | 934 | 627 | b1 +6 | ||
8 | Johannes Bader | 835 | 443 | c2 +5 |
Die Begeisterung über den Bau der Gedächtniskirche war nicht nur unter den Protestanten geteilt.
Auch die Katholiken konnten sich mit dem „protestantischen Dom“ nicht anfreunden. Als der Verein zur Erbauung der Gedächtniskirche seinen Bauplatz am damaligen Stadtrand erwarb, bemühten sich die Katholiken um einen Bauplatz in unmittelbarer Nähe. Und so wurde im Jahr 1887 ein katholischer Kirchenbauverein gegründet. 1912 wurde der Grundstein in unmittelbarer Nähe der Gedächtniskirche gelegt und schon im Jahr 1914 konnte die Kirche dem Patron der Kurpfalz und dem Schutzpatron der Arbeiter, dem Heiligen Joseph, geweiht werden. Sie wurde laut Chronik der Josephskirche als ein „Zeichen der Liebe zur bayerischen Heimat und der Treue zum bayerischen Königshaus“ verstanden.
Bezüglich der Baustile von St. Joseph und Gedächtniskirche heißt es: „katholische Vielfalt gegenüber protestantischer Strenge“. Der Mainzer Dombaumeister Ludwig Becker entwarf den Plan mit Formen des Jugendstils, der Spätgotik, des Barock und der Renaissance. Die Josephskirche sollte sich nämlich stark vom Stil des Speyrer Doms und der Gedächtniskirche unterscheiden.
Einer der entscheidenden Förderer des Baus war das preußische Königshaus. Die fünf Großfenster des Chorpolygons werden aufgrund der Stiftungen von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gemahlin Kaiserin Auguste Viktoria, auch als Kaiserchor bezeichnet. Wilhelm II. bevorzugte als Baustil eher die Romanik wegen des französischen Ursprungs der Gotik. Der Kaiser wurde als „werbewirksamer Faktor“ eingesetzt. Im Zusammenhang mit dieser Förderung gab es auch „gehässige, feindselige Äußerungen“ von katholischer Seite.
Dies war auch der Hauptgrund, weshalb der Kaiser nicht zur Einweihungsfeier im Jahr 1904 kam:
„Einen weiteren Mißton gab es bei dem Feste dadurch, dass Kaiser Wilhelm II. als evangelischer Fürst angeblich aus Gründen der ‚Hofetikette‘, in Wirklichkeit, um nicht bei der katholischen Kirche und Zentrumspartei Anstoß zu erregen, der Einladung keine Folge leistete und durch dieses Verhalten auch andere evangelische Fürsten davon abhielt.“[7]
Kaiser Wilhelm ließ sich bei der Einweihung durch Prinz Otto zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg vertreten und sah die von ihm so geförderte Kirche erst bei einem Besuch der Stadt Speyer im Jahr 1917.
In den 1950er Jahren gab es Planungen, die Kirchenfenster, die dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprachen, vollständig auszuwechseln. Symptomatisch für die Kritik ist die dem Schweizer Theologen Karl Barth – wohl zu Unrecht[8] – zugeschriebene Äußerung, der anlässlich einer Besichtigung der Gedächtniskirche, anstatt – wie erwartet – seine Begeisterung für die Gedächtniskirche zu äußern, gesagt haben soll, dass „wohl im Krieg eine Bombe zu wenig in Speyer gefallen“ sei.
Die Gedächtniskirche ist die Hauptkirche der Evangelischen Kirche der Pfalz, deren Hauptverwaltung in unmittelbarer Nähe des Speyrer Doms untergebracht ist. Zur Hundertjahrfeier im Jahr 2004 wurde die Gedächtniskirche mit großem finanziellem Aufwand renoviert. Dies rief einigen Unmut unter den Angehörigen der pfälzischen Landeskirche hervor, da die Gemeinden im Rahmen einer strikten Sparpolitik ihre Bautätigkeiten einschränken mussten.
Der erste Täufling, der 1904 in der gerade eingeweihten Gedächtniskirche getauft wurde, war Frau Gertrud Cantzler, die 2004 zusammen mit ihrer Taufkirche ihren 100. Geburtstag feierte. Sie starb mit 104 Jahren in der Nacht auf den 26. April 2009. Gerade an diesem Sonntag wurde die Vollendung der 12-jährigen Sanierungsphase der Gedächtniskirche mit einem Festgottesdienst gefeiert.
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