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mathematischer Satz über die Existenz komplexer Nullstellen von Polynomen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der (Gauß-d’Alembertsche) Fundamentalsatz der Algebra besagt, dass jedes nicht konstante Polynom im Bereich der komplexen Zahlen mindestens eine Nullstelle besitzt. Dabei können die Koeffizienten des Polynoms beliebige komplexe Zahlen sein – insbesondere sind Polynome mit ganzen oder reellen Koeffizienten mit eingeschlossen.
Wendet man den Satz zum Beispiel auf das Polynom an, so folgt, dass die im Bereich der reellen Zahlen unlösbare Gleichung im Bereich der komplexen Zahlen mindestens eine Lösung besitzen muss.
Der Fundamentalsatz der Algebra sagt, dass die komplexen Zahlen algebraisch abgeschlossen sind oder – äquivalent – dass die reellen Zahlen reell abgeschlossen sind.
Die Namensgebung wurzelt in einem traditionellen Verständnis der Algebra als der Lehre von Gleichungen höheren Grades mittels „Buchstabenrechnen“.[1][2]
Es sei
ein Polynom vom Grad – also ein nicht konstantes Polynom – mit komplexen Koeffizienten . Dann hat das Polynom eine komplexe Nullstelle, d. h., es gibt eine Zahl , so dass gilt. Genauer gilt, dass die Anzahl der Nullstellen, wenn sie mit der richtigen Vielfachheit gezählt werden, insgesamt gleich dem Grad des Polynoms ist.
Auch wenn ein Polynom über den reellen Zahlen ist, wenn also alle Koeffizienten in liegen, sind die zugehörigen Nullstellen nicht notwendigerweise reell. Es gilt aber: Ist eine nichtreelle Nullstelle von , so ist auch ihr komplex Konjugiertes eine Nullstelle von . Ist eine mehrfache Nullstelle von , so hat dieselbe Vielfachheit. In der faktorisierten Schreibweise des Polynoms lassen sich daher die zugehörigen Linearfaktoren immer zu einem quadratischen Faktor zusammenfassen. Ausmultipliziert hat dieses Polynom zweiten Grades wieder rein reelle Koeffizienten:
Daraus folgt im Umkehrschluss, dass jedes reelle Polynom sich in reelle Polynomfaktoren vom Grad eins oder zwei zerlegen lässt. In dieser Form wurde der Satz 1799 von Carl Friedrich Gauß im Rahmen seiner Doktorarbeit formuliert, die dieses Ergebnis bereits in ihrem lateinischen Titel Demonstratio nova theorematis omnem functionem algebraicam rationalem integram unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse verkündet (deutsch: „Neuer Beweis des Satzes, dass jede ganze rationale algebraische Funktion in einer Variablen in reelle Faktoren ersten oder zweiten Grades zerlegt werden kann“).
Von einem Polynom lässt sich der zu einer Nullstelle mit gehörende Linearfaktor abspalten: . (Dazu kann beispielsweise die Horner-Ruffini-Methode verwendet werden.) Durch die Abspaltung ergibt sich ein im Grad um eins reduziertes Polynom , für welches das Verfahren wiederholt werden kann. Per Induktion ist hiermit gezeigt: Jedes nicht konstante Polynom über zerfällt vollständig in ein Produkt aus Linearfaktoren:
wobei die die Nullstellen des Polynoms sind.
Der Fundamentalsatz der Algebra besagt also, dass der Körper der komplexen Zahlen algebraisch abgeschlossen ist.
Die Polynomgleichung
hat die Lösungen
die natürlich die Nullstellen des Polynomes sind. Die Lösung 0 wird dabei doppelt gezählt, wie anhand der Faktorisierung des Polynoms ersichtlich ist:
Man verwendet auch die Sprechweise „0 tritt mit Vielfachheit 2 auf“, alle anderen Nullstellen treten mit Vielfachheit 1 auf. Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Nullstellen im Allgemeinen nicht (alle) reell sind, selbst wenn das Polynom reelle Koeffizienten hat. Nichtreelle Nullstellen von Polynomen mit reellen Koeffizienten treten aber immer paarweise komplex konjugiert auf (in obigem Beispiel ).
Der Satz lässt sich in äquivalenten Formulierungen aussprechen, die hier zusammenfassend aufgeführt seien:
Die Äquivalenz folgt mittels vollständiger Induktion, Körpertheorie, schlicht per Definition oder aber mit Hilfe der Theorie formal reeller Körper. Insbesondere dank der letzteren ist auch folgende Formulierung äquivalent:
Die Beweisvariante für reell abgeschlossene Körper durch Galois-Theorie zeigt, dass diese beiden Eigenschaften den Fundamentalsatz implizieren, und abstrahiert von der Grundidee des Gaußschen Beweises von 1815.
Erste Formulierungen des Fundamentalsatzes finden sich im 17. Jahrhundert (Peter Roth, Albert Girard, René Descartes). Peter Roth (1608) vermutete, dass Gleichungen -ten Grades höchstens Lösungen haben, und Francois Viète gab Beispiele von Gleichungen -ten Grades mit der maximalen Anzahl von Lösungen an. Albert Girard vermutete 1629 (L'invention en l'algèbre) als Erster, dass es immer Lösungen gibt, und vermutete schon neben reellen auch komplexe Lösungen. Leonhard Euler gab eine Formulierung des Fundamentalsatzes als vollständige Faktorisierung im Komplexen im heutigen Sinn an.
Gemäß einer Arbeit von Eugen Netto und R. Le Vavasseur aus dem Jahre 1907 ist davon auszugehen, dass es schon damals etwa einhundert Beweise des Fundamentalsatzes gab.[3] Der erste veröffentlichte Beweis von Jean d’Alembert 1746 war von der Idee her korrekt, jedoch enthielt er Lücken, die erst mit den Methoden der Analysis des 19. Jahrhunderts geschlossen werden konnten. Eine vereinfachte und auch nach modernen Kriterien noch korrekte Version dieses Beweises wurde von Jean-Robert Argand 1814 angegeben.[Anm 1] Weitere veröffentlichte Beweisversuche stammen von Euler (1749), Joseph-Louis Lagrange (1772), aufbauend auf dem Beweis von Euler, und Pierre Simon de Laplace (1795), der einen neuen Ansatz verfolgte unter Verwendung der Diskriminante des Polynoms.
Der erste vollständige Beweis für den Fundamentalsatz der Algebra wurde 1799 von Carl Friedrich Gauß im Rahmen seiner Dissertation angegeben (und eine Notiz dazu in seinem Tagebuch schon im Oktober 1797 eingetragen).[Anm 2] Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ging Gauß auch das Problem an, die Existenz der Wurzeln im Komplexen zu beweisen und nicht stillschweigend vorauszusetzen. Auch dieser Beweis enthält einige analytische Schwächen, die erst später beseitigt werden konnten. Der zweite Beweis, der von Gauß 1815 vorgestellt und ein Jahr später publiziert wurde, baut auf Ideen von Leonhard Euler auf. Dieser induktive Beweis benutzt als analytische Grundlage (nämlich als Induktionsanker), unbewiesen und ohne dass eine Beweisnotwendigkeit gesehen wurde, lediglich den Zwischenwertsatz der reellen Analysis, genauer den Spezialfall, dass jedes Polynom ungeraden Grades immer eine reelle Nullstelle hat. Aus Sicht der „Modernen Algebra“ gehört dieser Beweis in die algebraische Theorie formal reeller Körper bzw. reell abgeschlossener Körper: Siehe hierzu den Abschnitt „Induktiver Beweis mit algebraischen Methoden und dem Zwischenwertsatz“. Der Fundamentalsatz der Algebra erscheint aus dieser Perspektive in der Gestalt: Der Körper der reellen Zahlen ist reell abgeschlossen, das heißt, ist algebraisch abgeschlossen.
Ein Beweis, der gleichzeitig ein effizientes Berechnungsverfahren beinhaltet, wurde 1859 (und nochmals 1891) von Karl Weierstraß veröffentlicht. Das darin enthaltene Verfahren wird heute als Durand-Kerner-Verfahren bezeichnet.
Inzwischen kennt man mehrere sehr unterschiedliche Beweise, die Begriffe und Ideen aus Analysis, Algebra oder Topologie beinhalten. Am kürzesten kann der Fundamentalsatz der Algebra nach Augustin-Louis Cauchy und Joseph Liouville mit Methoden der Funktionentheorie bewiesen werden. Eine annähernd direkte Plausibilität vermittelt die topologische Argumentation auf Basis der Umlaufzahl. Relativ elementar ist der analytische Beweis.
Der bewertungstheoretische Beweis (H. Brückner, 1990) führt den Fundamentalsatz mit Hilfe elementarer Überlegungen über Erweiterungen lokalkompakter Körper auf den Vollständigkeitssatz von A. Ostrowski (1916) zurück, der seinerseits elementar bewiesen wird. Dabei wird der enge Zusammenhang zwischen der Theorie archimedischer Bewertungen auf Körpern und der algebraischen Theorie formal reeller (speziell reell abgeschlossener) Körper erkennbar. Der Vollständigkeitssatz betrachtet insbesondere vollständige archimedisch bewertete Körper und impliziert den Fundamentalsatz in der Gestalt: Der Körper besitzt keine echte endliche Erweiterung, denn auf einen solchen ließe sich der Absolutbetrag fortsetzen – im Widerspruch zu Ostrowskis Vollständigkeitssatz.
Im Folgenden sei stets ein nichtkonstantes Polynom mit komplexen Koeffizienten und insbesondere . Dieses sei als Funktion aufgefasst.
Dieser Beweis[4] wurde 1746 von Jean-Baptiste le Rond d’Alembert vorgeschlagen, jedoch erst 1814 von Jean-Robert Argand vervollständigt. Die zentrale Aussage dieses Beweises ist, dass zu jedem Punkt , der keine Nullstelle ist, ein Punkt in der Umgebung angegeben werden kann, der eine Verkleinerung im Betrag des Funktionswerts ergibt, . Hat der Betrag der Funktionswerte also einen Minimalpunkt, so muss dieser ein Nullpunkt sein. Da die Menge kompakt ist und der Betrag verknüpft mit stetig, gibt es immer einen solchen Minimalpunkt und damit eine Nullstelle.[Anm 3]
Zur zentralen Aussage entwickle man in , d. h.
Ist , so ist eine Nullstelle. Sonst wähle man das kleinste mit und betrachte die beiden Ungleichungen für
Beide Ungleichungen sind für erfüllt, und es gibt ein endliches, größtes , so dass sie auf dem gesamten Intervall erfüllt sind. Für ein aus diesem Intervall wähle man ein mit und so, dass mit einem reellen Faktor die Beziehung gilt. Für den interessierenden Betrag des Funktionswertes gilt nun nach Dreiecksungleichung
Ein Beweis mit dieser Methode wurde 1799 von Gauß gegeben. Er zerlegte die Polynomfunktion in Real- und Imaginärteil, . Die Nullstellenmengen von und sind aus einzelnen eindimensionalen Bögen zusammengesetzt, die eine endliche Anzahl von Knotenpunkten in der Ebene verbinden. Von jedem Knotenpunkt geht eine gerade Anzahl von Bögen aus. Auf keinen Fall kann ein Bogen in einem Punkt einfach enden. Auf jedem Kreis mit genügend großem Radius gibt es Nullstellen von und Nullstellen von , die sich abwechseln. Jeder zusammenhängende Teil des Nullstellengraphen von hat auf einem großen Kreis eine gerade Anzahl von Schnittstellen, die eine ungerade Anzahl von Schnittstellen des Nullstellengraphen von einschließen. Damit muss ein Bogen des Graphen von aus dem zusammenhängenden Teilstück des Graphen von herausragen. Dies geht nur, wenn die Graphen von und sich schneiden, der Schnittpunkt aber ist eine Nullstelle von .
Moderne Versionen dieses Beweises benutzen den Begriff der Windungszahl. Die darauf aufbauende Argumentation liefert zugleich eine direkte Plausibilität für die Richtigkeit des Fundamentalsatzes der Algebra. Siehe dazu auch die Abbildung.
Für den Beweis wird angenommen, dass das Polynom keine komplexen Nullstellen besitze. Dann kann für jedes eine geschlossene, stetige Kurve
konstruiert werden, die die (skalierten) Funktionswerte des Polynoms auf dem Kreis mit Radius durchläuft. Da kein Funktionswert Null ist, kann eine Umlaufzahl definiert werden. Da sich die Kurve bei Änderung des Parameters stetig ändert, kann sich die Umlaufzahl nur ändern, wenn die sich ändernde Kurve den Nullpunkt überquert. Da nach Annahme die Funktion keine Nullstelle besitzt, ist eine solche Überquerung des Nullpunktes nicht möglich. Daher muss die Umlaufzahl für alle dieselbe sein.
Für sehr große Werte von wird die Kurve der entsprechenden Kurve der -ten Potenz, genauer des Polynoms , immer ähnlicher, die Umlaufzahl muss daher konstant sein. Für sehr kleine Werte von wird die Kurve der konstanten Kurve mit Wert immer ähnlicher, also muss die – für alle konstante – Umlaufzahl gleichzeitig den Wert 0 besitzen. Dies ist gleichzeitig nur möglich, wenn gilt, das Polynom also konstant ist. Für Polynome höheren Grades führt dieses Argument zum Widerspruch, also muss es Nullstellen mit geben.
Die Grundidee der Beweise dieses Abschnittes geht zurück auf Carl Friedrich Gauß (1815), dessen Beweis daher als erster dargestellt ist.[Anm 4] Aus modernerer Sicht beruht er auf Argumenten aus der algebraischen Theorie der formal reellen Körper. Die nachfolgenden Beweisvarianten lassen dies erkennen und insbesondere, dass der Zwischenwertsatz, der einen topologischen Körper benötigt, durch eine lediglich algebraische Voraussetzung ersetzt werden kann. Deren Gültigkeit für nachzuweisen, erfordert jedoch nicht-algebraische Methoden (wie den Zwischenwertsatz).
Ein solcher Beweis wurde 1815 von Gauß präsentiert. Es wird benutzt, dass nach dem Zwischenwertsatz jedes reelle Polynom ungeraden Grades mindestens eine Nullstelle hat sowie dass quadratische Gleichungen, auch mit komplexen Koeffizienten, elementar lösbar sind. Der Beweis erfolgt als vollständige Induktion über die Potenz des Faktors im Grad des Polynoms.
Es sei zunächst quadratfrei und mit reellen Koeffizienten vorausgesetzt. Der Grad habe eine Faktorisierung mit ungerade. Der Beweis erfolgt als vollständige Induktion über die Potenz des Faktors im Grad des Polynoms. Ist , so gibt es eine Nullstelle nach dem Zwischenwertsatz. Es sei nun im Induktionsschritt vorausgesetzt, dass und dass alle Polynome mit Graden bei ungeradem mindestens eine Nullstelle besitzen.
Es sei, der Einfachheit halber, ein (abstrakter) Wurzel- oder Zerfällungskörper des Polynoms konstruiert, in welchem es die paarweise verschiedenen (wiederum abstrakten) Nullstellen hat,
In sei die Menge der Punkte , , betrachtet. Da die abstrakten Nullstellen paarweise verschieden sind, gibt es nur eine endliche Anzahl von Geraden, die durch mindestens zwei dieser Punkte verlaufen, insbesondere auch nur eine endliche Anzahl reeller Anstiege solcher Geraden, für welche die Differenz zweimal denselben Wert annimmt. Für alle anderen Werte von ist das Polynom
ebenfalls quadratfrei und symmetrisch in den abstrakten Nullstellen . Daher können die Koeffizienten von als Polynome in und den Koeffizienten von dargestellt werden, ist also für jedes reelle ein Polynom mit reellen Koeffizienten und kann mittels Resultanten aus bestimmt werden. Der Grad von beträgt , wobei eine ungerade Zahl ist, da ja (also ein gerades ) für den Induktionsschritt vorausgesetzt war. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es wenigstens eine komplexe Nullstelle mit . Aus den partiellen Ableitungen nach und in der Nullstelle können komplexe Zahlen und bestimmt werden, so dass mindestens eine der Nullstellen von eine Nullstelle von ist.
Hat auch echt komplexe Koeffizienten, so hat nur reelle Koeffizienten. Jede Nullstelle des Produkts ist Nullstelle eines Faktors, somit also selbst oder als komplex konjugierte Zahl eine Nullstelle von . Ist das nun reelle Polynom nicht quadratfrei, so kann mit Polynomarithmetik (u. a. euklidischer Algorithmus) eine Faktorisierung in (nichtkonstante) quadratfreie Faktoren gefunden werden, von denen jeder mindestens eine Nullstelle enthält.
Die Idee des folgenden Beweis geht auf den soeben dargestellten Beweis von Carl Friedrich Gauss aus dem Jahre 1815 zurück.[5][6] Er ersetzt die Argumentationen aus der Theorie symmetrischer Polynome durch Argumente aus der Galois-Theorie. Der Zwischenwertsatz bleibt Grundlage für den Induktionsanker. Dabei wird erkennbar, dass lediglich eine algebraische Eigenschaft des Polynomringes benötigt wird. Ihre Gültigkeit folgt aus dem Zwischenwertsatz unter Zugrundelegung der „gewöhnlichen“ Topologie, obschon sie selbst keine Topologie voraussetzt (siehe unten stehende Eigenschaft „B-W“).
Der Fundamentalsatz wird gezeigt in der Form: Ein reelles irreduzibles Polynom besitzt eine Nullstelle im Körper und zerfällt also über ihm. Da ein Körper der Charakteristik Null – wie bspw. – vollkommen ist, d. h. jedes über ihm irreduzible Polynom separabel ist, genügt zu zeigen: Ein reelles doppelwurzelfreies Polynom besitzt eine Nullstelle im Körper .
Zunächst bezeichne einen Körper – später wird zu betrachten sein – und ein doppelwurzelfreies Polynom vom Grade mit ungeradem , und seine paarweise verschiedenen Nullstellen in einem Zerfällungskörper seien mit bezeichnet, so dass es in in das Produkt zerfällt.
Wie oben wird Beweis durch Induktion nach geführt. Dazu sei im Folgenden , also gerade, und gemäß Induktionsannahme werde angenommen, dass jedes doppelwurzelfreies Polynom über vom Grade bei ungeradem eine Nullstelle in habe. Die Zurückführung auf die Induktionsannahme gelingt mit Hilfe der Galois-Theorie; zwei Varianten seien gezeigt:
Variante A (mit Dirichletschem Schubfachschluss, nach Wolfgang Krull) | Variante B (mit Argumenten aus dem Beweis zum Satz vom primitiven Element, nach Hasse/Klobe) |
---|---|
Setzt man von vornherein voraus, dass unendlich ist, so lässt sich (gemäß Wolfgang Krull) folgendermaßen argumentieren:
Da unendlich ist, lassen sich paarweise verschiedene Elemente so wählen, dass jede der Mengen genau Elemente hat. Jedes Polynom verschwindet auf , liegt – da die Galois-Gruppe auf operiert (d. h., ihre Elemente permutiert[Anm 5]) – in und besitzt seines Grades wegen nach Induktionsannahme eine Nullstelle . (Mit anderen Worten: Der Zerfällungskörper enthält ein Element mit , und man denke sich eingebettet.) |
Die Elemente sowie und allgemeiner haben für und beliebige höchstens den Grad über , denn ihr jeweiliges Minimalpolynom ist ein Teiler des Polynoms , denn:
Von nun an habe der Körper unendlich viele Elemente, und es sei gesetzt. Dann kann derart gewählt werden, dass die (für ) paarweise verschieden sind (natürlich ist stets ). Dann besitzt die Nullstellenmenge von genau Elemente, d. h., ist doppelwurzelfrei. Nach Induktionsannahme liegt also eine der Nullstellen in der quadratischen Erweiterung . |
Demnach sei für jedes eine Indexkombination so gewählt, dass . | Ohne Einschränkung sei diese Nullstelle mit indiziert, so dass , also , je nachdem, ob oder nicht. |
Nach Wahl von und dem Dirichletschen Schubfachschluss müssen bei zweien der die Indexkombinationen übereinstimmen. Ohne Einschränkung sei deshalb für . | Nach Wahl von und wegen lassen nur die Identität und die Transposition das Element fest, und diese beiden lassen auch und fest. |
Dann liegen mit sowohl als auch in . | Nach dem Hauptsatz der Galoistheorie ist also . |
Das Polynom hat (nach dem Vietaschen Wurzelsatz) die Nullstellen und . Es ist also ein quadratisches Polynom über einem Zwischenkörper gefunden, welches mit zwei Nullstellen gemein hat. |
Zur Vervollständigung des Induktionsbeweises bleibt zu zeigen, dass eine der beiden Nullstellen (und mithin beide) in liegen – und dass der Induktionsanker (bei ) wahr ist.
Dies ermöglichen die folgenden Eigenschaften, die für einen reell abgeschlossenen Körper kennzeichnend sind und welche der Körper erfüllt. Um die Gültigkeit dieser besonderen Eigenschaften für den Körper hervorzuheben, notieren wir ihn fortan als .
Behauptung: ist algebraisch abgeschlossen.
Beweis durch Induktion nach : Den Induktionsanker bei liefert Eigenschaft „B-W“. Für den Induktionsschritt liefert Eigenschaft „P=Q“, dass sich die Nullstellen des quadratischen Polynom in befinden.
Anwendung: Für ergibt sich der Fundamentalsatz der Algebra, sofern man die Eigenschaften „Pos“, „P=Q“ und (mit Hilfe des Zwischenwertsatzes) „B-W“ für bestätigt hat. Es lässt sich leicht zeigen, dass auch die drei obigen Eigenschaften hat. Damit ist der algebraische Abschluss von .
Auch die nun folgende Beweisvariante setzt für den Grundkörper die Eigenschaften „Pos“, „P=Q“ und „B-W“ reell abgeschlossener Körper voraus, die im vorigen Abschnitt aufgeführt und im Falle des Körpers der reellen Zahlen erfüllt sind. Sie ersetzt die Konstruktion des Zwischenkörpers dank der Galois-Theorie durch Existenzsätze aus der Gruppentheorie (Sylow-Sätze). Auf diese Weise tritt die Induktion nicht mehr in Erscheinung, da sie im Beweis der Sylow-Sätze aufgehoben ist. Die Grundideen dieses Beweises gehen, wie Serge Lang[7] anmerkt, auf Carl Friedrich Gauss zurück (vgl. obigen Beweis nach Gauß 1815). Emil Artin habe ihn – im Wesentlichen unter Verwendung der Sylow-Sätze – variiert.
Es bezeichne die durch Adjunktion von entstehende quadratische Erweiterung von .
Behauptung: Der Körper gestattet keine endlichen Erweiterungen außer der trivialen . Für ergibt sich der Fundamentalsatz der Algebra.
Zum Beweis: Es sei also eine endliche Erweiterung gegeben. Sie lässt sich, da vollkommen ist, einbetten in eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe . Dabei ist bekanntlich auch eine Galois-Erweiterung. Zu zeigen ist .
Der Fundamentalsatz der Algebra folgt aus dem Satz von Gelfand-Mazur (Lemma über das Spektrum), nämlich aus der Tatsache, dass das Spektrum eines Elementes einer komplexen Banachalgebra mit Einselement nicht leer ist: Denn ein Polynom vom Grade ist charakteristisches Polynom seiner Begleitmatrix . Dabei ist ein (triviales, da endlichdimensionales) Beispiel einer Banachalgebra, und das Spektrum der Matrix besteht genau aus ihren Eigenwerten, das heißt aus den komplexen Nullstellen von . Dass diese Menge nicht leer ist, ist gerade die Aussage des Fundamentalsatzes der Algebra.
Beachtet man, dass eine endliche Körpererweiterung eine komplexe Bachachalgebra ist und somit die Voraussetzungen des Satzes von Gelfand-Mazur erfüllt, so erscheint der Fundamentalsatz der Algebra (gar als ein elementares Beispiel des Satzes von Gelfand-Mazur) in der Form: Der Körper besitzt keine echten endlichen Körpererweiterungen.
Notabene: Sowohl der Satz von Gelfand-Mazur als auch der Fundamentalsatz der Algebra können mit dem Satz von Liouville bewiesen werden. Zum Beweis des Satzes von Gelfand-Mazur können transfinite Methoden (Lemma von Zorn, Auswahlaxiom) in Gestalt des Satzes von Hahn-Banach genutzt werden. Für den Fundamentalsatz der Algebra freilich ist dies ein „überdimensioniertes“ Argument.
Der folgende bewertungstheoretische Beweis nach Helmut Brückner führt den Fundamentalsatz der Algebra nicht auf den Satz von Gelfand-Mazur zurück, sondern auf den schwächeren Vollständigkeitssatz von Ostrowski, der sich elementar beweisen lässt – wie sich übrigens auch der Satz von Gelfand-Mazur auf den elementar beweisbaren Satz von Gelfand-Tornheim zurückführen lässt.
Helmut Brückner bemerkte 1990, dass sich der Fundamentalsatz der Algebra mittels einer Beweisidee von Wulf-Dieter Geyer[8] und eines Rechenkniffs von Emil Artin[9] auf den „Vollständigkeitssatz“ von A. Ostrowski[10] zurückführen lässt.[11]
Der erwähnte Vollständigkeitssatz von Ostrowski betrachtet vollständige archimedisch bewertete Körper und lautet: Jeder Körper, der bezüglich eines archimedischen Betrages vollständig ist, ist algebraisch und topologisch isomorph zum Körper der reellen Zahlen oder zum Körper der komplexen Zahlen. Mit anderen Worten: Es gibt keine echte Körpererweiterung der komplexen Zahlen, auf welche der komplexe Absolutbetrag archimedisch fortgesetzt werden könnte.[12]
Der Fundamentalsatz der Algebra besagt, dass es keine echte endliche Körpererweiterung von gibt, und folgt daher aus dem oben erwähnten Satz von Ostrowski, sobald gezeigt ist, dass man einen archimedischen Betrag eines lokalkompakten Körpers (wie ) auf eine endliche Erweiterung fortsetzen kann, was W.-D. Geyers[8] Beweisidee, zusammen mit einem Rechenkniff Emil Artins[9], besorgt. Dies ist die Argumentation des Beweises von Helmut Brückner.
Fundamentalsatz der Algebra: Der Körper der komplexen Zahlen ist keiner echten endlichen Erweiterung fähig. Mit anderen Worten: Eine endliche Körpererweiterung ist notwendig trivial (das heißt: ).
Der Beweis gliedert sich in zwei Abschnitte: Abschnitt (G&A) zeigt die Fortsetzbarkeit des Absolutbetrages gemäß der Idee von Wulf-Dieter Geyer, flankiert von Emil Artins Trick. Damit ist der Satz auf den Vollständigkeitssatz von Ostrowski zurückgeführt, welcher sodann in Abschnitt (O) bewiesen wird, ohne die Endlichkeitsbedingung zu nutzen. Beides zusammen genommen ergibt den Fundamentalsatz der Algebra.
(G&A): Im ersten Beweisschritt betrachte allgemeiner – anstelle von – einen (nicht notwendig archimedisch) bewerteten lokalkompakten Körper , eine endliche Erweiterung vom Grade und zeige, dass durch der Absolutbetrag auf zu einem Absolutbetrag auf fortgesetzt wird.[13] Die Multiplikativität folgt aus dem Determinantenmultiplikationssatz, insbesondere die Homogenität () aus für . Da auch positive Definitheit gegeben ist, bleibt die Dreiecksungleichung zu zeigen. Hierbei wird – getreu dem Hinweis von Wulf-Dieter Geyer[8] – ausgenutzt, dass es sich um lokalkompakte Körper handelt.[8]
Gilt dies sogar für , so liegt eine ultrametrische, d. h. nicht-archimedische Bewertung vor, für die neben der Dreiecksungleichung sogar die stärkere Ultradreiecksungleichung gilt. – Im Falle lässt sich mit Hilfe einer Rechnung nach Emil Artin[9] die Dreiecksungleichung folgern: Dies betrifft den archimedischen Fall, der Gegenstand des Fundamentalsatzes der Algebra ist.
(O): Im zweiten Beweisschritt betrachte nun speziell und stelle zunächst fest, dass die Voraussetzungen des Vollständigkeitssatzes von A. M. Ostrowski für die Erweiterung gemäß (G&A) zutreffen. Folglich ist der Fundamentalsatz der Algebra nun auf diesen zurückgeführt – genauer gesagt: auf die (schwierigere) Teilaussage, dass keine echte vollständige archimedisch bewertete Körpererweiterung besitzt. Ihr Beweis benötigt die Endlichkeit der Erweiterung nicht und soll nun – Ostrowskis Originalarbeit[10] folgend – bewiesen werden. Ostrowski zeigt , indem er die Annahme zu einem Widerspruch führt.
Von nun an sei gemäß Annahme ein ausgewählt, das heißt, es sei vorausgesetzt.[Anm 7] Ziel ist es, hieraus den Widerspruch abzuleiten.
Somit ist die Annahme widerlegt und der Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra erbracht.
Anmerkung: Es kann leicht gezeigt werden, dass die in (G&A) angegebene Fortsetzung des Absolutbetrages die einzig mögliche ist.
Der Vollständigkeitssatz von Ostrowski besagt, dass ein vollständiger archimedisch bewerteter Körper entweder mit oder mit topologisch und algebraisch identifiziert werden kann. Um also den Beweis dieses Satzes zu vollenden, muss zunächst angemerkt werden, dass notwendig , da der topologische Abschluss (Vervollständigung) des Primkörpers eines archimedisch bewerteten Körpers ist. Also wähle man als Grundkörper und mache sich klar, dass für die Erweiterung nur entweder (trivialerweise) oder (nach dem obigen Beweis) in Frage kommen, denn:
Welcher der beiden Fälle oder vorliegt, entscheidet sich somit an der Frage, ob eine (und damit jede) der folgenden, für den hier betrachteten (vollständigen archimedisch bewerteten) Körper äquivalenten Bedingungen[Anm 15] erfüllt ist oder nicht:
Hieran wird deutlich, wie eng der bewertungstheoretische Beweis nach H. Brückner und der Vollständigkeitssatz von Ostrowski mit der Theorie formal reeller Körper und der obigen Beweisvariante für reell abgeschlossene Körper durch Galois-Theorie zusammenhängen – und letztlich auch mit dem Beweis von Gauß von 1815, der auf Vorarbeiten von Euler, Laplace und Lagrange beruht und genau diese Argumente heranzieht.
Der erwähnte Vollständigkeitssatz von Ostrowski steht in engem Zusammenhang mit dem Satz von Gelfand-Mazur über die Tatsachen,
Beide Sätze, sowohl der Satz von Gelfand-Mazur als auch der Fundamentalsatz der Algebra, lassen sich mit dem Satz von Liouville beweisen. Der Fundamentalsatz der Algebra ist eine elementare Anwendung des Satzes von Gelfand-Mazur, der Banachalgebren beliebiger Dimension betrachtet und daher zu seinem Beweis transfinite Methoden (Satz von Hahn-Banach) benötigt.
Der Satz von Gelfand-Mazur verallgemeinert den erwähnten Vollständigkeitssatz von Ostrowski auf komplexe Banachalgebren und liefert somit eine Verallgemeinerung in zweierlei Hinsicht: Banachalgebren müssen nicht kommutativ sein, und ihre Normen unterliegen schwächeren Anforderungen als Absolutbeträge von Körpern.[Anm 20]
Wegen existiert ein , so dass für alle mit gilt. Weil sowohl und damit auch der Betrag stetig sind, als auch die Kreisscheibe kompakt ist, existiert nach dem Satz von Weierstrass eine Stelle mit minimalem Betrag des Funktionswertes, für alle . Nach Konstruktion ist sogar ein globales Minimum. Wäre positiv, so wäre die reziproke Funktion holomorph auf und durch beschränkt, also nach dem Satz von Liouville konstant. Somit wäre auch konstant, was der Voraussetzung widerspricht. Da folgt , also existiert eine Nullstelle (in ).
Der Fundamentalsatz der Algebra ist mit Hilfe elementarer Abschätzungen sogar direkt aus dem Cauchyschen Integralsatz ableitbar, und zwar wie folgt:[14]
Das Polynom lässt sich in der Form darstellen, wobei ein weiteres Polynom ist.
Angenommen, hätte keine Nullstelle, so ließe sich für stets schreiben
Nun bildet man für jedes das Wegintegral der auf gebildeten Kehrwertfunktion über den Kreislinienweg und erhält:
Aufgrund der angenommenen Nullstellenfreiheit von ist
holomorph, womit sich infolge des Cauchyschen Integralsatzes weiter ergibt:
und daraus:
Dies gilt für jedes beliebige .
Nun ist jedoch und damit folgt aus der letzten Ungleichung unmittelbar:
was sicher falsch ist.
Damit ist die angenommene Nullstellenfreiheit von zum Widerspruch geführt und muss eine Nullstelle haben.
Eine Beweisvariante unter Verwendung des Cauchyschen Integralsatzes findet sich bei Bartel Leendert van der Waerden[15]:
Unter der Annahme, dass für die Polynomfunktion gelte, setze und betrachte definiert durch für und stetig fortgesetzt bei dank . Mit sind – gemäß Annahme – auch und auf der gesamten Ebene holomorph, das heißt ganze Funktionen. Also verschwindet nach dem Cauchyschen Integralsatz das Weg-Integral über eine Kreislinie mit Radius um den Nullpunkt, und mittels Kreislinienparametrisierung[Anm 21] kommt:
Nun gibt es zu jedem beliebig gegebenem einen genügend großen Radius , so dass für den Integranden auf gilt, und für das Integral folglich . Hieraus folgt , was auf den Widerspruch stößt.
Wir fassen als Abbildung des komplexen projektiven Raums auf, d. h. , . Die so definierte nicht-konstante Abbildung komplexer Mannigfaltigkeiten ist holomorph und damit offen (d. h., das Bild jeder offenen Teilmenge ist offen) nach dem Offenheitsprinzip. Da kompakt und stetig ist, ist das Bild auch kompakt, insbesondere abgeschlossen in . Damit ist das Bild bereits ganz , denn ist zusammenhängend. Insbesondere gibt es ein , welches auf abgebildet wird, d. h. eine Nullstelle von .
Ähnlich wie im obigen Beweis aus der komplexen Geometrie fassen wir als Selbstabbildung der Sphäre auf. So ist (reell) differenzierbar und die Menge der kritischen Punkte ist als Nullstellenmenge der Ableitung endlich, womit die Menge der regulären Werte zusammenhängend ist. Die Kardinalität des Urbilds eines regulären Wertes ist außerdem lokal konstant als Funktion in ( ist injektiv auf Umgebungen von Punkten in ). Dies zeigt, dass surjektiv ist, denn reguläre Werte werden somit stets angenommen und kritische Werte werden nach Definition angenommen.[16]
Die Funktion wird dargestellt als . Wobei und . Dann betrachten wir die Relation . Es ist offensichtlich, dass ein existiert, sodass für alle gilt:
Daher folgt aus dem Satz von Rouché, dass die Anzahl der Nullstellen der Funktion in dem Kreis gleich der Anzahl der Nullstellen der Funktion ist. Aber die Funktion besitzt nur eine -fache Nullstelle in . Da beliebig gewählt wurde, folgt die Behauptung des Fundamentalsatzes.
Der Fundamentalsatz der Algebra lässt sich mit Hilfe topologischer Methoden unter Anwendung der Homotopietheorie und des Abbildungsgrades weiter verallgemeinern:[17]
Hieraus folgt der Fundamentalsatz, indem man zu einer komplexen Polynomfunktion vom Grad den Leitkoeffizienten als Konstante, also nimmt.
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