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deutscher Komponist und Musikpädagoge Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wolfgang Jacobi (* 25. Oktober 1894 in Bergen auf Rügen; † 15. Dezember 1972 in München) war ein deutscher Komponist, Musikpädagoge, Autor und Kulturorganisator. Er galt als Vertreter des Neoklassizismus oder als „moderner Klassiker“[1].
Karl Theodor Franz Wolfgang Jacobi war der zweite Sohn des Rechtsanwalts und Notars Oskar Jacobi und seiner Frau Sophie, geb. Sachse. Er wuchs in Bergen auf Rügen auf, bekam Klavierunterricht und erhielt musikalisch-kulturelle Anregungen. Während seiner Gymnasialzeit in Stralsund wurde auch sein Interesse an Malerei und am eigenen Zeichnen geweckt. 1914 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, kämpfte im Ersten Weltkrieg in Russland und Frankreich und geriet 1916 in französische Gefangenschaft. An Lungentuberkulose erkrankt, wurde er im Jahr darauf in die neutrale Schweiz nach Davos ins Sanatorium geschickt, wo sich sein Gesundheitszustand zwar besserte, die Erkrankung jedoch nicht ausheilte, so dass er sein Leben lang immer wieder schwere gesundheitliche Probleme hatte.
In Davos begegnete er dem belgischen Musikgelehrten Paul Collaer, der ihn mit der Musik Ravels, Debussys und anderer französischer Komponisten bekannt machte. Davon fasziniert, begann Jacobi mit seinen ersten eigenen Kompositionsversuchen. Nach Ende des Ersten Weltkriegs ging er nach Berlin und studierte von 1919 bis 1922 an der dortigen Musikhochschule Komposition bei Friedrich Ernst Koch. Danach war er als Lehrer im Fach Musiktheorie am Berliner Klindworth-Scharwenka-Konservatorium tätig. Nebenbei nahm er eine Beschäftigung beim Rundfunk auf und wurde freier Mitarbeiter der Berliner Funk-Stunde. Aus der 1922 geschlossenen Ehe mit der Schweizerin Eveline Rüegg gingen ein Sohn und eine Tochter hervor.
Da Jacobi als Komponist Werke u. a. für die Arbeiterchorbewegung geschrieben hatte (wie Der Menschenmaulwurf, 1932), wurden die Nationalsozialisten auf ihn aufmerksam und verhängten von 1933 bis 1945 ein Berufs- und Aufführungsverbot gegen ihn. Aufgrund der jüdischen Abstammung seines Vaters wurde er außerdem von den Nazis als „Halbjude“ eingestuft[2]. Jacobi ging mit Frau und Kindern nach Italien und suchte zunächst Zuflucht in Malcesine am Gardasee. Die Hoffnung, in Florenz Fuß fassen zu können, zerschlug sich bald: die Devisensperre erzwang bereits 1935 die Rückkehr nach Deutschland. Die Familie ließ sich in München nieder, wo Jacobi als verfemter Komponist in „innerer Emigration“ lebte und auf das Ende des Hitler-Regimes hoffte. Er verlor im Zweiten Weltkrieg seinen Sohn (1944 in Russland vermisst) und seinen älteren Bruder (wohl im April 1945 in Berlin gefallen).
Nach Kriegsende erhielt Jacobi einen Lehrauftrag für Komposition, Harmonielehre und Kontrapunkt an der Münchener Hochschule für Musik, dem von 1949 bis 1959 eine Professur im Fachbereich Schulmusik folgte. Außerdem engagierte er sich ehrenamtlich und „war eine der Persönlichkeiten, die nach 1945 den Neuanfang eines demokratischen, weltoffenen Kulturlebens [in München] prägten“[3]. Er war in verschiedenen Musikverbänden und kulturpolitischen Organisationen aktiv und bemühte sich um die musikalische Jugendförderung. 1946 gründete er zusammen mit Hans Mersmann das „Studio für Neue Musik“ und rief später, als Vorsitzender des Verbandes Münchner Tonkünstler, auch die Konzertreihe „Münchner Komponisten“ ins Leben. Ebenso verantwortete er die Einrichtung der Oberammergauer Lehrgänge für Privatmusiklehrer. Neben dem Vorsitz des Münchner Tonkünstlerverbandes hatte Jacobi von 1951 bis 1960 auch den Vorsitz des Landesverbandes Bayerischer Tonkünstler inne. Ebenfalls bis 1960 war er darüber hinaus Vorstandsmitglied des Institutes für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt. Außerdem gehörte Jacobi zeitweilig der deutschen Sektion des Internationalen Musikrates und dem Kuratorium der Zentralverwaltung für Ton- und Bildträgerrechte an.
Jacobis Tochter Ursula Ullrich-Jacobi (* 1926 in Berlin; † 2020 in Aschaffenburg) wurde Bildhauerin und war verheiratet mit dem Grafiker und Maler Gunter Ullrich.
Wolfgang Jacobi starb im Alter von 78 Jahren in seinem Haus in München.
Das kompositorische Schaffen von Jacobi umfasst Instrumentalwerke sowie Vokalwerke unterschiedlicher Gattungen und Formen. Insgesamt schrieb er ca. 200 Kompositionen, von denen nur etwa die Hälfte erhalten ist. Ein Großteil seiner frühen Werke ging im Zweiten Weltkrieg verloren, andere wurden später von Jacobi selbst wieder verworfen. Seine Musik wurde u. a. beeinflusst von Claude Debussy, Paul Hindemith, Max Reger sowie Béla Bartók. Die persönliche Bekanntschaft mit Hindemith war für seine kompositorische Arbeit von entscheidender Bedeutung. Auch der Aufenthalt in Italien blieb nicht ohne Einfluss auf seine Werke, von denen viele inspiriert sind vom Geist italienischer Kunst und Kultur. Außerdem wählte Jacobi, der die italienische Sprache sehr gut beherrschte, für seine Vokalwerke gern italienische Textvorlagen (z. B. von Francesco Petrarca oder Jacopone da Todi). Sein der Musiktradition verbundener Stil zeugt von formaler Ausgeglichenheit und Klarheit, die Harmonik ist noch tonal, aber stark erweitert. Jacobi strebte nach einer geistvoll-unterhaltenden Musik, die nicht leicht, aber für den Hörer erschließbar sein sollte.
Hinsichtlich Instrumentation und Klangfarbe zeigte er sich Neuem gegenüber aufgeschlossen und komponierte in den frühen 1930er Jahren Werke für elektronische Musikinstrumente wie Theremin und Trautonium, im Auftrag der Berliner Funk-Stunde auch für „elektrisches Orchester“ (z. B.: Abendphantasie für Bass-Stimme und elektrisches Orchester, 1932 – nicht erhalten)[4]. Von besonderer Bedeutung sind seine Leistungen in Bezug auf die Anerkennung von Saxophon und Akkordeon als „klassische“ Musikinstrumente und deren Etablierung im Konzertleben: Jacobi gehörte zu den ersten Komponisten, die Anfang der 1930er Jahre Werke für das damals in der Kunstmusik nur selten berücksichtigte Saxophon schrieben (auf Anregung des Saxophonisten Sigurd M. Rascher). Gleiches gilt für das Akkordeon, das er ab Mitte der 1950er Jahre für sich entdeckte, zu einer Zeit, als dieses in erster Linie der volkstümlichen Musik zugeordnet wurde. Für seine Versuche, dem Akkordeon mit anspruchsvollen Werken zu wachsendem Ansehen zu verhelfen, wurde er zu Lebzeiten bereits sehr geschätzt. Entsprechend zahlreich sind seine Kompositionen für dieses Instrument (z. T. im Austausch mit Akkordeonisten wie Hugo Noth, Gérard Grisey und Gisela Walther entstanden).
Die Vermittlung von Musik war dem Pädagogen Jacobi stets ein Anliegen. So schrieb er auch kleinere Übungsstücke und Werke für den Schulgebrauch. Im Rahmen seiner eigenen Lehrtätigkeit an der Münchner Musikhochschule verfasste er außerdem verschiedene musiktheoretische Schriften. Zu seinen Schülern zählten u. a.: Heinz Benker (1921–2000), Theo Brand (1925–2016), Kurt-Joachim Friedel (1921–2013) und Robert M. Helmschrott (* 1938).
Aufgrund seines Berufsverbots während der Zeit des Nationalsozialismus gehörte Wolfgang Jacobi zu den verfemten Komponisten, die in ihrem künstlerischen Schaffen und beruflichen Werdegang massiv beeinträchtigt wurden und sich nach 1945 ganz neu positionieren mussten. Siehe: Liste der vom NS-Regime oder seinen Verbündeten verfolgten Komponisten
Um die Erinnerung an das Wirken Jacobis und seine Verdienste wach zu halten, veranstaltete der Deutsche Tonkünstlerverband e. V. in Verbindung mit der Hochschule für Musik und Theater München von 2000 bis 2003 vier Mal den Internationalen Wolfgang-Jacobi-Wettbewerb für Kammermusik der Moderne. Der Deutsche Harmonika-Verband e. V. hat in Kooperation mit dem Deutschen Akkordeonlehrer-Verband e. V. 2018 erstmals den europäischen Nachwuchswettbewerb Wolfgang Jacobi Kompositionspreis ausgeschrieben.
Aus Anlass des 125. Geburtstages von Jacobi fand im November 2019 am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald eine Interdisziplinäre Fachtagung unter dem Motto »Wolfgang Jacobi: eine neue ›Münchner Schule‹ aus Vorpommern?« unter der Leitung von Prof. Dr. Birger Petersen statt.[5]
In Bergen auf Rügen erinnert ein Wolfgang-Jacobi-Gedenkstein an den Komponisten, vor dessen Geburtshaus in der Billrothstraße 6 (seit 2004).
Aufgelistet sind die erhaltenen Kompositionen Jacobis, weitere Angaben hierzu finden sich auf der Website Wolfgang Jacobi. Ein Gesamtverzeichnis aller erhaltenen und nicht erhaltenen Werke des Komponisten liefert das Bayerische Musiker-Lexikon Online.[6]
Der Nachlass von Wolfgang Jacobi ging nach seinem Tod an seine Tochter über und befindet sich seitdem in Familienbesitz. Er umfasst Notenausgaben, Werkmanuskripte, Schriften, Malereien/Zeichnungen, Werkverzeichnisse, Tonträger, Konzertprogramme, Rezensionen, Fotografien, Briefe u. a. m.[7] Um die Bestände für die Forschung und interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird der Nachlass in Kooperation mit der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns schrittweise erschlossen. Bisher wurden die Fotografien (knapp 200) vollständig erfasst und digitalisiert. Seit Herbst 2016 laufen die Arbeiten zur Erschließung der rund 6.000 erhaltenen Briefe (an und von Jacobi) – darunter Korrespondenz mit Max Butting, Dietrich Erdmann, Stefan Frenkel, Gérard Grisey, Joseph Haas, Ernst-Lothar von Knorr, Sigurd Rascher, Harald Saeverud, Philippine Schick, Erich Valentin u. v. a. m. Einzelne Dokumente sind auch von Paul Hindemith, Luigi Dallapiccola und beispielsweise Boris Blacher vorhanden.
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