Der Wächterpreis der deutschen Tagespresse ist eine Auszeichnung für Journalisten und Redaktionen, die seit 1969 jährlich von der Stiftung Freiheit der Presse vergeben wird.
Ausgezeichnet wird kritische und investigative Berichterstattung über Korruption, Vetternwirtschaft, Missstände und Missbrauch. Die couragierte Berichterstattung soll durch die Auszeichnung gewürdigt werden. Außerdem wird der Preis für Abwehr von Angriffen auf die Pressefreiheit vergeben.
Derzeit werden jährlich ein erster, zweiter und dritter Preis vergeben, die jeweils mit 10.000 €, 6.000 € und 4.000 € dotiert sind.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden von den Westalliierten Lizenzen für neue Zeitungsverlage vergeben. Die Verlage mussten hierbei 20 % ihres Gewinns abführen, um ein Programm zum Wiederaufbau der Presselandschaft zu finanzieren.
1947 wurde die Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse gegründet, die das schnell wachsende Vermögen in Form von Startkapital-Krediten an neu gegründete Zeitungsverlage vergeben sollte. 1948 standen rund 36 Millionen Reichsmark zur Verfügung, nach der Währungsreform im Juni 1948 noch 3,5 Millionen DM.
Da der Lizenzzwang im Juni 1949 aufgehoben wurde, war das Vermögen der Genossenschaft bald aufgebraucht. Mit Hilfe eines Kredits aus dem Programm Government Appropiations for Relief in Occupied Areas in Höhe von 15 Millionen DM konnte die Genossenschaft weiter betrieben werden.
Nach Rückzahlung dieses Kredits standen noch 3,2 Millionen DM aus Lizenzeinnahmen zur Verfügung. Mit diesem Vermögen wurde am 31. Januar 1967 die Stiftung „Freiheit der Presse“ ins Leben gerufen, die bis heute den Wächterpreis verleiht.
Der Preis wird von einer fünfköpfigen Jury verliehen. Seit 2021 besteht diese aus[1]:
1970 bis 1979
1970
- 1970 fand keine Vergabe statt.
1971
1972
1973
1974
1975
1976
1977
1978
1979
1980 bis 1989
1980
1981
1982
- 1. Preis: Knut Siewert (Hohenloher Tagblatt): Bericht über kommunalpolitische Selbstherrlichkeit in einer kleinen Stadt
- 2. Preis: Herbert Riehl-Heyse (Süddeutsche Zeitung): Darstellung menschlicher Unzulänglichkeiten im rechtsstaatlichen Alltag
- 3. Preis: Klaus-Werner Schunk (Rhein-Neckar-Zeitung): Aufdeckung eines prominenten Falles der Verquickung von wirtschaftlichen Interessen und politischem Mandat
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990 bis 1999
1990
1991
- 1. Preis: Rolf Hartmann (Westdeutsche Allgemeine Zeitung): Aufdeckung der gegenseitigen Begünstigung von Bochumer Ratsmitgliedern bei städtischen Aufträgen und Grundstücksverkäufen.
- 2. Preis: Barbara Debus (taz): Aufdeckung von Ämterschacher in Bremen – eigens für einen Parteipolitiker sollte eine Professur für politische Wissenschaften eingerichtet werden.
- 3. Preis: Marc Frey (Frankfurter Rundschau): Artikelserie über Ausbreitung und Einfluss des organisierten Verbrechens im Rhein-Main-Gebiet.
1992
- 1. Preis: Hannes Krill (Süddeutsche Zeitung): Artikelserie über die Missstände beim ärztlichen Dienst der Arbeitsämter.
- 2. Preis: Bettina Markmeyer und Henrike Thomsen (taz): Berichterstattung über einen Racheakt von deutschen Jugendlichen an einem rumänischen Asylbewerber.
- 3. Preis: Karl-Friedrich Kassel und Jörn Rehbein (Elbe-Jeetzel-Zeitung): Berichte über Korruption von Kommunen durch hohe Zuwendungen aus dem Gorleben-Fonds, um ein wohlwollendes Verhalten gegenüber dem Brennelemente-Zwischenlager Gorleben zu erreichen.
1993
1994
1995
1996
1997/98
1999
2000 bis 2009
2000
- 1. Preis: Michael Stiller, Conny Neumann und Sebastian Beck (Süddeutsche Zeitung): Berichterstattung über die finanzielle Misere bei der staatlichen Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft, Bayern.
- 2. Preis: Michael Fröhlingsdorf (Trierischer Volksfreund): Recherche über die finanziellen Machenschaften des Geschäftsführers der Caritas-Trägergesellschaft, Trier.
- 3. Preis: Axel Busse (Märkische Oderzeitung): Untersuchung über die Beschäftigung von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern in öffentlichen Einrichtungen.
2001
2002
2003
2004
- 1. Preis: Jürgen Schreiber (Der Tagesspiegel) und Horst Cronauer (Bild): Berichterstattung über den Mordfall Jakob von Metzler, insbesondere die Gewalt-Androhung der Frankfurter Polizei beim Verhör des Tatverdächtigen.
- 2. Preis: Andreas Jungbauer (Main-Post): Umbenennung der Würzburger Sporthalle (vormals nach Carl Diem benannt) sowie Umbenennung der gleichnamigen Sportmedaille.
- 3. Preis: Sonia Shinde (Financial Times Deutschland): Aufdeckung eines Betrugs mit falschem Zahnersatz, in den Zahnärzte und die Firma Globudent verstrickt waren.
2005
2006
2007
- 1. Preis: Marion Girke und Christian Denso (Hamburger Abendblatt): Berichte über eine alte Dame, die nach ihrer Entmündigung durch den Staat bzw. die Gemeinde enteignet wurde.
- 2. Preis: Hans Leyendecker und Nicolas Richter (Süddeutsche Zeitung): Berichterstattung im Fall des von der CIA gekidnappten Deutsch-Libanesen El Masri und der Haltung der Bundesregierung dazu.
- 3. Preis: Ekkehard Rüger (Westdeutsche Zeitung): Recherchen und Berichte über den geplanten Besuch des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung der Burscheider Stadtwerke auf eine norwegische Förderplattform, finanziert durch zwei Energiekonzerne.
2008[4]
2009
- 1. Preis: Mattias Thieme und Jörg Schindler (Frankfurter Rundschau) für ihre Recherchen über die Unicef-Spendenaffäre.
- 2. Preis: Christiane Wolff (Trierischer Volksfreund) für ihre Recherchen über Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung staatlicher Fördergelder bei der Handwerkskammer Trier.
- 3. Preis: Jürgen Bock (Stuttgarter Nachrichten) für seine Recherchen über Unzulänglichkeiten bei der Notfallrettung in Baden-Württemberg.
- Volontärspreis: Philipp Eppelsheim (Frankfurter Allgemeine Zeitung) für seine Arbeit über Schulschließungen im ländlichen Raum.
2010 bis 2019
2010
2011
2012
- 1. Preis: Martin Buchenau, Jürgen Flauger und Sönke Iwersen (Handelsblatt) für Berichterstattung über die umstrittene EnBW-Übernahme der baden-württembergischen Landesregierung unter der Verantwortung von Ministerpräsident Stefan Mappus.[5]
- 2. Preis: Ursula Samary (Rhein-Zeitung). Begründung der Jury: „Sie hat seit 2007 bis heute die ‚rechtswidrige‘ Besetzung der Präsidentenstelle am Oberlandesgericht (OLG) Koblenz verfolgt und an die Öffentlichkeit gebracht, die von der SPD-geführten Landesregierung aus politischen Gründen durchgesetzt worden war. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und sein Justizminister (SPD) mussten die Aktion wieder rückgängig machen – eine peinliche Schlappe, die die Landesregierung offensichtlich umgehen wollte: durch Auflösung eben dieses OLG bzw. durch Fusionierung mit einem anderen Oberlandesgericht.“ Am Ende wurde der Plan der Fusionierung des missliebigen OLGs Koblenz mit einem benachbarten OLG zurückgenommen.[6]
- 3. Preis: Barbara Schönherr (Der Tagesspiegel). Begründung der Jury: „Sie hat in gründlicher und sachkundiger Recherche den ausufernden Missbrauch von staatlichen Geldern im Rahmen der sogenannten Familienhilfe durch Freie Träger aufgezeigt und das System offengelegt: Wer wenig effizient arbeitet, verdient dabei am meisten. In Berlin teilten sich im Jahr 2010 insgesamt 785 Freie Träger einen Kuchen von 408 Millionen Euro.“[5]
2013
- 1. Preis: Christina Berndt (Süddeutsche Zeitung), Jürgen Gückel (Göttinger Tageblatt) und Heike Haarhoff (taz) für ihre Recherchen zu Unregelmäßigkeiten und Fehlentwicklungen in der deutschen Transplantationsmedizin.
- 2. Preis: Daniel Drepper und Niklas Schenck (freie Journalisten) für Artikelserie zur intransparenten Olympiasportförderung
- 3. Preis: Olaf Przybilla und Uwe Ritzer (Süddeutsche Zeitung) für ihre Artikelserie über den Fall Gustl Mollath.
- Volontärspreis: Silke Bigalke, Sarah Ehrmann, Jannis Brühl, Antonie Rietzschel, Ronen Steinke, Frederik Obermaier, Melanie Staudinger, Christoph Giesen, Oliver Hollenstein, Viktoria Großmann, Cornelius Pollmer, Charlotte Theile, Benedikt Warmbrunn und Anja Perkuhn (Süddeutsche Zeitung) für das von ihnen konzipierte SZ Wochenende über Waffen und deren Bedeutung für Deutschland.[7]
2014
2015
2016
- 1. Preis: Pia Heinemann (Welt am Sonntag/Welt/N24) für ihre Berichterstattung über Auswirkungen der Fallpauschalen im deutschen Krankenhauswesen
- 2. Preis: Matthias Meisner (Tagesspiegel) und das Reporter-Team der Sächsischen Zeitung Dresden (Alexander Schneider, Tobias Wolf, Ulrich Wolf) für ihre Beiträge über rechtsextreme Entwicklungen in Sachsen und die Pegida-Bewegung
- 3. Preis: Anne Kunze, Bettina Malter, Stephan Lebert und Fritz Zimmermann (Die ZEIT) über ihre Recherchen zu Problemen des Mindestlohns
2017[8]
2018[9]
2019[11]
- 1. Preis: Autorenteam des Handelsblatts (Sönke Iwersen, Leiter des Investigativ-Teams, und die Autoren René Bender, Markus Fasse, Mona Fromm, Jan Keuchel, Alina Liertz, Stefan Menzel, Martin Murphy und Volker Votsmeier) für Recherchen zum Dieselskandal
- 2. Preis: Florian Flade, Journalist der Zeitung Die Welt, für die Recherche der Ermittlungsfehler der Sicherheitsbehörden rund um den Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz 2016
- 3. Preis: Journalisten der Hessische/Niedersächsische Allgemeine (Frank Thonicke und Florian Hagemann von der Lokalredaktion Kassel sowie Ex-Chefredakteur Horst Seidenfaden) für die Berichterstattung über Ursachen und Hintergründe des Millionendefizits der documenta 14 im Jahr 2017
Seit 2020
2020[12]
2021[13]
- 1. Preis: Birgit Emnet, André Domes, Olaf Streubig vom Wiesbadener Kurier für ihre Berichterstattung über ein System persönlicher Bereicherung beim Kreisverband Wiesbaden der Arbeiterwohlfahrt (Awo)
- 2. Preis: Christian Parth, Axel Splicker vom Kölner Stadtanzeiger für eine siebenteilige Serie über die Strukturen, die ungebremste Macht und Arbeitsweise der sogenannten Clans in NRW
- 3. Preis: Gregor Haschnik, Frankfurter Rundschau, für seine Recherche zu dem gewaltsamen Tod des kleinen, vier Jahre alten Jan H. im Jahre 1988, der sich in der „Obhut“ einer Sekte in Hanau befand
2022[14]
2023[15]
Bernd Bauschmann: Wächterpreis der Tagespresse 2017. In: frankfurt-live.com. 7. April 2017, abgerufen am 16. Mai 2017 (in der Aktualisierung vom 27. Juli 2018, abgerufen am 29. Juli 2018, wird als Autorin Ilse Romahn angegeben).