Inzidenzaxiom in Ebenen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Fano-Axiom ist in der synthetischen Geometrie ein Inzidenzaxiom sowohl für affine Ebenen als auch für projektive Ebenen. Es ist nach dem italienischen Mathematiker Gino Fano benannt. In affinen oder projektiven Ebenen über einem Schiefkörper oder Körper gilt das Fano-Axiom genau dann, wenn die Charakteristik von nicht 2 ist. Die ebenfalls nach Fano benannte Fano-Ebene, das Minimalmodell einer projektiven Ebene, erfüllt das Fano-Axiom nicht.
Eine affine Ebene erfüllt das Fano-Axiom, wenn dort gilt (vgl. die Abbildung rechts):
„Bei jedem nichtausgearteten Parallelogramm schneiden sich die Diagonalen.“ Oder gleichwertig:
„In keinem nichtausgearteten Parallelogramm sind die Diagonalen parallel.“
Ausführlich und formaler lautet das Axiom so: Sind Punkte der affinen Ebene , von denen keine drei auf einer Geraden liegen, dann gilt: Aus und folgt .
Keine Translation hat die Ordnung 2, das heißt für jede Translation folgt aus , dass ist.
Der Schiefkörper der spurtreuen Endomorphismen der Translationsgruppe hat eine von 2 verschiedene Charakteristik.
Für eine beliebige affine Ebene folgt die erste dieser Aussagen aus dem Fano-Axiom.
Für jede affine Translationsebene gilt die Alternative:
Entweder sind in jedem nichtausgearteten Parallelogramm die Diagonalen parallel oder
in jedem nichtausgearteten Parallelogramm schneiden sich die Diagonalen.
Im ersten Fall hat jede nichtidentische Translation die Ordnung , im zweiten Fall haben ebenfalls alle nichtidentischen Translationen dieselbe Ordnung, diese ist entweder eine ungerade Primzahl oder unendlich, dann setzt man . In all diesen Fällen ist zugleich die Charakteristik des oben beschriebenen Schiefkörpers .
Mittelpunkte einer Strecke
In einer affinen Ebene, die dem Fano-Axiom genügt, kann man einer Strecke Mittelpunkte zuordnen:
Falls ist, setzt man und nennt den „Mittelpunkt der Strecke “.
Falls ist, wählt man einen beliebigen Punkt außerhalb der Gerade und ergänzt zu einem nichtausgearteten Parallelogramm . Die Parallele zu durch den Diagonalenschnittpunkt schneidet in einem Punkt . Alle Punkte , die so (bei wechselnden Hilfspunkten ) konstruierbar sind, heißen „Mittelpunkte der Strecke “.
Punktspiegelung
Eine Kollineation auf einer affinen Fano-Ebene heißt Punktspiegelung, wenn ein Punkt existiert, der ein Mittelpunkt für jede Verbindungsstrecke ist.
Zu einem beliebigen Punkt muss im Allgemeinen keine Punktspiegelung an existieren.
Im Falle ihrer Existenz ist die Punktspiegelung an durch eindeutig bestimmt. Dann ist für eine beliebige Punkt-Bildpunktstrecke der Punkt der einzige Mittelpunkt.
Jede Punktspiegelung ist eine Dilatation und also eine Affinität, denn ihre projektive Fortsetzung ist eine ebene Perspektivität. Der einzige Fixpunkt der Affinität und das Zentrum der projektiven Fortsetzung ist der Mittelpunkt einer beliebigen Punkt-Bildpunktstrecke .
In einer affinen Translationsebene und erst recht in einer desarguesschen Ebene existiert zu jedem Punkt eine Punktspiegelung an . Sie ist die zentrische Streckung um mit dem Streckungsfaktor .
Es wurden zwei projektive Formen des Fano-Axioms formuliert, die zueinander dual und äquivalent sind.[1] Dazu werden die Begriffe vollständiges Viereck bzw. vollständiges Vierseit benötigt, die ebenfalls zueinander dual sind.
Vollständiges Viereck
Ein vollständiges Viereck in einer projektiven Ebene besteht aus 4 Punkten (den Ecken des Vierecks) in allgemeiner Lage, das heißt keine drei davon liegen auf einer gemeinsamen Gerade. Die 6 Verbindungsgeraden der Ecken heißen die „Seiten“ des Vierecks, je zwei Seiten, die nicht durch eine gemeinsame Ecke gehen, heißen „Gegenseiten“ des Vierecks.
Ein vollständiges Viereck heißt „Anti-Fano-Viereck“, wenn die Schnittpunkte der Gegenseiten auf einer Geraden liegen, sonst heißt es „Fano-Viereck“.[2]
→ Ein vollständiges Viereck, aufgefasst als geordnete Menge von vier Punkten, bildet eine projektive Punktbasis.
Das projektive Axiom
Das projektive Fano-Axiom lautet:
„Die Schnittpunkte der Gegenseiten (Diagonalpunkte) in einem beliebigen vollständigen Viereck sind nicht kollinear.“[3]
Das Fano-Axiom fordert also, dass jedes vollständige Viereck der projektiven Ebene ein Fano-Viereck ist. Dann nennt man die projektive Ebene eine Fano-Ebene. Ist dagegen jedes vollständige Viereck ein Anti-Fano-Viereck, dann wird die projektive Ebene gelegentlich als Anti-Fano-Ebene bezeichnet.
Bemerkungen
Zum projektiven Fano-Axiom ist zu beachten:
Es gibt projektive Ebenen, die weder Fano- noch Anti-Fano-Ebenen sind, siehe weiter unten in diesem Artikel.
Jede desarguesche projektive Ebene ist entweder eine Fano- oder eine Anti-Fano-Ebene. Sie ist eine Anti-Fano-Ebene, wenn die Charakteristik ihres Koordinatenschiefkörpers 2 ist, und eine Fano-Ebene bei jeder anderen Charakteristik.
Allgemeiner ist sogar jede Moufangebene entweder eine Fano- oder eine Anti-Fano-Ebene. Dort lautet das Kriterium: Ist der Kern des Koordinatenalternativkörpers der Ebene, dann ist diese Ebene eine Anti-Fano-Ebene, wenn die Charakteristik dieses Schiefkörpers ist, und eine Fano-Ebene bei jeder anderen Charakteristik von .
DieFano-Ebene ist im axiomatischen Sinn eine Anti-Fano-Ebene!
Beziehungen des projektiven zum affinen Fano-Axiom
Durch Ausschneiden einer projektiven Gerade („Schlitzen“) bzw. projektive Erweiterung entsteht aus einer projektiven desargueschen Fano-Ebene stets eine affine desarguesche Ebene, die das affine Fano-Axiom erfüllt, und umgekehrt.
Durch Schlitzen einer Moufangebene, in der das projektive Fano-Axiom gilt, entsteht stets eine affine Translationsebene, in der das affine Fano-Axiom gilt.
Falls die projektive Erweiterung einer affinen Translationsebene, die das Fano-Axiom erfüllt, eine Moufangebene ist, dann erfüllt auch diese Moufangebene das Fano-Axiom.
Durch Schlitzen einer projektiven Fano-Ebene entsteht stets eine affine Ebene, die dem affinen Fano-Axiom genügt.
Vollständiges Vierseit
Ein vollständiges Vierseit in einer projektiven Ebene besteht aus 4 Geraden (den Seiten des Vierseits) in allgemeiner Lage, das heißt keine drei davon gehen durch einen gemeinsamen Punkt. Die 6 Schnittpunkte der Seiten heißen die „Ecken“ des Vierseits, je zwei Ecken, die nicht auf einer Seite liegen, heißen „Gegenecken“ des Vierseits.
Die duale Form des projektiven Fano-Axioms lautet:
„Die Verbindungsgeraden der Gegenecken (Diagonalen) in einem beliebigen vollständigen Vierseit sind nicht kopunktal.“[4]
Es gilt: Für jede Fano-Ebene ist auch ihre duale Ebene eine Fano-Ebene.[5]
Das ist gleichbedeutend dazu, dass für jede projektive Ebene Fano-Axiom und duales Fano-Axiom äquivalent sind.
Endliche Ebenen
Der folgende Satz von Gleason[6] besagt, dass eine endliche Anti-Fano-Ebene (im amerikanischen Sprachgebrauch leider, etwa hier von Andrew Gleason, oftmals als fano plane bezeichnet…) stets desarguesch und damit eine über einem endlichen Körper ist:[7]
Aus der Kollinearität der Diagonalpunkte aller vollständigen Vierecke in einer endlichen projektiven Ebene folgt die Allgemeingültigkeit des Satzes von Desargues in dieser Ebene.
Die projektiven Ebenen über all diesen „Knuthschen“ echten Halbkörpern gehören der Lenz-Barlotti-Klasse V an. Sie können nach dem Satz von Gleason das Anti-Fano-Axiom nicht erfüllen, da sie nichtdesarguessch sind. Andererseits enthalten sie die Fanoebene als Unterstruktur (der Primkörper mit 2 Elementen ist im Kern des Halbkörpers als Teilkörper enthalten) und damit auch Anti-Fano-Vierecke.
Umgekehrt vermutet Günter Pickert:[7] In jeder endlichen, nichtdesarguesschen Ebene existieren Fano- und Anti-Fano-Vierecke! Er beweist dazu einen allerdings wesentlich schwächeren Satz von Hanna Neumann:[8]
Ist p eine Primzahl, r eine positive ganze Zahl, für die zusätzlich im Fall gelten soll, so gibt es eine endliche projektive Ebene der Ordnung, in der sowohl ein vollständiges Viereck mit kollinearen Diagonalpunkten wie ein solches mit nichtkollinearen Diagonalpunkten vorkommt.[9]
Die von Pickert zum Beweis konstruierten Ebenen sind durch echte Quasikörper der Ordnung koordinatisierbar. Das heißt: Sie und die oben erwähnten Ebenen von Knuth können so geschlitzt werden, dass eine affine Translationsebene der Ordnung q entsteht. In dieser affinen Ebene gilt dann entweder
die Diagonalen jedes nichtausgearteten Parallelogramms sind parallel oder
die Diagonalen jedes nichtausgearteten Parallelogramms schneiden einander.
Der erste Fall tritt genau dann ein, wenn ist, der zweite, wenn p ungerade ist. Damit zeigt dieser Beweis zugleich, dass bereits für affine Translationsebenen aus der Gültigkeit des affinen „Anti-Fano-Axioms“[10] bzw.des affinen Fano-Axioms im Allgemeinen nicht auf die Gültigkeit des entsprechenden Axioms im projektiven Abschluss geschlossen werden kann.
Beliebige Ebenen
Pickert ersetzt die Endlichkeitsvoraussetzung des Satzes von Gleason durch eine Transitivitätsvoraussetzung. Siehe dazu die Definitionen und Sprachregelungen, die im Artikel Klassifikation projektiver Ebenen erläutert sind. Er beweist damit: „Gibt es in einer projektiven Ebene drei nicht kollineare Punkte , so dass die Ebene - und - transitiv ist, und sind in dieser Ebene in jedem vollständigen Viereck die Diagonalpunkte kollinear, dann ist die Ebene desarguessch.“[7]
Die Bedeutung des Fano-Axioms für die elementare affine Geometrie liegt auf der Hand: In beliebigen Ebenen ist die Gültigkeit des Fano-Axioms notwendig, in desarguesschen Ebenen auch hinreichend dafür, dass zu zwei verschiedenen Punkten ein Mittelpunkt existiert! Ohne Fano-Axiom gibt es keine Seitenhalbierenden, keine Mittelsenkrechten, keine Punktspiegelungen usw.
Etwas weniger offensichtlich ist seine Nützlichkeit bei der Untersuchung von Quadratischen Formen: Hier möchte man gerne durch 2 teilen können (zum Beispiel beim quadratischen Ergänzen und beim "Symmetrisieren" einer Formmatrix, siehe projektive Quadrik).
Macht man, wie das in der Linearen Algebra gerne getan wird, die generelle Voraussetzung, dass die Charakteristik der betrachteten Koordinatenkörper nicht 2 sei, so geht man auch einigen Sonderfällen aus dem Weg, die nur bei affinen Geometrien mit 2 Punkten auf jeder Geraden (siehe Kollineation) bzw. nur beim Minimalmodell der projektiven Geometrie (siehe Fano-Ebene) auftreten, aber nicht direkt wegen der Charakteristik des Körpers, sondern wegen der Kleinheit der Modelle.
Wendelin Degen, Lothar Profke:Grundlagen der affinen und euklidischen Geometrie. Teubner, Stuttgart 1976, ISBN 3-519-02751-8 (Einfache Darstellung der Axiome, fachdidaktische Hinweise für den Geometrieunterricht an Gymnasien).
Lothar Wilhelm Julius Heffter:Grundlagen und analytischer Aufbau der projektiven, euklidischen und nichteuklidischen Geometrie. 3. wesentlich überarbeitete Auflage. Teubner, Stuttgart 1958 (Darstellung der Zusammenhänge zwischen klassischer (reeller, euklidischer) Geometrie und einigen Verallgemeinerungen in der synthetischen und absoluten Geometrie).
Lars Kadison, Matthias T. Kromann:Projective Geometry and Modern Algebra. Birkhäuser, Boston/Basel/Berlin 1996, ISBN 3-7643-3900-4 (Inhaltsverzeichnis[PDF; abgerufen am 6.Juni 2016] Konsequenzen des Fano-Axioms für die Transitivitätseigenschaften der projektiven Gruppen).
Günter Pickert:Projektive Ebenen. 2. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1975, ISBN 3-540-07280-2, 12.3: Vollständige Vierecke mit kollinearen Diagonalpunkten, S.297–301 (Berücksichtigt die damals aktuellen Ergebnisse insbesondere über endliche Ebenen).
Hermann Schaal:Lineare Algebra und analytische Geometrie. 2. durchgesehene Auflage. BandII. Vieweg, Braunschweig 1980, ISBN 3-528-13057-1 (Bedeutung des Fano-Axioms in der Linearen Algebra über Körpern und für die Klassifikation von Kegelschnitten).