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Unwort des Jahres (Deutschland)

sprachkritische Aktion Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Das Unwort des Jahres wird jährlich in einer sprachkritischen Aktion gekürt, die in Deutschland 1991 von dem Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser ins Leben gerufen wurde. Bis 1994 wurde das „Unwort des Jahres“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gewählt. Nach einem Konflikt mit dem Vorstand der GfdS machte sich die Jury als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ selbstständig.[1][2] Die Jury besteht aus fünf Personen, die sich selbst als eine Initiative unter dem Namen „Unwort-Aktion“ bezeichnet.[3]

Für das Jahr 2020 entschied sich die Jury zum ersten Mal für zwei Unwörter.

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Ziele und Auswahl

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Die Aktion „möchte auf öffentliche Formen des Sprachgebrauchs aufmerksam machen und dadurch das Sprachbewusstsein und die Sprachsensibilität in der Bevölkerung fördern. Sie lenkt daher den sprachkritischen Blick auf Wörter und Formulierungen in allen Feldern der öffentlichen Kommunikation, die gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen.“ Die Benennung der Unwörter des Jahres soll „in erster Linie als Anregung zu mehr sprachkritischer Reflexion“ dienen.[4]

Alle Bürger können Vorschläge zum Unwort des Jahres mit Angabe einer Quelle des sprachlichen Missgriffs einreichen. „Für das Auswahlverfahren eines Jahres können bis 31. Dezember des betreffenden Jahres Vorschläge gemacht werden, die den Grundsätzen der Unwort-Aktion entsprechen. In der ersten Januarhälfte des Folgejahres wählt eine Jury aus allen Vorschlägen und auf der Basis einer ausführlichen inhaltlichen Diskussion das ‚Unwort des Jahres‘, ggf. weitere Unwörter aus.“[5] Die Entscheidung ist nicht abhängig von der Zahl der Unterstützer eines Vorschlags.[4] „Oft genug gab es Kampagnen mit einer hohen Zahl von Einsendungen für bestimmte Begriffe.“[6]

„Unwortverdächtig“ sind nach Auffassung der Jury Wörter oder Formulierungen, die beispielsweise[4]

  • gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen (z. B. Geschwätz des Augenblicks für Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche),
  • gegen Prinzipien der Demokratie verstoßen (z. B. alternativlos als Haltung/Position in der politischen Diskussion, um eine solche zu vermeiden und sich der Argumentationspflicht zu entziehen),
  • einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren (z. B. durch unangemessene Vereinfachung oder Pauschalverurteilung, wie etwa Wohlstandsmüll als Umschreibung für arbeitsunwillige ebenso wie arbeitsunfähige Menschen),
  • euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind (z. B. freiwillige Ausreise als Behördenterminus für die nur bedingt oder gar nicht freiwillige Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern in ihre Heimatländer aus Abschiebehaftanstalten).

Wesentlich für die Auswahl ist neben der Aktualität auch die durch Quellennachweis belegte öffentliche Äußerung des Wortes oder der Formulierung.[4][5]

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Kritik und Rezeption

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Zur Frage der Legitimität der selbst gebildeten Jury äußerte der SPD-Politiker Mathias Brodkorb, dass das Unwort von nur fünf Personen festgelegt werde, die dazu weder durch Fachgesellschaften noch auf demokratische Weise legitimiert seien.[7]

Viele Entscheidungen für „Unwörter“ wurden kritisiert. Entlassungsproduktivität (insgesamt tauchte das Wort 2005 nur fünfmal in der überregionalen Presse auf) und sozialverträgliches Frühableben oder Opfer-Abo[8] wurde nach Aussage der Kritiker nahezu nicht benutzt, Humankapital[9][10] und Ich-AG seien bewusst falsch verstanden worden.

Juli Zeh kritisierte die Wahl von „Klimahysterie“ zum Unwort von 2019, weil man sich durch „Bewertung einer Haltung in einer kontroversen und sehr, sehr aktuellen politischen Diskussion“ auf eine Seite stelle. Wenn es darum gegangen wäre, von beiden Seiten eine sachliche Diskussionsebene einzufordern, hätte man z. B. sowohl „Klimahysterie“ als auch „Klimaleugner“ als Unwörter klassifizieren können.[11] Gerrit Kloss warf 2013 in der FAZ der Jury vor, dass diese entgegen ihrem eigenen Anspruch[12] Unwörter „kreiere“, indem sie bei der Begründung zum Unwort des Jahres 2012 eine Bedeutung angegeben habe, die nicht derjenigen entspreche, die das Wort im Originalkontext habe.[13] Peter Hahne bezeichnete in seinem Buch Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluss mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror von 2020 die jährliche Unwort-Kür als Paradebeispiel für Sprachpolizei.[14]

Susanne Gaschke kritisierte in der Neuen Zürcher Zeitung 2023, dass Wortschöpfungen wie „Covidiot“ oder „Klimaleugner“, die ihrer Meinung nach die Unwort-Kriterien erfüllen, aber auf der linken Seite des politischen Spektrums geprägt und verwendet werden, von der Jury ausgeblendet würden.[15]

Der Comic Überraschung (2020) von Katz & Goldt handelt von einer fiktiven Gala „Unwort des Jahres“ mit Anke Engelke.[16] Max Goldt veröffentlichte das Comic-Skript in seinem Hörbuch Genieß deinen Starrsinn an der Biegung des Flusses (2021).[17]

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Jury

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Bis 1994 wurde das „Unwort des Jahres“ von einer Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gewählt. Nach einem Konflikt mit dem Vorstand der GfdS um eine Äußerung von Helmut Kohl („kollektiver Freizeitpark“) machte sich die Jury als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ institutionell unabhängig.[1][2] Horst Dieter Schlosser war von 1991 bis 2011 Sprecher der Jury.[18]

Sie besteht seit 2011 aus fünf ständigen Mitgliedern, davon vier Sprachwissenschaftler und ein Journalist, sowie einem in jährlichem Wechsel kooptierten Mitglied. Nach der Kür des 30. Unworts im Jahr 2020 verabschiedete sich die Jury, die zuvor zehn Jahre in unveränderter Besetzung gearbeitet hatte. Sprecherin Nina Janich (TU Darmstadt) und die anderen Juroren hatten sich entschieden, das Projekt „in andere, jüngere Hände zu legen“, wie es in der Pressemitteilung hieß.

Die fünf festen Mitglieder sind seit 2021 Constanze Spieß (Sprecherin, Universität Marburg), Kristin Kuck, Martin Reisigl, David Römer (alle Sprachwissenschaftler) und Alexandra-Katharina Kütemeyer (Journalistin).

Kooptierte Mitglieder waren 2011 Heiner Geißler, 2012 Ralph Caspers, 2013 Ingo Schulze, 2014 Christine Westermann, 2015 Georg Schramm, 2016 Sabine Leutheusser-Schnarrenberger[19], 2017 Barbara (Streetart-Künstlerin)[20], 2018 Jess Jochimsen (Kabarettist), 2019 Urban Priol (Kabarettist), 2020 Kübra Gümüşay (Autorin), 2021 Harald Schumann (Journalist), 2022 Peter Wittkamp (Autor, Gagschreiber, Werbetexter), 2023 Ruprecht Polenz (CDU), 2024 Saba-Nur Cheema und Meron Mendel.

Unwörter des Jahres

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Quelle: [21]

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Unterlegene Kandidaten

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Neben den Unwörtern des Jahres veröffentlicht die Jury auch weitere Kandidaten für dieses Unwort oder zweit- und drittplatzierte Unwörter.

Weitere Informationen Jahr, Kandidaten zum Unwort des Jahres ...
(a) 
Ausdrücklich mit Blick auf besondere Aktualität in den östlichen Bundesländern als Belege „sprachlicher Demütigung“ gewählt.
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Persönliche Unwörter von Gastjuroren

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Unwort des Jahrhunderts

Weitere Informationen Jahrhundert, Begründung ...

Börsenunwort des Jahres

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Seit 2001 ermittelt die Börse Düsseldorf das Börsenunwort des Jahres:[35]

Siehe auch: Börsenunwort des Jahres (Österreich)

Weitere Informationen Jahr, Börsenunwort des Jahres ...
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Weitere Wörter des Jahres

Literatur

  • Gesellschaft für deutsche Sprache (Hrsg.): Wörter und Unwörter. Sinniges und Unsinniges der deutschen Gegenwartssprache. Falken-Verlag, Niedernhausen 1993, ISBN 3-8068-1401-5.

Einzelnachweise

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