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deutscher Religionswissenschaftler Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Udo Tworuschka (* 12. Februar 1949 in Seesen am Harz) ist ein deutscher Religionswissenschaftler.
1952 zog die Familie nach Düren. Im September 1967 schrieb er sich an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn für die Fächer evangelische Theologie, Geisteswissenschaften und Philosophie ein. Er wurde studentische und wissenschaftliche Hilfskraft des Patristikers Heinrich Karpp (1908–1997). Anglistik studierte er bei Arno Esch und anderen. Vom vierten Semester an studierte er zusätzlich Vergleichende Religionswissenschaft, u. a. bei Gustav Mensching, dessen Werk er kritisch verbunden geblieben ist und dessen zentrale Anliegen er für die Gegenwart fruchtbar zu machen versucht („Praktische Religionswissenschaft“). 1972 promovierte er zum Dr. phil. über das Thema „Die Einsamkeit. Eine religionsphänomenologische Untersuchung“ (egregia/ summa cum laude). Er erhielt dafür den Promotionspreis der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn.
Seit 1975 ist er mit Monika Tworuschka verheiratet, mit ihr hat er vier Kinder: Miriam, Christopher, Sarah, Ronja.
1979 habilitierte er an der Pädagogischen Hochschule Rheinland (Abteilung Köln) und wurde zum Privatdozenten und Hochschuldozenten ernannt. Der Religionspädagoge Karl Ernst Nipkow zählt Tworuschka zu den „Pionieren“ des interreligiösen Lernens.[1] 2022 legte Tworuschka seine zweibändige Geschichte des interreligiösen Lernens vor, eine komplette Umarbeitung des 1983 erstmals erschienenen Abrisses. Tworuschka zählt zu den Vordenkern der „Praktischen Religionswissenschaft“. Die österreichische katholische Theologin Regina Polak charakterisiert ihn als „den Doyen der deutschen ‚Praktischen Religionswissenschaft‘“. Sein bisheriges Gesamtwerk zeichne sich durch „Pioniergeist und Engagement“ aus. Zusammenfassend beurteilt sie Tworuschka „in mehrfacher Hinsicht als Pionier (...): Pionier der Schulbuchforschung, des interreligiösen Lernens und der Praktischen Religionswissenschaft“.[2] Mit der mehrfach ausgezeichneten ersten deutschsprachigen CD-ROM „Religiopolis. Weltreligionen erleben“ (2004) betraten seine Frau und er religionsvermittelndes Neuland.
1982–1993 lehrte und forschte er in der Lehrerausbildung an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, in die die PH eingegliedert worden war. Hier arbeitete er zusammen mit zahlreichen deutschen Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen an einem Projekt für den Abbau gegenseitiger religiöser Vorurteile. In einem umfassenden Forschungsprojekt, das er zusammen mit dem Kölner Islamwissenschaftler Abdoldjavad Falaturi leitete, wurden durch eine ausführliche Analyse der Schulbücher (Geschichte, Geographie, Evangelischer und Katholischer Religionsunterricht usw.) die häufigsten Vor- und Fehlurteile herausgearbeitet. Die Ergebnisse wurden im Rahmen der Studien zur internationalen Schulbuchforschung des Georg-Eckert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung veröffentlicht. 1988 wurde das Forschungsprojekt auf weitere europäische Länder ausgedehnt unter dem Namen „International Research Projekt: Islam in Textbooks“.
Zusammen mit Michael Klöcker gründete er 1997 – zunächst als Loseblattwerk, dann online – das „Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum“. Das vier Mal mit insgesamt ca. 800 Seiten im Jahr erscheinende Periodikum HdR hat inzwischen eine Gesamtseitenzahl von 10.000 erreicht. Die aktuelle 76. Ergänzungslieferung erscheint Mai 2023. Das HdR hat sich als „peer reviewed journal“ zu einem Praxis-Nachschlagewerk in Hinblick auf die Vermittlung der komplexen Religionenlandschaft in Deutschland und im deutschsprachigen Bereich entwickelt. Seit 2023 ist Prof. Dr. Martin Rötting//Universität Salzburg Mitherausgeber des HdR. 1987–1995 war Tworuschka Präsident der liberal-protestantischen Vereinigung Bund für Freies Christentum.
Am 1. November 1993 wurde er an die Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena auf den Lehrstuhl für Religionswissenschaft berufen. Von April 1995 bis Februar 1997 war er Prodekan, von Oktober 2000 bis September 2002 Dekan der Theologischen Fakultät. Seit 2001 richtet Tworuschka die „Gustav Mensching-Vorlesungen für religiöse Toleranz“ aus. Ab dem Wintersemester 2002/03 konnte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Religionswissenschaft als Magisternebenfach in der Philosophischen Fakultät studiert werden, zum Wintersemester 2007/08 wurde das Studienangebot auf ein Bachelor-Ergänzungsfach in der Theologischen Fakultät umgestellt. Tworuschka wurde 2011 emeritiert.
Während seiner Kölner Forschungs- und Lehrtätigkeit (1973–1993) im Kontext evangelischer Religionspädagogik entwickelte Tworuschka ein praktisches Verständnis von Religionswissenschaft, für die er im Unterschied zu einer „angewandten“ („applied“) Wissenschaft den Begriff „Praktische Religionswissenschaft“ geprägt hat. 2012 gründete er die Wissenschaftsreihe „Studien und Dokumentationen zur Praktischen Religionswissenschaft“, die er in Verbindung mit Wolfgang Gantke, Klaus Hock, Michael Klöcker und Martin Leiner herausgibt. Ehrenherausgeber ist Richard Friedli. Tworuschka versteht Religionswissenschaft nicht – wie es heute im deutschen Sprachraum die Regel ist – als Kulturwissenschaft in einem engen, gegen die „Religionswissenschaft des Verstehens“ (Gustav Mensching) gerichteten Sinn – obwohl er in seiner Arbeit kulturwissenschaftliche Methoden anwendet –, sondern als „Wahrnehmungswissenschaft“ (Religionsphänomenologie). Tworuschkas „anthropologisch gewendete, am Menschen orientierte, kontextuelle Religionsphänomenologie interessiert sich dafür, inwieweit Religionen den von Routine und Mechanismus geprägten Alltag beeinflussen. Diese neue Form von Religionsphänomenologie untersucht, wie religiöse Traditionen die elementaren Vollzüge und Bereiche des menschlichen Lebens prägen: Sexualität, Gesundheit, Lehren und Lernen, Lebensphasen, Leben in der Familie, Essen und Trinken, Kleidung, Arbeit und Freizeit, Wohnverhältnisse, Gestik, Bewegungsweisen, die Einstellung zu Zeit und Raum, zu den Gefühlen, Bedürfnissen und Wahrnehmungen.“[3] „Dass das umfangreiche Forschungsfeld [Hörfunk und Religion/en] in allerjüngster Zeit überhaupt von der Religionswissenschaft wahrgenommen wird, ist vor allem Tworuschkas (2006; 2008) Forderung eines ‚auditive turn‘ zu verdanken“.[4]
Tworuschka lebt mit seiner Ehefrau in Arloff, einem Stadtteil von Bad Münstereifel.
Gemeinsam mit seiner Frau Monika Tworuschka wurde ihm 2002 der italienische Friedenspreis „Premio Satyagraha“ verliehen.[5] Das Ehepaar Tworuschka erhielt für seine Verdienste um die interreligiöse Verständigung am 3. November 2018 in Köln den Engel-der-Kulturen-Preis 2018 verliehen. Udo Tworuschka ist Ehrenvorsitzender von INTR.A (Interreligiöse Arbeitsstelle).
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