Figur der schwäbisch-alemannischen und fränkischen Fastnacht Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Strohbär ist eine Figur der schwäbisch-alemannischen und der fränkischen Fastnacht. Er war in allen landwirtschaftlich geprägten Dörfern verbreitet, in denen Fastnacht gefeiert wurde. Seine Strohhülle konnte aus allen geernteten Stroharten bestehen. Dazu gehören z.B. langhalmiges Weizen-, Roggen- und Haferstroh oder das Stroh der Futtererbse (Erbsenbär).[1]
Ideengeschichtlich leitet sich der Strohbär von der im Mittelalter häufig verwendeten Figur des Wilden Mannes ab, der als Fastnachtsfigur zusammen mit dem Narr seinen Ausgangspunkt im ausgehenden Mittelalter hat. Der Wilde Mann stand für Unheil, Gottesferne und auch stellvertretend für den Teufel. Ursprünglich war die Figur mit Moos oder Fell bekleidet und kann als Vorläufer des Strohbären angesehen werden. Beide werden der Gruppe der gottesfernen Figuren zugeordnet.
Vielfach wird der Umtrieb des Strohbären fälschlicherweise als Austreibung des Winters gedeutet. Der christliche Kontext des Fastnachtsfestes gibt der Forschung keinen haltbaren Beleg; die Begründung solcher Überlegungen sind vielmehr in den germanischen Kontinuitätsprämissen der Fastnacht des 19. und 20. Jahrhunderts zu suchen.
Ein drastischer Rückgang des Strohbärenbrauches erfolgte durch den technischen Umbruch der Landwirtschaft in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Zum einen veränderten sich die Anbau- und Erntemethoden des Getreides, so beispielsweise die Verkürzung der Strohlänge durch Spritzen der Felder mit chemischen Halm-Verkürzern und das Ernten mit dem Mähdrescher. Das Verhäckseln und Pressen des schon zu kurz gewachsenen Strohes machte es zum Einbinden der Bären fast unbrauchbar. Zeitgleich verstärkte sich auch die Neigung, Fastnachtsbräuche zu ästhetisieren und in neuen Fasnachtsfiguren mit geschnitzten Holzlarven aufzutreten.
Neben dem edleren Erscheinungsbild hatte das Tragen einer Holzmaske auch den Vorteil, das aufwändige und staubige Strohbärentreiben zu umgehen.
Nur in wenigen Orten überdauerte das Strohbärentreiben, wodurch das Wissen um die schwierige und zeitaufwendige Einbindetechnik nur noch spärlich an die nächsten Generation übergehen konnte. In Empfingen im Landkreis Freudenstadt zog am Fasnachtsmontag und -dienstag eine Gruppe bettelnd durch den Ort und gab die Technik des Einbindens an die Jüngeren weiter.
Ungewollt und unbewusst wurde in Empfingen um 1980 die Nähe zum mittelalterlichen Wilden Mann wiederhergestellt, als nach einer dürftigen Strohernte zwei Personen mit Tannenreisig als Bären eingebunden und die „Reisigbären“ geboren waren. Einen alternativen Weg fanden Singen und Leipferdingen, sie ersetzten die Technik des Einbindens durch die Anfertigung von genähten Strohkostümen. Für das genähte Strohbärenkostüm des Narrenvereins Ewattingen wird hingegen Naturbast verwendet.[2]
Über weite Teile des Bundesgebietes verstreut gibt es noch die Strohbärenbräuche. Schwerpunkte sind neben Südwestdeutschland vor allem Hessen und Thüringen.
Neben der Fastnacht bewegen sich Strohgestalten auch an anderen Festtagen des Kirchenjahres. Eine bedeutende Rolle spielt außerhalb der Fastnacht das Brauchtum des Kirmesbären. Ursprünglicher Inhalt aller dieser Strohvermummungsbräuche ist der Heischeumgang. Dabei spielte innerhalb einer Heischegruppe die Strohfigur die wichtigste Rolle und der Darsteller im Stroh bekam von den gesammelten Gaben (Eier, Wurst, Speck) einen höheren Anteil als der Rest der Gruppe. Die Gaben wurden sehr oft gemeinsam verzehrt. Nach dem Heischeumgang befreite man den Darsteller aus seiner Vermummung und das schweißdurchnäßte Stroh wurde anschließend verbrannt.
(sortiert nach Umgangstag)
Strohbär der Alten Beisdorfer Fasnet Binsdorf (Umzug eine Woche vor dem Fasnetssonntag)[3]
Rüdigheim (Amöneburg), Hessen (urspr. Fasnachtdienstag / mdal. Foasenoacht. Zurzeit findet der Umzug mit dem Schuttebär (mdal.) an einem der Wochenenden vor dem Rosenmontag statt.)[10][11][12]
Werner Baiker, Klaus Warnke, u.a.: Oh Latschaboo, oh Schaluschee – Ein bunter Streifzug durch die historische Empfinger Fasnet. Im Eigenverlag, Empfingen 2001.
Hermann Bausinger (Hrsg.): Dörfliche Fasnacht zwischen Neckar und Bodensee. Tübinger Vereinigung für Volkskunde. Beiträge des Tübinger Arbeitskreises für Fasnachtsforschung (Volksleben. Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Institutes der Universität Tübingen im Auftrag der Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Bd. 12). Tübingen, Verlag Horst Bissinger KG, Tübingen 1966.
Thomas Naumann: Die Walldürner Strohbären. Beobachtungen und Anmerkungen zu einem fastnachtlichen Brauch. Aktuelle Verlags-Gruppe, Obrigheim 1987.
Wulf Wager: Schwäbisch-alemannische Fasnet in alten Bildern. Silberburg-Verlag, Tübingen 2003, ISBN 3-87407-568-0.
Narrenverein Ewattingen (Mementodes Originals vom 24. Februar 2014 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.narrenverein-ewattingen.de; der Text dort ist ein Beispiel der wissenschaftlich längst überholten Herleitung des Strohbären als heidnisches Winteraustreibungsritual (abgerufen am 18. Februar 2014)
Vereinsgemeinschaft Erfurtshausen (Hrsg.):1150 Jahre Erfurtshausen 844 – 1994. Bearbeitet von Dr. Alfred Schneider. Druck: Joh. Aug. Koch, Marburg 1994, S.395 (S. 370, S. 372, S. 392 = Der "Schittebär" wird gewickelt (1977)).
Irmgard Bott (Hrsg.):Osterei -Malerei aus Mardorf und Erfurtshausen. Karl Robert Langwiesche Nachfolger Hans Köster KG, Königstein im Taunus, 1981, ISBN 3-7845-6541-7, S.48 (S. 11,12 = Beitrag von Alex Fischer u. a. auch zum Schittebär am Fasnachtdienstag).
Karl Anton Müller:Rund um Wall und Wehrturm; Das 1200 jährige Mardorf in Geschichte und Gegenwart. Universitätsbuchdruckerei J. A. Koch, Marburg a. d. Lahn 1955, S.292,293 (Kurzbeschreibung des Heischebrauchs Schittebär = Erbsenstrohbär (mdal. Schitte = hochd. Schote/Erbsenschote). Der Umzug mit dem Strohbär am Fasnachtsdienstag im oberhessischen Mardorf in früherer Zeit. (Anm.: Dem Erbsenstroh folgte alsbald Weizenstroh)).
Renate Schütz, Amöneburg – Roßdorf (Hrsg.):Wir armen, reichen Kinder – Erzählungen über gelebtes Brauchtum und Kindheitserlebnisse. 1989, S.101 (S. 13, S. 14, Kapitel: Februar – Bratentag, Schittebär (Erbsen- oder Strohbär)).
Günter Slany:Rerrekim (Rüdigheim) ... ein Dorf in Oberhessen, Geschichte – Brauchtum – Alltag,. Hrsg.: Kirchengemeinde St. Antonius d. E., Rüdigheim. 1. Auflage. Druck: Buch- und Offsetdruckerei Julius Schröder GmbH, Kirchhain 2002 (Beschreibung von Fasnachtsbrauchtum im oberhessischen Rüdigheim (mdal. Rerrekim): Im Kapitel "Broredoag èn Schuttebär" – Bratentag und Erbsenstrohbär – wird über zwei alte Kinderbräuche, eigentlich Heischebräuche berichtet, die auch in den Nachbardörfern praktiziert wurden).
Marburger Neue Zeitung (Hrsg.):Die Dorfjugend hält den Brauch lebendig – Am Sonntag den 25. wird der Schuttebär von Haus zu Haus ziehen. Jahrgang 5, Nr.41, 11.Februar 2001 (Halbseitiger Artikel, bebildert).
Günter Slany:Rerrekimer wickeln zur Fasnachtszeit den Schuttebär. Alter Brauch mausert sich zu einem kleinen Umzug. Hrsg.: Marburger Neue Zeitung. 4.März 2003 (Viertelseitiger Bericht, bebildert).