Loading AI tools
russisches Flugabwehrraketensystem Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das S-400 Triumf (russisch С-400 Триумф, deutsch: Triumph) ist ein Langstrecken-Boden-Luft-Lenkwaffensystem, das in der Sowjetunion sowie in Russland entwickelt wurde und heute unter anderem von den Streitkräften Russlands verwendet wird. Der NATO-Codename lautet SA-21 Growler und im GRAU-Index trägt es die Bezeichnung 40R6.
S-400 Triumf | |
---|---|
S-400 während einer Übung zur Siegesparade in Moskau, Mai 2010 | |
Allgemeine Angaben | |
Typ | Flugabwehrrakete |
Heimische Bezeichnung | S-400 Triumf, С-400 Триумф, 98Sch6 |
GRAU-Index | 40R6 |
NATO-Bezeichnung | SA-21 Growler |
Herkunftsland | Sowjetunion / Russland |
Hersteller | Almas-Antei |
Entwicklung | 1991 |
Indienststellung | 2007 |
Einsatzzeit | im Dienst |
Technische Daten | |
Länge | 7,57 m[1][2] |
Gefechtsgewicht | 1.895 kg[1][2] |
Antrieb | Feststoffraketentriebwerk |
Reichweite | 380 km[1][2] |
Dienstgipfelhöhe | 30.000 m[1][2] |
Ausstattung | |
Lenkung | INS, 2-Weg Datenlink |
Zielortung | aktive Radarzielsuche |
Gefechtskopf | 126-kg-Splittersprengkopf[1] |
Zünder | Aufschlag- und Näherungszünder |
Waffenplattformen | Fahrzeuge/Anhänger |
Listen zum Thema |
Anfang der 1980er-Jahre wurden in der Sowjetunion unter Leitung von Alexander Lemanski eine Studie zu einem Nachfolgesystem für die im Einsatz stehenden Langstrecken-Boden-Luft-Lenkwaffensysteme S-200 (NATO-Codename SA-5 Gammon) erstellt. Das neue System sollte im Jahr 2003 bei den Sowjetischen Luftverteidigungsstreitkräften (PWO) eingeführt werden. Das erste Projekt mit der Bezeichnung S-400 wurde von der staatlichen Kommission abgelehnt, da es zu teuer war und keine Marschflugkörper und Ballistischen Raketen abfangen konnte. In den späten 1980er-Jahren wurde das Projekt unter dem Codenamen Triumf wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Am 22. August 1991 erteilten das Zentralkomitee der KPdSU und der Ministerrat der UdSSR den Auftrag zur Entwicklung des nun S-400 Triumf bezeichneten Systems. Die Entwicklung wurde Almas zugesprochen und die neuen Lenkflugkörper sollten von MKB Fakel entwickelt werden.[3][4][5]
Nach dem Zerfall der Sowjetunion kam das Programm nur schleppend voran und stand aufgrund von Reorganisationen, Streitigkeiten und finanziellen Problemen immer wieder still. Am 7. Juli 1999 wurde das Programm durch einen Regierungserlass offiziell wiederbelebt. Dabei wurde der ursprüngliche Auftrag, die S-200 durch ein neuentwickeltes Langstreckensystem zu ersetzen, grundlegend abgeändert. Anstelle eines kompletten Neuentwurfs griff man jetzt auf das Flugabwehrsystem S-300PM-2 (NATO-Codename SA-20 Gargoyle) zurück, welches man tiefgreifend modernisieren wollte. Daraufhin wurde das Programm zunächst unter der Bezeichnung S-300PM-3 weitergeführt. Obwohl das Programm wenig mit dem ursprünglichen Projekt zu tun hatte, wurde aus Vermarktungsgründen später wieder die ursprüngliche Bezeichnung S-400 Triumf übernommen.[3][4][6]
Nach Tests mit den neuen 48N6DM-Lenkflugkörpern zwischen 1999 und 2003 wurden die Abnahmetests der Staatsbehörden 2005 abgeschlossen. Am 6. August 2007 wurde die erste S-400-Batterie mit 48N6DM-Lenkflugkörpern in der Nähe von Elektrostal in Dienst gestellt.[7][8]
Danach folgten Exporte in verschiedene Staaten, wobei der erste Exportkunde die Volksrepublik China war. Dabei hatte es zu der von russischen Medien „gepriesenen“ S-400 Kommentare aus China gegeben, wonach die S-400 „eine frisch bemalte S-300P“ sei, in dem Sinne, dass sie sich in ihren Fähigkeiten nicht markant unterscheiden würden.[9]
Die S-400 ist die finale Entwicklungsstufe des Flugabwehrsystems S-300P und verwendet 70–80 % der Technologie von diesem.[8][10] Es ist ein allwetterfähiges Flugabwehrraketen-System zur Abwehr von Hubschraubern, Flugzeugen, unbemannten Luftfahrzeugen, Marschflugkörpern, Luft-Boden-Raketen sowie ballistischen Raketen. Weiter kann die S-400 auch gegen stationäre Bodenziele eingesetzt werden. Dabei soll mit der 48N6D-Lenkwaffe eine Schussdistanz von über 200 km erzielt werden.[11] Gemäß Hersteller soll S-400 in der Lage sein, Flugziele auf eine Distanz von 5 bis 380 km sowie in einem Höhenbereich von 10 bis 30.000 m bekämpfen.[12][13][14] Weiter können ballistische Kurz- und Mittelstreckenraketen mit einer Maximalreichweite von 3500 km abgefangen werden.[12] Diese sollen bis zu einer maximalen Fluggeschwindigkeit von 4.800 m/s (17.280 km/h) auf eine Distanz von 60 km bekämpft werden können.[12][13][14] Mit dem System S-400 ist Herstellerangaben zufolge die Bekämpfung folgender Ziele möglich:[15]
Aufgrund der großen Reichweite sollen gegnerische Luftabwehr-Unterdrückungsflugzeuge neutralisiert werden, bevor diese selbst in Angriffsreichweite kommen. Weiter sollen Frühwarnflugzeuge auf große Distanzen bekämpft werden, so dass sich diese nicht dem eigenen Luftraum nähern können. Dabei kann die Zielerfassung wahlweise mit aktivem oder passivem Radar erfolgen. Weiter soll das S-400-System auch mit Radardaten von dem russischen Frühwarnflugzeug Berijew A-50 versorgt werden können.[13][14][16]
Das S-400-System besteht im Groben aus den folgenden Komponenten: Einem Feuerleitradar, einem Überwachungsradar, einem Feuerleitstand, den Lenkflugkörperstartern sowie weiteren Komponenten für den autonomen oder verbundenen Einsatz.[17]
Das 92N2-Feuerleitradar ist eine Weiterentwicklung des 36N85-Radars der S-300PM-2 und hat den NATO-Codenamen Gravestone. Es verwendet eine Phased-Array-Antenne mit planaren Arrays mit einer Fläche von etwa 2,75 m² und ist mit rund 10.000 Phasenschiebern bestückt. Die Antenne funktioniert nach dem Prinzip der passiven, frequenzgesteuerten Phased-Array-Antenne (PESA) und arbeitet im I/J-Band mit Zentimeterwellen.[18] Der Radarkomplex besteht aus zwei Kabinen auf einem Trägerfahrzeug – einer Bedienerkabine und einer Antennenkabine mit dem 3D-Puls-Doppler-Radar auf dem Dach. Am Radar ist ein Freund-Feind-Erkennungs-System (IFF) verbaut. In der Bedienerkabine sind für Bediener ein Plotextraktor, ein Radarsichtgerät, ein Statusboard sowie der Feuerleitcomputer und Konsolen verbaut. Der Feuerleitcomputer verwendet Rechner vom Typ Elbrus 90 Micro. Das Radar führt gleichzeitig die Ermittlung der Zieldaten, Zielverfolgung, sowie die Suche nach weiteren Luftzielen durch (Track-while-scan). Es kann zeitgleich 100 Flugziele verfolgen und dabei gleichzeitig bis zu 12 Lenkflugkörper in der finalen Abfangphase mittels dem TVM-Verfahren gegen sechs Ziele steuern. Dabei können die Lenkflugkörper gegen Ziele mit einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 4.800 m/s gesteuert werden. Die Installierte Radarreichweite beträgt rund 400 km.[7][12]
Nach Angaben des Herstellers sowie des russischen Militärs soll das Radar mehr als sechs Ziele gleichzeitig bekämpfen können. Denkbar ist eine Bekämpfung von mehr als sechs Zielen gleichzeitig beim Einsatz von Lenkflugkörpern mit aktivem Suchkopf (9M96, 40N6). Allerdings gibt es bisher keine verlässlichen Anzeichen für eine Integration der Flugkörper der 9M96-Serie und keine öffentlichen Erkenntnisse über die tatsächlichen Leistungen des 40N6-Flugkörpers.
Das Radarkomplex ist auf einem MZKT-7930-Lkw untergebracht und kann wie das 96L6 auf die 40W6M- und 40W6MD-Masten aufgebaut werden.
Das 91N6-Überwachungs- und Zielzuweisungsradar ist eine Weiterentwicklung des 64N6-Radars der S-300PM-2 und hat den NATO-Codenamen Big Bird-E. Das 91N6-Radar verwendet eine doppelseitige Phased-Array-Antenne mit einem Hornstrahler. Die Radarantenne lässt sich im Azimut um 360° drehen. Die Antennenfläche hat rund 2.700 Phasenschieber pro Seite und funktioniert nach dem Prinzip der passiven, frequenzgesteuerten Phased-Array-Antennen (PESA). Das Radar arbeitet im S-Band und die installierte Radarreichweite beträgt 600 km. Die maximale Genauigkeit bei der Azimutauflösung liegt bei 0,5 Grad und der maximale Fehler bei der Distanzmessung beträgt 200 m. Mit dem Radar können Ziele in einem 360°-Rundkreis erfasst und begleitet werden. Das Radar kann gleichzeitig 300 Ziele detektieren und 100 davon begleiten. Das System verfügt über ein eigenes Freund-Feind-Erkennungs-System (IFF) und die ermittelten Zieldaten werden automatisch an den 55K6-Feuerleitstand weitergeleitet.[12][19]
Das Radarsystem ist auf einem MZKT-7930-LKW mit Anhänger installiert. Die Bereitschaft kann innerhalb von fünf Minuten hergestellt werden.
Wird eine S-400-Batterie autonom, ohne das 91N6-Überwachungsradar, eingesetzt, wird das 96L6, ein 3D-Überwachungs- und Zielverfolgungsradar, verwendet. Der NATO-Codename für dieses Radar lautet Cheese Board und die Exportbezeichnung ist 96L6E. Es hat eine Erfassungsreichweite von 5 bis 300 km und arbeitet mit Wellenlängen im Zentimeterbereich. Das System besteht aus einer Kabine für die Bediener und einer Phased-Array-Antenne mit einem Öffnungswinkel von −3° bis 60° im Höhenwinkel und 360° im Azimut. Das Antennendiagramm hat im Höhenwinkel eine Halbwertsbreite von 1,5° bis 3° und im Azimut von 2,3°. Eine volle Umdrehung der Sendeantenne dauert zwölf Sekunden. Wie beim 91N6 können während der Ermittlung von Zieldaten weitere Ziele gesucht und erfasst werden (Track-while-scan). Es können bis zu 100 Ziele mit einer Geschwindigkeit zwischen 30 und 2.800 m/s erfasst werden. Die ermittelten Daten werden direkt an die Feuerleitradare der Batterien gesendet.[12]
Untergebracht ist die komplette Anlage auf einem MZKT-7930-Lkw, die Einsatzbereitschaft ist innerhalb von fünf Minuten hergestellt. In tief durchschnittenem oder stark bewaldetem Terrain kann die Antenne auf einen 40W6M- oder 40W6MD-Mast gesetzt werden. Das Aufstellen der Masten dauert je nach Mast zwischen 40 und 60 Minuten und erhöht die Zeit zur Einsatzbereitschaft erheblich.
Der Hersteller hat folgende Suchparameter für die Exportversion 96L6E veröffentlicht[7]:
Suchoption | Rundum-Überwachung | Sektorenüberwachung | Tieffliegererfassung |
---|---|---|---|
Suchsektor Azimut | 360° | 120° | 360° |
Suchsektor Höhenwinkel | −3° bis +20° | −3° bis +60° | 0 bis 1,5° |
Geschwindigkeitsbereich | 30 bis 1.200 m/s | 50 bis 2.800 m/s | 30 bis 1.200 m/s |
Updaterate unterer Suchsektor | 6 Sekunden | 5,5 Sekunden | 6 Sekunden |
Updaterate oberer Suchsektor | 12 Sekunden | 13,5 Sekunden | 6 Sekunden |
Auf Stufe Brigade können zur Luftraumüberwachung die Radare 1L119 NEBO-U, 59N6 Protivnik-GE und 67N6 Gamma-D verwendet werden.[20] Weiter können auf dieser Stufe auch die Passiven Radare 85W6 Orion, 85W6-A Wega, 1L222M Awtabaza oder 96L6-WP eingesetzt werden. Optional kann auch ein 76N6-Radar (Tieffliegerradar 5N66 des Systems S-300P, NATO-Codename Clam Shell) an das S-400 angebunden werden.[21]
Mit dem S-400-System kommt auf Stufe Regiment ein zentraler Feuerleitstand zum Einsatz. Dieser ist auf einem Ural-532301-Lkw untergebracht und trägt die Bezeichnung 55K6.[22] Der Feuerleitstand ist direkt an das 91N6-Überwachungs- und Zielzuweisungsradar angebunden. Das Gesamtsystem mit dem 55K6-Feuerleitstand und dem 91N6-Radar wird als 30K6 bezeichnet.[22] Aus dem Feuerleitstand führen fünf Bediener den Feuerkampf, wobei sie auch Anweisungen von einem übergeordneten Gefechtsstand erhalten können. Der 30K6-Feuerleitstand kann die Feuerkampfführung von sechs S-400-Batterien koordinieren und diesen je sechs Ziele zuweisen.[23] So kann ein S-400-Regiment zeitgleich 72 Lenkwaffen gegen 36 Luftziele zum Einsatz bringen.[12] Der Feuerleitstand verfügt über Kommunikationseinrichtungen, die es dem Kampfführungspersonal erlauben, mit verschiedenen Aufklärungs- und Führungssystemen zu kommunizieren. Im Feuerleitstand werden folgende Aktionen ausgeführt:[24]
Die Lenkflugkörper-Starter können sowohl auf einem Anhängersystem installiert oder auf Lastkraftwagen verbaut werden. Beide Ausführungen sind schnell verlegbar und straßenmobil. Der Lenkflugkörper-Starter auf einem Anhänger wird als 5P85T2 bezeichnet und von einem BAZ-64022 (6×6) gezogen. Die selbstfahrenden Starter sind auf einem 8×8-Lkw vom Typ MAZ-7910 oder MAZ-7930 verbaut. Diese werden als 5P85SM2/SE2, 51P6 und 5P90S bezeichnet. Auf jedem Lenkflugkörper-Starter sind vier Transport- und Startbehälter für die Lenkflugkörper untergebracht. Um den Lenkflugkörper-Starter feuerbereit zu machen, wird er zuerst auf Spreizbeine gestellt. Danach werden die Transport- und Startbehälter über das Heck in einem Winkel von 90 ° angestellt. Der Start der Lenkflugkörper erfolgt direkt ab diesen Fahrzeugen.[7][3][11][12]
Die primären Lenkflugkörper der S-400 sind die Typen 48N6D und 48N6DM vom „MKB Fakel“.[3] Der Typ 48N6D wurde in den späten 1990er-Jahren für die S-300PM entwickelt. Der Typ 48N6DM ist eine verbesserte Ausführung des 48N6D-Lenkflugkörpers und wurde speziell für die S-400 entwickelt.[5] Die Exportbezeichnungen dieser beiden Lenkflugkörper lauten 48N6E2 und 48N6E3. Die 48N6D/DM-Lenkflugkörper haben einen typisch zylinderförmigen Rumpf und sind in vier Sektionen aufgeteilt: Hinter der Lenkflugkörperspitze befinden sich der Suchkopf, die Elektronik und der Näherungszünder. Unmittelbar dahinter ist der Splittergefechtskopf untergebracht. Dieser erzeugt bei der Detonation sowohl leichte als auch schwere Fragmente. Anschließend folgt das einstufige Feststoffraketentriebwerk. Im Heck sind die Aktuatoren sowie die Strahlruder für die Schubvektorsteuerung untergebracht. Ebenso befinden sich am Heck vier trapezförmige Steuerflächen.
Die 48N6D-Lenkflugkörper werden in versiegelten, vor Witterungseinflüssen geschützten Transport- und Startbehältern aus dem Herstellungswerk geliefert.[7] Die Lenkflugkörper können ohne Kontrolle zehn Jahre in den zylinderförmigen Behältern transportiert und gelagert werden. Zu Kontrollzwecken besitzen die Lenkflugkörper einen eingebauten elektronischen Selbsttest, der durch das Bedienungspersonal an einem Kontrollkasten an den Startbehältern durchgeführt werden kann. Jeweils vier Transport- und Abschussbehälter sind auf einem Werfer installiert. Mittels eines Katapults werden die Lenkflugkörper aus den Transport- und Abschussbehältern auf eine Höhe von 20–30 m geschleudert. Erst dort zündet das Feststoffraketentriebwerk. Die Lenkflugkörper können in einem minimalen Intervall von 3 Sekunden gestartet werden.[23][12]
Nach dem Start beschleunigen die Lenkflugkörper mit einem Lastvielfachen von bis zu 31 g. Das Feststoffraketentriebwerk hat eine Brenndauer von 10 bis 12 Sekunden und beschleunigt die Rakete auf über 2.000 m/s.[25] Der weitere Flug erfolgt antriebslos. Der Lenkflugkörper wird auf einer semiballistischen Flugbahn in Richtung eines angenommenen bzw. berechneten Treffpunkts mit dem Ziel abgefeuert. Kursänderungen werden durch das 92N2-Feuerleitradar ermittelt und mit einem Datenlink an den Lenkflugkörper gesendet. Die Steuerung erfolgt in dieser Flugphase hierbei mittels eines Inertialen Navigationssystems. Für den Zielanflug wird der raketeneigene halbaktive Radarsuchkopf sowie das Track-via-Missile-System aktiviert. Der Zielanflug erfolgt nach dem Prinzip der Proportionalnavigation. Kommt das Flugziel in den Ansprechradius des Näherungszünders, wird der Splittergefechtskopf gezündet. Bei einem Direkttreffer wird der Sprengkopf durch den Aufschlagzünder ausgelöst.[3]
Als Ersatz für die Lenkflugkörper des S-200-Systems wurde ein neuer Lenkflugkörper mit großer Reichweite gefordert. Mit der Entwicklung dieser 40N6-Lenkwaffe wurde 2003 begonnen.[26] Offensichtlich gab es bei der Entwicklung Probleme und die Einführung der 40N6-Lenkwaffe verzögerte sich immer wieder.[8] Die ersten Schießversuche erfolgten erst im Jahr 2014.[27] Während der Entwicklung wurde verschiedene Male angekündigt, dass der 40N6-Lenkflugkörpertyp unmittelbar vor der Einführung bei den russischen Streitkräften stehe. Ebenso unterlagen die Informationen zum 40N6-Lenkflugkörper einer ausgeprägten Desinformationskampagne.[27][28] So wurde u. a. über eine Reichweite von über 450 km mit einer maximalen Abfanghöhe von 185 km berichtet. Weiter wurde die Einführung des 40N6-Lenkflugkörpers immer wieder angekündigt und es wurden stark abweichende Leistungsparameter veröffentlicht. Schließlich wurden im Sommer 2018 an dem International Miltary-Technical Forum ARMY-2018 die ersten technischen Daten zum 40N6-Lenkflugkörper veröffentlicht.[1][2] Weiter wurde im Oktober 2018 vermeldet, dass die ersten 40N6-Lenkflugkörper nach rund 15 Jahren Entwicklungszeit an die Streitkräfte Russlands geliefert wurden.[29] Bis zum Jahr 2027 wollen die russischen Streitkräfte mehr als 1000 40N6-Lenkflugkörper beschaffen.[30] Der Lenkflugkörper 40N6 ähnelt in Größe und Gewicht dem Typ 48N6DM, ist aber für Langstreckeneinsätze gegen Aufklärungs- und Frühwarnflugzeuge optimiert.[3][12] Nach wie vor ist über den 40N6-Lenkflugkörper wenig bekannt und es existieren keine öffentlich zugänglichen Bilder. Vermutlich verwendet er einen Feststoff-Doppelpulsmotor sowie einen lenkwaffeneigenen aktiven Radar-Suchkopf.[3][27] Die durchschnittliche Fluggeschwindigkeit beträgt 1190 m/s.[8]
48N6D | 48N6DM | 40N6 | |
---|---|---|---|
Länge | 7,50 m | 7,57 m | |
Durchmesser | 519 mm | unbekannt | |
Flügelspannweite | 1.134 mm | unbekannt | |
Gewicht | 1.835 kg | 1.888 kg | 1.895 kg |
Gefechtskopf | 143 kg Splittergefechtskopf | 180 kg Splittergefechtskopf | 126 kg Splittergefechtskopf |
Reichweite (Luftziel) | 3 bis 200 km | 3 bis 250 km[22] | 5 bis 380 km |
Reichweite (ballistisches Ziel) | 5 bis 40 km | 5 bis 60 km | 15 km |
Höhenbereich | 10 bis 27.000 m | 10 bis 30.000 m | |
Zielgeschwindigkeit | max. 2.800 m/s | max. 4.800 m/s |
Während der Entwicklungsphase wurde immer wieder über die Verwendung weiterer Lenkwaffentypen spekuliert. So nannten einige Quellen den Lenkwaffentyp 9M96, welcher später ebenfalls mit der S-400-Serienversion zum Einsatz kommen sollte. Die Integration der 9M96-Lenkwaffen wurde vom Hersteller verfolgt und es wurde ein Prototyp von einem Startfahrzeug erstellt.[31] Weiter erfolgten auch Schießversuche mit der 9M96-Lenkwaffe.[32] Obwohl die 9M96-Lenkwaffen mehrfach im Zusammenhang mit der S-400 präsentiert wurden, scheint dieser Lenkwaffentyp nicht in die S-400 integriert worden zu sein. Zu keinem Zeitpunkt wurde ein S-400-Serienmodell mit den 9M96-Lenkwaffentypen beobachtet. Ebenso sind diese Lenkwaffentypen auch nicht in der S-400-Exportbroschüre von Almas aufgeführt.[33] Daher ist anzunehmen, dass keiner dieser Lenkwaffentypen bis zum jetzigen Zeitpunkt in das S-400-System integriert wurde.
Ein S-400-Regiment besteht aus einem 91N6-Überwachungsradar und einem 55K6-Feuerleitstand, der bis zu sechs 98Sch6-Batterien befehligen kann. Jede Batterie besteht aus einem 92N2-Feuerleitradar und bis zu zwölf Lenkflugkörper-Startfahrzeugen.[17][12][11]
Der erste Kriegseinsatz der S-400 erfolgte beim russischen Überfall auf die Ukraine 2022. In den ersten Kriegstagen soll mit einer S-400 eine ukrainische Suchoi Su-27 aus über 150 km Entfernung über Kiew abgeschossen worden sein.[34]
Am 15. September 2023 sollen ukrainische Streitkräfte nach Angaben der Kyiv Post zunächst mit Drohnen die Radars und Antennen einer russischen S-400-Stellung auf der Krim angegriffen haben. Anschließend seien die S-300/400-Stellungen mit zwei Neptun-Marschflugkörpern bekämpft worden.[35] Am 25. Oktober 2023 sollen ukrainische Streitkräfte mit ATACMS-Kurzstreckenraketen eine S-400-Stellung in der Nähe von Luhansk beschädigt haben.[36][37]
Mitte April 2024 zerstörte die Ukraine mehrere Lenkwaffenwerfer und die Radars wurden mindestens beschädigt.[38] Am 16. Mai 2024 wurden auf der Krim Geräte zerstört[39] oder mindestens beschädigt.[40] Am 24. Mai wurden Teile einer Batterie in der Region Donezk zerstört[41] und am 3. Juni wurden zwei TELs auf russischem Boden bei Belgorod zerstört.[42] Am 12. Juni wurde mindestens ein S-400-Radar vermutlich zerstört.[43]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.