deutscher Hörspielautor, Komponist, Regisseur und Multimediakünstler Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ronald Steckel (* 28. März 1945 auf Sylt;[1] † 26. Juni 2024 in Berlin) war ein deutscher Autor, Komponist, Regisseur und Multimediakünstler.[2]
Steckel besuchte ein Gymnasium in Hamburg und studierte Sprachen an der Universität Heidelberg. Von 1966 bis 1968 lebte er in London. Nach der Rückkehr aus England zog Steckel im Herbst 1968 nach West-Berlin und veröffentlichte 1969 in der von Bernward Vesper geführten Edition Voltaire das Handbuch Bewusstseinserweiternde Drogen – eine Aufforderung zur Diskussion, „damals das erste originäre deutsche Drogenbuch der psychedelisierten Neuzeit“.[3]
„Eine weitere Gefahr liegt für viele Menschen in einer Überschätzung der Permanenz der Drogenerfahrungen. Es ist ein Kurzschluss, anzunehmen, dass mystische Erfahrungen unter Einfluss der psychedelischen Drogen und die daraus gewonnenen Einsichten oder Erkenntnisse denjenigen, der die Erfahrung macht, automatisch und dauerhaft auf eine höhere Ebene des Bewusstseins transportieren. Die Drogen können Auslöser für wirkliche Wachstumsprozesse sein – das ist unbestritten und darin liegt ihr großer Nutzen, aber sie können diesen Prozess nicht überflüssig machen oder ersetzen. Denn die unter Drogeneinfluss gewonnenen Erkenntnisse sind Produkte eines chemisch veränderten Funktionszustands unseres Nervensystems und nicht die eines kontinuierlichen Erkenntnisprozesses. Die Anwendung der psychedelischen Erfahrung auf die tägliche Praxis erfordert Anstrengungen in der Arbeit an sich selbst und in der sozialen Umwelt.“
Da die von Steckel vorgeschlagene Diskussion nicht stattfand, sondern das Thema der Psychedelika von den Medien repressiv, verzerrend und abwertend behandelt wurde, zog er sich in den frühen siebziger Jahren aus dem öffentlichen Diskurs um psychoaktive Substanzen zurück und veröffentlichte 1973 den Essay Herz der Wirklichkeit, in dem er der Bewusstseinswandlung des Einzelnen den Hauptimpuls bei der Verwirklichung einer neuen Gesellschaft zusprach. Es kam zu gemeinsamen Arbeiten mit Jonatan Briel, Bernward Vesper, Peter Michael Hamel, Ulrich Gerhardt, Walter Bachauer und Jean Gebser. 1972 heiratete er die Kunsthistorikerin und Kuratorin Hannah Weitemeier; 1974 und 1977 wurden die Kinder Sita und Jonas geboren.
1974 begann Steckel seine Medienarbeit mit einer Reihe von Kurzfilmen für den SFB und produzierte seitdem als freier Autor, Komponist und Regisseur experimentelle Hörstücke, Radio-Features, Theaterstücke und Filme. 1984 realisierte er mit Wolfgang Neuss das Hörstück Die Mauer – die größte Wandzeitung der Welt,[5] in dem in den 23 Mauerjahren an die Berliner Mauer geschriebenen Graffiti zur Sprache gebracht wurden. Mitte der 80er Jahre begann die Theaterarbeit am Schauspielhaus Bochum unter der Intendanz seines Bruders Frank-Patrick Steckel, zunächst als Komponist, dann als Autor und Regisseur eigener Produktionen, die er in den 90er Jahren vor allem am Berliner Hebbel-Theater und am Deutschen Theater realisierte. Als Theaterkomponist arbeitete er unter anderem mit Frank-Patrick Steckel, Claus Peymann, Andrea Breth, Jürgen Gosch, Urs Troller, Niels-Peter Rudolph, Gerhard Bohner, seiner Nichte Jette Steckel und Edith Clever.
Steckels mediale Arbeiten umfassen eine extreme inhaltliche Polarität: viele seiner Audioproduktionen und Theaterarbeiten beziehen sich auf die jüngere deutsche Geschichte, den Holocaust und die Realität des geteilten Deutschland. Auf der anderen Seite realisierte er für die ARD zahlreiche Hörstücke mit Texten aus der Philosophia perennis, unter anderem von Laozi, Zhuangzi, Plotin, Huang Bo, Johannes Tauler, Meister Eckhart, Rumi, Jacob Böhme, Novalis, Kazimir Malevič, Simone Weil und Ramana Maharshi. 1989 gewann sein Hörstück Der Neue Berliner Totentanz den 1. Preis auf der Ars Acustica in Stettin.[6] 1993 brachte Steckel mit Studenten der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin, an der er von 1993 bis 2003 als Gastdozent für Schauspiel tätig war, unter dem Titel Epitaph Texte des österreichischen Dichters Heimrad Bäcker im Berliner Hebbel-Theater auf die Bühne; das gleichnamige Hörstück Epitaph wurde 2004 als Hörspiel des Monats ausgezeichnet. Am 10. Mai 1998 inszenierte er auf dem Berliner Bebelplatz eine öffentliche Lesung aus Texten der am 10. Mai 1933 „verbrannten Dichter“, die vom SFB als Live-Hörspiel gesendet wurde.
2005 veröffentlichte er zum 60. Jahrestag der Befreiung des Lagers Auschwitz das Hörstück Auschwitz. Stimmen, eine dreistündige Montage aus den Originaltonaufnahmen des 1. Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1961–1963).[7] Im Januar 2007 installierte er Auschwitz. Stimmen als Klanginstallation am Holocaust-Mahnmal in Berlin.
Gemeinsam mit dem Berliner Schauspieler und Filmemacher Max Hopp gründete Steckel 2005 das nootheater als Kooperative für Film-, Theater- und Audio-produktionen.[8] 2008 erschien die nootheater-Filmproduktion Das schöne Licht der Utopie, ein filmischer Essay über Utopie und Gegenwart.[9]
Ein zentrales Kapitel in Steckels Medienarbeiten bezieht sich auf den Görlitzer Mystiker und Visionär Jacob Böhme. 1993 veröffentlichte er zwei Radioproduktionen mit Texten Böhmes, von denen Aurora oder Morgenröte im Aufgang – hommage à Jacob Böhme zwischen 1994 und 2000 in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Görlitz als Klanginstallation in der Görlitzer Pfarrkirche St. Peter und Paul zu hören war. In den Jahren 2011 bis 2015 entstand in Zusammenarbeit mit der Organisation zur Umwandlung des Kinos[10] der Film Morgenröte im Aufgang – hommage à Jacob Böhme, der 2016 mit dem Deutschen FILMGEIST Preis 2016[11] und dem RosaMars Filmpreis 2016 ausgezeichnet wurde.
Im Rahmen des kirchlichen Begleitprogramms zur Landesgartenschau Wittstock/Dosse 2019 waren mehrere Stücke Steckels zur Mystik in der Sakristei der Marienkirche in Wittstock als Hörinstallation zu erleben.
Seit Beginn des 3. Jahrtausends nahm Steckel in Vorträgen öffentlich Stellung zu Fragen der Bewusstseinsforschung, der gegenwärtigen Bewusstseinsmutation und der Philosophia perennis.
Steckel starb am 26. Juni 2024 nach kurzer, schwerer Krankheit in seinem Berliner Atelier.[12]
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