Als Rüstung (von althochdeutsch und mittelhochdeutsch ausstaffieren, bereitmachen) bezeichnet man die militärischen Maßnahmen und Mittel zur Vorbereitung einer kriegerischen Handlung, sei es Angriff oder Verteidigung. Als Aufrüstung bzw. Abrüstung werden die Erweiterung bzw. Reduzierung der Rüstung verstanden.
Mit der Herstellung von Rüstungsgütern und Wehrtechnik ist die Rüstungsindustrie mit ihren Rüstungsbetrieben befasst. Um die Kontrolle von Aufrüstung geht es beim Begriff der Rüstungskontrolle.
Militärausgaben
Im Jahr 2006 betrugen die weltweiten Ausgaben für militärische Rüstung 900 Milliarden Euro, was einer Steigerung um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Knapp die Hälfte gaben die USA aus.[2] 2008 betrugen die weltweiten Militärausgaben fast 1,5 Billionen Dollar. Die USA gaben 607 Milliarden aus, gefolgt von China, Frankreich und Großbritannien.[3] In diesem Jahr war der Anteil der Rüstungsausgaben der europäischen NATO-Länder bei 1,65 % des Bruttoinlandsproduktes. Bei den Ländern Europas, die nicht der NATO angehören, lag dieser Anteil nur bei 1,15 %.[1] Die Rüstungsausgaben der EU-Mitgliedstaaten sanken in den letzten Jahren kontinuierlich – von 251 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf 190 Milliarden Euro im Jahr 2012. Bis zum Jahr 2020 prophezeien Experten, dass die Ausgaben auf 147 Milliarden Euro abfallen werden. Der Rückgang lässt sich durch die enormen Einsparungen von Deutschland und Großbritannien und die konstant bleibenden Ausgaben Frankreichs erklären.
Ein direkter Vergleich der Rüstungsausgaben zwischen verschiedenen Ländern ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Kostenstrukturen (Höhe des Soldes, Beschaffungskosten, Unterhalt etc.) rein monetär nicht möglich, sondern erfordert auch eine Detailbetrachtung im Hinblick auf Mannstärken, Ausbildung und Ausrüstung. So muss man laut Julian Lindley-French, John R. Allen und Ben Hodges beim Vergleich berücksichtigen, das die USA das bestbezahlte Militär haben, und die Kosten für einen russischen oder chinesischen Soldaten dagegen nur einen Bruchteil betragen. Nach der militärischen Kaufkraftparität gerechnet, verfügt China möglicherweise bereits über 80 % der militärischen Fähigkeiten der USA.[4]
2012 gaben laut SIPRI alle Länder der Welt zusammengerechnet etwa 1750 Milliarden US-Dollar für Rüstung aus; 2011 waren es etwa 0,5 Prozent mehr. Zum ersten Mal seit Jahren sind die Gesamtausgaben etwas gesunken. Russland erhöhte seine Ausgaben im Jahr 2012 um 16 %,[5] und reduzierte sie von 2013 auf 2014 um 3,76 % (siehe Tabelle unten).
Rüstungsausgaben 2013 und 2014
Land | 2013 | 2014 | ||
---|---|---|---|---|
Ausgaben (Mrd. USD) | Anteil am BIP | Ausgaben (Mrd. USD) | Anteil am BIP | |
Vereinigte Staaten | 640 | 3,8 % | 610 | 3,5 % |
Volksrepublik China | 188 | 2,0 % | 216 | 2,1 % |
Russland | 87,8 | 4,1 % | 84,5 | 4,5 % |
Saudi-Arabien | 67,0 | 9,3 % | 80,8 | 10,4 % |
Frankreich | 61,2 | 2,2 % | 62,3 | 2,2 % |
Vereinigtes Königreich | 57,9 | 2,3 % | 60,5 | 2,2 % |
Deutschland | 48,8 | 1,4 % | 46,5 | 1,2 % |
Japan | 48,6 | 1,0 % | 45,8 | 1,0 % |
Indien | 47,4 | 2,5 % | 50,0 | 2,4 % |
Südkorea | 33,9 | 2,8 % | 36,7 | 2,6 % |
Italien | 32,7 | 1,6 % | 30,9 | 1,5 % |
Brasilien | 31,5 | 1,4 % | 31,7 | 1,4 % |
Australien | 24,0 | 1,6 % | 25,4 | 1,8 % |
Türkei | 19,1 | 2,3 % | 22,6 | 2,2 % |
Vereinigte Arabische Emirate | 19,0 | 4,7 % | 22,8 | 5,1 % |
Kursive Daten sind Schätzungen. Daten der V.A.E. für 2013 betreffen das Jahr 2012.
Verfahren
Breitenrüstung
Bei der „Breitenrüstung“ geht es um die schnelle Produktion von Waffen und Rüstungsgütern, um eine zügige Aufrüstung zu erreichen. Dazu werden viele verschiedene Waffenmodelle von mehreren Anbietern gleichzeitig beschafft. Der Vorteil der Breitenrüstung liegt in der raschen Expansion einer Streitmacht. Der Nachteil liegt darin, dass für die teilweise unüberschaubare Anzahl der Waffenmodelle verschiedenartige Munition und Ersatzteile organisiert werden müssen, was vor allem im Feld schwerwiegende logistische Probleme aufwirft. Der Begriff und das Konzept gehen zurück auf den Wehrmachtsgeneral und Leiter des Wirtschafts und Rüstungsamts Georg Thomas.[8]
Tiefenrüstung
Bei der „Tiefenrüstung“ geht es um die dauerhafte Sicherung der notwendigen Ressourcen für die Rüstungsproduktion, gewissermaßen also um die „Nachhaltigkeit“ der Rüstung. Sie ist von umso größerer Bedeutung, je länger und umfassender ein Krieg ist.
Tiefenrüstung war bei längeren militärischen Auseinandersetzungen im Grunde schon immer von Bedeutung. So galt es schon in der Antike, bei Seekriegen den Nachschub an geeignetem Holz für den Bau von Schiffen zu gewährleisten. Allerdings war die analytische Trennung von Tiefen- und Breitenrüstung bis ins 19. Jahrhundert hinein bedeutungslos, weil der materielle Bedarf an Rüstungsgütern relativ gering war und diese Rüstungsgüter zudem auch vergleichsweise einfach herzustellen waren.
Das Konzept der Tiefenrüstung gewann im 20. Jahrhundert stark an Bedeutung, weil die Kriege materialintensiver und die Waffen komplexer wurden. So führte der Erste Weltkrieg, bei dem anfangs nur mit einer Dauer von wenigen Wochen gerechnet wurde, allen Kriegsparteien die Bedeutung des eigenen und des gegnerischen Industriepotenzials vor Augen. Je länger er dauerte, desto wichtiger wurden nicht-militärische Faktoren wie Rohstoffversorgung und Produktionskapazitäten.
So war vor allem im späteren Verlauf des Zweiten Weltkrieges die Tiefenrüstung der entscheidende Punkt, um solch einen langen Materialkrieg bestehen zu können. Da Deutschland nicht die Mittel hatte, um Tiefen- und Breitenrüstung zu betreiben, entschied sich die Führung und vor allem Hitler bei der Aufrüstung der Wehrmacht für die Breitenrüstung, um die Rüstungsziele schnell zu erreichen. Die schnellen Blitzkrieg-Siege über Polen, Dänemark, Norwegen, Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich und der damit verbundene geringe Material- und Munitionsverbrauch suggerierten, diese Entscheidung sei richtig gewesen. Mit fortschreitender Kriegsdauer erwies sich dieser Weg aber als Sackgasse. Um mit den gigantischen Produktionskapazitäten der Sowjetunion und vor allem der Vereinigten Staaten halbwegs mithalten zu können, hätte es einer Konzentration auf nur wenige militärische Großgeräte und deren einfacher Massenherstellung bedurft, welche aber erst spät und somit ohne große Auswirkung auf den Kriegsverlauf unter dem Rüstungsminister Albert Speer durchzuführen versucht wurde.
Historische Rüstungspolitik in Deutschland
Die Gründung des Deutschen Kaiserreiches (1871 in Versailles) erfolgte im Zuge des Deutsch-Französischen Krieges. Der schnelle Sieg war maßgeblich Folge einer überlegenen Artillerie; auch die Bedeutung guter Gewehre und Maschinengewehre war in diesem Krieg (wie auch in einigen anderen dieser Zeit) allgemein bewusst geworden. Bis 1890 wurde die Rüstungspolitik maßgeblich von Bismarck geprägt; danach von Kaiser Wilhelm II. (der erfolgreich auf eine teure Aufrüstung der Marine drängte).
Zur Rüstung des Deutschen Heeres siehe
Im Ersten Weltkrieg stellten alle stark beteiligten Länder ihre Volkswirtschaften (Industrie, Landwirtschaft usw.) auf Kriegswirtschaft um, verausgabten sich völlig und waren am Kriegsende de facto Konkurs. In Deutschland kam es zu einer von 1914 bis 1923 währenden Inflation, die erst 1923/24 nach einer Hyperinflation endete. Der Versailler Vertrag rüstete die Reichswehr massiv ab und legte der Rüstungspolitik der Weimarer Republik enge Fesseln an. Zum 1. Februar 1927 beendete die Interalliierte Militärkontrollkommission, die bis dahin die Abrüstung überwacht hatte, ihre Tätigkeit.
1928 brachte der Beschluss zum Bau des kampfkräftigen Panzerschiffs A, das den Bestimmungen des Versailler Vertrags entsprach – eine Prestigefrage – Reichskanzler Hermann Müller und seiner Koalition (28. Juni 1928 bis 27. März 1930) in Schwierigkeiten. Für die Reichswehrführung war die Entscheidung zum Bau eine politische Grundsatzentscheidung. Der Haushalt 1929 enthielt bereits die erste Rate für das Panzerschiff B.
Die Reichswehr erreichte eine Erhöhung des Wehretats. Eine Kritik am Wehretat wurde als Angriff auf die Reichswehr und damit den Staat betrachtet.
Nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise ergriffen viele Länder radikale Maßnahmen, um ihre Staatshaushalte (d. h. die Einnahmen und Ausgaben) in ein Gleichgewicht zu bringen. In diesem Zuge wurde auch der Wehretat reduziert.
Bald nach dessen Machtübernahme (30. Januar 1933) begann das NS-Regime eine massive Aufrüstung der Wehrmacht. Deutschland war dadurch oft in Zahlungsschwierigkeiten; es gab wenig ausländische Devisen.
Historische Rüstungspolitik in der Schweiz
Im 1848 neu gegründeten Bundesstaat lagen noch viele Kompetenzen des Militärwesens bei den Kantonen, den Gliedstaaten des Bundes. Beim Neuenburgerhandel, einem beinahe zum Krieg eskalierten Konflikt mit Preußen, sowie bei der Grenzbesetzung im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 traten die Schwächen dieser Konzeption sowohl bei der Organisation wie bei der Rüstungsbeschaffung klar hervor: Die Armee wurde in der Folge weitgehend zur Bundessache erklärt (neue Militärordnung). Das führte im Ersten Weltkrieg zu einer deutlich gesteigerten Abwehrbereitschaft. 1915 musste zur Rüstungsfinanzierung eine einmalige Kriegssteuer erhoben werden; sie wurde durch Volksabstimmung genehmigt.
Mit der Errichtung des Völkerbundes und dem Beitritt der Schweiz glaubte man nach dem Krieg, den Rüstungsaufwand reduzieren zu können. Nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus im Jahr 1933 revidierte man diese Ansicht; ab 1935 wurde – neu auch mit Einverständnis der Schweizer Sozialdemokratie – wieder eine Politik der Aufrüstung betrieben. Dennoch wies die Schweiz im Zweiten Weltkrieg rüstungstechnisch einen nicht unerheblichen Rückstand auf, beispielsweise verfügte sie über nur sehr wenige Panzer. Mit dem Réduit (Rückzug in die Alpen) versuchte man diesen Nachteil zu kompensieren. Die Schweiz wurde im Zweiten Weltkrieg jedoch nicht in Kampfhandlungen verwickelt, weshalb ihr bzw. ihrem Verteidigungsdispositiv die „Bewährungsprobe“ erspart blieb.
Während des Kalten Krieges ab 1950 erfolgte eine massive Aufrüstung der Schweizer Armee, anfänglich beanspruchten die Verteidigungsausgaben nahezu die Hälfte des gesamten Bundeshaushalts, andere – etwa sozialpolitische – Belange wurden knapp gehalten. Erst mit steigendem volkswirtschaftlichem Wohlstand wurde der Verteidigungsetat prozentual (jedoch nicht in absoluten Geldaufwendungen) zurückgefahren. Wie in den anderen europäischen Ländern brachte erst das Ende des Kalten Krieges ab 1990 einen spürbaren Rückgang der Verteidigungsausgaben.
Siehe auch
Literatur
- Avraham Barkai: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Ideologie, Theorie, Politik 1933–1945. Frankfurt/Main 1988.
- Frank C. Barnes, Layne Simson, Dan Shideler: Cartridges of the World: A Complete and Illustrated Reference for Over 1500 Cartridges. 12. Auflage. Gun Digest Books, Iola WI 2009, ISBN 978-0-89689-936-0 (englisch).
- Chris Bishop (Hrsg.): Waffen des zweiten Weltkriegs: eine Enzyklopädie. über 1500 Waffensysteme: Handfeuerwaffen, Flugzeuge, Artillerie, Kriegsschiffe, U-Boote. Dt. Erstausg. Auflage. Bechtermünz, Augsburg 2000, ISBN 3-8289-5385-9 (Originaltitel: The Encyclopedia of weapons of World War II: the comprehensive guide to over 1,500 weapons systems, including tanks, small arms, warplanes, artillery, ships, and submarines. 1998. Übersetzt von Neumann & Nürnberger).
- Wendelin Boeheim: Handbuch der Waffenkunde. Das Waffenwesen in seiner historischen Entwickelung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. E. A. Seemann, Leipzig 1890, ISBN 3-8262-0212-0 (Textarchiv – Internet Archive – Erstauflage bis 2016 mehrfach nachgedruckt).
- Richard Francis Burton: The book of the sword. Erstauflage 1884, Reprints 1987–2019 Auflage. Chatto & Windus, Picadilly, London, ISBN 978-3-337-74386-4 (The book of the sword – Internet Archive).
- W. Y. Carman: A History of Firearms. From Earliest Times to 1914. Courier Dover Publications, 2004, ISBN 978-0-486-43390-5
- August Demmin: Die Kriegswaffen in ihren geschichtlichen Entwicklungen : Eine Enzyklopädie der Waffenkunde. Mit über 4500 Abbildungen von Waffen und Ausrüstungen sowie über 650 Marken von Waffenschmieden. Nachdruck der 3. Auflage, hier 4. Auflage, P.Friesenhain, Leipzig 1893. Severus-Verlag, Hamburg 2015, ISBN 978-3-95801-135-9 ([archive.org ]).
- Wilbraham Egerton: Indian and Oriental Armour. Reprint 1896 Auflage. Dover Publications, Mineola NY 2002, ISBN 0-486-42229-1 (englisch, [Indian and Oriental Armour – Internet Archive ]).
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- Eugène Viollet-le-Duc: Enzyklopädie, Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle, 10 Bände, Paris 1854–1868 (auch deutsche Teilausgaben: Definitionen. Sieben Stichworte aus dem Dictionnaire raisonné de l’architecture mit einem deutsch-französischen Inhaltsverzeichnis der neunbändigen Ausgabe des „Dictionnaire“ von 1869. Birkhäuser Architektur Bibliothek, Basel u. a. 1993, ISBN 3-7643-2699-9, und etliche Ausgaben als Reprint.)
Weblinks
- SIPRI Yearbook 2019. Armaments, disarmament and international security. Kurzfassung auf Deutsch. Stockholm International Peace Research Institute, 2019, abgerufen am 10. Juni 2024 (Daten zum Jahr 2018. Neuste verfügbare Ausgabe auf Deutsch bei Abruf).
- SIPRI Yearbook 2023. Armaments, disarmament and international security. Summary. Stockholm International Peace Research Institute, 2023, abgerufen am 10. Juni 2024 (englisch, Daten zum Jahr 2022).
- Nan Tian et al.: Trends in world military expenditure, 2023. In: SIPRI fact sheet. April 2024, doi:10.55163/BQGA2180.
Einzelnachweise
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