germanische Sprache (1050–1500) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als mittelhochdeutsche Sprache oder Mittelhochdeutsch (Abkürzung Mhd.) bezeichnet man sprachhistorisch jene Sprachstufe des Deutschen, die in verschiedenen Varietäten zwischen 1050 und 1350 im ober- und mitteldeutschen Raum gesprochen wurde. Damit entspricht diese Zeitspanne in etwa dem Hochmittelalter.[3]
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Indes beschreibt das Lexem mittel- keine geografisch definierte Sprachregion– wie es beispielsweise in mitteldeutsch der Fall ist–, sondern es betitelt chronologisch die mittlere Sprachstufe des Deutschen, die zwischen Alt- und Neuhochdeutsch anzusiedeln ist.
Im engeren Sinn bezeichnet Mittelhochdeutsch die Sprache der höfischen Literatur zur Zeit der Staufer. Für diese Dichtersprache des 13. Jahrhunderts wurde im 19. Jahrhundert im Nachhinein eine vereinheitlichende Orthographie geschaffen, das normalisierte „Mittelhochdeutsch“, in dem seither viele Neuausgaben der alten Texte geschrieben worden sind. Wenn von Merkmalen des Mittelhochdeutschen die Rede ist, dann ist normalerweise diese Sprachform gemeint.
Das Mittelhochdeutsche als ältere Sprachstufe des Deutschen liegt in einer Vielzahl regionaler Sprachvarietäten vor.
Dem Mittelhochdeutschen ging das Althochdeutsche (Ahd., etwa 750 bis 1050, Frühmittelalter) voraus. Von diesem unterscheidet es sich insbesondere durch die Neben- und Endsilbenabschwächung. Vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen gab es keine schriftliche Kontinuität. Da im 10. und 11. Jahrhundert fast ausschließlich Latein geschrieben wurde, setzte die Verschriftlichung des Deutschen mit dem Mittelhochdeutschen erst wieder neu ein. Dadurch erklären sich die besonders in den früheren mittelhochdeutschen Schriften des 12. Jahrhunderts recht unterschiedlichen Schreibungen.
Für die Zeit von etwa 1350 bis 1650 (etwa das Spätmittelalter bis Frühe Neuzeit) spricht man von Frühneuhochdeutsch (Frnhd., Fnhd.).[4] Doch muss diese Abgrenzung in den verschiedenen Sprachregionen unterschiedlich getroffen werden, denn wo die neuhochdeutschen Sprachmerkmale nicht in den Dialekten verankert waren, wurde länger an älteren Sprachformen festgehalten. So hat sich beispielsweise in der Deutschschweiz das Frühneuhochdeutsche erst im späten 15. Jahrhundert durchgesetzt.[5]
Neben der neuhochdeutschen Sprache ging aus dem Mittelhochdeutschen auch die jiddische Sprache hervor.
Zeitliche Einordnung
Als mittelhochdeutsch werden alle Texte in einem hochdeutschen Idiom aus der Zeit von ungefähr 1050 bis 1350 bezeichnet. Der Beginn des Mittelhochdeutschen wird in der historischen Linguistik sehr einheitlich um das Jahr 1050 festgelegt, da ab dieser Zeit einige sprachliche Veränderungen gegenüber den althochdeutschen Varietäten erkennbar sind, besonders im Phonemsystem, aber auch in der Grammatik.
Das Ende der mittelhochdeutschen Epoche ist umstritten, da die Forscher des 19. Jahrhunderts mit diesem Begriff jegliche Texte bis zur Zeit Martin Luthers bezeichneten. Eine solche Abgrenzung ist in etwa in älterer Fachliteratur zu finden.[6][7] Diese Einteilung geht hauptsächlich auf die Brüder Grimm zurück. Heute verwendet man den Begriff Mittelhochdeutsch noch für Texte, die bis um das Jahr 1350 entstanden sind, und spricht danach von Frühneuhochdeutsch.
Die folgende Gliederung der mittelhochdeutschen Epoche basiert hauptsächlich auf literaturhistorischen, also sprachexternen und auf den Inhalt bezogenen Kriterien. Es gibt jedoch auch eine Abweichung und Entwicklung in der Grammatik, der Wortbedeutung und im Schreibstil, die diese Einteilung rechtfertigen.
Das Mittelhochdeutsche war in sich keine einheitliche Schriftsprache; vielmehr gab es unterschiedliche Schreibformen und Schreibtraditionen in den verschiedenen hochdeutschen Regionen. Die regionale Gliederung des Mittelhochdeutschen deckt sich oft mit den rezenten dialektalen Großräumen und Aussprache-Isoglossen, jedoch haben sich diese Dialektgrenzen seit dem Mittelalter auch verschoben. Beispielsweise ging die Ausdehnung des Niederdeutschen, dessen schriftliche Relikte nicht als Teil der mittelhochdeutschen Literatur gesehen werden, deutlich weiter in den Süden, als es heute der Fall ist.
Die Entstehungsregion der mittelhochdeutschen Texte ist meist an unterschiedlichen Lautformen und am Vokabular, aber auch durch unterschiedliche grammatikalische Formen erkennbar, und darauf basierend teilt die Germanistik das Mittelhochdeutsche in folgende Varietäten. Diese Gliederung basiert auf der Arbeit von Hermann Paul (1846–1921) und ist bis heute nicht vollständig befriedigend. Vor allem ist nicht endgültig untersucht worden, welcher Text exakt welcher Region zuzuordnen ist, da auch viele Texte von unterschiedlichen Autoren verfasst wurden. (Folgende Tabelle zitiert aus Wilhelm Schmidt: Geschichte der deutschen Sprache. 10. Auflage. 2007, S.276.):
Nordbairisch (bis in den Nürnberger Raum, Oberpfalz, südliches Vogtland)
Mittelbairisch (Nieder- und Oberbayern, Nieder- und Oberösterreich, Wien und Salzburg)
Südbairisch (Tirol, Kärnten, Steiermark)
Ostfränkisch (bayerisches Franken, Südthüringen, Südwestsachsen, Teil von Baden-Württemberg)
Südrheinfränkisch (nördliches Baden, Teile von Nordwürttemberg)
Mitteldeutsch
Westmitteldeutsch
Mittelfränkisch (Rheinland von Düsseldorf bis Trier, nordwestlicher Teil von Hessen, Nordwesten von Lothringen inklusive Ripuarisch (um Köln) und Moselfränkisch (um Trier)).
Rheinfränkisch (südlicher Teil des Rheinlands, Teil von Lothringen, Hessen, Teil des bayerischen Franken, Teil Württembergs und Badens, Rheinpfalz und Nordrand des Elsass)
Ostmitteldeutsch
Thüringisch
Obersächsisch mit Nordböhmisch*
Schlesisch mit Lausitzisch*
Hochpreußisch (südlicher Teil des Ermlands)*
Die mit (*) markierten letzten drei regionalen Varietäten des Mittelhochdeutschen bildeten sich erst in dieser Zeit in Gegenden, die davor slawischsprachig waren (siehe Kolonialdialekte).
Die Herrschaft der Staufer schuf die Voraussetzung dafür, dass sich etwa von 1150 bis 1250 in der höfischen Literatur eine überregionale Dichter- und Literatursprache herausbildete.[8] Diese Sprache beruhte auf schwäbischen und ostfränkischen Dialekten. Mit dem Niedergang der Staufer verschwand auch diese relativ einheitliche überregionale Sprachform.
Diese Sprache ist normalerweise gemeint, wenn von Merkmalen des Mittelhochdeutschen die Rede ist. Allerdings ist es nicht so, dass sich das Neuhochdeutsche aus diesem Mittelhochdeutschen im engeren Sinn entwickelt hätte. Es ist also höchstens begrenzt eine ältere Sprachstufe des Neuhochdeutschen. So gab es schon zu jener Zeit Dialekte, welche typische Lautmerkmale des Neuhochdeutschen aufwiesen. Bereits aus dem 12. Jahrhundert sind kärntnerische Urkunden überliefert, in denen die neuhochdeutsche Diphthongierung auftritt. Umgekehrt werden noch heute Dialekte mit typischen Lautmerkmalen des Mittelhochdeutschen im engeren Sinn gesprochen. So haben viele alemannische Dialekte die mittelhochdeutschen Monophthonge und Diphthonge bewahrt.
Die Frage einer Hochsprache
Das Mittelhochdeutsche der staufischen höfischen Dichtung war keine Standardsprache im heutigen Sinn, denn es gab keine Standardisierung von Orthografie oder Wortschatz. Es hatte aber eine überregionale Geltung. Das lässt sich daran erkennen, dass es auch von Dichtern verwendet wurde, die aus anderen Dialektgebieten stammten, beispielsweise von Heinrich von Veldeke oder von Albrecht von Halberstadt, dass einzelne Dichter im Laufe ihres Lebens immer mehr Regionalismen aus ihren Werken tilgten und dass sich aufgrund sprachlicher Merkmale die Herkunft der Dichter oft nur sehr ungenau ausmachen lässt, während Dialektmerkmale eine sehr genaue Verortung der sprachlichen Herkunft ermöglichen würden.[9]
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich des Mittelhochdeutschen der staufischen höfischen Literatur beschränkte sich auf die höfische Literatur, die während der Zeit der Staufer ihre große Blüte hatte und sich an den Adel richtete. Gebrauchssprachliche Textgattungen, in denen eine überregionale Verständlichkeit weniger wichtig war als eine möglichst breite Verständlichkeit durch alle sozialen Schichten, verwendeten regionale Sprachformen (Rechtstexte, Sachliteratur, Chroniken, religiöse Literatur usw.). Eine breite Überlieferung derartiger Textsorten setzt erst im 13. Jahrhundert ein, da zuvor solche Texte meist in Latein geschrieben wurden.
Für die Textausgaben der wichtigen mittelhochdeutschen Dichtungen, für Wörterbücher und Grammatiken wird heute das im Wesentlichen auf Karl Lachmann zurückgehende normalisierte Mittelhochdeutsch verwendet, das im Grundsatz die Formen der staufischen höfischen Literatur verwendet, aber die oft vielfältigen Schreibungen der damaligen sprachlichen Realität nicht wiedergibt.
Aussprache
Die Betonung eines Worts liegt stets auf der ersten Haupttonsilbe. Vokale mit einem Zirkumflex (ˆ) – in anderer Orthographie mit einem Makron (¯) – werden lang gesprochen, Vokale ohne Zirkumflex werden kurz gesprochen. Aufeinanderfolgende Vokale werden getrennt betont. Die Ligaturenæ und œ werden wie ä (IPA: [ɛː]) und ö ([øː]) gesprochen.
Das s wird als [s] ausgesprochen, wenn ein Konsonant folgt, außer bei sch und sc und spätmittelhochdeutsch bei anlautendem s vor l, n, m, p, t, w; dort wird es als [ʃ] ausgesprochen.[10][11] Ein z im Wortanlaut oder nach einem Konsonanten wird wie das neuhochdeutsche z als [t͡s] ausgesprochen. Ein z oder zz in der Mitte und am Ende des Worts wird ausgesprochen wie ß bzw. [s] (zur besseren Unterscheidung oft geschrieben als ȥ oder ʒ). Das v wird am Wortanlaut als [f] gesprochen.
Der Buchstabe h wird im Wort- und Silbenanlaut als [h] gesprochen (Beispiel: hase, hûs, gesehen), im Auslaut und den Verbindungen lh, rh, hs, ht dagegen als [x] (hôch, naht, fuhs); er dient niemals als Dehnungszeichen.[12]
Vokalismus
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Abschnitt ist unbelegt, und dass <uo> [uə] und nicht [uɔ̯] sein soll, sieht fragwürdig (vgl. "mittelhochdeutschen öffnenden Diphthonge [iə yə uə] entsprechen den neuhochdeutschen Langvokalen [iː yː uː]"). In Wilfried Kürschners Grammatischem Kompendium (6. Aufl., S. 57, GB) heißt es: "Neuhochdeutsche Monophthongierung: Ersetzung der mhd. Diphthonge [i͜ə], [u͜ɔ], [y͜ə] durch die Monophthonge [iː], [uː], [yː]." Im übrigen sollte Diphthonge vielleicht mit einem darunter gesetzten Bogen gekennzeichnet werden also [iə̯] (bei Kürschner [i͜ə]) oder nhd. [aɪ̯] statt nur [iə] und [aɪ].
Die folgende Übersicht zeigt das Vokalsystem des (Normal-)Mittelhochdeutschen:
Es ist zu beachten, dass ei als [ɛɪ] zu sprechen ist (also nicht [aɪ] wie im Neuhochdeutschen, sondern wie ej oder äi, vgl. ay in Englisch day); ie ist nicht ein langes [iː], sondern [iə].
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch betreffen den Vokalismus:
Die mittelhochdeutschen Langvokale [iː yː uː] entsprechen den neuhochdeutschen Diphthongen [aɪ ɔʏ aʊ] (neuhochdeutsche Diphthongierung). Beispiele: mîn – mein, liut – Leute, hûs – Haus
Die mittelhochdeutschen öffnenden Diphthonge [iə yə uə] entsprechen den neuhochdeutschen Langvokalen [iː yː uː] (neuhochdeutsche Monophthongierung). Beispiele: liep – lieb, müede – müde, bruoder – Bruder
Die meisten mittelhochdeutschen Kurzvokale in offenen Silben entsprechen neuhochdeutschen gedehnten Langvokalen (Dehnung in offener Tonsilbe). Beispiele ligen – liegen, sagen – sagen, nëmen – nehmen. Diese Dehnung ist im Neuhochdeutschen jedoch in der Regel ausgeblieben vor -t sowie vor -mel und -mer. Beispiele geriten – geritten, site – Sitte, himel – Himmel, hamer – Hammer.
Grammatik
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Pronomen, Artikel und Adjektive fehlen – und zumindest ein Erwähnen der Personalpronomen und Artikel sollte recht kurz sein, sodass nichts gegen ein Erwähnen sprechen sollte.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Mittel- und Neuhochdeutschen sind:
Alle mittelhochdeutschen o-Stämme treten im Neuhochdeutschen in andere Klassen über.
Das Mittelhochdeutsche kannte keine gemischte Deklination.
Substantive
Weitere Informationen Numerus, Kasus ...
Deklination der starken Substantive
Numerus
Kasus
1. Klasse
2. Klasse
3. Klasse
4. Klasse
Maskulin
Neutrum
Feminin
Feminin
Maskulin
Neutrum
Feminin
Singular
Nominativ, Akkusativ
tac
wort
gëbe
zît
gast
blat
kraft
Dativ
tage
worte
gëbe
zîte
gaste
blate
kraft oder krefte
Genitiv
tages
wortes
gastes
blates
Plural
Nominativ, Akkusativ
tage
wort
gëbe
zît
geste
bleter
krefte
Genitiv
worte
gëben
zîte
Dativ
tagen
worten
zîten
gesten
bletern
kreften
Schließen
Weitere Informationen Numerus, Kasus ...
Deklination der schwachen Substantive
Numerus
Kasus
Maskulin
Feminin
Neutrum
Singular
Nominativ
bote
zunge
hërze
Akkusativ
boten
zungen
Dativ, Genitiv
hërzen
Plural
Schließen
Verben
Weitere Informationen Numerus, Person ...
Konjugation der starken Verben am Beispiel biegen
Numerus
Person
Präsens
Präteritum
Indikativ
Konjunktiv
Indikativ
Konjunktiv
Singular
ich
biuge
biege
bouc
büge
du
biugest
biegest
büge
bügest
er / siu / ez
biuget
biege
bouc
büge
Plural
wir
biegen
biegen
bugen
bügen
ir
bieget
bieget
buget
büget
sie
biegent
biegen
bugen
bügen
Partizip
biegende
gebogen
Schließen
Imperativ der 2. Person Singular: biuc!
Weitere Informationen Numerus, Person ...
Konjugation der schwachen Verben am Beispiel lëben
Numerus
Person
Präsens
Präteritum
Indikativ
Konjunktiv
Indikativ/Konjunktiv
Singular
ich
lëbe
lëbe
lëb(e)te
du
lëbest
lëbest
lëb(e)test
er / siu / ez
lëbet
lëbe
lëb(e)te
Plural
wir
lëben
lëben
lëb(e)ten
ir
lëbet
lëbet
lëb(e)tet
sie
lëbent
lëben
lëb(e)ten
Partizip
lëbende
gelëb(e)t
Schließen
Imperativ der 2. Person Singular: lëbe!
Weitere Informationen Neuhochdeutsch, Singular ...
Konjugation der Präteritopräsentia
Neuhochdeutsch
Singular
Plural
Infinitiv
Präteritum
Partizip
1./3. Person
2. Person
1./3. Person
wissen
weiz
weist
wizzen
wisse / wësse / wiste / wëste
gewist / gewëst
taugen / nützen
touc
–
tugen, tügen
tohte – töhte
—
gönnen
gan
ganst
gunnen, günnen
gunde / gonde – günde
gegunnen / gegunnet
können / kennen
kan
kanst
kunnen, künnen
kunde / konde – künde
—
bedürfen
darf
darft
durfen, dürfen
dorfte – dörfte
—
es wagen
tar
tarst
turren, türren
torste – törste
—
sollen
sol / sal
solt
suln, süln
solde / solte – sölde / solde
—
vermögen
mac
maht
mugen, mügen, magen, megen
mahte / mohte – mähte / möhte
—
dürfen
muoz
muost
müezen
muos(t)e – mües(t)e
—
Schließen
Weitere Informationen Tempus, Modus ...
Konjugation der besonderen Verben
Tempus
Modus
Numerus
Person
sîn (sein)
tuon (tun)
wellen (wollen)
hân (haben)
Präsens
Indikativ
Singular
ich
bin
tuon
wil(e)
hân
du
bist
tuost
wil(e) / wilt
hâst
er / siu / ez
ist
tuot
wil(e)
hât
Plural
wir
birn / sîn / sint
tuon
wel(le)n
hân
ir
birt / bint / sît / sint
tuot
wel(le)t
hât
sie
sint
tuont
wel(le)nt, wellen
hânt
Konjunktiv
Singular
ich
sî
tuo
welle
habe
du
sîst
tuost
wellest
habest
er / siu / ez
sî
tuo
welle
habe
Plural
wir
sîn
tuon
wellen
haben
ir
sît
tuot
wellet
habet
sie
sîn
tuon
wellen
haben
Präteritum
Indikativ
Singular
ich
was – wâren
tët(e)
wolte / wolde
hâte / hate / hæte / hête / hete / het / hiete
du
tæte
er / siu / ez
tët(e)
Plural
wir
tâten
ir
tâtet
sie
tâten
Schließen
Die Formen von gân/gên „gehen“ und stân/stên „stehen“ entsprechen im Präsens denen von tuon. Im Präteritum steht gie(nc) zu gân/gên.
lân „lassen“ wird im Präsens konjugiert wie hân. Im Präteritum steht lie(z).
tuon hat im Präteritum Konjunktiv die Formen: tæte, tætest usw.
Weitere Merkmale
Keine allgemeine Großschreibung von Substantiven (im Mittelhochdeutschen wurden nur Namen großgeschrieben).
Auslautverhärtung wird grafisch gekennzeichnet (mittelhochdeutsch tac – tage entspricht neuhochdeutsch Tag – Tage).
Palatalisierung: Das Mittelhochdeutsche unterschied zwei verschiedene s-Laute: einerseits das in der zweiten hochdeutschen Lautverschiebung entstandene [s], das auf germanisches t zurückging und mit z/zz (ȥ/ȥȥ oder ʒ/ʒʒ) geschrieben wurde, beispielsweise in ezzen, daz, grôz, dieser Laut wurde gleich ausgesprochen wie neuhochdeutsches [s] und entspricht auch einem neuhochdeutschen [s], andererseits der auf germanisches s zurückgehende stimmlose alveolo-palatale Frikativ[ɕ], beispielsweise in sunne, stein, kuss, kirse, slîchen, dieser Laut entspricht teils einem neuhochdeutschen [s] oder [z], teils einem neuhochdeutschen [ʃ].
Textprobe
Weitere Informationen Beginn des Nibelungenlieds*, Übersetzung ...
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôʒer arebeit,
von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ír nu wunder hœren sagen.
Eʒ wuohs in Burgonden ein vil edel magedîn,
daʒ in allen landen niht schœners mohte sîn,
Kriemhilt geheiʒen: si wart ein scœne wîp.
dar umbe muosen degene vil verliesen den lîp.
Uns wurde in alten Erzählungen viel Wundersames gesagt
von ruhmreichen Helden, von großem Leid,
von Freuden, Festen, von Weinen und von Klagen,
vom Kampf kühner Recken sollt ihr nun Wunder hören sagen.
Es wuchs in Burgund ein sehr feines Mädchen heran,
dass in allen Ländern kein schöneres sein konnte,
Kriemhild geheißen: Sie wurde eine schöne Frau.
Deswegen mussten viele Kämpfer ihr Leben verlieren.
Swer an rehte güete
wendet sîn gemüete,
dem volget sǣlde und êre.
des gît gewisse lêre
künec Artûs der guote,
der mit rîters muote
nâch lobe kunde strîten.
er hât bî sînen zîten
gelebet also schône
daz er der êren krône
dô truoc und noch sîn name treit.
des habent die warheit sîne lantliute:
sî jehent er lebe noch hiute:
er hât den lop erworben,
ist im der lîp erstorben,
sô lebet doch jemer sîn name.
er ist lasterlîcher schame
iemer vil gar erwert,
der noch nâch sînem site vert.
Wer seinen Sinn
auf das wahre Gute richtet,
der erfährt Glück und Ehre.
Das lehrt uns klar
der edle König Artus,
der mit dem Sinn eines Ritters
nach Lob zu streben wusste.
Er hat zu seinen Zeiten
so vorbildlich gelebt,
dass er den Kranz der Ehren
damals trug, wie ihn noch jetzt sein Name trägt.
Das bezeugen seine Landsleute:
Sie sagen, er lebe heute noch.
Er hat sich Ruhm erworben,
sodass noch immer sein Name lebt,
auch wenn er selber gestorben ist.
Von schimpflicher Schande
ist für immer frei,
wer noch handelt wie er.
Bettina Kirschstein, Ursula Schulze (Hrsg.): Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache auf der Grundlage des „Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300“. Erich Schmidt-Verlag, Berlin 1994ff., ISBN 3-503-02247-3.
Ältere Wörterbücher und Nachschlagewerke:
Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. (1882, 1958 um einen Nachtrag ergänzt) S. Hirzel, 37. Auflage. Stuttgart 1986, ISBN 3-7776-0423-2.
Thomas Bein: Germanistische Mediävistik. 2., bearbeitete und erweiterte Auflage, Erich Schmidt-Verlag GmbH & Co., Berlin 2005, ISBN 3-503-07960-2.
Rolf Bergmann, Peter Pauly, Claudine Moulin: Alt- und Mittelhochdeutsch. Arbeitsbuch zur Grammatik der älteren deutschen Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. Bearbeitet v. Claudine Moulin. 6. Auflage. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-20836-7.
Michael Graf: Mittelhochdeutsche Studiengrammatik. Eine Pilgerreise. Niemeyer, Tübingen 2003.
Thordis Hennings: Einführung in das Mittelhochdeutsche. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017818-4.
Hermann Reichert: Nibelungenlied-Lehrwerk. Sprachlicher Kommentar, mittelhochdeutsche Grammatik, Wörterbuch. Passend zum Text der St. Galler Fassung („B“). Praesens-Verlag, Wien 2007, ISBN 978-3-7069-0445-2. Einführung ins Mittelhochdeutsche auf Basis des Nibelungenlieds.
Kurt Otto Seidel, Renate Schophaus: Einführung in das Mittelhochdeutsche. Wiesbaden 1979 (= Studienbücher zur Linguistik und Literaturwissenschaft, 8).
Hilkert Weddige: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. 6. Auflage. Beck, München 2004, ISBN 3-406-45744-4.
Wilhelm Schmidt: Geschichte der deutschen Sprache – Ein Lehrbuch für das germanistische Studium, 10. Auflage, Hirzel, Stuttgart 2007, ISBN 3-7776-1432-7.
Grammatik
Gerhard Eis: Historische Laut- und Formenlehre des Mittelhochdeutschen. Heidelberg 1950 (= Sprachwissenschaftliche Studienbücher.)
Friedrich Kauffmann: Deutsche Grammatik. Kurzgefaßte Laut- und Formenlehre des Gotischen, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutschen. 5. Auflage. Marburg 1909.
Otto Mausser: Mittelhochdeutsche Grammatik auf vergleichender Grundlage. 3 Bände. München 1932–1933; Nachdruck 1972.
Joseph Wright: A Middle High German Primer with Grammar, Notes, and Glossary, Clarendon Press, Oxford 3. Aufl. 1917. e-Text und Seitenscans, Digitalisat bei archive.org
Frédéric Hartweg, Klaus-Peter Wegera: Frühneuhochdeutsch. Eine Einführung in die deutsche Sprache des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Niemeyer, Tübingen 1989 (= Germanistische Arbeitshefte. Band 33); 2. Auflage ebenda 2005, ISBN 3-484-25133-6.
Joseph Wright: A Middle High German Prime with Grammar, Notes, and Glossary. Third Edition. Re-written and enlarged. Oxford, 1917, S.„B“: „Middle High German (MHG.) embraces the High German language from about the year 1100 to 1500.“
M. O’C. Walshe: A Concise German Etymological Dictionary, 1951, S.vii: „From 1050 onwards the language found is referred to as Middle High German (MHG). This may be said to extend till about 1500, but after 1350 or so it is usually qualified as Late MGH.“
Martin Schubert (Hrsg.): Mittelhochdeutsch: Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Literatur. Walter de Gruyter, 2011, S.456. Zitat: „Aber Vorsicht bei anlautendem s vor l, n, m, p, t, w: Es ist in diesen Verbindungen wie im Neuhochdeutschen als Zischlaut sch auszusprechen, also auch schp und scht, keinesfalls aber ‚niederdeutsch‘ bzw. ‚alt-hamburgerisch‘.“
de Boor und Wisniewski: Mittelhochdeutsche Grammatik. Walter de Gruyter, S.32. Zitat: „Eine ähnliche Tendenz des s in den sch-Laut überzugehen, die allerdings erst im Spätmhd. zur vollen Auswirkung kommt, zeigt sich in den Lautverbindungen st, sp (im Anlaut), sl, sm, sn, sw. Im klassischen Mhd. heißt es noch stets slüȥȥel, snël, s-tein gegenüber nhd. Schlüssel, schnell, S(ch)tein.“
zitiert nach: Helmut de Boor (Hrsg.): Das Nibelungenlied – zweisprachig. 5. Auflage. Reprint/Lizenzausgabe, Parkland Verlag, Köln 2003, ISBN 3-88059-985-8, S.26.
Lars Löber:Deutsche Sprache.In:brockhaus.de.Verlag F. A. Brockhaus/wissenmedia in der inmediaONE [Herausgebendes Organ],März 2013,abgerufen am 5.November 2023(Gütersloh; München).