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Strukturklasse von chemischen Verbindungen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Diphosphate (auch Pyrophosphate, Abkürzungen PPa und engl. PPi) sind Salze und Ester der Diphosphorsäure H4P2O7. Diphosphate sind Kondensate von zwei Phosphaten. Sie sind über eine P–O–P-Säureanhydrid-Bindung miteinander verknüpft (Konstitutionsformel [(O3P)–O–(PO3)]4−). Die Ester dieser Verbindungen verfügen zusätzlich über eine C–O–P-Bindung und haben die allgemeine Konstitutionsformel R–O–[(PO2)–O–(PO3)]3− (R: organischer Rest).
Salze der Diphosphorsäure | ||
---|---|---|
Name | Formel | andere Bezeichnung |
Dinatriumdihydrogendiphosphat | Na2H2P2O7 | E 450a |
Trinatriumhydrogendiphosphat | Na3HP2O7 | E 450b |
Tetranatriumdiphosphat | Na4P2O7 | E 450c |
Weitere Beispiele siehe Kategorie:Phosphat |
Glüht man sekundäre Phosphate, wird unter Wasserabspaltung Diphosphat gebildet:
Diphosphate kommen in der Lebensmittelchemie unter anderem als Emulgatoren vor, haben jedoch eine Reihe weiterer Eigenschaften und können etwa auch als Konservierungs-, Antioxidations-, Trenn- und Backtriebmittel, Komplexbildner, Säureregulatoren und Schmelzsalze fungieren. Diese künstlich hergestellte Emulgatorklasse bindet Wasser, verhindert Verklumpen pulverförmiger Lebensmittel und führt in Verbindung mit Calcium zu einer cremigen Konsistenz. Da Phosphate im Verdacht stehen allergische Reaktionen und Osteoporose auszulösen, sollte bei der Einnahme von Phosphaten stets auf die richtige Dosierung geachtet werden. Es wurde eine erlaubte Tagesdosis von 70 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht für die Gesamtmenge aufgenommener Phosphorsäure und Phosphate insgesamt festgelegt. In der EU sind Diphosphate (Dinatrium-, Tri-natrium-, Tetranatrium-, Tetrakalium-, Dicalcium- und Calciumdihydrogen-Diphosphat) als Lebensmittelzusatzstoff der Nummer E 450 für bestimmte Lebensmittel mit jeweils unterschiedlichen Höchstmengenbeschränkungen zugelassen. Nach der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung sind dies – für die meisten zugelassenen Phosphate weitgehend einheitliche – einzelne Festlegungen für eine breite Palette mit zahlreichen unterschiedlichen Lebensmittelsorten. Die zugelassenen Höchstmengen variieren von 0,5 bis hin zu 50 Gramm pro Kilogramm (in Getränkeweißer für Automaten) oder auch dem Fehlen einer festen Beschränkung (quantum satis – nach Bedarf, bei Nahrungsergänzungsmitteln und teils bei Kaugummis).
Diphosphorsäureester spielen eine erhebliche Rolle in der Biochemie (siehe unten). Als anthropogene Xenobiotika spielen sie eine eher geringe Rolle.
Eine gewisse Bedeutung hat der Tetraethyl-Ester der Diphosphorsäure Tetraethylpyrophosphat (TEPP) als humantoxisches Nervengift und nicht zugelassenes Insektizid erlangt.[1]
Diphosphate können wie alle Phosphorsäureanhydride Phosphat-Gruppen auf nukleophilen Moleküle wie Wasser, Alkohole und anderen Verbindungen mit OH-Gruppen exergon übertragen. Solche Phosphorylierungsreaktionen spielen eine ganz entscheidende Rolle bei allen biochemischen Prozessen, bei denen Energie übertragen wird. Eine entscheidende Rolle spielt dabei ATP.
Diphosphat kann ebenso wie Polyphosphat spontan bei geochemischen Prozessen entstehen. Als im späten Hadaikum bei der Chemischen Evolution komplexe organische Moleküle entstanden sind, könnte dabei Diphosphat die Rolle des Energieüberträgers gespielt haben, die heute ATP spielt.[2][3]
Im menschlichen Stoffwechsel sind Salze der Diphosphorsäure („anorganisches Pyrophosphat“) eher Abfallprodukte, die wiederverwertet werden müssen. Kalziumpyrophosphat-Kristalle sind bei der Pseudogicht (Kristallarthropathie) an einer schmerzhaften Erkrankung der Gelenke beteiligt.
Organische Diphosphat-Derivate („organisches Pyrophosphat“) sind dagegen für alle bekannten Lebewesen unentbehrlich.
Ester der Diphosphorsäure findet man in allen lebenden Organismen. Sie sind Grundbausteine einer Vielzahl komplexer Naturstoffe. Für deren Biosynthese liefern die energiereichen Pyrophosphatgruppen einen Teil der dabei nötigen Energie. Dimethylallylpyrophosphat (Dimethyl-Allyl-PP) ist zusammen mit Isopentenylpyrophosphat Ausgangsstoff der Cholesterinbiosynthese und der Biosynthese von bisher 30.000 bekannten Terpenen und Terpenoiden.
Eine Reihe von Coenzymen (vgl. Abbildung rechts), die für alle Organismen lebenswichtig sind und durchweg im Stoffwechsel produziert werden, gehören zu den organischen Diphosphaten. (Beim Menschen muss das Diphosphat Riboflavin, Vitamin B2 mit der Nahrung aufgenommen werden.)
Beim Coenzym ADP (Adenosindiphosphat) spielt die Diphosphat-Gruppe eine wesentliche Rolle bei Energieübertragungsprozessen in lebenden Zellen. ADP ist Co-Substrat nahezu aller Enzyme, mit denen ATP unter Energieaufwand (ΔH = 50 kJ/mol unter physiologischen Bedingungen) regeneriert wird. Das geschieht vor allem mittels der ATP-Synthase nach der Reaktionsgleichung
nach dem Prinzip der Chemiosmose. Bei der Substratkettenphosphorylierung ist ADP ebenfalls Reaktionspartner, so z. B. bei der Phosphoglyceratkinase, die folgende Reaktion katalysiert:
Bei der Rückreaktion dieser Gleichung, die bei der Biosynthese von Zuckern wichtig ist, wird umgekehrt ADP gebildet. Eine ganze Reihe endergoner Reaktionen werden im Stoffwechsel nach diesem Prinzip
ermöglicht, bei dem ein Gruppenübertragungspotenzial ΔG0’ = −30,5 [kJ·mol−1] die Energie liefert.[4]
ATP wird zudem bei Prozessen verbraucht, bei denen nicht etwa organisches Adenosindiphosphat, sondern anorganisches Diphosphat (abgekürzt: PPi) gebildet wird. Summarisch geschieht das nach
mit einem Gruppenübertragungspotenzial ΔG0’ = −57 [kJ·mol−1][4]
Im Stoffwechsel entsteht Diphosphat durchweg bei anabolen, zum Aufbau von Biomasse dienenden Reaktionen.[2] Von ca. 200 PPi produzierenden Reaktionen[5] dienen ca.
Die Abspaltung des Diphosphats setzt Energie frei, da das entstehende freie Diphosphat durch Mesomerie und Hydratation einerseits stabilisiert wird. Andererseits kommt auch ein entropischer Effekt zum Tragen, da sich die Entropie des Systems erhöht hat. Diese Energie wird häufig genutzt, um eine an diesen Vorgang gekoppelte, für sich allein genommen endergone Reaktion zu ermöglichen. Häufig werden Diphosphate durch Pyrophosphatasen in zwei Phosphate gespalten. Das verschiebt die jeweiligen Reaktionsgleichgewichte noch mehr auf die rechte Seite, was die jeweiligen Reaktionen irreversibel macht, weil die Pyrophosphatase ein Endprodukt aus dem Gleichgewicht beseitigt.
Es wird auch diskutiert, ob neben ATP auch Diphosphate als alternative Energiedonatoren in Bakterien und Pflanzen genutzt werden können.[8][9]
Im tierischen Stoffwechsel und im Stoffwechsel vieler Mikroorganismen wird Diphosphat zügig durch im Cytosol gelöste Pyrophosphatasen zu Phosphat recycelt und die freiwerdende Energie wird als Wärme frei.
Außer bei vielzelligen Tieren und Pilzen wird Diphosphat aber auch energetisch verwertet. Das geschieht durch unlösliche, in Biomembrane integrierte Pyrophosphatasen, die als chemiosmotisch aktive Protonenpumpen fungieren. Diese Enzyme sind sehr alt und gehen auf einen gemeinsam Stammbaum zurück. Außer bei vielen Prokaryoten und tierischen Einzellern[2] spielen sie bei Landpflanzen eine wichtige Rolle. Sie finden sich dort gehäuft in den Membranen von Vakuolen und dienen dort als H+-Pumpe. Dabei sparen sie ATP ein, das ansonsten durch ATP-spaltende H+-Pumpen verbraucht werden müsste. In Pflanzen-Mitochondrien kann Diphosphat durch die dort spezifische Diphosphat spaltende Aktivität der ATP-Synthase ohne Energiekonservierung gespalten werden.
Im Zellplasma vieler Pflanzen finden sich keine löslichen, Energie verschwendenden Pyrophosphatasen, und so nimmt die Diphosphat-Konzentration im Cytosol Werte von 0,2–0,3 mM an. Diphosphat verwertende Prozesse sind bei Pflanzen weit verbreitet und kommen parallel zu ATP-verbrauchenden Stoffwechselwegen vor.[10] Als ATP ersetzender Energieüberträger kann Pyrophosphat zum Beispiel bei der Glycolyse dienen, wo eine Pyrophosphate: Fructose-6-phosphate Phosphotransferase die Phosphofructokinasen ersetzt.[11][12]
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