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als Eisbrecher ausgelegtes deutsches Forschungs- und Versorgungsschiff Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Polarstern, manchmal auch als FS Polarstern (Forschungsschiff) bezeichnet, ist ein als Eisbrecher der deutschen Eisklasse ARC3 ausgelegtes Forschungs- und Versorgungsschiff. Sie dient der Erforschung der Polarmeere und Versorgung der permanent besetzten Forschungseinrichtungen Koldewey-Station in der Arktis und Neumayer-Station in der Antarktis. Sie wird vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven betrieben und setzt die Tradition der Gauß-Expedition fort, die mit der ersten deutschen Südpolarexpedition der Gauß von 1901 bis 1903 eingeleitet wurde.
In der Atka-Bucht, Antarktis, mit Logo zum Jahr der Geowissenschaften, 2002 | ||||||||||||||||||||||||||
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Das Schiff wurde ab Ende 1978 im Auftrag des Bundesministers für Bildung und Forschung in einem Unterauftrag von der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) durch das Hamburger Ingenieurbüro Schiffko (Schiffskonstruktion und -entwicklung, 2006 von Wärtsilä übernommen) entwickelt und als kompletter Entwurf zur Ausschreibung vorbereitet. Nach der öffentlichen Ausschreibung wurde der Rumpf der Polarstern auf der HDW Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel am 22. September 1981 auf Kiel gelegt. Für die Eisbrechtechnik mit der zugehörigen Schiffsform zeichnete die HSVA verantwortlich.
Alle Details des Schiffes mit Ausrüstung und Einrichtung einschließlich der wissenschaftlichen Ausstattung sowie die Fertigstellung wurden Anfang der 1980er auf der Nobiskrug-Werft in Rendsburg im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in enger Abstimmung mit der Schiffko und der ZSM (Zentralstellen des Bundes für Schiffe und Maschinen) geplant und durchgeführt.
Am 9. Dezember 1982 wurde die Polarstern in Dienst gestellt und hat seitdem bis Frühjahr 2017 in 104 Expeditionen in der Arktis und Antarktis Daten für Forschung und Wissenschaft gesammelt.[4][5] Ihr zu Ehren sind in der Antarktis der Tiefseegraben Polarstern-Canyon und der submarine Rifffelsen Polarstern Knoll benannt.
Als doppelwandiger Eisbrecher kann die Polarstern bei Temperaturen von bis zu −50 °C eingesetzt werden. Mit den vier Motoren mit einer Gesamtleistung von 14,7 MW können bis zu 1,5 Meter dicke Eisschollen mit einer Geschwindigkeit von circa 5 Knoten durchfahren werden. Dickeres Eis kann aufgrund der massiven Stahlpanzerung durch Rammen gebrochen werden.
Die Schiffsmotoren werden nach Aussagen des Alfred-Wegener-Instituts mit Dieselöl betrieben, das deutlich weniger Schadstoffe produziert als das bei anderen Schiffen benutzte Schweröl. In der benutzten Variante „DMA“ ist es nur wenig schlechter als Diesel für Lastkraftwagen. Das Schiff verbraucht im Einsatz etwa 900 Tonnen des Treibstoffs pro Monat.[6]
Die Größe des Schiffes ergibt sich aus den vielfältigen Anforderungen, die an die Polarstern gestellt werden. Zum einen benötigt es für die Versorgung der Forschungsstationen und einer möglichen Überwinterung im Eis viel Lager- und Stauraum und zum anderen sind für die Forschungsarbeiten von bis zu 70 Wissenschaftlern entsprechende Labore, Arbeitsräume und Unterkünfte vorhanden.
Von 1982 bis 1996 war das Beiboot Polarfuchs an Bord, das wegen Schwierigkeiten in der Handhabung (Aussetzen) selbst bei nur leichtem Seegang sowie des für Arbeiten im Eis nicht tauglichen Aluminium-Rumpfes 1996 von Bord genommen und durch ein normales Rettungsboot (insgesamt damit 4 Rettungsboote) ersetzt wurde.
1998 wurde eine Grundüberholung des Schiffs begonnen, mit der die Technik der fortgeschrittenen Entwicklung angepasst wurde. Die Modernisierungen hatten zum Ziel, die Lebensdauer der Polarstern um 15 bis 20 Jahre zu verlängern. Die Arbeiten waren 2001 abgeschlossen.[7]
Die Polarstern ist circa 320 Tage pro Jahr auf See und bereist normalerweise in den südlichen Sommermonaten November bis März die Antarktis und den nördlichen Sommermonaten die Arktis.
Für wissenschaftliche Arbeiten der Geologie, Meteorologie, Biologie, Geophysik, Glaziologie, Ozeanographie sowie Chemie stehen neun Labore zur Verfügung. An und unter Deck können weitere Laborcontainer gestaut werden, um die vielfältigen Forschungsaufgaben vor Ort vornehmen zu können.
Mit Hilfe von acht Winden können Proben aus einer Tiefe von bis zu 10 Kilometern gewonnen werden. Spezielle Schwerelote können Sedimentproben bis 150 Meter Länge nehmen. Forschungsgeräte können auch mit dem 15-Tonnen-Kran über Bord ins Wasser oder auf das Eis abgelassen werden. Der Kranarm hat eine Reichweite von 24 Meter und lässt sich bis auf Höhe der Wasseroberfläche absenken. Ein weiterer Kran am Vordeck kann noch schwereres Gerät und Versorgungsgüter bis 25 Tonnen heben.
Über einen schwenkbaren A-Rahmen am Heck können Netze oder Geräte hinter dem Schiff geschleppt werden.
Für Transporte des wissenschaftlichen Personals und Untersuchungsaufgaben stehen drei Zodiacs (Festrumpfschlauchboote) zur Verfügung. Bei Nutzung dieser Boote muss ein Überlebensanzug getragen werden.[8]
Um weitergehende Untersuchungen an den Proben und lebenden Meerestieren durchführen zu können, verfügt die Polarstern zusätzlich über Aquarien und drei Kühlräume, die mit Temperaturen von −32 °C bis +5 °C kühlen.
Das Arbeitsdeck am Heck ist beheizbar, damit bei Minustemperaturen die Flächen für sicheres Arbeiten eisfrei gehalten werden können.
Für Aufklärungsmissionen über Eis können zwei Hubschrauber vom Typ Bo 105 CBS 4 (seit 2017 BK 117 C-1[9]) eingesetzt werden, für die sich am Heck eine Landeplattform und ein Hangar befinden. Unter Deck befinden sich Lagerräume für Container und Schneefahrzeuge, die mit Hilfe eines Kranes auf die Schelfeiskante gesetzt werden können. Die Hubschrauber gehören der Reederei F. Laeisz GmbH, ihre Besatzungen werden derzeit von der Firma Northern Helicopter aus Emden gestellt.[10]
Als eines von wenigen Schiffen verfügt die Polarstern auch über eine Vorrichtung für den ferngesteuerten Tiefseeroboter Victor 6000 aus Frankreich. Unterwassergleiter sind ebenfalls Teil der wissenschaftlichen Ausrüstung.[11]
Seit ihrer Inbetriebnahme ist die Polarstern zu Expeditionen in die Arktis und Antarktis mit international zusammengesetzten Forschergruppen gestartet, teilweise auch im Verbund mit anderen Forschungsschiffen wie z. B. der Healy, dem Forschungseisbrecher der amerikanischen Küstenwache, oder dem schwedischen Forschungseisbrecher Oden.
Unabhängig von den speziellen Experimenten und Forschungsfahrten dient die Polarstern auch als Wetterstation. Auf der Nordhalbkugel gibt es ein dichtes Netz von Wetterstationen auf dem Festland, die regelmäßig Daten für die Wettermodelle liefern. Auf den Meeren sind die Meteorologen jedoch auf Daten von Schiffen angewiesen. Zu diesem Zweck werden jeden Tag, an dem die Polarstern unterwegs ist, Wetterballons gestartet, die entsprechende Daten wie Luftdruck, Windgeschwindigkeit und Temperatur liefern.
Das Schiff ist für 43 Besatzungsmitglieder und 55 Wissenschaftler ausgelegt. Die Besatzungsmitglieder werden jeweils nach drei Monaten abgelöst; die Forscher sind je nach Reise meist vier bis sechs Wochen an Bord. Sie kommen aus unterschiedlichen Nationen, die Bordsprache ist Englisch. Untergebracht sind jeweils zwei Personen in einer Kabine von zehn Quadratmetern, zu der ein kleines Badezimmer gehört.
Für die Freizeit ist das Schiff mit einem Aufenthaltsraum, Roter Salon genannt, ausgestattet. Gegessen wird im Speisesaal, in dem es dreimal täglich Speisen gibt. Für sportliche Betätigung verfügt die Polarstern über ein Schwimmbad und einen Fitnessraum, eine Tischtennisplatte sowie eine Sauna, ein Solarium und eine Amateurfunkstation mit dem Rufzeichen DP0POL/mm. Neben den üblichen Kurzwellenverbindungen sind auch Verbindungen über den geostationären Amateurfunksatelliten QO-100 möglich.
An Bord können bei medizinischen Notfällen Operationen in einem kleinen Operationssaal vorgenommen werden. Dabei kann sich der Bordarzt über einen Bildschirm von Kollegen an Land unterstützen lassen. Die Polarstern ist mit einem Kranken- und einem Isolierzimmer ausgestattet.[28] Zu den chirurgischen Schiffsärzten mit viel Erfahrung in der Seefahrt gehörte Wolfgang Lambrecht.
Eine interaktive Webreportage der Ausbildungsfahrt P105 von Las Palmas nach Bremerhaven im April 2017 vermittelt einen Eindruck vom Leben an Bord.[29]
Im November 2010 empfahl der Wissenschaftsrat, ein neues eisbrechendes Forschungsschiff zu planen. Im Dezember 2014 veröffentlichte das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine Werftausschreibung unter dem Projektnamen „Polarstern II“ für ein multifunktionales Polarforschungsschiff, das die Polarstern schließlich ersetzen soll. Seit Ende 2015 lief die Aufforderung zur Angebotsabgabe.[30] Die Ausschreibung wurde im Februar 2020 gestoppt, da die Anforderungen der Ausschreibung nicht mehr dem Stand der Technik entsprachen und es zwischenzeitlich Änderungen in den Grundlagen des Vergabeverfahrens gegeben hatte.[31][32][33]
Die Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens war für das Frühjahr 2021 geplant. Für dieses sollte nicht mehr der Bund, sondern das Alfred-Wegener-Institut selbst verantwortlich sein.[34] Das Alfred-Wegener-Institut plante den Bau ab 2022 und die Fertigstellung für das Jahr 2026. Die Polarstern soll dann ausgemustert werden.[35] Nach der Ankündigung im Februar 2021 wurde jedoch bis zum Februar 2022 keine neue Ausschreibung gestartet.[36] Im Mai 2022 genehmigte der Haushaltsausschuss zwei Millionen Euro Zusatzmittel für den Bau des Schiffes.[37] Das europaweite Vergabeverfahren startete am 8. Juni 2022[38] und läuft bis Ende Februar 2024.[39] Der Neubau sollte 2023 beginnen und im Jahr 2027 in Dienst gestellt werden.[38]
Ursprünglich sollte das Schiff schon 2018 ausgemustert werden, allerdings wurde auf Grund der Verzögerungen eine Klassenerneuerung bis 2027 angekündigt.[40]
Hundert Jahre nach der gescheiterten Endurance-Expedition Ernest Shackletons brach die Polarstern 2016 erneut in die Antarktis auf; das Hörspiel In darkness let me dwell – Lieder aus der Finsternis des Duos Merzouga (Janko Hanushevsky, Eva Pöpplein), Hörspiel des Monats Dezember 2016, behandelt und verschränkt die beiden Ereignisse; die Arbeitsgruppe Ozeanische Akustik des AWI unterstützte seine Produktion.[41]
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