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deutscher Pfarrer und Autor, inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Peter Franz (* 10. Mai 1941 in Apolda) ist ein deutscher Autor. Er war bis zu seiner Suspendierung im Jahr 1992 evangelischer Pfarrer. Sie war erfolgt, weil er von 1977 an ein inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gewesen war.
Peter Franz’ Mutter war eine ledige Textilarbeiterin. Er wuchs bei seinen Großeltern auf.[1] Er besuchte in Apolda von 1955 bis 1958 die Oberschule. Wegen unerlaubten Abspielens westlicher Tanzmusik bei einer Schüler-Geselligkeit wurde er der Schule verwiesen, konnte aber in Weimar 1959 sein Abitur ablegen.
Von 1959 bis 1961 diente er freiwillig u. a. als Fallschirmspringer und Panzersoldat bei der Nationalen Volksarmee. Er wollte anschließend an der Universität Jena ein Studium aufnehmen. In einem inoffiziellen Literatur- und Gesprächskreis erhielt er erste Anreize, sich mit der Bibel zu beschäftigen. Das führte dazu, dass er als „Anhänger der kirchlichen Ideologie“ unehrenhaft aus der NVA entlassen wurde.
Weil ihm auch die Zulassung zum Studium entzogen worden war, arbeitete er ein Jahr als Apparatefahrer in einem Apoldaer Chemiebetrieb. Während dieser Zeit fand er Anschluss an eine evangelische Kirchgemeinde und ließ sich 1962 taufen. Im Herbst desselben Jahres begann er ein Studium der Evangelischen Theologie in Jena. Zu seinen Lehrern gehörten u. a. Erich Hertzsch, Rudolf Meyer und Hans-Georg Fritzsche.
Im Jahre 1965 heiratete er und wurde in den folgenden Jahren Vater von vier Kindern. Nach seinem Ersten theologischen Examen 1967 wurde er Vikar in Kapellendorf und wurde nach dem Zweiten Examen 1969 von Landesbischof Mitzenheim zum Pfarrer ordiniert und in Kapellendorf angestellt.
Unter seiner Anleitung entstanden dort Seminarräume, ein Übernachtungshaus und ein Keller der Jungen Gemeinde.
Franz war Abgeordneter des Kreistages unter dem Mandat der CDU der DDR, der er 1973 beigetreten war. Dazu gehörten die Bearbeitung und Weiterleitung von Eingaben und Beschwerden über gesellschaftliche Missstände und persönliche und familiäre Nöte.[2] Im Jahre 1975 gründete er das Evangelische Gemeindezentrum „Thomas Müntzer“. Auf seine Initiative wurde am 29. Juni 1989 vor der Kapellendorfer Kirche eine Ideen-Plastik zu Thomas Müntzer aufgestellt, geschaffen von dem Weimarer Keramiker Eberhard Heiland.
Franz wurde Mitglied der Christlichen Friedenskonferenz, in der er in der Folgezeit mit einer Gemeindegruppe korporativ tätig war. Dazu gehörten grenzüberschreitende Seminare und Begegnungen mit kirchlichen und Friedensgruppen aus anderen europäischen Ländern. Er war der Mitinitiator eines „Kreuzweges für den Frieden“, den die CFK Thüringen mehrere Jahre hindurch in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald durchführte, wobei regelmäßig der Gedenkstein für die „Aktionsjuden“ von 1938 aufgesucht wurde. Ab Mitte der 1970er Jahre besuchte er mit Kindern und Jugendlichen die Synagoge der Jüdischen Gemeinde in Erfurt und abonnierte das Nachrichtenblatt der Jüdischen Gemeinde, um es in seinem Gemeindezentrum auszulegen. Ein Vortrag von Herbert Ringer, dem Vorsitzenden der Erfurter Jüdischen Gemeinde, im EGZ „Thomas Müntzer“ legte den Grundstein für eine vertrauensvolle Verbindung mit der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.[3] 1987 organisierte und leitete er einen Teilabschnitt des kirchlichen Olof-Palme-Friedensmarsches für die Region Thüringen, der von der Gedenkstätte Buchenwald bis nach Kapellendorf führte.
Franz arbeitete ab 1977 aus Überzeugung als IM. In der Anwerbephase hatte ein MfS-Mitarbeiter notiert: „Als negatives Merkmal muss eingeschätzt werden, dass der Kandidat sich in seinen Handlungen stets von den Interessen der Kirche leiten lässt …“[4] Etwas später verpflichtete sich Franz per Handschlag unter dem Decknamen „Johannes“ als IM. Er erteilte bereitwillig über Mitglieder seiner Gemeinde, über Kollegen und in- und ausländische Gäste seines Hauses Auskunft. Franz war wegen seiner Linientreue in Thüringen auch als „roter Pfarrer“ oder der „rote Franz“ von Kapellendorf bekannt.
Ab Mitte der 1980er Jahre begann er mit der Erforschung des Schicksals jüdischer Familien seiner Geburtsstadt Apolda und wirkte dafür in einer Arbeitsgruppe „Jüdisches Leben“ des DDR-Kulturbundes mit. 1988 initiierte er die Anbringung einer Gedenktafel am Geschäftshaus des jüdischen Fellhändlers Bernhard Prager anlässlich von dessen 100. Geburtstag. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Christliche Kreise“ der Nationalen Front leitete er eine große öffentliche Ehrung der im Ghetto Theresienstadt bzw. KZ Auschwitz ermordeten Familie Prager in einer gemeinsamen Veranstaltung der SED-Kreisleitung, der Evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde und des Kulturbundes von Apolda.
Als sich die SED 1989 mit dem Massenmord auf dem Tian’anmen-Platz offen solidarisierte, distanzierte sich die CFK-Gruppe Kapellendorf unter Leitung von Franz von dieser Position in einem Brief an den DDR-Ministerrat.[5]
Nach der Wende und friedlichen Revolution in der DDR 1990 trat er aus der CDU aus. Nach eigenen Angaben offenbarte er im April 1990 CFK-Mitarbeitern und Kirchenvertretern seine Kontakte mit dem MfS.[6] Als 1992 der Fernsehjournalist Detlef Urban mit einem Team im Auftrag der ARD bei Pfarrer Franz drehte und Dokumente aus dem Stasi-Archiv im Film Kumpanei mit der Stasi ausstrahlte, suspendierte ihn die Kirchenleitung vom Dienst. Weil er sich weigerte, vom Pfarramt zurückzutreten, eröffnete die Landeskirche gegen ihn ein Amtszuchtverfahren, das durch zwei Instanzen ging und vor einer Kammer der EKD 1997 mit seiner endgültigen Entfernung aus dem Amt eines Pfarrers und der Aberkennung aller Rechte und dem Verlust aller Anwartschaften endete. Franz darf sich nicht mehr Pfarrer nennen.[7]
Seit 1997 wohnt er in Weimar-Taubach in einem ehemaligen alten Bauernhaus.[8] Seither arbeitet er als freier Redner bei Geburtsbegrüßungen, Eheschließungen und Begräbnissen. Seit 1992 ist er Autor von Büchern über jüdisches Leben, Verfolgung und Widerstand im NS-Regime, über Kriegerdenkmäler und zur eigenen erlebten Zeitgeschichte. In seinem Wohnort unterhält er auf ehrenamtlicher Grundlage eine „DDR-Bücherstube“ mit mehreren tausend Büchern zur kostenlosen Ausleihe, die nach Schließungen und Verkleinerungen öffentlicher Bibliotheken hätten entsorgt werden sollen. Seit 2007 ist er der spiritus rector des Prager-Haus Apolda e. V., der ein ehemaliges jüdisches Geschäftshaus gerettet und zum Ort der Begegnung, der Erinnerung und des geschichtlichen Lernens ausgestaltet hat.
Peter Franz lehnt Militäreinsätze ab und kritisierte entsprechende Äußerungen von Bundespräsident Gauck.[9] Als ihm 2016 der Obermayer German Jewish History Award verliehen wurde, kritisierte Hildigund Neubert, die frühere Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Thüringen, diese Entscheidung der Obermayer-Foundation, denn Franz habe der kommunistischen Diktatur in der DDR gedient.[10]
Franz ist Mitglied im Thüringer Verband Deutscher Schriftsteller, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und in der Gewerkschaft ver.di, zudem ist er Mitglied in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V., im Rotfuchs-Förderverein e. V. und in der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V.
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