Salz der Kohlensäure Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Natriumhydrogencarbonat (Trivialname: Natron) hat die Summenformel NaHCO3, ist ein Natriumsalz der Kohlensäure und zählt zu den Hydrogencarbonaten. Gelegentlich werden für Natriumhydrogencarbonat auch die veralteten und chemisch unzutreffenden Trivialnamen doppeltkohlensaures Natron und Natriumbicarbonat (auch kurz NaBi) verwendet. Im Handel wird es auch unter den Bezeichnungen Speisesoda, Backsoda, Backnatron, Speisenatron sowie Markennamen wie Kaiser-Natron und Bullrich-Salz angeboten. Für den Normalbürger dürften die bedeutendsten Anwendungen darin bestehen, es als Backpulver zu nutzen, oder als Hausmittel gegen Sodbrennen.
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0°C, 1000hPa).
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Die Verbindung sollte nicht mit Natriumcarbonat (Soda/"Waschsoda", Summenformel Na2CO3) verwechselt werden.
Das Wort Natron existiert seit Beginn der Neuzeit im Deutschen (in den Formen anatron, natrum und natron) und entstand (wie spanisch, französisch und englisch natron sowie „Natrium“) über arabisch naṭrūn (bzw. anatrūn; vgl. das unterägyptische „Natrontal“ „Wadi an-Natrūn“, woher früher ein Gemisch aus Natriumcarbonat und Natriumhydrogencarbonat zum Wasserentzug aus Mumien bezogen wurde[9]) aus griechisch nítron (νίτρον) (Herodot; attisch lítron (λίτρον)), welches auf altägyptisch ntr zurückzuführen ist. Aus dem griechischen nítron (Natron, Soda, Salpeter) war auch lateinisch (sal) nitrum und deutsch Salniter gebildet worden (woraus dann Nitrogen, Nitrat usw. herleitbar sind).[10][11]
Bereits im Wörterbuch der ägyptischen Sprache von Adolf Erman und Hermann Grapow wurden vor einem knappen Jahrhundert griechisch nítron (νίτρον) und hebräischneter/nether mit dem altägyptischen Wort nṯr.j verknüpft, das im 2. Jahrtausend vor Christus etwa /natsₑra-/ ausgesprochen wurde. Da sich das Natronwort in dieser Zeit in vielen unverwandten, aber benachbarten Sprachen findet, muss diese Etymologie als wahrscheinlich betrachtet werden.[12]
Altägyptisch nṯr.j bedeutet in Bezug auf Natron jedoch nicht „göttlich“ und bezeichnet auch das Natron nicht als göttliche Substanz, wie häufig zu lesen ist. Alle Gegenstände und Substanzen zur Vorbereitung eines Leichnams für das Begräbnis und der Mumifizierung heißen grundsätzlich nṯr.j, zum Beispiel auch Mumienbinden und Mumifizierungsgeräte, also „zum Begräbnis gehörende Sache“.
Natriumhydrogencarbonat kommt als natürliches Mineral Nahcolith unter anderem in den Vereinigten Staaten vor. Es tritt meist feinverteilt in Ölschiefer auf und kann dann nur als Beiprodukt der Ölförderung gewonnen werden. Ein Bergbau besonders reicher Nahcolith-Horizonte wird im Bundesstaat Colorado betrieben, die jährliche Förderung lag im Jahre 2007 bei 93.440 Tonnen.[13] Es gibt auch Fundorte in Europa.
Umsetzung von gesättigter Natriumcarbonatlösung mit Kohlenstoffdioxid unter Kühlung:
Dies ist eine Gleichgewichtsreaktion, die aber durch die relative Schwerlöslichkeit von Natriumhydrogencarbonat stark nach rechts verschoben ist. Das abfiltrierte Natriumhydrogencarbonat muss vorsichtig getrocknet werden, damit es sich nicht wieder zersetzt (in Umkehrung der Bildungsreaktion).
Auf diese Weise wurde es erstmals durch den Apotheker Valentin Rose den Jüngeren 1801 in Berlin dargestellt.
Im Solvay-Verfahren als Zwischenprodukt ausfallendes Natriumhydrogencarbonat wird wegen der mitgefällten Verunreinigungen (hauptsächlich Ammoniumchlorid) normalerweise nicht verwendet.
Natriumhydrogencarbonat ist ein farbloser, kristalliner Feststoff, der sich oberhalb einer Temperatur von 100°C unter Abspaltung von Wasser und Kohlenstoffdioxid zu Natriumcarbonat zersetzt, wobei die Reaktion ab einer Temperatur von 120°C rasch verläuft.[5][6] Andere Quellen geben abhängig von Korngröße und Reaktionsbedingungen auch Werte von 65°C[14] oder etwa 85°C[15][16] an.
An feuchter Luft erfolgt eine langsame Abspaltung von Kohlenstoffdioxid unter Bildung von Natriumsesquicarbonat.[14]
In Wasser löst es sich – im Gegensatz zu Natriumcarbonat – mit nur schwach alkalischer Reaktion.[17]
Natriumhydrogencarbonat kristallisiertmonoklin in der RaumgruppeP21/c(Raumgruppen-Nr. 14)Vorlage:Raumgruppe/14 mit den Gitterparameterna = 3,51Å, b = 9,71Å, c = 8,05Å und β = 111°51′.[18] Die Verbindung bildet Mischkristalle mit Natriumcarbonat.[17]
Natriumhydrogencarbonat wird hauptsächlich zur Herstellung von Backpulver und Brausepulver verwendet. Die weltweite Produktionsmenge liegt im 100.000-Tonnen-Bereich.[17]
Die Verbindung findet allgemein vielfältige Anwendung:
als Mittel gegen Sodbrennen wegen der Neutralisationswirkung unter Bildung von ungiftigen Reaktionsprodukten (CO2 und Wasser); gilt heute als veraltet[20][21] (siehe Antazidum, Protonenpumpenhemmer). NaHCO3 ist dennoch in vielen Produkten gegen Sodbrennen und säurebedingte Magenprobleme enthalten. Beispielsweise besteht Bullrich-Salz (Delta-Pronatura-Gruppe) zu 100% aus Natriumhydrogencarbonat.[17]
als Puffersubstanz zum Ausgleich des Basendefizites bei der Hämodialyse (Azidosekorrektur). Bei der sogenannten Bicarbonatdialyse ist Natriumhydrogencarbonat der wohl wichtigste Bestandteil des Dialysats. Im Gegensatz zu Acetat oder Lactat muss NaHCO3 nicht erst verstoffwechselt werden, um seine Wirkung zu entfalten. Weltweit ist es wegen seiner Vorteile für das Herz-Kreislaufsystem die am häufigsten eingesetzte Puffersubstanz bei der Hämodialyse. Außerdem kommt es bei diesem Verfahren seltener zu Blutdruckabfällen, Übelkeit und Krämpfen.[24][25]
als Putzmittel, beispielsweise werden Fliesenfugen oder Sportschuhe aufgehellt, indem es mit Wasser gemischt und eingebürstet wird.[34]
Zum Entfernen angebrannter und verkrusteter Speisereste. Der Effekt beruht teilweise auf der Verseifung fetthaltiger Nahrungsmittelreste.[35] Wirksamer (und aggressiver bei Kontakt mit Haut und Schleimhäuten) ist jedoch das stärker alkalisch reagierende (Wasch-)Soda (Natriumkarbonat).[36]
Eine Prise Natron im Kochwasser lässt Erbsen, Linsen und Bohnen schneller weich werden und nimmt verschiedenen Kohlsorten die blähende Wirkung.[35]
Als Mittel gegen Ameisen und Kakerlaken: Streut man Natron in die Löcher des Ameisenbaus und auf die Ameisenwege, nehmen die Ameisen das Natron auf und tragen es mit in ihren Bau. Natron ändert den pH-Wert im Körper der Ameisen, was zum Tode führt (Waldameisen stehen unter Naturschutz).[37]
Überschüssige Säure in Lebensmitteln wird durch Natron neutralisiert oder abgeschwächt.[4] Dies ist etwa bei der Zubereitung von Konfitüren aus sauren Früchten wie Sanddorn oder Rhabarber von Bedeutung, da diese so einen milderen Geschmack erhalten und weniger Zucker verwendet werden muss. Auch zu einer Speise übermäßig zugesetzter Essig oder Zitronensaft kann durch Natron neutralisiert werden.[38]
zur Erhöhung der Pufferkapazität zur Verhinderung eines Säuresturzes
zur Regulierung des KH-Wertes, z.B. in der Meerwasseraquaristik,[39] oder zur Regulierung der Alkalität in Swimmingpools (sogenannte Alka-Plus-Produkte bestehen aus Natriumhydrogencarbonat)
Zum Lösen von Uran in Gesteinsformationen beim In-situ-leaching-Verfahren (ISL-V.)[41][42]
Mit Säuren reagiert es schäumend unter Bildung von Kohlenstoffdioxid und Wasser.
Die Möglichkeit, Säuren durch HCO3− zu neutralisieren, ist lebenswichtig.
Im Magen muss aufgrund der dort aktiven Enzyme ein saures Milieu herrschen, dies geschieht durch Produktion von Chlorwasserstoff (HCl), woraus sich zusammen mit Wasser der Magensaft (ca. 0,5-prozentige Salzsäure) bildet, dessen pH-Wert (nüchtern) bis auf 1–1,5 sinken kann. Die Epithelzellen der Magenwand, die bei einem so niedrigen pH-Wert sofort zugrunde gehen würden, schützen sich selbst durch Abgabe von mit HCO3− versetztem Schleim.[43] Dringen H+-Ionen der Salzsäure in die Schleimschicht ein, so werden sie zu CO2 und Wasser neutralisiert. Das CO2 entweicht zumeist durch die Speiseröhre.
Im Dünndarm wird wiederum eine alkalische Umgebung benötigt, da hier andere Enzyme die Spaltung der Nährstoffe übernehmen. Die Änderung des pH-Wertes erfolgt im Zwölffingerdarm (Duodenum) durch Einspeisung des Sekretes der Bauchspeicheldrüse, welches unter anderem ebenfalls– wie der im Magen abgegebene Schleim– HCO3− enthält. Eine eingeschränkte Abgabe von HCO3− durch das Pankreas (exokrine Pankreasinsuffizienz) bedingt eine Übersäuerung des Duodenums und damit ein unphysiologisches Milieu für Verdauungsenzyme.
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